Oktav?!

El Quijote

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Die Tregua Dei - also das Verbot der Fehdeführung - galt in Katalonien laut den dortigen Synoden des ausgehenden 11. Jhdts. vom 1. Advent bis Epiphanie (= Dreikönige) und von Septuagesimae (70 Tage vor dem Sonntag nach Ostern, also zwischen dem 18. Januar und dem 21. Februar [vorbehaltlich Rechenfehler]) bis zur Pfingsoktav, außerdem während der drei Marienfeste, der Heiligenfeste von Laurentius (10. August), Michael (29. September), der Kreuzauffindung (6./7. Mai) und -erhöhung (14. September), Allerheiligen (1. November) sowie lokaler Patronate.

Was ich nicht so recht verstehe ist, was mit Pfingstoktav gemeint ist: Pfingstmontag oder der darauf folgende Montag?
 
Ich denke der zweite Montag nach Pfingstsonntag, eben der achte Tag (Oktav) nach dem Hochfest. Oder?
Da würde sich die Frage stellen, ob inklusive (wie in der Antike) oder exklusiv gezählt wurde. Mir ist in mittelalterlichen Texten schon beides untergekommen. Ersterenfalls wäre es der Sonntag nach dem Pfingstsonntag.
 
Das uralte Standardwerk "Das Kirchenjahr" von Guéranger, Bd. 9 (2. Aufl. v. 1899) bietet dazu folgende Infos:

Die Pfingstoktav begann am Samstagabend vor Pfingsten und endete am darauffolgenden Samstag (S. 232f):

Wir haben gesehen, daß es [das Pfingstfest] im Alterthume mit dem Osterfeste die Ehre gemeinsam hatte, die Katechumenen zur heiligen Quelle hin- und als Wiedergeborene zurückzuführen. Seine Octave geht denn auch aus demselben Grunde, wie beim Osterfeste, nicht über den Samstag hinaus. Die Taufe wurde bereits in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag gespendet, und für die Neophyten begann demnach das Pfingstfest schon am Samstag. Wie auf Ostern bekleideten sie sich mit weißen Gewändern, die sie am folgenden Samstag ablegten. Dieser Samstag galt denn als der achte Tag.
An dieser Stelle ist jetzt zwar nur vom "Alterthume" die Rede, aber aus dem Band insgesamt wird deutlich, dass der auf Pfingsten folgende Samstag, bis 1899 und sehr wahrscheinlich bis heute als der letzte Tag der Pfingstoktav gefeiert wurde/wird. Das dürfte dann für das 11. Jh. wohl auch gegolten haben.
 
Was den Beginn angeht, kann ich zustimmen. aber beim Ende nicht so gern.

Nach antiker Vosrstellung endete der Tag mit dem Sonnenuntergang und die Nacht zählte schon zum nächsten Tag. Deshalb beginnt Weihnachten auch mit Heligabend bzw. der Heiligen Nacht. * Der Oktavtag von Ostern ist der Weiße Sonntag; bei Pfingsten ist das nicht anders, also der folgende Sonntag. Sonst wäre es auch keine Oktav.

*auch der Sabbat beginnt am Freitagabend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach antiker Vorstellung endete der Tag mit dem Sonnenuntergang und die Nacht zählte schon zum nächsten Tag.

Wobei in den katalanischen Tregua Dei-Dokumenten des 11. Jahrhunderts auch vom Sonnenaufgang die Rede ist. Die Fehdeverbot besteht von Mittwoch, Sonnenuntergang bis Montag, Sonnenaufgang. Sprich Montag, Dienstag und Mittwoch darf unter Einhaltung bestimmter Regeln, wie etwa, dass man Bauernhäuser nicht anzünden und Rinder und Schafe nicht wegtreiben darf, Fehde geführt werden. Es sei denn, man befindet sich eben in der Advents- und Weihnachtszeit oder eben in der Osterzeit unter Einschluss von Pfingsten und der Pfingsoktav und der erweiterten Fastenzeit (ab Septuagesimae) oder es findet eines der genannten Hoch- und Heiligenfeste statt.
 
Nach antiker Vosrstellung endete der Tag mit dem Sonnenuntergang und die Nacht zählte schon zum nächsten Tag. Deshalb beginnt Weihnachten auch mit Heligabend bzw. der Heiligen Nacht.* Der Oktavtag von Ostern ist der Weiße Sonntag; bei Pfingsten ist das nicht anders, also der folgende Sonntag. Sonst wäre es auch keine Oktav.

*auch der Sabbat beginnt am Freitagabend.
Die Juden (und freilich auch anderen orientalische Völker) rechneten (und rechnen) den Tag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang. Die Römer aber rechneten von Mitternacht zu Mitternacht. Nun hat die abendländische Kirche beides irgendwie rezipiert. Mir ist es zumindest nicht anders bekannt, als dass die Kirche die Kalendertage von Mitternacht zu Mitternacht rechnet. Andererseits hat man mit den Festen, die man aus dem Judentum übernommen hat, auch den Brauch des Festbeginns am Abend des vorherigen Tages übernommen.
Das scheint mir der Grund dafür zu sein, dass man einerseits Pfingsten mit der Pfingstvigil am Samstag begann - nach dem Brauch der Juden -, andererseits aber dann den Samstag rein rechnerisch zur offiziellen Pfingstoktav zählte – nach dem Brauch der Römer. Das wäre dann die Inklusivzählung der Tage: Der Teil des Samstags (also der ab der Pfingstvigil) wurde als ganzer Tag der Pfingstoktav gerechnet (plus die sieben Tage von So.-Sa einschließlich macht 8 Tage).

So zumindest erkläre ich mir das. Denn der von mir oben zitierte Guéranger hält sich mit seiner Aussage offensichtlich tatsächlich an die offiziellen Bestimmungen zur Liturgie:

Anders als ich oben vermutet habe, wurde die Pfingstoktav vom Zweiten Vatikan. Konzil abgeschafft (um Pfingsten wieder mehr als glorreichen Abschluss der Osterzeit begreiflich zu machen). Davor aber finde ich folgende offizielle liturgische Festlegungen zur Sache:


Missale Romanum (1960) (http://sun.aei.polsl.pl/~ksim/docs/Rubricae.pdf), Rubricae generales 76c:
octavam Pentecostes, quæ decurrit a Missa vigiliæ Pentecostes usque ad Nonam inclusive sabbati sequentis.

Die Pfingstoktav, die von der Messe der Pfingstvigil bis zur Non des folgenden Samstags geht.

Vgl. ferner auch ebd. 493 (S. 85 i. d. verlinkten PDF):
Prafatio de Spiritu Sane to dicitur:
(a) tamquam propria in Missis de Tempore a Vigilia Pentecostes usque ad subsequens sabbatum; et in Missis festivis et votivis de Spiritu Sancto

Und siehe auch Missale Romanum, Propria 9.6.2-9.7.2 (S. 160f i. d. verlinkten PDF):

9.6.2 [...] Praefatio de Spiritu Sancto, quae dicitur tamquam propria in Missis de Tempore a vigilia Pentecostes usque ad subsequens sabbatum inclusive
[…]
9.6.3 Octava Pentecostes
Dominica Pentecostes (I classis cum octava I classis)
Sequentia dicitur cotidie usque ad sequens sabbatum inclusive.
Hodie et per octavam dicitur ‘Credo’
[...]
9.7.2 Missa dominicae primae post Pentecosten
Haec Missa dicenda est diebus ferialibus huius hebdomadae.
Non dicitur ‘Gloria in excelsis’.
Non dicitur ‘Credo’.

Wenn ich es richtig verstehe, geht auch hieraus hervor, dass man durch die gesamte Pfingstoktav hindurch bis einschließlich Samstag i. d. Messe das Credo sprach, man aber am ersten Sonntag nach Pfingsten (an Trinitatis) das Credo nicht sprach, weil dieser Sonntag liturgisch-offiziell offensichtlich nicht mehr zur Pfingstoktav gerechnet wurde.

Ansonsten findet man im Netz tatsächlich überall die Meinung, dass der Trinitatis-Sonntag der Oktavtag der Pfingstoktav war. Ist vielleicht auch eher das landläufige Verständnis. Und das mit dem Samstag als letztem Tag der Pfingstoktav mag auch Haarspalterei sein. Letztlich stimme ich Dir zu, dass in El Quijotes Quelle sehr wahrscheinlich ein Fehdeverbot bis zum ersten Sonntag nach Pfingsten gemeint sein wird (also einschließlich des Sonntags).
 
Fehdeverbot besteht von Mittwoch, Sonnenuntergang bis Montag, Sonnenaufgang. Sprich Montag, Dienstag und Mittwoch darf unter Einhaltung bestimmter Regeln, wie etwa, dass man Bauernhäuser nicht anzünden und Rinder und Schafe nicht wegtreiben darf, Fehde geführt werden. Es sei denn, man befindet sich eben in der Advents- und Weihnachtszeit oder eben in der Osterzeit unter Einschluss von Pfingsten und der Pfingsoktav und der erweiterten Fastenzeit (ab Septuagesimae) oder es findet eines der genannten Hoch- und Heiligenfeste statt.

Hast Du zufällig mal ausgerechnet, an wie vielen Tagen im Jahr das Fehde-Führen dann überhaupt noch erlaubt war (also angenommen Ostern fiele in die Mitte der Ostergrenzen)? Wäre mal interessant.

Edit:
Und noch was, weil ich die Materie nicht kenne: Geht es in den Dokumenten um bäuerliche Fehden (oder waren solche sowieso undenkbar) oder um Fehden zwischen adeligen Großgrundbesitzern?
 
Zuletzt bearbeitet:
Bäuerliche Fehden waren zu dieser Zeit eigentlich undenkbar. Wenn Du die ca. 5 Wochen der Advents- und Weihnachtszeit nimmst, dann die 17 Wochen von Septuagesimae bis zum Pfingstoktav, hast du schon mal 22 Wochen im Jahr absolutes Fehdeverbot. Bleiben noch 30 Wochen, in denen du jeweils 3 Tage Fehde führen darfst, also 90 Tage abzüglich der Hochfeste und Lokalheiligen, die auf die theoretisch erlaubten Fehdetage Montag, Dienstag, Mittwoch fallen. Wenn die Adventszeit mal länger dauert, weil der 1. Advent sehr früh fällt, natürlich entsprechend weniger.
 
Danke für die Erklärungen!
Die Reduzierung auf knapp 90 Tage im Jahr war ja toll; da hieß es wohl das restliche dreiviertel Jahr über zwangsweise: :scheinheilig: und :kuscheln:
 
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