Polen als Wegbereiter der Deutschen Einheit?

Barbarossa

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Frau Merkel hat in Polen eine Rede zum 4. Juni 1989 gehalten, die mir zu denken gibt. Da meinte sie u. a.:
„Wir Deutschen danken den Polen für ihren Mut im Jahre 1989. Er hat auch uns Deutschen die Freiheit gebracht und die Einheit.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel verneigte sich gestern auf dem Wawel, der Krakauer Königsburg, vor den Polen. „Der 4. Juni ist nicht nur für die Polen, sondern auch für die Deutschen und mich persönlich ein ganz besonderer Tag“. Am 4. Juni 1989 habe Polen als erstes Ostblockland die Tür zur Demokratie aufgestoßen. Die Tschechoslowakei und Ungarn seien gefolgt. Schließlich hätten auch die Ostdeutschen erkannt: „Wir sind ein Volk“. Die Mauer sei gefallen. Ein Jahr später sei es zur Wiedervereinigung Deutschlands gekommen. „Wir, die Deutschen, sind den Polen für diese große Gabe der Freiheit zutiefst dankbar.“
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/...-Krakau-dankt-Merkel-den-Polen-fuer-ihre.html

Um ehrlich zu sein, ich mußte wirklich erst bei Wiki nachlesen, was am 4. 6. 1989 überhaupt in Polen los war:
...die Gründung der Gewerkschaft Solidarność unter Lech Wałęsa führte schließlich zu einem gesellschaftlich-politischen Umschwung im Land und zu den revolutionären Ereignissen von 1980 bis 1989, die in den ersten freien Wahlen im Ostblock am 4. und 18. Juni 1989 mündeten und an deren Ende mit der Auflösung des sogenannten Ostblocks und der Sowjetunion das kommunistische Regime durch eine demokratische Regierungsform ersetzt wurde.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Polen#Seit_1989:_Marktwirtschaft.2C_parlamentarische_Demokratie_und_die_Dritte_Republik
Aha, das wußte ich jetzt gar nicht mehr.
Aber trotzdem: Kann man Polen deshalb als Wegbereiter der Deutschen Einheit ansehen? Seit 1980 durfte man als DDR-Bürger ja nicht mal mehr nach Polen reisen...
Was meint ihr?
 
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Wegbereiter der deutschen Einheit ist ein großes Wort, an die Solidarnosc-Bewegung von Walesa kann ich mich aber dunkel erinnern und zusammen mit Glasnost und Gorbatschow und ähnlichen Bestrebungen in anderen Ostblockstaaten setzte dann das Tauwetter ein. Hat nicht auch der polnische Papst eine mittelbare Rolle gespielt, in dem er polnisches Selbstbewußtsein und Widerstandswillen gestärkt hat?

Noch gar nicht so lange her und schon ist vieles vergessen.
 
...Hat nicht auch der polnische Papst eine mittelbare Rolle gespielt, in dem er polnisches Selbstbewußtsein und Widerstandswillen gestärkt hat?

Noch gar nicht so lange her und schon ist vieles vergessen.
Na ja - alles hast du nicht vergessen. Johannes Paul II. hat für die Polen tatsächlich eine große Bedeutung gehabt - er war für sie eine Symbolfigur.
1978 wurde er zum Papst gewählt und die ersten Streiks in Polen begannen 1980. Da wurde dann auch die Gewerkschaft "Solidarność" gegründet.

Die einzige Auswirkung für uns in der DDR war, daß wir nicht mehr nach Polen fahren durften - von 1980-1989.
:weinen:

Auch ein Papst aus der DDR hätte für uns nicht annähernd die Bedeutung gehabt, wie der polnische Papst für die Polen - denke ich.
 
Na ja - alles hast du nicht vergessen. Johannes Paul II. hat für die Polen tatsächlich eine große Bedeutung gehabt - er war für sie eine Symbolfigur.
1978 wurde er zum Papst gewählt und die ersten Streiks in Polen begannen 1980. Da wurde dann auch die Gewerkschaft "Solidarność" gegründet.

Was sich allein schon daran zeigt, dass die polnische Regierung es damals 1979 (oder war's 78?) nicht geschafft hat, seinen Besuch zu verhindern, obwohl sie es sicherlich nicht erfreut hat. Habe 1979 auch schonmal irgendwo als "Jahr in dem die Religion in die Politik zurückkehrte" bezeichnet gesehen, was eben mit dem Papstbesuch und zusätzlich der muslimischen Revolution im Iran begründet war.
Polen als Wegbereiter der dt. Einheit, würde ich so nicht sagen, eher Polen als Wegbereiter des Zerfalls der SU. Nachdem mehrere Millionen Menschen den Papstbesuch in Polen sahen, es erste Streik gab, Solidarnosc gegründet wurde und schnell über eine Million Mitglieder hatte, war das ein wichtiger Teil des Zusammenbruchs, da Solidarnosc es zum ersten Mal schaffte halbwegs freie Wahlen zu erzwingen. Es waren nur ein Teil der Sitze wählbar (ich glaube es war die Hälfte), doch diese gewann alle oder fast alle Solidarnosc. Müsste irgendwann '89 gewesen sein.
Da der Zerfall der SU für die dt. Einheit wichtig war, könnte man Polen damit wahrscheinlich als Wegbereiter bezeichnen, eben wegen diesen ersten Wahlen.
Ich muss jedoch gestehen, dass mir diese Formulierung nicht ganz gefällt, da damit eigt. das "davor" ziemlich unter den Tisch gekehrt wird, all die Aufstände (Leipzig, Ungarn) oder auch der Abbau der Grenzbefestigungen zu Österreich.
 
Da der Zerfall der SU für die dt. Einheit wichtig war, könnte man Polen damit wahrscheinlich als Wegbereiter bezeichnen, eben wegen diesen ersten Wahlen.
Ich muss jedoch gestehen, dass mir diese Formulierung nicht ganz gefällt, da damit eigt. das "davor" ziemlich unter den Tisch gekehrt wird, all die Aufstände (Leipzig, Ungarn) oder auch der Abbau der Grenzbefestigungen zu Österreich.

Ich sehe keine Anzeichen , das die Entwicklungen in Polen irgendwelche
Auswirkungen auf den " Glasnost" - Prozess innerhalb der UdSSR gehabt
haben. Auch innerhalb Polens gab es eine starke kommunistisch-konservative
Gruppe in Militär und Apparat , die moskautreu war bis zuletzt.
Die Wahlerfolge von solidarnosc haben da noch nichts grundhaft geändert-
jedenfalls 1989 nicht. Und ich bin mir nicht sicher , was da heute noch für
Einfluss von Alt-Kommunisten besteht - ihre "Stasi "-
Vergangenheit sind die Polen jedenfalls nicht so recht angegangen

Der " Glasnost " - Prozess selber - von Gorbatschow und anderen hohen
Parteifunktionären eingeleitet und vorangebracht - war da wesentlicher.
Ich nehme an , das hier die letztendliche Neutralisation der militärischen
Karte der UdSSR erfolgte - und das war entscheidend.
Vergessen wir nicht , das in der DDR und auch in Tschechien/Slowakei
(seit 1968) starke russische Verbände stationiert waren.
In Polen hingegen nicht ! Auch in Ungarn nicht.
Ich würde eher sagen ,die Europa-Karte , welche die Ungarn spielten
beförderte den Protest 1989 in der DDR wesentlich.

Und das die Russen nicht mehr die Blutbad- Mentalität von 1953/56/68
hatten, machte das Aufbegehren in der DDR möglich.
 
Das wußte ich nicht, aber logisch, sonst hättet ihr ja die Warschauer statt der Budapester Botschaft belagert. :winke:
Wenn ich mich recht erinnere, gab es ´89 auch in der Warschauer Botschaft DDR-Flüchtlinge, nur nicht so viele, wie in Prag und Budapest - hab auch keine Ahnung, wie sie da hin gekommen sind. Vielleicht gab es ja irgend welche Sonderregelungen oder -genehmigungen für bestimmte Leute...
:grübel:
 
Barbarossa schrieb:
Aber trotzdem: Kann man Polen deshalb als Wegbereiter der Deutschen Einheit ansehen? Seit 1980 durfte man als DDR-Bürger ja nicht mal mehr nach Polen reisen...
Was meint ihr?



Für die DDR-Bevölkerung dürfte der 4.6.1989 ein denkwürdiger Tag gewesen sein. Währenddessen in der DDR im Mai 1989 massiv die Kommunalwahlergebnisse verfälscht wurden, gab es in Polen Wahlen, bei denen erstmals Oppositionsparteien zugelassen waren, und von denen dann auch noch der Ministerpräsident gestellt wurde (Tadeusz Mazowiecki am 24.08.1989). Das schien den Eindruck zu bestätigen, als würden sch die Verhältnisse in der SU ändern (Glasnost-Prozess) und in Polen (Wahlen mit Oppositionsparteien) und in Ungarn (Auflösung des alten Politbüros im April 89, Abbau der Grenzbefestigungen zu Österreich im Mai 89), aber eben nicht in der DDR. Die Vorgänge in Polen waren etwas, was bis dahin im Osten nicht vorstellbar war. Doch wenn dies in Polen möglich war - in Ungarn zeichnete sich die Wiederholung des gleichen Vorgangs ab -, warum dann nicht auch in der DDR? Insoweit kann man sagen, dass die Polen die Tür zur Freiheit aufgestoßen haben. Viele Ostdeutschen dürften dies - nicht unbedingt sofort, aber im Laufe der Zeit - so verstanden haben, dass solche Veränderungen auch in der DDR möglich sind. Die Montagsdemos in Leipzig begannen dann ja auch im September 89.

Treibsand schrieb:
Ich sehe keine Anzeichen , das die Entwicklungen in Polen irgendwelche
Auswirkungen auf den " Glasnost" - Prozess innerhalb der UdSSR gehabt
haben. (...) Der " Glasnost " - Prozess selber - von Gorbatschow und anderen hohen Parteifunktionären eingeleitet und vorangebracht - war da wesentlicher.

Doch warum setzte die KPdSU auf einmal auf den Reformprozess?

Es war doch so, dass der eigentliche Grund für den Zerfall des Sowjetsystems dessen wirtschaftliche Schwäche war. Krieg war wegen der nuklearen Abschreckung keine Option, um mit der Kriegsbeute diese Schwäche vorerst zu beseitigen. Die orthodoxen Mittel (Bekämpfung von Korruption, Whodka-Missbrauchs und Schlendrian) waren bereits ausprobiert und zeigten keine Wirkung. Das Anziehen der Zügel, das zeigte die Unterdrückung der Opposition in Polen, konnte zu keiner Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse führen. Übrig blieb die Abhängigkeit von Finanzmitteln aus dem Westen oder aber die Einleitung echter Reformen. Hier muss man sehen, dass letztlich auch Gorbatschow ein Getriebener der wirtschaftlichen Zwänge und Nöte war. Ihm ist sicherlich zu Gute zu halten, dass er diese Zusammenhänge durchschaute sowie die moralische Kraft aufbrachte, auch den anderen Osteuropäern das Recht einzuräumen, in ihren Ländern Reformen durchzuführen und auf die Anwendung von Gewalt zur Unterdrückung solcher Reformprozesse verzichtete.
 
Für die DDR-Bevölkerung dürfte der 4.6.1989 ein denkwürdiger Tag gewesen sein. Währenddessen in der DDR im Mai 1989 massiv die Kommunalwahlergebnisse verfälscht wurden, gab es in Polen Wahlen, bei denen erstmals Oppositionsparteien zugelassen waren, und von denen dann auch noch der Ministerpräsident gestellt wurde (Tadeusz Mazowiecki am 24.08.1989). Das schien den Eindruck zu bestätigen, als würden sch die Verhältnisse in der SU ändern (Glasnost-Prozess) und in Polen (Wahlen mit Oppositionsparteien) und in Ungarn (Auflösung des alten Politbüros im April 89, Abbau der Grenzbefestigungen zu Österreich im Mai 89), aber eben nicht in der DDR. Die Vorgänge in Polen waren etwas, was bis dahin im Osten nicht vorstellbar war. Doch wenn dies in Polen möglich war - in Ungarn zeichnete sich die Wiederholung des gleichen Vorgangs ab -, warum dann nicht auch in der DDR? Insoweit kann man sagen, dass die Polen die Tür zur Freiheit aufgestoßen haben. Viele Ostdeutschen dürften dies - nicht unbedingt sofort, aber im Laufe der Zeit - so verstanden haben, dass solche Veränderungen auch in der DDR möglich sind. Die Montagsdemos in Leipzig begannen dann ja auch im September 89.

Nein, da muß ich dir z. T. widersprechen.
Im Grunde war allen klar, daß mit Betonköpfen wie Honecker & Co. derartige Veränderungen wohl nicht möglich waren. Selbst Krenz habe ich derartiges nicht zugetraut. Hoffnung auf Veränderung war zwar immer da - vor allem aber hoffte man, daß Gorbatschow einen gewissen Einfuß auf die SED ausüben würde, was er aber nicht tat. So nahm ich die Ereignisse in Polen höchstens so am Rande wahr und bezog sie nicht auf die DDR und auf mögliche Veränderungen auch bei uns, denn in Polen rumorte es ja schon seit 10 Jahren - ohne, daß das irgend einen Einfluß bei uns gehabt hätte. Wie gesagt, man durfte seit dem ja nicht mal merh nach Polen reisen.
Eher haben Ereignisse wie die Botschaftsflüchtlinge in Prag und Budapest Hoffnungen genährt, daß durch eine erneute Fluchtwelle, ähnlich die der 50er Jahre, eine Änderung in der Politik bei uns bewirkt. Zunächst wurde jedoch auch die Grenze zur CSSR erst mal geschlossen...
 
Was waere wenn es in Polen keine Solidarnosc-Bewegung gaebe??

Wegbereiter...... vielleicht Anfang vom Ende und Niedergang des Kommunismus in Osteuropa. Aber diesen Schuh koennen sich wahrscheinlich dann auch die Ungarn und die Tschechen anziehen, obwohl ihre Aufstaende noch weiter zurueckliegen aber dennoch die Vorreiter des Widerstandes gegen die Sowjetunion waren.

Hier vielleicht eine Stellungnahme zu dem Thema
Deutsche Einheit - Mehr Respekt vor den Polen | ZEIT ONLINE
 
Was waere wenn es in Polen keine Solidarnosc-Bewegung gaebe??

Ja, was wäre?
Früher oder später wäre der Ostblock Bankrot gegangen.
Mit Parolen in den Untergang. Oder wie wollten sie ihre Schulden, die sie hatten zurückbezahlen?
Das würde nur gehen, wenn sie ihren Bürgern gar nichts mehr gönnen.
Aber irgendwann ist die Belastbarkeitsgrenze und Idealismus für einen Menschen auch erreicht.
Das setzt dann eben einen gewissen Automatismus in gange.
Die sozialistischen Führer hätten eben mehr Geschichtsbücher lesen müssen, dann hätten sie erkannt, das ein Volk nicht lange zu verscheissern ist.
Die alten Knacker konnten gut sagen, nach mir die Sintflut. Das kannten sie ja schon.
 
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Vergesst nicht , dass der Bankrott nicht automatisch das Ende eines Systhems bedeutet , Cuba und Nordkorea sind Bankrott und trotzdem sind die Castros bzw Kims noch am Ruder .
 
Die Cubaner leben auf einer schönen Insel und da heisst die Währung längst Dollar.
Die Kims, naja die tun mir wirklich leid, in Nordkorea. Ich weiss auch nicht, warum da mal keiner aufsteht und sagt, so gehts nicht weiter. Das ist doch wirklich der letzte Rest, von dem was übrig geblieben ist. Bei Korea würde mir gar nicht erst das Wort sozialismus einfallen.
 
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Die Cubaner leben auf einer schönen Insel und da heisst die Währung längst Dollar.

Die lokale Währung ist der kubanische Peso. Diese Währung ist aber nur für kubanische Staatsangehörige. Ausländer können nur in Pesos Conertibeles (dies ist nur in Kuba gültige Währung) bezahlen. Die kubanische Zentralbank hat verfügt, dass ab dem 08.11.2004 die lokalen Geschäfte keine US-Dollers mehr annehmen dürfen. US-Dollers können gegen eine hohe Gebühr gewechselt werden.

Quelle: Reisehinweise Kuba, des Eidgenössisches Departement für
auswärtige Angelegenheiten
 
Na, dann frag dort mal einen Taxifahrer, was für Geld er lieber hätte.
Ich meinte auch eher die illegale Währung.

Wann warst du denn das letzte mal in Kuba?

Klar nimmt er US-Dollar. Es ist aber so, dass es nicht die Währung in Kuba ist ;) :winke:

Aber das hat jetzt ja nichts mehr mit dem Thema Polen und Deutsche Einheit zu tun. :fs:
 
Es ist hier viel von Polen die Rede, aber das erste Land wo sich tatsächlich öffnete, anfangs äußerst behutsam, war Ungarn.

Die Öffnung der Sperranlagen im Sommer 89 war der logische Endpunkt einer Entwicklung die über 20 Jahre ging!

Anfangs der 70er war eine Klasse eines württ. Gymnasium auf Studienfahrt in Budapest, was in andere Ostblockländer damals absolut undenkbar war.
Das Geld wurde schwarz getauscht wie verrückt, in der DDR noch 89 ein Ding der Unmöglichkeit.

OT: Eines abends verkündete der Pauker, er muss noch einmal nachdrücklich vor dem Schwarztausch warnen, "es seien schon Fälle bekannt geworden, wo 1:1 getauscht worden wäre"
Es war der Lehrer selbst, der Schwarzhändler hätte plötzlich etwas von Polizei gerufen, ihm ein paar Scheine in die Hand gedrückt, und war weg gerannt.
Nach ein paar Flaschen Tokajer konnte der Lehrer sehr darüber lachen.
Und die Klasse war sich, natürlich nur im geheimen, einig, der Udo ist ein Pfundskerl!
 
Bring nicht alles durcheinander, Ursi. die Antwort ergab sich hierraus.
Vergesst nicht , dass der Bankrott nicht automatisch das Ende eines Systhems bedeutet , Cuba und Nordkorea sind Bankrott und trotzdem sind die Castros bzw Kims noch am Ruder .
Sicher behalte ich das Thema an sich im Überblick.
 
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