Paul von Lettow-Vorbeck - Held mit kleinen Fehlern?

Bevor das hier völlig entgleist:

Helmuth Stoecker zitiert in Helmuth Stoecker (Hg.) German Imperialism in Africa, Hurst 1987. Seite 279, einen höheren Beamten, der 1919 die Verluste an Trägern mit 100 - 120.000 auf deutscher Seite beziffert. Als Quelle gibt er W. Arning Deutsch-Ostafrika gestern und heute, Berlin 1942, Seite 31 an. Die Verluste auf alliierter Seite schätzt er auf 250.000 Träger. Zusätzlich seien schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen in Ostafrika an den Folgen des Krieges und der Verwüstungen umgekommen. Stoecker schreibt, mehr als eine halbe Million Afrikaner hätten Lettow-Vorbeck's Strategie des Haltens um jeden Preis mit dem Leben bezahlt.

In John Iliffy, A Modern History of Tanganyika, Cambridge 1979, Seite 250, werden Berichte des Colonial Office zitiert (Report on medical and sanitary matters 1917, CO 691/19/286; Hoskins to WO, 17 March 1917, CO 691/9/345), die die Sterblichkeitsrate bei Trägern mit 2% im Monat und ein "wastage" von 15% angeben.

Iliffe schreibt, dass in dem Fall in dem diese Zahlen eine Bedeutung haben, mindestens 100,000 Träger gestorben seien, wenn nicht zwei- oder dreimal soviele. Über die Situation der Träger aus Tanganjika schreibt er, man wisse nur drei Dinge: Dass die Einheimischen flohen, wann immer sich eine Möglichkeit bot, dass sie sich erinnerten (bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flüchteten Arbeiter en masse, aus Furcht als Träger herangezogen zu werden) und dass sie tanzten.

Ich habe mir die Bücher in die Bibliothek bestellt und werde morgen mal sehen, ob ich mehr herausfinde. Aber allen Anschein nach sind es keine "Wischi-Waschi-Zahlen".
 
Albatros schrieb:
Bevor das hier völlig entgleist:

Helmuth Stoecker zitiert in Helmuth Stoecker (Hg.) German Imperialism in Africa, Hurst 1987. Seite 279, einen höheren Beamten, der 1919 die Verluste an Trägern mit 100 - 120.000 auf deutscher Seite beziffert. Als Quelle gibt er W. Arning Deutsch-Ostafrika gestern und heute, Berlin 1942, Seite 31 an. Die Verluste auf alliierter Seite schätzt er auf 250.000 Träger. Zusätzlich seien schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen in Ostafrika an den Folgen des Krieges und der Verwüstungen umgekommen. Stoecker schreibt, mehr als eine halbe Million Afrikaner hätten Lettow-Vorbeck's Strategie des Haltens um jeden Preis mit dem Leben bezahlt.

In John Iliffy, A Modern History of Tanganyika, Cambridge 1979, Seite 250, werden Berichte des Colonial Office zitiert (Report on medical and sanitary matters 1917, CO 691/19/286; Hoskins to WO, 17 March 1917, CO 691/9/345), die die Sterblichkeitsrate bei Trägern mit 2% im Monat und ein "wastage" von 15% angeben.

Iliffe schreibt, dass in dem Fall in dem diese Zahlen eine Bedeutung haben, mindestens 100,000 Träger gestorben seien, wenn nicht zwei- oder dreimal soviele. Über die Situation der Träger aus Tanganjika schreibt er, man wisse nur drei Dinge: Dass die Einheimischen flohen, wann immer sich eine Möglichkeit bot, dass sie sich erinnerten (bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flüchteten Arbeiter en masse, aus Furcht als Träger herangezogen zu werden) und dass sie tanzten.

Ich habe mir die Bücher in die Bibliothek bestellt und werde morgen mal sehen, ob ich mehr herausfinde. Aber allen Anschein nach sind es keine "Wischi-Waschi-Zahlen".

Wäre ja schöner gewesen, du hättest deine Quellen schon früher mal genannt. Hätte manches einfacher gemacht....
Ich schau auch mal in den Arning.
 
Arne schrieb:
Wäre ja schöner gewesen, du hättest deine Quellen schon früher mal genannt. Hätte manches einfacher gemacht....
Ich schau auch mal in den Arning.

O tempora, o mores!

Da wühlt man sich den halben Vormittag durch books.google.com, und was ist der Dank? :hmpf:
 
Zwischendurch noch mal offene Fragen beantworten....

Blücher schrieb:
Weiß eigentlich einer was neben Lettow-Vorbeck mit den zwei anderen berühmten Afrikakämpfern Schnee und Max Loof passierte!?

Dr. Heinrich Schnee
(4.2.1871 - 23.6.1949)
War nach dem Krieg als Autor, Vortragsreisender und Funktionär in verschiedenen Kolonialgesellschaften aktiv. Näheres hier:
http://www.uni-magdeburg.de/mbl/Biografien/0962.htm

Max Loof
(2.5.1874 - 20.9.1954)
Wurde nach dem Krieg in die Reichsmarine übernommen. Dort 1.1.1921 K.Adm. Ruhestand 31.3.1922 als V.Adm.
Quellle: "Das Offizierskorps der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika im Weltkrieg 1914-1918 - Ein Verzeichnis aller Offiziere welche an dem Feldzug teilgenommen haben" Maillard/Schröder, Walsrode 2003(Beiträge zur Kolonialgeschichte Band 10)
 
Albatros schrieb:
Helmuth Stoecker zitiert in Helmuth Stoecker (Hg.) German Imperialism in Africa, Hurst 1987.

Ich wußte doch, daß mir der Name Stoecker bekannt war....

http://www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-3990-7

http://72.14.203.104/search?q=cache:94BZuPou8NAJ:www.zzf-pdm.de/bull/pdf/b3031/3031_kessler.pdf+%22Helmuth+Stoecker%22&hl=de&gl=de&ct=clnk&cd=5

"Van der Heyden beurteilt die Ergebnisse der DDR-Afrikawissenschaft als sehr unterschiedlich. In einigen Bereichen wie der Linguistik und Ethnographie seien wichtige Arbeiten entstanden. Auch Historiker oder Soziologen beiderlei Geschlechts wie Thea Büttner, Gerda Weinberger, Peter Sebald, Jürgen Herzog oder Jürgen Kunze legten gehaltvolle Ergebnisse ihrer Forschung vor, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen bräuchten. Daneben sei eine Agitati-ons- und Propagandaliteratur entstanden, die auch unter ernsthaften Wissen-schaftlern in der DDR oder in Afrika kaum Beachtung gefunden habe"
 
Na bitte, so sieht das doch ganz anders aus.
Albatros schrieb:
Bevor das hier völlig entgleist:
Na na Herr Bahnarbeiter...

Albatros schrieb:
Helmuth Stoecker zitiert in Helmuth Stoecker (Hg.) German Imperialism in Africa, Hurst 1987. Seite 279, einen höheren Beamten, der 1919 die Verluste an Trägern mit 100 - 120.000 auf deutscher Seite beziffert. Als Quelle gibt er W. Arning Deutsch-Ostafrika gestern und heute, Berlin 1942, Seite 31 an.
Ich kauf die Quelle jetzt einfach mal ab.
Damit haben wir eine erste konkrete Zahl, auch wenn noch nichts verifiziert ist (womit wir wieder bei der Eingangs diskutierten Quellenkritik wären, aber immerhin).

Die Verluste auf alliierter Seite schätzt er auf 250.000 Träger. Zusätzlich seien schätzungsweise bis zu 300.000 Menschen in Ostafrika an den Folgen des Krieges und der Verwüstungen umgekommen.
Mal abgesehen davon, dass hier wieder Schätzungen vorgenommen werden...
Auch die Zahlen klingen doch anders....
Stoecker schreibt, mehr als eine halbe Million Afrikaner hätten Lettow-Vorbeck's Strategie des Haltens um jeden Preis mit dem Leben bezahlt.
Das verstehe ich jetzt nicht ganz... Alle toten Afrikaner gehen auf Vorbecks Konto? Wie das?

In John Iliffy, A Modern History of Tanganyika, Cambridge 1979, Seite 250, werden Berichte des Colonial Office zitiert (Report on medical and sanitary matters 1917, CO 691/19/286; Hoskins to WO, 17 March 1917, CO 691/9/345), die die Sterblichkeitsrate bei Trägern mit 2% im Monat und ein "wastage" von 15% angeben.
Auch das klingt wieder anders... Wo sind denn die Grundzahlen, also wovon 2% oder stützt sich diese Quelle auf die bislang hier zitierte zum Thema britische Größenordnung?

Iliffe schreibt, dass in dem Fall in dem diese Zahlen eine Bedeutung haben, mindestens 100,000 Träger gestorben seien, wenn nicht zwei- oder dreimal soviele. Über die Situation der Träger aus Tanganjika schreibt er, man wisse nur drei Dinge: Dass die Einheimischen flohen, wann immer sich eine Möglichkeit bot, dass sie sich erinnerten (bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flüchteten Arbeiter en masse, aus Furcht als Träger herangezogen zu werden) und dass sie tanzten.
Aha...

Ich habe mir die Bücher in die Bibliothek bestellt und werde morgen mal sehen, ob ich mehr herausfinde. Aber allen Anschein nach sind es keine "Wischi-Waschi-Zahlen".
Stimmt, im ersten Absatz wird eine Quelle (als solche!) genannt, die zumindest vordergründig auf jeden Fall nutzbar ist.
Was nun den Rest angeht so drehen wir uns im Kreis.
Nochmal genauer: es werden Quellen benötigt, die Zahlen nennen über die Stärke und den Wechsel der afrikanischen Träger auf deutscher Seite und deren Mortalitätsrate, nach Möglichkeit mit Aufstellung der Todesursachen - umstände
 
Nachdem ich mir den Nachmittag in der Bibliothek um die Ohren gehauen habe, kann ich folgendes berichten:

Arning nennt in seinem Buch (Wilhelm Arning: Deutsch-Ostafrika. Gestern und Heute. Deutsche Kolonialpolitik. Schriftenreihe des Reichskolonialbundes. Zweite, erweiterte Auflage. Berlin 1942. Seite 31.) unter Bezug auf den Bericht des Regierungsarztes Dr. Moesta (Dr. Karl Moesta,Die Einwirkung des Krieges auf die Eingeborenenbevölkerung in DOA in Kol[onial?]-Rundsch[au] 1919, Seite 22.) folgende Zahlen:

Deutsche Askaris und persönlicher Anhang wenigstens 10000
Deutsche Trägerverluste 1. - 24. Kriegsmonat 60000-50000
25. - 48. Kriegsmonat 60000-50000
Feindliche Verluste aus der Kolonie stammender Träger 20. - 48. Kriegsmonat 250000
Verschleppung außer Landes wenigstens 30000
Aufstände gegen Belgier und Engländer 50000
Hunger, allgemeiner Mangel, Entbehrungen, Krankheit, Seuchen 300000
Insgesamt 740000

Arning schreibt weiter:

"In Bezug auf die Zahlen, welche der (Moesta) für die den Engländern in der deutschen Kolonie selbst entstandenen Abgängen an Trägern angibt, möchte man in Hinsicht auf die Richtigkeit der Größe Zweifel hegen, wenn er nicht aus einer Unterhaussitzung [Seite 11, A] [/]im Jahre 1917 berichten könnte, daß monatlich 10000-12000 Träger gestorben seien. In einer anderen Parlamentssitzung wurde die Hauptursache der Verluste auf Lungenentzündung geschoben, aber über deren Zahl keine Angaben mehr gemacht."[/i]

Boell (a.a.o.) listet folgende Verluste auf:

Von den Europäern seien

434 gefallen oder ihren Wunden erlegen
23 verunglückt
277 an Krankheiten gestorben (einschließlich 21 Selbstmorde)
---
734 tot

2718 gefangen
2 desertiert

874 verwundet

Für die Askari schränkt er die Aussagekraft seiner Zahlen ein, nennt aber trotzdem

1290 gefallen, 13699 verwundet
508 gestorben
4510 vermißt
4275 gefangen
2847 desertiert
----
13430

Was Hilfskrieger, Träger und Boys betrifft, hat Arne ja schon das meiste geschrieben.

Was man vielleicht noch hinzufügen sollte:

Laut Boells Angaben gehörten jeder Feldkompanie der Schutztruppe in OA 30 - 50 "farbige, militärisch organisierte Träger" als "ständige Träger" an. Diese wurden auf Rugaruga genannt und sollten der Erhöhung der Marschbereitschaft und als Trägerstamm dienen und wurden vor allem als MG-Träger eingesetzt. Diese Träger wurden "im Bedarfsfall durch Anwerbung ergänzt".

M.E. dürfte diese Zahl an Trägern gerade ausgereicht haben, um die Ausrüstung (3 MG, 1-3 Geschütze) der Kompanie zu transportieren, nicht aber um größere Mengen an Vorräten und Munition mitzuführen.

Hew Strachan schreibt, die Briten hätten 2250 Träger benötigt, um eine Tonne Lebensmittel pro Tag (genug für 1000 Mann) von Ndola nach Kasama zu transportieren, wenn unterwegs Verpflegung bereitstand, 23300, wenn nicht (Hew Strachan, The First World War. Vol.I. To Arms, Oxford 2001, Seite 620-1). Er bezieht sich dabei auf Hodges (aao.), wenn ich mich nicht irre.

Danach scheint mir, dass sich Boells Zahl von 6000-7000 Toten nur auf die Rugaruga und das Lagergefolge bezieht, nicht aber um die Träger, die "nach Bedarf" eingezogen wurden. Das würde auch erklären, dass er keine Unterlagen über irgendwelche Verluste und ihre Ursache kennt. Warum er aber nicht auf Arnings oder Moestras Arbeiten eingeht, die er gekannt haben dürfte, ist mir schleierhaft.

Da Moestra Regierungsarzt in OA war und an den Kämpfen teilnahm, erscheinen mir seine Zahlen, ohne die Arbeit zu kennen, vollständiger als Boells, der zwar auch in OA war, aber wohl durch die Kampfhandlungen abgelenkt wurde.

P.S.: Die übliche Orden und Auszeichnungen wie immer an mein Kontrollzentrum.
 
Erstmal Anerkennung für deine Mühe und etwas Neid auf deine gut sortierte Bibliothek (ich habe von der Fernleihe noch nichts bekommen..)


Albatros schrieb:
Arning nennt in seinem Buch (Wilhelm Arning: Deutsch-Ostafrika. Gestern und Heute. Deutsche Kolonialpolitik. Schriftenreihe des Reichskolonialbundes. Zweite, erweiterte Auflage. Berlin 1942. Seite 31.) unter Bezug auf den Bericht des Regierungsarztes Dr. Moesta (Dr. Karl Moesta,Die Einwirkung des Krieges auf die Eingeborenenbevölkerung in DOA in Kol[onial?]-Rundsch[au] 1919, Seite 22.) folgende Zahlen:
(...)
Deutsche Trägerverluste 1. - 24. Kriegsmonat 60000-50000
25. - 48. Kriegsmonat 60000-50000
(...)

Damit dürfte nun zumindest geklärt sein, woher die Zahlen kommen.
Ich muß gestehen, ich bin erstmal verblüfft und kann mir das vom reinen Verlauf in der Realität einfach nicht vorstellen. In zwei Jahren 50.000 Tote(=Verlust?). Jeden Tag, egal ob Gefecht, Marsch oder Rumsitzen im Durchschnitt 68 Tote? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen...:confused:
 
So, nun habe ich endlich den Artikel von Dr.Moesta aus der Kolonialen Rundschau von 1919 bekommen, der offensichtlich die Grundlage aller späterer Zahlen ist.

In der Einführung listet er die Schwierigkeiten auf, unter denen die Darstellung der Einwirkungen des Krieges auf die Eingeborenenbevölkerung zu erfolgen hat und schreibt:
Erst nach der Betrachtung der Gesamtfrage von diesen drei Gesichtspunkten aus wird sich, wie ich glaube, ein ungefährer Überblick über den vermutlichen Stand der Gesamtbevölkerung nach dem Kriege und über die vermutliche Höhe des Gesamtverlustes gewinnen lassen. Von vornherein muß man sich aber völlig klar darüber sein, daß nur ein ungefähres Bild gewonnen werden kann; denn die Hauptstütze solcher Untersuchungen, die Statistik, fehlt uns doch so sehr, daß wir nicht einmal für die Zeit vor dem Kriege genaue Volkszählungen für das ganze Gebiet hatten. Wir können also auch von der Zukunft, durch eine etwa gleich nach Friedensschluß abzuhaltende Völkszählung, eine genaue Antwort auf die Frage nach der Höhe des Gesamtverlustes nicht erhoffen. Denn dieser - übrigens unbedingt notwendigen - Zählung nach dem Kriege vermögen wir leider keine aus der Vorkriegszeit gegenüber zu stellen. Aber selbst wenn diese da wäre, würde man sich über die Wirkungstiefe, -Breite und -Dauer der einzelnen Schädigungen und über ihren Anteil an dem Gesamtverlust immer noch auf Vermutungen stützen müssen. Auch dürften über die Stärke, mit der diese Schädigungen auch nach dem Eintreten ganz friedlicher Verhältnisse noch weiter wirken und ihre volksmindernde oder wenigstens schädigende Tätigkeit fortsetzen werden, nur vermutungsweise Schlüsse gezogen werden. Meinungsverschieden sind dabei natürlich ganz unvermeidlich. Immerhin dürfte man auch hierbei, wenn man die nötige Vorsicht bei der Schlußfolgerung walten läßt zu annähernd wahren Ergebnissen kommen. Die gut beglaubtigten Berichte über Bevölkerungsverluste in früheren afrikanischen Kriegen und Aufständen dürften dabei immerhin mit heranzuziehen sein, um auch auf dem Wege der Vergleichung mit anderen ähnlichen völkischen Zusammenbrüchen sich der Wahrheit zu nähern. Die oben aufgeführten Hauptgesichtspunkte stellen aber keineswegs die Disposition meiner Ausführungens dar, sind sind lediglich meine Ausgangspunkte für das zu suchende Endergebnis.

Er stellt also fest, daß er für seine Arbeit mit ungenauen Schätzungen arbeiten muß, will sie aber deswegen nicht infrage gestellt sehen.

Einige Seiten weiter lesen wir, was er im Sammelbegriff "Träger" für die Kriegsjahre innerhalb des Schutzgebietes alles zusammenfasst:
(Unterstreichungen von mir)

Es ist nicht ganz leicht, einen Überblick über die Gesamthöhe des Trägerverlustes zu erhalten. Zahl der Träger und die Höhe ihrer Verluste schwankten örtlich und zeitlich sehr bedeutend. Zunächst wird man sich über die Gesamtzahl der aufgestellten Träger klar werden müssen. Zuverlässige Unterlagen darüber dürften aber nicht nur jetzt fehlen und niemals erhoben werden können. Die Träger zerfielen erstens in die unmittelbar jeder Kompanie zugeteilten Träger, zweitens die Träger größerer Etappenstraßen und drittens die Etappenarbeiter jeder Art. In diese letzte Gruppe gehören alle Straßen-, Eisenbahn- und Werkstättenarbeiter, deren Arbeit mehr oder weniger im Dienste der Landesverteidigung stand, auch wenn sie von privaten Unternehmen gelohnt wurden. Ich nehme diese Gruppe, die besser Arbeiter zu nennen wären, mit zu den Trägern, da sie meist zeitenweise auch Trägerdienste leisten mußten und die Übersichtlichkeit meiner Ausführungen durch zu viele Abteilungen leiden würde.

Wir lernen: "Träger" sind nicht nur Träger...


Später berechnet er die tatsächlichen Träger bei den Kompanien:

Die einzelnen Feldkompanien hatten 1914/16 nicht unter 200 und wohl nur selten über 600 Träger. Die von den Kompanien offiziell gemeldeten Trägerzahlen sind nicht immer unbedingt maßgebend, da wohl jede Kompanie über die gemeldeten Leute hinaus noch andere in Bereitschaft hielt. Ich glaube mit etwa 400 Trägern die durchschnittlicheTrägerzahl einer Feldkompanie oder ihr gleichzuachtenden selbständigen Abteilung annehmen zu können. Waren es anfangs weniger, so wurden es später mehr Kompanien und ihnen gleichzuachtende Einzelabteilungen. 1915/16 wird man etwa 50 solcher Einheiten annehmen dürfen. Rechnen wir dann je 400 Träger und unmittelbar dienstbare Arbeiter zu jeder Einheit, so ergeben sich rund 20.000 Träger für diese Zeit. Eine bestimmte Gewähr vermag ich für diese Zahlen nicht zu übernehmen, annäherungsweise dürften sie aber stimmen. Hierzu kamen noch die Etappenträger, deren Zahl von Monat zu Monat größer wurde. Man bedenke die Länge der zu überwindenenden Strecken.
(es folgen Beispiele für zu überwindende Entfernungen)
Es wurden nach meiner Berechnung an Arbeitern und Trägern, einschließlich der unmittelbaren Kompanieträger wenigstens 100.000, wahrscheinlich aber 200.000 Eingeborene zu gleicher Zeit im Dienste der Landesverteidigung beschäftigt und zwar bezieht sich dies hauptsächlich auf die Jahre 1915 bis einschließlich 1917. Waren es 1914 anfangs weniger, so waren es später, besonders als der Feind seinen Trägerbedarf immer stärker im Lande aushob, sicher viel mehr.

Jetzt die eigentliche Berechnung der Verluste:

Die Straßen wurden immer verseuchter, die Bekleidung immer schlechter und die Anstrengungen immer stärker, besonders als 1916 ein so großer Teil des Feldzuges in die Regenzeit fiel. Nehmen wir von der schon niedrigen Zahl von 150.000 einen Verlust von nur 10-20% jährlichen Verlust für die ersten 24 Monate Krieg an, so werden wir wohl mit 30.000 Totenjedes der ersten beiden Kriegsjahre das Richtige treffen. Niedrigere Anfangszahlen dürften 1916 mehr als ausgeglichen worden sein.
Nehmen wir die Zeit bis zum Ende des 4.Kriegsjahres hinzu, so müssen wir für 1916 bedenken, daß in ihm riesige Märsche zu bewältigen waren und daß der größte Teil der kriegerischen Unternehmungen in die Regenzeit fiel. Dann wurden nach der Aufgabe der Mittellandbahn zwar die Entfernungen kürzer, der Mangel an allem und jedem, besonders an Nahrung, Unterkunft und Arzeneien aber so drückend, daß jener Vorteil mehr als ausgeglichen wurde. Eins wirkte aber verlustmindernd, das war das Zusammenschmelzen der Truppe. Für unser schwarzes Volk war das aber keine Erleichterung, denn zur gleichen Zeit wurde es in immer stärkerem Grade von den Feinden herangeholt. Auf alle Fälle ist der Gesamtverlust für die 4 Kriegsjahre allein auf unserer Seite unter vorsichtiger Erwägung all dieser Kräfte auf 100.000 Träger und ihnen ähnlich beschäftigter Menschen zu beziffern.

Bemerkenswert ist, daß Moesta in seinem ganzen Artikel von 20 Seiten nur in ca. 2 Seiten auf die Trägerverluste eingeht. Ansonsten schildert er - in der damals üblichen "väterlichen" Weise - die schlimmen Auswirkungen durch Besetzung, Krankheiten, Hunger und andere Ursachen auf die Bevölkerung.

Bewertung des Artikels
1) Dr. Moesta schreibt selbst, daß er mit vielen Unbekannten oder Ungenauigkeiten arbeiten muß. Er nimmt für sich aber in Anspruch besonnen und aufrichtig gearbeitet zu haben und eine annähernd richtige Schätzung getroffen zu haben. Der Anspruch sei ihm unbenommen, das Ergebnis bleibt aber zumindest kritikfähig, wenn nicht fragwürdig.
2) Der Artikel erschien 1919, im zeitlichen Umfeld des Versailler Vertrages - in einer Zeitschrift, die als "pro-kolonial" anzusehen ist. Es liegt nicht fern, daß sein Ansinnen war, die schlimmen Folgen des englischen und belgischen Angriffskrieges darstellen zu wollen. Ich könnte mir vorstellen, daß er sich heute entsetzt im Grabe aufsetzen würde, wenn er wüßte, daß ausgerechnet sein Zahlenwerk heute gegen die deutsche Verteidigungsführung genutzt wird, und aufschreien würde: "Nein, so habe ich das doch gar nicht gemeint":cool:

Resümee für mich
1) Zahlen über die tatsächlichen Trägerverluste liegen nicht vor. Dr.Moestas Schätzungen sind scheinbar die einzige zeitnahe Quelle dazu. Eine Propagandaabsicht gegen die Kriegsgegner scheint naheliegend. Ob sie als ernsthafte Primärquelle zu werten ist, erscheint mir zumindest fraglich.
2) Die Verluste unter den Trägern der kriegführenden Parteien waren aber mit Sicherheit extrem groß. Größer, als ich sie vor dieser Diskussion hier geschätzt hätte. Die Eingeborenenbevölkerung hat in sehr großer Zahl gelitten und ist unter den verschiedenen Kriegseinflüssen zu zig Tausenden gestorben - wenn man Krankheiten und Hunger mitrechnet zu Hundertausenden. Die Diskrepanzen über die genannten hohen Trägerverluste zu den übermittelten tatsächlichen Trägerzahlen kommen aus der Vermischung der verschiedenen Dienstverpflichteten (Arbeiter, Etappen und Kompanieträger) in Moestas Rechnungen.
 
@Arne:

Bin gerade über ein Schutztruppen-Regiment 1 gestolpert, dass im April 1919 zur Marine-Division Lettow-Vorbecks gehörte. Weißt du da näheres? (Bevor ich mir wieder mühsam einen Weg durch den Bücherdschungel bahne ...)
 
Albatros schrieb:
Bin gerade über ein Schutztruppen-Regiment 1 gestolpert, dass im April 1919 zur Marine-Division Lettow-Vorbecks gehörte. Weißt du da näheres? (Bevor ich mir wieder mühsam einen Weg durch den Bücherdschungel bahne ...)

Nur wenig, mit den Freikorps-Details habe ich mich kaum beschäftigt. Ich kann dir aber die Organisationsstruktur anhand eines Flugblattes geben:

Das "Garde-Kavallerie-Schützen-Korps" teilte sich auf in
A) Garde-Kavallerie-Schützen-Division
B) Division Lettow

Die Division Lettow teilte sich in viele nebeneinander bestehende Unterabteilungen auf (Regimenter, Kompanien, Abteilungen, Bataillone etc).
Unter anderem gab es ein Schutztruppenregiment 1, eine Schutztruppenbatterie 1 und auch eine Schutztruppen-Pionier-Abteilung 1. Daneben verschiedene andere Unterabteilungen, die auch aus anderen Heeres und Marieneinheiten entstanden sind, bzw. auf die sie sich beriefen (Marine, Eisenbahner, Feldartillerie etc).

Bei Bedarf kann ich dir das Flugblatt scannen und zuschicken (eMail per PN).

Ach ja. Und ein Bild des Abzeichens des Schutztruppenregiment 1 kann ich dir noch zeigen:
http://www.traditionsverband.de/magazin/abzeichen/00-35.jpg

Quelle: "Abzeichenkatalog kolonialgeschichtlich relevanter Organisationen und Tagungen (1871-1945)" Trad.verband
 
Personelle Kontinuität sagt einiges über die Ausrichtung bestimmter Organisationen. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bundeswehr Probleme mit "Traditionspflege" hat.

Was hat denn jetzt die Bundeswehr mit Lettow-V. zu tun ?
Es tut mir leid, aber ihre Ausführungen lesen sich wie "Die Welt als Wille und Vorstellung".
 
Was hat denn jetzt die Bundeswehr mit Lettow-V. zu tun ?
Es tut mir leid, aber ihre Ausführungen lesen sich wie "Die Welt als Wille und Vorstellung".

Es liegt auf der Hand, was sie mit ihm zu tun hat. Wie schon im Eingangsartikel steht, geht es um den Mythos des sauberen, ehrvollen Kämpfers in Afrika, der auch in späterer Zeit ein Vorbild war und eine Persönlichkeit, an der man sich als Soldat orientieren könnte.
Viele Kasernen (wie in Beitrag #1 auch steht) wurden nach ihm benannt. Ich persönlich kenne nur die Paul von Lettow-Vorbeck-Kaserne in Leer (Ostfriesland). Es gab eine große Diskussion auf kommunaler Ebene, ob die Kaserne nach den neuen "Vorwürfen" (Zeitung) nicht umbenannt werden sollte.
Die Soldaten waren dagegen, sie sahen in ihm teilweise ein Vorbild (siehe oben), die Politiker waren zerstritten, Konferenzen wurden einberufen, Leute befragt, schließlich mit dem Ergebnis, dass alles bleibt wie es ist, weil die Anschuldigungen nicht vollkommen geklärt werden konnten.
Es hat Lettow-Vorbeck alles einen kleinen Knacks gegeben.
 
Also mir erscheint dieser Buchbeschreibung nach http://www.weltbild.de/artikel.php?...2e494f1ad590e&artikelnummer=11928341&mode=art
ein einseitiges Bild.
Kann das Profil das Uwe Schulte-Varendorff hier beschreibt so übernommen werden?

Verwechsle nicht den Autor eines Buches (Schulte-Varendroff) mit dem Verlagsangestellten, der den Klappentext (Text im Link) verfasst. Das Phänomen, dass der Verlagsmitarbeiter das besprochene Buch nicht ordentlich gelesen hat, kommt leider häufiger vor, was zu Diskrepanzen zwischen Buchinhalt und Klappentext führt. Ähnliches gilt leider auch für manche Rezension.
 
Zunächst ist mir nicht bekannt, dass Vorbeck die Nationalsozialisten unterstützt hat und sogar mit Redeverbot bestraft wurde.
Sein Einsetzen für die Rückgabe der Kolonien geschah unabhängig von ihnen, in die Partei ist er nicht einmal eingetreten.
 
Zunächst ist mir nicht bekannt, dass Vorbeck die Nationalsozialisten unterstützt hat und sogar mit Redeverbot bestraft wurde.
Sein Einsetzen für die Rückgabe der Kolonien geschah unabhängig von ihnen, in die Partei ist er nicht einmal eingetreten.

Dann wird es für weitere Beiträge sicher effektiver sein, wenn du dich über L.-Vorbeck zunächst umfassend informierst und das neue Buch lesend zur Kenntnis nimmst. :)
 
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