Picasso - das Ende einer Beziehung

zoka

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Liebes Forum

Da es hier zahlreiche Kunstinteressierte gibt, möchte ich Euch eine Frage zu Picasso und seinem Kunsthändler Rosenberg stellen (obwohl es mir eigentlich um die Wildenstein Händlerdynastie geht...), zu der ich noch keine Antworten finden konnte (wahrscheinlich am falschen Ort gesucht..).

Was wisst Ihr über die Geschäftsbeziehung von Paul Rosenberg und Picasso, oder genauer gefragt: warum ging diese Verbindung 1932 zu Ende? Aber wie bereits erwähnt, es geht um Wildenstein, warum er den Meister im Gegensatz zu Rosenberg weiterhin vertreten durfte.

1932 gab es noch eine von Picasso und seinen beiden Händlern organisierte Picasso-Retrospektive in den pariser Galeries Georges Petit, die dann noch im Herbst desselben Jahres vom Kunsthaus Zürich mehr oder weniger übernommen wurde. Gab es irgendwo Misstöne zwischen Rosenberg und Wildenstein, oder zwischen Picasso und Rosenberg?

Zugegeben, der Thread-Titel lässt eine spektakulärere Frage vermuten, doch hoffe ich auch so auf Eure Antworten... :)
 
Danke, Leute, es hat sich (sehr wahrscheinlich) erledigt. Die Information, dass Paul Rosenberg ab 1932 Picasso nicht mehr vertrat, scheint falsch zu sein. Hierfür sprechen auch mehrere Provenance-Angaben zu Picassos Werken, die Rosenberg auch nach 1932 als Käufer aufweisen. Tatsache ist, dass Paul Rosenberg seinen Bruder Léonce, und Picassos Freund Daniel-Henri Kahnweiler als Dealer ausgestochen hatte, indem er mit Picasso einen Exklusivvertrag (1918-1940) abschloss.

Frage mich jetzt also mehr über Georges Wildensteins Rolle als gleichzeitiger Dealer - weiß aber wenigstens in der Zwischenzeit, wo ich suchen muss. Etwas skeptisch stimmt noch die nach 1918 fortdauernde enge Freundschaft Picassos mit Kahnweiler, der in 1932 bei Picasso zu Hause von seinen Werken schwärmt. Aber es wird schon...
 
Schon, daß du deine Frage ansatzweise klären konntest.

Etwas skeptisch stimmt noch die nach 1918 fortdauernde enge Freundschaft Picassos mit Kahnweiler, der in 1932 bei Picasso zu Hause von seinen Werken schwärmt. Aber es wird schon...

Zu Kahnweiler habe ich eine Katalog zu dessen Sammlung, u. a. auch mit Infos zu Picasso.
Wenn ich das richtig verstanden habe, waren vor dem Krieg gerade die Preise Picassos und anderer in die Höhe geschossen; dann lese ich, daß er ja deutscher Staatsbürger war und sich bis 1920 in Italien und in der Schweiz unfreilwillig aufhielt. Das Inventar seiner Galerie wurde während des Krieges beschlagnahmt und nach 1921 wurde es versteigert; in einem Brief akzeptiert Kahnweiler wohl Picassos ausstehende Forderung von 20 000 Franc, noch aus der Zeit der Anfangszeit des Krieges, die er gerne hatte begleichen lassen wollen von Schulnern: Rosenberg bspw. soll ihm seinerzeit 12 000 Franc schuldig geblieben sein.
 
Zu Kahnweiler habe ich eine Katalog zu dessen Sammlung, u. a. auch mit Infos zu Picasso.
Wenn ich das richtig verstanden habe, waren vor dem Krieg gerade die Preise Picassos und anderer in die Höhe geschossen; dann lese ich, daß er ja deutscher Staatsbürger war und sich bis 1920 in Italien und in der Schweiz unfreilwillig aufhielt. Das Inventar seiner Galerie wurde während des Krieges beschlagnahmt und nach 1921 wurde es versteigert; in einem Brief akzeptiert Kahnweiler wohl Picassos ausstehende Forderung von 20 000 Franc, noch aus der Zeit der Anfangszeit des Krieges, die er gerne hatte begleichen lassen wollen von Schulnern: Rosenberg bspw. soll ihm seinerzeit 12 000 Franc schuldig geblieben sein.
Vielen Dank für die Information, Muspilli! :) Ein spannendes Puzzle mit diesen Händlern zwischen den Weltkriegen...

Wenn ich Dich richtig verstehe, war es Picasso, dem Rosenberg 12 000 Franc geschuldet hatte. Nehme an, dass es für mehrere Bilder war.

Rosenbergs Geschäftsbeziehung zu Picasso nach 1932 scheint aber mit Bilderkäufen (auf Pump oder nicht) belegt zu sein - auch wenn Rosenberg nicht immer allzu begeistert auf Picassos Nackedeibilder reagiert hatte (“I don’t want any assholes in my gallery”, 1934).

Danke nochmals!
 
Wenn ich Dich richtig verstehe, war es Picasso, dem Rosenberg 12 000 Franc geschuldet hatte. Nehme an, dass es für mehrere Bilder war.

Nein, Kahnweiler arbeitete geschäftlich selbst mit dem Kredit einer Bank, der mit Kriegsbeginn eingestellt wurde. Es gab aber Leute, die ihm wiederum Geld schuldeten, im Brief (vom 10. Feb. 1920) werden ganannt Schtschukin (auch Shchukin) und Léonce Rosenberg. Kahnweiler hätte daran gelesen, daß L. R. dieses Geld an Picasso auszahle. Insgesamt war Picasso sehr verärgert, sogar wütend auf Kahnweiler, was sein Umkreis überhaupt nicht verstehen konnte. Ansonsten scheinen sich geschäftliche Bez. zwischen P & K erst wieder Ende der 40/Anfang der 50er zu entwickeln...

Einer Biographie (John Richardson) entnehme ich übrigens noch, daß zunächst Leonce Rosenberg die Bildankäufe übernahm, sporadisch bereits seit 1913. Die Contraktbez. Paul Rosenbergs leitete dessen Partner Joseph Hessel ein, bereits 1915, aber erst 1917 wurde diese fixiert; zum "Syndikat" gehörten auch Georges Bernheim & Nathan Wildenstein, nicht aber der Léonce R.
 
Nein, Kahnweiler arbeitete geschäftlich selbst mit dem Kredit einer Bank, der mit Kriegsbeginn eingestellt wurde. Es gab aber Leute, die ihm wiederum Geld schuldeten, im Brief (vom 10. Feb. 1920) werden ganannt Schtschukin (auch Shchukin) und Léonce Rosenberg. Kahnweiler hätte daran gelesen, daß L. R. dieses Geld an Picasso auszahle. Insgesamt war Picasso sehr verärgert, sogar wütend auf Kahnweiler, was sein Umkreis überhaupt nicht verstehen konnte. Ansonsten scheinen sich geschäftliche Bez. zwischen P & K erst wieder Ende der 40/Anfang der 50er zu entwickeln...

Einer Biographie (John Richardson) entnehme ich übrigens noch, daß zunächst Leonce Rosenberg die Bildankäufe übernahm, sporadisch bereits seit 1913. Die Contraktbez. Paul Rosenbergs leitete dessen Partner Joseph Hessel ein, bereits 1915, aber erst 1917 wurde diese fixiert; zum "Syndikat" gehörten auch Georges Bernheim & Nathan Wildenstein, nicht aber der Léonce R.
Super Infos!

Picassos Wut lässt darauf schließen, dass er der Liquidität von Léonce Rosenberg nicht traute, der ja nach WK1 angeblich ruiniert gewesen sei (seine Sammlung wurde in 1921 in Amsterdam versteigert), aber seine Galerie in Paris dennoch weiterführen konnte. D.h. also auch, dass Picasso mehr Chancen in der Zahlungsfähigkeit von Kahnweiler sah (obwohl dieser Schtschukins Schulden wohl abschreiben konnte..).

Wusste nicht, dass die Galerie Georges Bernheim ebenfalls am Deal von 1917 (1918, laut Paul Rosenberg Archives im Museum of Modern Art) beteiligt war. Das Kunsthaus Zürich redet wiederum von der Weltwirtschaftskrise um 1930, welche die drei pariser Galerien zur Kollaboration gezwungen haben soll (Kat. zur Ausstellung in 2010), was also wahrscheinlich nur eine ‘Textdehnung’ darstellt.

Danke Muspilli! :) Jetzt muss ich mal für mich alles parallel nebeneinander auflisten, um mehr Klarheit zu kriegen. :confused:
 
Da hast du mich leider wieder mißvertsanden:

Picassos Wut lässt darauf schließen, dass er der Liquidität von Léonce Rosenberg nicht traute, der ja nach WK1 angeblich ruiniert gewesen sei (seine Sammlung wurde in 1921 in Amsterdam versteigert), aber seine Galerie in Paris dennoch weiterführen konnte. D.h. also auch, dass Picasso mehr Chancen in der Zahlungsfähigkeit von Kahnweiler sah (obwohl dieser Schtschukins Schulden wohl abschreiben konnte..).

L. Rosenberg hätte seine Schulden, die bei Kahnweiler hatte, an Picasso auszahlen sollen:
"Nun aber ist der [1. Welt-] Krieg gekommen. Primo hat die Bank den Kredit eingestellt. Secundo weigerten sich diejenigen, die mir [Kanhweiler] Geld schuldeten und deren Zahlungen dazu diesen sollten, Ihnen [Picaso] die 20 000 Francs zu zahlen [...]" (Brief vom 10. Feb. 1920, zit. nach Die Sammlung Kahnweiler, 1994, S.77)
Picasso hatte schon seit Dez. 1914 versucht, bislang unbezahlten Bilder, die in Kahnweilers "Laden" in der Rue Vignon eingelagert blieben, mithilfe einer Rechtsanwaltes (André Level) zurückzubekommen; dem Verkauf einiger Bilder nach Amerika, was wohl möglich gewesen wäre, hatte Kahnweiler aber auch nicht zustimmen wollen.

Die Wut gegenüber Kahnweiler hat noch andere Gründe, die ich aber, da ich Richardsons Biogrophie nie durchgearbeitet habe,* nicht ganz verstehe: "his niggardliness at moments of crises, and the times he had to fail to buy much of his recent work and Vollard had had to come to his rescue. Old ressentments came floodingly back." (Richardson, A Life of Picasso II: 1907-1917) Picasso hatte anscheinend auch eine sehr grundlegende Existenzangst/ Verarmungsangst.

Bei Richardson lese ich in dem Zusammenhang übrigens auch noch, daß er nicht nur auf Kahnweiler wütend war, sondern schließlich auch auf L. Rosenberg (was ich nicht wußte), schließlich bezeichnete er ihn als "Feind" (Le Marchand - voilà l'ennemie), implizit bezog sich das aber auch auf Kahnweiler - vgl. dazu ggf.: Micahel C. FitzGerald, Making Modernism. Picasso & the Creation of the Market of the Twentieth-Centruy Art. (1995)

L. Rosenberg war für mehrere Künstler wohl eine der wenigen Alternativen als Künsthändler, denn Vollard hatte seine Galerie ebenfalls geschlossen. Man schätzte aber seinen Kunstverstand gering und er legte es anscheinend eher auf Quantität an. Wenn ich mir ferner die niedrigen Preise anschaue, die für Diego Riveras Arbeiten in jener Zeit veranschlagt, könnte seine Preispolitik auch mit ein Grund für die Geringschätzung sein.

Bei der von mir angesprochenen Zwangversteigerung handelt es sich um die eingelagerten Bilder bei Kahnweiler: es waren insgesamt vier (13./14. Juni 1921; 17./18. November 1921; 4. Juli 1922, 7./8. Mai 1923) im Hôtel Drouot.
Es wird in den Texten, die ich konsultiere leider nicht deutlich, warum überhaupt zwangsversetigert wurde, Ich nehme aber an, daß sie mit der anhängigen Klage im Zusammenhang steht.


* Ich besorgte sie mir seinerzeit wegen eines Plagiatstreits zwischen Rivera und Picasso (http://www.geschichtsforum.de/299505-post1803.html: http://www.geschichtsforum.de/299750-post1804.html -http://www.geschichtsforum.de/300269-post1805.html)
 
Hei, vielen vielen Dank Muspilli für’s Nachschauen und für die Ausführungen. Ich seh schon, es war eine Illusion, mich nur mit den Wildensteins befassen zu wollen. Eigentlich wollte ich mir ‘nur’ eine klare und gut recherchierte Chronologie für den Eigenbedarf aufstellen, um Provenancen und deren Wahrheitsgehalt besser folgen zu können. Die Kunst des 20.Jh. war eigentlich nie mein Ding, doch war es eh an der Zeit, mehr über die Händlerverhältnisse um die Jahrhundertwende zu lernen. Werde nächste Woche paar zusätzliche Bücher aus der Bibliothek holen, um paar ‘weiße Löcher’ füllen zu können.

Übrigens: der Kahnweiler-Katalog, den Du erwähnt hast - ist das der Kat. zur Ausstellung im Centre Pompidou in 1984-85 (Hatje 1986)? Eine Richardson Biografie werde ich mir wohl oder übel schnappen müssen, obwohl ich mir von Picasso zum Thema Wildenstein wenig versprach.
 
Spannende Diskussion über das Händlertrio Paul Rosenberg, Nathan Wildenstein und Georges Bernheim, die Picasso ab 1917 gemeinsam und exklusiv vertraten, zu der ich gerne noch etwas beitragen möchte und eine Frage habe.
Ich denke, dass es nicht Nathan Wildenstein (1852-1934) war, sondern sein Sohn Georges (1892-1963), der sich für Picasso interessierte. Nathan war auf französische Malerei des 18. Jahrhunderts spezialisiert. Wenn Nathan, wie Muspilli schreibt, den Vertrag mit Picasso, Paul Rosenberg und Georges Bernheim geschlossen hat, dann denke ich, tat er dies für Georges.
Was mich selbst sehr dazu interessieren würde: Weiß einer von Euch, wo sich das Archiv der Galerie Georges Bernheim aus dieser Zeit (1910er Jahre) befindet? Georges Bernheim schloss ja seine Galerie 1935 und das Galerielager wurde bei Charpentier am 7. Juni 1935 versteigert (da sind übrigens auch Werke von Picasso dabei). Ich suche schon so lange nach diesem Archiv der Galerie Georges Bernheim, das irgendwo existieren muss, denn es sind bei etlichen Werken auf dem Markt Kaufpreise dieser Galerie in den 1910er Jahren bekannt.
 
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