Parallelen Edda-Rotkäppchen

Wulfenkrieger

Mitglied
Hey an alle! :winke:

Beim letzten Durchlesen der Edda fiel mir etwas auf, als ich das Thrym-Lied / des Hammers Heimholung las.
Einen kurzen Überblick für alle, die nicht wissen um was es in diesem Lied geht: Thor bemerkt dass ihm sein Hammer gestohlen wurde und erfährt alsbald durch Loki, dass der Riese Thrym ihn gestohlen hat und ihn erst wieder freigibt, wenn er Freya zur Frau bekäme.Eine Zusammenkunft der Asen beschliesst, dass Thor sihc als Frau verkleidet auf das Hochzeitsfest des Thrym begeben soll und sich in dem Moment der Hammerübergabe rächen soll, was schliesslich auch so geschieht.
Hier die Auffälligkeit:
Situation: Der verkleidete Thor sitzt zusammen mit dem als Magd verkleidetem Loki am Hochzeitsbankett mit dem Riesen Thyr

Thor aß einen Ochsen, acht Lachse dazu,
Alle süße Geschleck, den Frauen bestimmt,
und drei kufen met trank Sifs Gemahl.

Anhob da Thrym der Thursenfürst:
"Wer sah je Bräute gieriger schlingen?
Nie sah ich Bräute so gierig schlingen,
nie mehr des Mets ein Mädchen trinken."

Da saß zur Seite die schmucke Magd,
bereit dem Riesen Rede zu stehn:
"Nichts genoß Freya acht Nächte lang
so sehr nach Riesenheim sehnte sie sich"

Kußlüstern lüftete das Linnen der Riese
Doch weit wie der Saal schreckt er zurück
"wie furchtbar flammen der Freya die Augen
mich dünkt es brenne ihr BLick wie glut."

Da saß zur Seite die schmucke Magd,
bereit dem Riesen Rede zu stehn:
Acht Nächte nicht genoß sie des Schlafes,
So sehr nach Riesenheim sehnte sie sich."

Vielleicht habt ihr die Parallelen zum Rotkäppchenmärchen erkannt, in dem das rotkäppchen dem als Großmutter verkleidetem Wolf 3 Fragen stellt, weil sie sich über ihr äußeres wundert.
Was haltet ihr von den ganzen Parallelen?:fs:
MfG

PS: YAA 100. beitrag :friends: :yes:
 
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Wulfenkrieger schrieb:
Was haltet ihr von den ganzen Parallelen?

Eigentlich haben die Grimms (trotz der penetranten political correctness, mit der sie die Quellen "gereinigt" haben) nichts andere getan als Snorri Sturlson mit der Edda, nämlich mündliche Zeugnisse aus einer vergangenen Epoche gesammelt.

Auch ich habe mir die Frage gestellt, wie alt Grimms Märchen wohl sein mögen. Es ist offensichtlich, dass sie in die vorchristlichen Zeit zurückreichen. Die Germanische Mythologie mit Elfen, Hexen und Zwergen spiegelt sich dort wieder. Auch den "tiefen finsteren Wald" mit seinen kinderfressenden Raubtieren hat es zur Zeit der Christianisierung schon nicht mehr gegeben.

Offenbar können sich historische Informationen durch mündliche Überlieferungen tausende von Jahren halten.

An anderer Stelle http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=137778&postcount=5 habe ich die Frage aufgeworfen, ob das Einhorn im Märchen nicht sogar das vor 11000 Jahren ausgestorbene Wollnashorn sein könnte.
 
Wulfenkrieger schrieb:
was meinst du mit literarische topoi?

Immer wieder auftauchende Formulierungen, die in der Literatur (aber auch in historischen Quellen) für eine bestimmte Situation stehen. Atlantis z.B. ist ein topos oder die böse Stiefmutter im Märchen.
 
ah stimmt das kann natürlcih sein, aber es ist schon sehr faszinierend, solche parallelen zu finden und ihnen nachzugehen :fs: :D
 
Ich las auch mal ein ceylonisches Märchen über einen Affen, der seinem Herren helfen wollte und sich gegenüber einem Radscha ständig als Diener eine Prinzen ausgab. Am Ende verschafte er seinem Herren einen durch ihn geleerten Riesenpalast und die Tochter des Radschas. Das waren vielleciht deutliche Parallelen zum gestiefelten Kater.
Ein ähnliches Fragenmotiv ist doch auch im Erlkönig. Wennglecih nciht so Rotkäppchenähnlich.
 
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Klaus schrieb:
Die Germanische Mythologie mit Elfen, Hexen und Zwergen

Ähm ... hast Du bitte mal eine Quelle für Elfen in der Germanischen Mythologie??? Danke ...

Zu den Märchentopoi siehe: "The Types of the Folktale" von Antti Aarne und Stith Thompson, nicht mehr ganz frisch (60er Jahre?) und ich habe es auch vor gut 15 Jahren das letzte Mal in der Hand gehabt, aber zur Typologie der Märchen ist es das "must be" ... Bei Google sollte man da das Eine oder Andere finden ...

Bye
Suedwester


PS.: War grad selbst bei Google und hab' etwas "frischeres" gefunden: Uther, Hans-Jörg: The Types of International Folktales. A Classification and Bibliography, Based on the System of Antti Aarne and Stith Thompson (FFC 284/285/286). Helsinki 2004.
 
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Klaus schrieb:
Eigentlich haben die Grimms (trotz der penetranten political correctness, mit der sie die Quellen "gereinigt" haben)
Hast Du dafür einen Beleg?
Klaus schrieb:
nichts andere getan als Snorri Sturlson mit der Edda, nämlich mündliche Zeugnisse aus einer vergangenen Epoche gesammelt.
Auch ich habe mir die Frage gestellt, wie alt Grimms Märchen wohl sein mögen. Es ist offensichtlich, dass sie in die vorchristlichen Zeit zurückreichen. Die Germanische Mythologie mit Elfen, Hexen und Zwergen spiegelt sich dort wieder. Auch den "tiefen finsteren Wald" mit seinen kinderfressenden Raubtieren hat es zur Zeit der Christianisierung schon nicht mehr gegeben.
Der Wald im Dunkeln als Ort der Gefahr ist auch jetzt noch ein allgemeiner Topos. Geh mal nachts durch den Wald! Da brauchts kein Heidentum zu. Und um 1000 gab's noch genügend große Wälder.
Übrigens ist die Germanische Mythologie gar nicht so alt. Und es gibt auch eine chrtistliche Mythologie mit Teufeln und Engeln. 1000 Jahre mündliche Überlieferung glaubt eh keiner!:fs:

Offenbar können sich historische Informationen durch mündliche Überlieferungen tausende von Jahren halten.

An anderer Stelle http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=137778&postcount=5 habe ich die Frage aufgeworfen, ob das Einhorn im Märchen nicht sogar das vor 11000 Jahren ausgestorbene Wollnashorn sein könnte.[/quote]
 
Suedwester schrieb:
Ähm ... hast Du bitte mal eine Quelle für Elfen in der Germanischen Mythologie??? Danke ...

Falls Klaus keine hat, empfehle ich die folgende Dissertation:

Evgen Tarantul, Elfen, Zwerge und Riesen - Untersuchung zur Vorstellungswelt germanischer Völker im Mittelalter, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-631-37607-3
 
Hmmm .. Germanen im Mittelalter ... naaajaaa ... ich dachte jedenfalls immer, Elfen und Feen sind "typisch keltisch" ... aber danke für den Verweis :)
 
Suedwester schrieb:
Hmmm .. Germanen im Mittelalter ... naaajaaa ... ich dachte jedenfalls immer, Elfen und Feen sind "typisch keltisch" ... aber danke für den Verweis :)


Naja, lass dass nicht die Isländer hören!
 
fingalo schrieb:
Übrigens ist die Germanische Mythologie gar nicht so alt. Und es gibt auch eine chrtistliche Mythologie mit Teufeln und Engeln. 1000 Jahre mündliche Überlieferung glaubt eh keiner!:fs:

Richtig, das ist auch genau mein Problem, denn die Edda wurde erst im 12. Jahrhundert geschrieben, kann also überhaupt keine ernstzunehmende Quelle sein für ein mystisches Denken, dass 1000 Jahre zuvor existent gewesen sein soll.
Zu bedenken gebe ich auch die Pauschalisierung über die mutmaßliche Gedankenwelt der Germanen, die damit einhergeht. Was wir mit Sicherheit wissen, ist doch, dass die Germanen keine einheitliche mystische Gedankenwelt hatten, jedes Volk, ja jeder Stamm hatte seine eigenen Vorstellungen und Rituale. Und wenn man den Chronisten der Antike glauben will, muss man das aber auch immer lokal sehen, immer mit der Möglichkeit, dass es hinter den sieben Bergen ganz anders war...

Gruß
 
Die eigentliche Frage lautet, was wir über das Denken und Fühlen unserer Vorfahren vor der Christianisierung wissen. Ich bin überzeugt davon, dass dies für das Verständnis der heutigen deutschen Befindlichkeit noch eine Rolle spielt.

Schwierig ist es offenbar, aus den beschriebenen Geschichten eine Datierung abzuleiten, z.B. vorhandene Flora & Fauna, Berufe und Werkzeuge, Ämterbezeichnungen, Gebräuche.

Der Vater von Hänsel und Gretel war selbstständiger Holzfäller, offenbar in einem nicht bewirtschafteten Wald, in dem es menschenfressende Raubtiere gab. Es kam große Teuerung über das Land (Geldwirtschaft ?), offenbar war es gesellschaftlich akzeptiert, Kinder im Wald auszusetzen, um die Überlebenschance der Familie zu verbessern, die Brotbacktechnik der Hexe… erlaubt dies eine historische Einordnung ?

Auch stellt sich die Frage, inwieweit die ursprüngliche Information im Verlauf der mündlichen Überlieferung oder durch den Chronisten selbst verändert bzw. dem späteren Zeitgeist angepasst wurde. Entgegen meiner oben gemachten Bemerkung
Klaus schrieb:
die Grimms ... Quellen "gereinigt"
fingalo schrieb:
Hast Du dafür einen Beleg?
waren die Brüder Grimm offenbar recht integere Chronisten. Zumindest haben sie neben der "kindgerechten" Version auch noch die "deftige" dokumentiert.
 
El Quijote schrieb:
Dass es sich um literarische Topoi halten dürfte.

Vielleicht lohnt sich in diesem Zusammenhang ein Blick in folgendes Werk:
E. Frenzel, Stoffe der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte, Stuttgart 102005.
 
Die Brüder Grimm führten Märchen auf Mythen und Heldensagen zurück. Zahlreiche Elemente des Märchens haben danach ihren Hintergrund im Glauben und in sozialen Zuständen archaischer Zeiten. Im Urgrund vieler Märchen existieren häufig mythische Bezüge, die aber dichterisch frei verwertet und mit freier Erfindungsgabe gestaltet sind.

Etymologisch lässt sich das Wort "Märchen" bis etwa ins 8. Jh. als "mari" nachweisen. Im MA steht das Wort "mare" für "Märchen", was aber nicht gleichbedeutend mit "mähr" ist. Letzteres steht für "frohe Botschaft".

Ich bin davon überzeugt, dass in Märchen mythische und sagenhafte Elemente Eingang gefunden haben, die stellenweise durchaus in die germanische Zeit herabreichen.
 
Es ist hier schon angesprochen worden, daß Grimms Märchen eine Sammlung unzähliger alter Volksgeschichten sind, mit unterschiedlichem Alter und Hintergrund. Daher könnten so manche Märchen tatsächlich germanische Göttermythen sein. Bei Rotkäppchen würde ich dir da voll zustimmen. Man bedenke nur die Idun, die den Göttern die Äpfel bringt. Loki, als Wolf, versucht dies zu verhindern. Allerdings sieht man an Rotkäppchen, daß diese Göttergeschichten schon sehr entstellt sind und somit wird es wohl schwer diese letztlich zweifelsfrei zu entdecken.
 
Die Brüder Grimm haben sehr schön nachgewiesen, dass es sich bei einigen Märchenfiguren um abgesunkene germanische Götter handelt. Ein Beispiel ist die liebe Frau Holle, die ihre Betten ausschüttelt, und auf die Einhaltung hausfraulicher Pflichten achtet. Ihre Schwester, die in Süddeutschland mehr verbreitete Hulda, fährt zudem in einem Wagen mit einem Katzengespann.

Grimm setzen die Holle/Hulda mit der Göttin Freia (Freyja) gleich. Ihr Wagen wird ebenfalls von Katzen gezogen, doch sind viele ihrer ursprünglich archaischen Züge (Genossin bei der Wilden Jagd Wotans/Odins, Zauberei, Fruchtbarkeit) im Märchen ins Lieblich-konventionelle übertragen.
 
Dieter schrieb:
Die Brüder Grimm führten Märchen auf Mythen und Heldensagen zurück. Zahlreiche Elemente des Märchens haben danach ihren Hintergrund im Glauben und in sozialen Zuständen archaischer Zeiten. Im Urgrund vieler Märchen existieren häufig mythische Bezüge, die aber dichterisch frei verwertet und mit freier Erfindungsgabe gestaltet sind.

Etymologisch lässt sich das Wort "Märchen" bis etwa ins 8. Jh. als "mari" nachweisen. Im MA steht das Wort "mare" für "Märchen", was aber nicht gleichbedeutend mit "mähr" ist. Letzteres steht für "frohe Botschaft".

Ich bin davon überzeugt, dass in Märchen mythische und sagenhafte Elemente Eingang gefunden haben, die stellenweise durchaus in die germanische Zeit herabreichen.
Das ist die typische unwiderlegbare Mystifikation. Man stellt irgendwas Plausibles in den Raum und macht es mit den Nebel-Epitheta "zahlreiche" (Elemente), "vieler" (Märchen) "häufig" (mythische Bezüge) unwiderlegbar, tja, und die kann man dann kaum wiedererkennen, weil sie "frei verwertet und mit freier Erfindungsgabe gestaltet sind". So kann man aus buchstäblich nichts eine unwiderlegbare Theorie machen!:grübel: Bei der durchgreifenden Umgestaltung durch "freie Verwertung" möchte ich doch die etwas provokante Frage stellen, ob eine Dampfwalze ein "durch freie Verwertung und mit freier Erfindungsgabe gestaltetes" Cabrio ist.

Es gibt keinerlei Beleg für das hohe Alter der Märchenstoffe, wohl aber für archetypische Figuren, die ubiquitär zu allen Zeiten auftreten, so der Topos der Überlistung des Bösen (Teufel, Hexe), der Sieg durch Lösung eines Rätsels usw. Nicht alles, was ähnlich ist, muss voneinander abhängen - es können die gleichen Motive unabhängig voneinander entstehen. Dass das Gute über das Böse siegt, ist für uns so selbstverständlich, dass überhaupt nicht in Betracht gezogen wird, dass die vorchristlichen Heiden ganz andere Wertvorstellungen davon hatten, was "gut" ist, so dass der Sieg des Guten (im heutigen Sinne) über das Böse (Hänsel über die Hexe) durchaus schon christlichem Einfluss zu verdanken sein dürfte, was man von allen Märchen Grimms sagen kann. Ich kenne jedenfalls keines, das notwendig einer nichtchristlichen Gedankenwelt zugeschrieben werden müsste.
 
Lieber fingalo, mit unserer "Frau Holle" habe ich ein ganz konkretes Beispiel genannt, das sich durch weitere Beispiele vertiefen lässt. Gerade die Figur der "Frau Holle" entstammt durchaus einer vorchristlichen Welt.

Im übrigen folge ich bei dieser Thematik gern den Grimms, deren ausführliche Untersuchungen hierzu auch heute noch gültig sind.
 
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