Otto I.

Die Herkunft der Kaiser war damals nach 800 sehr unterschiedlich (mal ost- dann westfränkisches Reich etc) und Otto der Große hat dafür gesorgt, dass nur noch Ostfränkische zum Kaiser werden durften. Ist das so ungefähr richtig?

Also, das Frankenreich hatte sein Zentrum zunächst in Belgien und Nordwestfrankreich und dehnte sich dann immer weiter über Gallien und seit den Karolingern auch über Germanien aus, nahm zeitweise auch Teile Spaniens und Italiens in Besitz. Dieses Gebiet wurde unter den Söhnen der Herrscher aufgeteilt (843, 855, 870) und wieder zusammengeführt und wieder aufgeteilt. Deshalb enstand ein westfränkisches und ein ostfränkisches Reich, zeitweilig auch ein "Mittelreich". Loth(a)ringen hieß dieses Gebiet, dass sich von Italien bis zur Nordsee erstreckte, nach dem Enkel von Karl, (C)Lothar.
Langer Rede kurzer Sinn: Westfränkisches und ostfränkisches Reich sind zwei Reiche gewesen die von der Familie der Karolinger regiert wurden. Das westfränkische Reich war der Kern Frankreichs, das ostfränkische Reich war der Kern Deutschlands. Zwischen diesen beiden Reichen wechselte zunächst die Kaiserkrone, allerdings ging mit dem Niedergang der Karolinger die Herrschaft über den italienischen Teil verloren und damit der Zugriff auf Rom, der für die Kaiserkrone (Kaiser als Schutzmacht des Papstes) wichtig war. Otto konnte die Herrschaft des ostfränkischen Reiches über Italien wiederherstellen.
 
Zwischen diesen beiden Reichen wechselte zunächst die Kaiserkrone, allerdings ging mit dem Niedergang der Karolinger die Herrschaft über den italienischen Teil verloren und damit der Zugriff auf Rom, der für die Kaiserkrone (Kaiser als Schutzmacht des Papstes) wichtig war. Otto konnte die Herrschaft des ostfränkischen Reiches über Italien wiederherstellen.

Ach, so war das. Mir war gar nicht so recht klar, dass ein Kaiser sozusagen "übernationale" Kräfte hatte. Ich hatte irgendwie immer den Glauben, dass jedes Reich seinen eigenen Kaiser hat.
Danke für die Hilfe. Das hat mir sehr weitergeholfen :)

So ungefähr.
Das hier ist nun schon ein ziemlich alter Pfad. Inzwischen gab es zu diesem Thema schon woanders weitere Diskussionen. Lies mal hier, so ab #40: http://www.geschichtsforum.de/f44/f...und-zur-deutschen-identit-t-23399/index2.html
:winke:

Auch dir ein Dankeschön. Ich bin dann mal lesen :D Aber #40 war schon mal sehr hilfreich :)
 
Ja theoretisch sollte es für das Ost- und Westfränkische Reich EINEN Kaiser geben, der Herrschaftsansprüche über beide Reiche hat.
Nur kamen bei weitem die meisten Kaiser aus dem Ostfränkischen Reich (Deutsche) und hatten dann auch nur noch mehr oder weniger im HRR(der Zusatz Deutscher Nation kam ja auch nicht von ungefähr) was zu sagen und seit Napoleon gab es sogar mehrere.
 
Nur kamen bei weitem die meisten Kaiser aus dem Ostfränkischen Reich (Deutsche) und hatten dann auch nur noch mehr oder weniger im HRR(der Zusatz Deutscher Nation kam ja auch nicht von ungefähr) was zu sagen und seit Napoleon gab es sogar mehrere.

Seit 1806 gab es dass HRR nicht mehr. Die Hohenzollernkaiser haben mit dem HRR nichts mehr zu tun. Was natürlich nichts daran ändert, dass die Habsburger den Kaisertitel behielten. Allerdings war das nicht mehr der Kaiser des HRR sondern der Kaiser von Österreich.
 
Ja aber halt Kaiser. Der Kaiser des HRRDN gab es nicht mehr, aber Österreich behielt den Kaisertitel, wenn auch nur für Österreich. Frankreich hatte dann einen eigenen Kaiser und ab 1871 auch das Deutsche Reich.

Nicht zu vergessen der Zar von Russland, kurzzeitig den Kaiser von Mexiko, etc...

Schon doll, da es eigentlich auf der Welt nur EINEN Kaiser geben soll, derüber alle Herrscht. Genau das sollte der Titel auch ausdrücken. Die Realität sah freillich ganz anders aus.
 
Es ist übrigens auch für diese Betrachtung äußerst wichtig, daß es eben nicht erst seit Napoleon mehrere Kaiser gab, wenn wir uns den gesamten Zusammenhang vor Augen halten.

Wir sprechen hier vom Kaisertitel römischer Tradition; deswegen ja auch gewöhnlich die Bezeichnung römisch-deutscher Kaiser für den Herrscher des Heiligen Römischen Reiches (der Zusatz Deutscher Nation ist ja zudem relativ jung, da aus dem ausgehenden (Spät-)Mittelalter [15.Jh.; erstmals etwa um 1450]).

Diese Kaisertradition brachte bereits in der Spätantike - also vereinfacht gesagt noch zu Zeiten des "alten" Imperium Romanum - mehrere Kaiser mit eigenen Herrschaftsbereichen zur gleichen Zeit hervor (Stichwort Tetrarchie). Die direkte Fortführung im oströmischen Reichsteil war ununterbrochen und bestand mit dem byzantinischen Kaiser (seit 629 mit dem Titel Basileos anstatt Augustus Imperator) bis 1453, als dessen Erbe sich nach 1453 die russischen Großfürsten verstanden und sich ab 1547 (Iwan IV.) folgerichtig Zar nannten.
Die weströmische Kaisertradition war hingegen ab 476 abgebrochen und wurde danach zunächst universell nach byzantinischem Verständnis des Kaisertums (Justinian I. konnte dies kurzzeitig sogar einigermaßen realisieren) integriert, schließlich jedoch eigenständig durch die Karolinger unter Karl d. Gr. wiederhergestellt. Fortan existierten also wieder ein ost- und weströmisches Kaisertum nebeneinander (und beide erhoben den alten traditionellen römischen Universalanspruch!); wenngleich auch die fränkischen Herrscher - egal, ob nun West- oder Ostfranken - ihren diesbezüglich Anspruch gegenüber Byzanz stets durchsetzen mußten. Dies galt dann auch für Otto I., der seinerseits die Tradition des weströmischen Kaisertums an das ostfränkische Königtum band.
 
Ja aber halt Kaiser. Der Kaiser des HRRDN gab es nicht mehr, aber Österreich behielt den Kaisertitel, wenn auch nur für Österreich.
Es war sogar ein völlig neues Kaisertum, das die Habsburger 1804 für Österreich schufen. d.h. für zwei Jahre existierte das HRRDN und das Kaisertum Österreich nebeneinander - beide unter dem selben Habsburger.
Frankreich hatte dann einen eigenen Kaiser und ab 1871 auch das Deutsche Reich.
Nicht zu vergessen der Zar von Russland, kurzzeitig den Kaiser von Mexiko, etc...
Napoleon I. nannte sich aber "Kaiser der Franzosen" und krönte sich selbst.
Ähnlich war es in Deutschland 1871, wo der Titel "Deutscher Kaiser" lautete und wo auf eine Krönungszeremonie ganz verzichtet wurde - Wilhelm I. wurde nur zum Kaiser ausgerufen und das noch nicht einmal auf deutschem Boden.
Alle diese Kaisertümer dürfte jedoch keinen universellen Machtanspruch über alle Christen mehr gehabt haben. Vielmehr gab es in dieser Zeit, wie du selbst festgestellt hast, eine wahre Inflation an Kaiserreichen, die alle gleichberechtigt nebeneinander existierten.

Übrigens, ein ebenfalls noch im 19. Jh. entstandenes Kaiserreich war Äthiopien (1855-1974) und es gab noch mehr. ;)
 
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