Öl und Treibstoffe in Hitlers Krieg

Aber wie viele Flugstunden z. b. 1943 hatte ein US-Pilot, wieviele ein britischer und wieviele ein deutscher bis man ihn zum Sterben schickte?

Das Ausbildungsproblem der Luftwaffe - im Kriegesverlauf auch durch das Treibstoffproblem beeinflußt - bestand von Anfang an: DRZW Band 5/1, S. 717:
Von Mitte Mai 1939 bis Kriegsbeginn starben 281 Luftwaffenangehörige bei Flugunfällen, 287 z.T. schwer Verletzte. Die Relation dieser Zahlen zur Einsatzstärke ist beachtlich: Am 1.9.1939 verfügte die Luftwaffe über 3.072 Besatzungen in 276 Staffeln. Die Ausfälle machen deutlich, dass eine überhastete Ausbildung vorgenommen wurde und die Besatzungen ihre Flugzeugmuster nicht vollständig beherrschten. Dazu besaßen aufgrund des Elitebewußtseins viele Flugzeugführer keine Disziplin im Flugverkehr (Völker, Die deutsche Luftwaffe 1933-39).

Ein Einzelproblem im Treibstoffengpass:
Bei den Analysen 1943 zur Luftabwehrlage (erste amerikanische Tagesangriffe) wurden die miserablen Fähigkeiten der Jagdwaffe zu Blind- und Schlechtwetterflugfähigkeiten gerügt. Die Jägerausbildung hatte seit 1939 hinter der Bomberausbildung zurückgestanden und galt als "hühnerbrüstig". Die Schlechtwetterausbildung und Instrumentenflugausbildung wurde dann im Sommer 1943 wieder aufgenommen, durch Treibstoffengpässe aber stark behindert. Um den Output an Piloten (mit immer stärker steigenden Zahlen) nicht zu gefährden, wurde das wieder eingeschränkt. Daneben war ein Problem die Ausstattung der zahlreichen Flugplätze in Deutschland mit Treibstoff, ein dichtes Netz verhinderte hier eine Konzentration und strapazierte zusätzlich die Ressourcen.
DRZW, Band 7, S. 143.

Statistik zur deutschen Treibstoffindustrie, Importe, Produktion etc:

Strategic Air Attack on the German oil Industry, aus:
The U.S. Strategic Bombing Survey: European Theater of Operations
Second Edition January 1947

http://orbat.com/site/sturmvogel/ussbsoil.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Ausgangspunkt ist das hier:
http://www.geschichtsforum.de/661228-post30.html
(Zur Frage der Luftoffensiven gegen die deutsche Treibstoffindustrie)

In den Darstellungen m Luftkrieg wird diese Thematik häufig grob verzerrt, oder sehr selektiv vorgebracht. Häufig finden sich Prozent-Verteilungen zur abgeworfenen Bombentonnage, und es wird aus den bekannten Saistiken mit einmal 1%-Wert argumentiert. Warum haben also die Alliierten diese "Achillesferse" nicht früher angegriffen?

Dazu einige Bermerkungen:

1. in den Jahren 1940/41 fand eine erste "Treibstoffoffensive" der RAF mit Nachtangriffen statt. Diese endete mit zunächst völlig überschätzten Ergebnissen, die dann mit Aufklärung des Fortgangs der deutschen Versorgung in Ernüchterung endeten.

2. es gab Zielkonkurrenz, und Zieldebatten 1943/44, deren Endergebnis erst die 2. Treibstoffoffensive ab Mai 1944 darstellt. Dieser Aspekt kommt in den Nachkriegsdiskussionen völlig unter die Räder: die "übermächtig" und fast grenzenlos erscheinende alliierte Luftkapazität war in der Praxis begrenzt und stand in der Verteilungsdiskussion über die Vielzahl von Zielen und Kampagnen. Dazu kam, dass der ähnliche "Schlüsselindustrie"-Ansatz mit der Kugellager-Fertigung, der kriegsentscheidende Wirkung beigemessen wurde, im Fehlschlag endete.

3. als effektiv wurden nur Tagesangriffe angesehen. Die Enttäuschungen über die Fehlschläge der US-Luftwaffe in 1943 (zB Schweinfurt, inkl. großer Verluste) und die noch starke deutsche Luftabwehr führten in den Alliierten Stäben zu dem Konsenz, erst die Jagdabwehr ausschalten zu müssen. Abei ist zu berücksichtigen, dass die Industriebombardierungen nach den Luftaufklärungen nachhaltig und permanent erfolgen müssten, um einen starken Effekt zu erzielen: nachhaltige Produktionsabsenkungen. Für die Tagesangriffe mussten dafür die Voraussetzungen geschaffen werden. Ebenso wurde die Kombination mit einer "Transportoffensive" gesehen (gegen Bahnlinien, Brücken etc.).

4. nach den Problemen in 1943 wurde gezielt die deutsche Jägerproduktion und die Jagdwaffe ins Visier genommen: Januar-März 1944, mit dem Höhepunkt der "Big Week". Hierbei wurden Verluste der Jagdwaffe in der Reichsverteidigung von 3600 Maschinen, bei weiteren 1500 Beschädigungen, analysiert. Dazu wurden die Fertigungskapazitäten und Flugplätze getroffen. Die Schaffung dieser Basis für weitere (nachhaltige, Tages-)Angriffe gegen die Industrie und die Transportlogistik war Ergebnis der Planungsprozesse in den Alliierten Stäben, und ist von der Vorgehensweise völlig plausibel. Die "Treibstoffoffensive" wurde unmittelbar "angehängt", in Kombination mit den monatelangen Angriffen in Westeuropa zur direkten Vorbereitung der Invasion.

5. das Grundproblem der Aufspaltung der Alliierten "Tages-Angriffskapazitäten" bestand unverändert: neben dem Angriff auf die deutsche Jagdwaffe Anfang 1944 stand die "Transportoffensive" zur Vorbereitung der Invasion in der Normandie, plus die Bekämpfung der U-Boot-Waffe, Logistik und Depots in Frankreich sowie Verkehrswege in Italien.

6. der 1%-Vergleich bis Anfang 1944 ist vor diesem Hintergrund der Zielverteilung in keiner Weise aussagefähig, er führt vielmehr zu solchen Fehlschlüssen wie oben. Ursprünglich stammt der aus der alliierten Kontroverse um die wirksamste Zielverteilung. Spaatz hatte hierbei schlechte Karten, weil seine ersten Zielschwerpunkte (Transportoffensiven gegen Frankreich und Italien) ebenfalls per Saldo als Fehlschläge gewertet wurden, und er nun die "Treibstofffrage" an diese "Erfolglosigkeiten" als zentral angehängt hatte.

7. ein Schlüssel für die Punktangriffe war die Aufklärungskapazität vor und nach dem Angriff, sowie die Punkt-Zielerfassungssysteme. Hier wurden an Höhen-Fernaufklärern (Tag- und Nachtkameras etc.) die notwendigen Ressourcen erst bis 1943 geschaffen. Es erwies sich anhand von konkreten Auswertungsergebnissen und Vergleichsangriffen auch, dass die schwereren Bomben der RAF in sequentieller Folge größere Punkt-Schäden in Industrieanlagen bewirken als die "Box-Anflüge" der USAAF.

An den Punkten ist bereits erkennbar, dass es sich um sehr komplexe Vorgänge handelt, die mit einfachen "hätte-, könnte-, müsste-Erklärungen" aus dem Nchkriegswissen nicht zu erschließen sind.

8. Das "Reichweitenproblem"

Die amerikanische Punktziel-Tätigkeit erreichte am 14.10.1943 einen ersten Höhepunkt. Mit dem zweiten Angriff auf Kugellager-Werke Schweinfurt sollte eine Schlüsselindustrie für die deutsche Rüstung ausgeschaltet werden. Die Punktziel-Angriffe waren Gegenstand heftiger Diskussionen zwischen britischer RAF und amerikanischer USAAF, wobei auch eine rhetorische Komponente in diesem Streit zu berücksichtigen ist.

Der Angriff wurde ein Fehlschlag mit weitreichenden Konsequenzen. Von 291 eingesetzten schweren Bombern der USAAF gingen 60 verloren, 17 wurden schwer beschädigt, 121 fielen in kurzfristigen Reperaturen aus. Damit waren kurzfristig 70% der Angriffskapazität ausgefallen, während ein Effekt auf die Rüstung nicht beobachtet werden konnte. Die Verluste wurden in diesen Quoten als untragbar für weitere Angriffe eingeschätzt.

Punktziel-Tagesangriffe in großen Entfernungen (deep-penetration missions) gegen Schlüsselbereiche bzw. -industrien wurden daraufhin storniert, bis ein Langstrecken-Jagdschutz" aufgebaut werden konnte.

Dies sollte die P-51 (Mustang) mit Zusatztanks leisten, die ab März 1944 zum Einsatz kam. Der frühere Verwendungszeitpunkt Jan.44 betrifft die P-51 ohne Zusatztanks, die nur knapp an der Reichweitengrenze die Linie Halle-Stuttgart abdeckte, und außerdem auf die Schlechtwetterphase im Winter traf, während ab März 1944 der Außenkreis Frankfurt/Oder-Prag erreicht wurde (ab Newmarket/England). Das "Reichweitenproblem" wurde schließlich mit der Forderung kombiniert, zunächst die deutsche Jagdverteidigung erheblich abzunutzen und auszuschalten.

Quellen:
Zaloga, Operation Pointblank.
Biddle, Rhetoric and Reality in Air Warfare
Clodfelter, Beneficial Bombing - Progressive Foundations of American Airpower 1919-1945
Murray, Strategy for Defeat - The Luftwaffe 1933-1945


Berücksichtigt man diesen Verlauf, ergibt sich keine zeitliche Erklärungslücke der Angriffe gegen Punktziele, insbesondere gegen die Treibstoffindustrie.
 
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Eine neue Publikation zur den militärwirtschaftlichen Auswirkungen des Hitler-Stalin-Paktes:

https://www.ceeol.com/search/article-detail?id=416465


Interessant ist dabei auch die Lieferung von kritischem japanischen Material, wie zur deutschen Wolfram-Versorgung 1939/Anfang 1941, das - dazu war bislang wenig zu lesen - neben weiteren Rohstoffmengen über das russische Bahnnetz lief.

Japan hatte über die Eroberungen in China Zugriff auf einige wenige Rohstoffarten, die wiederum für das Deutsche Reich nach Kriegsausbruch kaum anderweitig zu beschaffen waren.
 
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