Polnische Sicherheits-/Verteidigungspolitik (Bündnispolitik) '33-'39?

rrttdd

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Hallo,

diese Frage beschäftigt mich auch schon seit längerem:

Wie hat Polen in der Verteidigungspolitik/Militärisch auf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler reagiert?

In der Schule haben wir irgendwann mal gelernt, dass 1939 eine (heimlich) hochgerüstete deutsche Militärmaschinerie Polen überrollte, welches dem ganzen nichts als ein paar Pferde entgegenzusetzen hatte... :confused:

Aber irgendwie ist das für mich nicht plausibel.

Hitlers Ideen vom Lebensraum im Osten waren ja schon länger bekannt, und auch die mehr oder weniger heimlichen Aufrüstungsaktionen des 3. Reichs werden dem polnischen Geheimdienst doch nicht entgangen sein?

Bei so einer Figur wie Hitler, der schon jahrelang vorher seine Pläne, das Land zu vernichten, aller Welt erzählte, kann man sich ja nicht zurücklehnen, da geht es doch um die Existenz!

Allerdings ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass Polen sich nach '33 auf einen Rüstungswettlauf mit dem 3. Reich eingelassen hätte, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre. :confused:

Das irritiert mich jedenfalls, wenn so jemand wie Hitler im Nachbarland an die Macht kommt, müsste man doch anfangen, alle freien Ressourcen in die eigene Aufrüstung zu stecken, und sich dafür notfalls hoch verschulden, vielleicht die britischen Verbündeten fragen ob sie einem einen Sonderpreis auf Militärgerät machen oder einem billig Geld leihen... (gerade bei deren Balance-of-Powers-Politik müsste das doch auf offene Ohren stoßen)

Ich habe irgendwie noch nie gehört, das Polen verteidigungspolitisch auf Hitler reagiert hätte. Es scheint, als hätten sie sechs Jahre gewartet und ihm dann die Armee der 20er Jahre entgegengestellt. Das kann aber eigentlich nicht sein...?
 
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Wie hat Polen in der Verteidigungspolitik/Militärisch auf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler reagiert?

Positiv, kann man festhalten. Hitler justierte relativ schnell die traditionelle revisionistische Außenpolitik der konservativen Eliten im AA und der Wehrmacht, die auf einen Konflikt mit Polen und eine Revission der deutschen Grenze hinausliefen. Und überraschte Freund und Feind mit einer friedlichen Politik gegenüber Polen.

Wie Herr H. bis ca. 1937 außenpolitisch sehr moderat in Erscheinung trat und seinen Friedenswillen häufig betonte, was er auch machen mußte, um keine Reaktionen auf die Aufrüstung der WM frühzeitig zu provozieren!!!

Deutsch-polnischer Nichtangriffspakt ? Wikipedia

In der Schule haben wir irgendwann mal gelernt, dass 1939 eine hochgerüstete deutsche Militärmaschinerie Polen überrollte, welches dem ganzen nichts als ein paar Pferde entgegenzusetzen hatte

Richtig und falsch. Polen wurde im Jahre 1939 international als stärkste Militärmacht im Osten eingeschätzt. Allerdings differierte diese Einschätzung erheblich und französische Militärs hatten Zweifel an der Fähigkeit Polens, den Konflikt mit dem 3. Reich mit einer minimalen Chance zu bestehen.

Polenfeldzug ? Wikipedia

Hitlers Ideen vom Lebensraum im Osten waren ja schon länger bekannt, und auch die mehr oder weniger heimlichen Aufrüstungsaktionen des 3. Reichs werden dem polnischen Geheimdienst doch nicht entgangen sein?

Diese Konzept von Hitler bezog sich primär auf die Gebiete in der UdSSR.

Polen, die Tschechei, Österreichbzw. der Balkan waren einerseits Aufmarschgebiet für den Feldzug gegen die UdSSR und andererseits geographischen Einheiten im Rahmen der Autarkiebestrebungen sprich "Großraumwirtschaft".

Nationalsozialistische Europapläne ? Wikipedia

Bei so einer Figur wie Hitler, der schon jahrelang vorher seine Pläne, das Land zu vernichten, aller Welt erzählte, kann man sich ja nicht zurücklehnen, da geht es doch um die Existenz!

Hat man auch nicht. Polen versuchte einen Weg der "Äquidistanz" zu den beiden großen Ländern 3. Reich und der UdSSR. Man versuchte durch Neutralität die polnische Unabhängigkeit sicher zu stellen.

Allerdings ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass Polen sich nach '33 auf einen Rüstungswettlauf mit dem 3. Reich eingelassen hätte, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

Rüstung verursacht Kosten. Man benötigt Devisen, um Technologie und Rohstoffe zu kaufen. Dieses hatte Polen einfach nicht! Polen hat versucht in bescheidenem Umfang eine eigenständige Munitionsindustrie aufzubauen.

Als agraisch geprägtes Land konnte es natürlich nicht im Rüstungswettlauf, der ab 1936 in Europa an Fahrt aufnahm, mit halten.

vielleicht die britischen Verbündeten fragen ob sie einem einen Sonderpreis auf Militärgerät machen oder einem billig Geld leihen...

Es gab Zusagen für Kredite, allerdings in nennenswertem Umfang erst ab 1939. Vor 1939 war das Verhältnis zwischen Polen und GB eher angespannt und zwischen Polen und Frankreich zwar akzeptabel, jedoch war Frankreich mit seiner eigenen Aufrüstung beschäftigt.

Ich habe irgendwie noch nie gehört, das Polen verteidigungspolitisch auf Hitler reagiert hätte. Es scheint, als hätten sie sechs Jahre gewartet und ihm dann die Armee der 20er Jahre entgegengestellt. Das kann aber eigentlich nicht sein...?

Polen hat im Rahmen seiner Möglichkeiten reagiert. Als es zum Konflikt kam war jedoch nciht nur das Material veraltet, sondern vor allem das operative Denken des polnischen Militärs. Und die daraus abgeleitete Aufstellung seiner Truppen, die die unsinnige Aufgabe hatte, jeden !!! Zoll polnischen Territorium zu verteidigen.

Dieses alles zusammen, vor dem Hintergrund einer vergleichweise revolutionären Kriegsführung durch die WM, brachte die polnsiche Verteidigung schnell zum Einsturz.

Ähnlich wie später die französische und die sowjetische.
 
Hi,

danke für die Ausführungen, das macht einiges klarer. Es wirft nur die nächste Frage auf...

Es gab Zusagen für Kredite, allerdings in nennenswertem Umfang erst ab 1939. Vor 1939 war das Verhältnis zwischen Polen und GB eher angespannt und zwischen Polen und Frankreich zwar akzeptabel, jedoch war Frankreich mit seiner eigenen Aufrüstung beschäftigt.

Demnach scheint Polen in Europa ja keine wirklich "dicken Freunde" gehabt zu haben. Die Frage die sich aufdrängt ist, warum das so war?

Und gerade GB müsste ja mit ihrer Aussenpolitik ein Interesse an einem auch militärisch starken Polen gehabt haben. (Appeasement, Balace of Powers..) Weil ein starkes Polen ja evtl. verhindert hätte, dass Hitler und Stalin aufeinander losgehen und am Ende einer von ihnen triumphiert...:confused:
 
Positiv, kann man festhalten. Hitler justierte relativ schnell die traditionelle revisionistische Außenpolitik der konservativen Eliten im AA und der Wehrmacht, die auf einen Konflikt mit Polen und eine Revission der deutschen Grenze hinausliefen. Und überraschte Freund und Feind mit einer friedlichen Politik gegenüber Polen.

Das war dann erst der zweite Schritt.
(ich kenne eine lokale Chronik in der beschrieben wird, wie die SA am 2. Mai 1933 als sie aufmarschierte die Gewerkschaftshäuser zu besetzen, den Passanten sagte, sie würden an die polnische Grenze marschieren)
Zuerst hat Polen in Frankreich angefragt, ob das nicht der Bündnisfall wäre.

was sich dann schnell änderte
[FONT=Arial,Helvetica,sans-serif][FONT=Arial,Helvetica,sans-serif]Mit der vom NS-Regime im Mai 1933 aus taktischen und nicht zuletzt aus wirtschaftspolitischen Gründen eingeleiteten Annäherung an Polen begann die Abkehr von der deutschen Ostpolitik der Weimarer Republik. Der deutsch-polnische Nichtangriffspakt vom 26. Januar 1934 markierte einen radikalen Bruch mit der seit 1919 gegen Polen gerichteten Revisionspolitik. Die Presse wurde angewiesen, über die Unterdrückung der deutschen Minderheit in Polen nicht mehr zu berichten. Der in der Bevölkerung beider Staaten mit Erstaunen zur Kenntnis genommene Vertrag sowie die beiderseitige Beendigung der Pressepropaganda waren zugleich Ausdruck des Kurswechsels auch in der polnischen Außenpolitik. Die in Warschau vor allem von Außenminister Jozef Beck (1894-1944) verfochtene Entspannungspolitik belebte die deutsch-polnischen Wirtschafts- und Kulturkontakte merklich.[/FONT][/FONT]
 
Demnach scheint Polen in Europa ja keine wirklich "dicken Freunde" gehabt zu haben. Die Frage die sich aufdrängt ist, warum das so war?

Kann man so nicht sagen. Zunächst gab es den Völkerbund, über den Frankreich und GB die europäische Politik bzw. den Status quo erhalten wollten.

Völkerbund ? Wikipedia

Frankreich war lange Zeit die dominante Militärmacht des Kontinents, die die Durchsetzung der Statuten des Völkerbunds garantieren sollte und konnte. Polen war ein Protege Frankreichs, ausgerüstet mit Waffen aus den Überlaufbeständen des WW1 und in den 20er Jahren eine potente, moderne Militärmacht.

Eränzt wurde das System durch die "kleine Entente", die durch Frankreich gefördert wurde.

Kleine Entente ? Wikipedia

Unabhängig davon gab es durch das 3. Reich Bestrebungen, Polen in den Anti-Komintern-Pakt" einzubeziehen. Nicht zuletzt deswegen, weil Polen und Japan, als gemeinsame Bedrohung der SU, über gute diplomatische Beziehungen verfügten.

Diese frühen Kontakte von Hitler zu Polen mit dem Ziel einen "Koalitions-" bzw. "Interventionskrieg" bereits in den späten 30er Jahren zu führen, beschreibt das neue Buch von Müller.

Der Feind steht im Osten: Hitlers ... - Google Bücher

Insofern war, so komisch sich das heute anhören mag, Polen ein durchaus interessanter potentieller Verbündeter für Hitler gegen die Sowjetunion und für seine Pläne des "Lebensraums im Osten".

Polnische Streitkräfte ? Wikipedia

und auch ein digitalisiertes Buch zu dem Thema:
http://books.google.de/books?id=8vC...#v=onepage&q=polnischer imperialismus&f=false

Und gerade GB müsste ja mit ihrer Aussenpolitik ein Interesse an einem auch militärisch starken Polen gehabt haben.
Vor 1939 hat sich GB nahezu nicht um die Poltik auf dem Festland gekümmert. GB war damit beschäftigt, sein Empire of Nations und seine führende Stellung als Seemacht wieder her zustellen. Und nach München ist Chamberlain eher mit Unwillen gefahren, weil er die Politiker auf dem Festland für inkompetent hielt für eine vernünftige Lösung, die er - aus ehrlichem Herzen vermutlich - bringen wollte, soweit wir es aus den Briefen an seine Schwestern wissen.

Relevant für die Betrachtung ist noch zusätzlich der Vertrag von Locarno und in der Folge die kurzfristig geltende "Stresa-Front"

Verträge von Locarno ? Wikipedia
 
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thanepower schrieb:
Wie Herr H. bis ca. 1937 außenpolitisch sehr moderat in Erscheinung trat und seinen Friedenswillen häufig betonte, was er auch machen mußte, um keine Reaktionen auf die Aufrüstung der WM frühzeitig zu provozieren!!!

Ich frage mich, ob das Wort moderat im Wortschatz des böhmischen Gefreiten H.überhaupt vorkam. Spaß beiseite.:winke:

Hitler hat den Kolonialkrieg Italiens gegen Abessinien skrupellos für seine Zwecke missbraucht. Zunächst wurden die Abessienier mit 10.000 Mausergewehre, Milllionen von Patronen, Kanonen und Granaten unterstützt. Später waren dann die Italiener an der Reihe. Die blieb weder Paris noch London verborgen.

Im März 36 erfolgte die Remilitarisierung des Rheinlands, was eine klare Herausforderung an die Adresse Frankreichs und Großbritanniens war. Die Wehrmachtspitzen, allen voran Blomberg, und die Diplomaten waren nicht umsonst zappelig.

Und schließlich die Intervention des Deutschen Reiches in den Spanischen Bürgerkrieg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Zielrichtung der außenpolitischen Vorstellungen durchlief sicherlich unterschiedliche Phasen. Und bis zur Konferenz von Hitler mit den Wehrmachtsspitzen, die im Rahmen der Hoßbach-Niederschrift dokumentiert ist, war Hitler auch um ein gewisses positives Image im Westen besorgt.

Und unterstrich in seinen Reden nicht selten seine Friedensbereitschaft, sicherlich zu seinen Bedingungen, aber dennoch so glaubwürdig, dass er zu diesem Zeitpunkt noch keine außergewöhnliche Dämonisierung in der - überwiegend konservativen - Presse der westlichen Welt erfahren hatte.

Hoßbach-Niederschrift ? Wikipedia

Dieses umso mehr als er lange Zeit noch gehofft hatte, dass die nicht einflußlosen Nazisympathisanten in GB entweder einen Pakt ermöglichen sollten oder die wohlwollende Neutralität bei seinen Ambitionen im Osten sicher stellen.

Von Liddel Hart stammt aus der post WW2-Ära die Einschätzung, dass wäre Hitler kurz nach München 38 einem Attentat zum Opfer gefallen, er in Deutschland als ein großer Politiker geachtet und verehrt worden wäre.
 
Relevant für die Betrachtung ist noch zusätzlich der Vertrag von Locarno und in der Folge die kurzfristig geltende "Stresa-Front"

Jeep. Mussolini hat Stresa "als ein für alle Mal" am 06.Januar 36 während eines Gesprächs mit dem deutschen Botschafter von Hassell für tot erklärt.
 
Die Zielrichtung der außenpolitischen Vorstellungen durchlief sicherlich unterschiedliche Phasen. Und bis zur Konferenz von Hitler mit den Wehrmachtsspitzen, die im Rahmen der Hoßbach-Niederschrift dokumentiert ist, war Hitler auch um ein gewisses positives Image im Westen besorgt.

Und unterstrich in seinen Reden nicht selten seine Friedensbereitschaft, sicherlich zu seinen Bedingungen, aber dennoch so glaubwürdig, dass er zu diesem Zeitpunkt noch keine außergewöhnliche Dämonisierung in der - überwiegend konservativen - Presse der westlichen Welt erfahren hatte.

Hoßbach-Niederschrift ? Wikipedia

Dieses umso mehr als er lange Zeit noch gehofft hatte, dass die nicht einflußlosen Nazisympathisanten in GB entweder einen Pakt ermöglichen sollten oder die wohlwollende Neutralität bei seinen Ambitionen im Osten sicher stellen.

Von Liddel Hart stammt aus der post WW2-Ära die Einschätzung, dass wäre Hitler kurz nach München 38 einem Attentat zum Opfer gefallen, er in Deutschland als ein großer Politiker geachtet und verehrt worden wäre.

Ich denke, das Großbritannien und Frankreich Hitler lange, zu lange, Zeit haben gewähren lassen. Sie meinten in dem sie Hitler immer wieder entgegenkommen, sein "Appetit" stillen zu können. Und mit dem Rheinlandcoup hat Hitler die für ihn günstige außenpolitische Großwetterlage eiskalt ausgenutzt und ist zur Tat geschritten. Das war ein klarer Bruch des Versailler Vertrags und eine herausforderung an die Signatarmächte, also vornehmlich Frankreichs und Großbritanniens. Das war nicht moderat, das war ein Vanbanquespiel, welches er noch mehrfach wiederholte. Hitler hatte ganz gewaltig mit dem Feuer gespielt und einfach Glück gehabt. Und das hat ih für seine folgenden Schandtaten ermutigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war ein klarer Bruch des Versailler Vertrags und eine herausforderung an die Signatarmächte, also vornehmlich Frankreichs und Großbritanniens. Das war nicht moderat, das war ein Vanbanquespiel, welches er noch mehrfach wiederholte.

Zu diesem Zeitpunkt war man in GB bereit, Hitler relativ weit entgegen zu kommen, auch um die zu diesem Zeitpunkt in GB als nicht gerecht empfundenen Bestimmungen des VV abzuschwächen.

Insofern war absolut kein politischer Wille vorhanden, das "Unvermeidbare" aufzuhalten. Womit auch, wäre die Frage des englischen Generalstabs gewesen. Die in 39 GB bescheinigten, für einen Konflikt auf dem Kontinent absolut nicht gerüstet zu sein.

Ansonsten war GB mit dem Appeasen von Italien im Mittelmeer beschäftigt, da es seine extrem wichtige Position in diesem Bereich gefährdet sah. Für GB eine deutlich zentralere Aufgabe wie das Rheinland.

Frankreich war zu diesem Zeitpunkt ebensowenig handlungsfähig, da es seit Januar 36 von einer Volksfront-Regierung regiert wurde, die über absolut kein außenpolitischen Handlungsspielraum verfügte. Wie sich im Fall des Spanischen Bürgerkriegs deutlich zeigen sollte.

Bedauerlicherweise basiert der Mythos der "Unfehlbarkeit", auf den sich Herr H. bei späteren Entscheidungen im Rahmen der Entfesselung des WW2 stützte, um Gefolgschaft im Umfeld des Militärs zu erzwingen, auf der erfolgreichen Rheinlandbesetzung, dem Anschluss und München 38.

Es wurde aber bereits in deutschen diplomatischen Kreisen erkannt, dass jeder Gesichtsverlust des Westens die Wahrscheinlichkeit eines härteren Widerstands bei nächsten Provokation erhöht.
 
Also OK, ich fasse zusammen:

-Frankreich wollte den Polnischen Staat, um die SU in Schach zu halten
-GB begrüsste das
-Ansonsten waren die polnischen Staatsgrenzen aber so komisch festgelegt, dass sich Polen ständig mit seinen Nachbarn zoffte und daher nicht gerade beliebt war

Aber sowohl Frankreich als auch GB waren in den 30ern mit anderen Dingen beschäftigt: GB mit der Reperatur des Empires und F mit dem Aufrüsten gegen Deutschland. GB sah sich auch nicht zu einem Krieg auf dem Kontinent in der Lage, man hoffte, dass die Polen sich selber helfen. Vordergründig sah die Armee Polens dazu auch ganz brauchbar aus...

Hier bin ich auch noch etwas unschlüssig:
Rüstung verursacht Kosten. Man benötigt Devisen, um Technologie und Rohstoffe zu kaufen. Dieses hatte Polen einfach nicht! Polen hat versucht in bescheidenem Umfang eine eigenständige Munitionsindustrie aufzubauen.

Als agraisch geprägtes Land konnte es natürlich nicht im Rüstungswettlauf, der ab 1936 in Europa an Fahrt aufnahm, mit halten.
Ich frage mich, ob der "Argrarstaat" Polen nicht genau so eine "Urban legend" ist wie der angebliche Versuch, die Wehrmacht mit Pferden aufzuhalten.
Diese Variante hat für mich so einen Klang wie Cowboys vs. Indianer...

Polen hatte Kattowitz und den Ostteil des schleischen Industriegebiets, mit Kohle und allem was dazugehört, es gab auch schon damals Industrie in Warschau und Posen. Da waren andere Länder wesentlich schlechter dran.

(z.B. Italien vom grundsätzlich Industrialisierungsgrad und der Rohstoffausstattung her)
 
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Allerdings ist mir noch nie zu Ohren gekommen, dass Polen sich nach '33 auf einen Rüstungswettlauf mit dem 3. Reich eingelassen hätte, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre. :confused:

Polen hatte 1934 mit Deutschland einen Nichtangriffspakt abgeschlossen. Die deutsch-polnischen Beziehungen waren in den nächsten Jahren durchaus freundschaftlich.
 
Von der Außenpolitik des Dt. Reiches zurück zu den polnischen Reaktionen auf die "Machtergreifung:

Die Polen unter Pilsudski versuchten die Westalliierten auf Grund der Kanzlerschaft Hitlers zu einem Präventivkrieg gegen das DR zu gewinnen. Nach Meinung Pilsudskis musste ein Kanzler Hitler früher oder später Krieg bedeuten.
Als Frankreich nichts davon wissen wollte, versuchte man in Danzig zu provozieren.
Anscheinend haben Hitler diese Aktionen Pilsudskis imponiert, so dass er den Ausgleich mit Polen suchte.
n Polen sieht man mit dem Machtantritt Hitlers einen unmittelbaren militärischen Konflikt als unvermeidlich an. Hitler bekennt sich offen aus zu einer Nichtanerkennung der in Versailles festgesetzten Rüstungsbegrenzungen. Nach den verbalen Propagandaschlachten der Weimarer Zeit befürchtet man in Polen nun die gewaltsame Revision. Das Übergreifen der nationalsozialistischen Bewegung auf Polen ruft eine Flut antideutscher Emotionen hervor. Nicht selten schlägt diese auch in allgemeine Aggressivität gegen die deutsche Bevölkerung um. Pilsudski überlegt Hitler mit alliierter Hilfe in einem Präventivschlag zu überrumpeln. Oberschlesien und Ostpreußen sollen besetzt werden. Noch hat Polens Armee doppelt so viele Soldaten wie die Reichswehr. Als ihm für seinen Coup die erforderliche Unterstützung des Verbündeten Frankreich versagt bleibt, versucht er im März 1933 durch verstärkte militärische Präsenz auf der Westerplatte vor Danzig nachdrücklich an die Einhaltung der Rüstungsbeschränkungen zu erinnern. Großbritannien und Frankreich weisen Pilsudski jedoch in die Schranken und mahnen an die Einhaltung der Völkerbundbeschlüsse.

von da:


Festzustellen bleibt, dass sich keine demokratisch legitimierte Regierung Deutschlands dies hätte erlauben können. Ohne sofort gestürzt zu werden.
Das "Ost-Locarno" wurde immer verweigert.
 
Aber wie haben die Polen dann die ganze heimliche Aufrüsterei Hitlers interpretiert?

Göring, der Reichsjägermeister, war in Polen gern gesehener Gast. Er und auch die Truppe des ehemaligen Sektgroßhändlers Ribbentrop haben keinen allzu großen Hehl aus den künftigen Absichten gegenüber der Sowjetunion gemacht.
 
Aber wie haben die Polen dann die ganze heimliche Aufrüsterei Hitlers interpretiert?
Zum einen war klar, dass Deutschland militärisch stärker war/wurde. Hier war die Politik gefragt und der Nichtangriffspakt war ein wichtiger Baustein. Zum andern wurde Frankreich als das Hauptziel einer Revanche gesehen.

Solwac
 
Zum einen war klar, dass Deutschland militärisch stärker war/wurde.

Aber offenbar nicht jedem. In verschiedenen Büchern/Aufsätzen zum Polenfeldzug liest man immer wieder, dass Angehörige der polnischen Armee ernsthaft geglaubt hätten, man könne schnell in Berlin sein, sollte es zum Krieg kommen.
 
Wenn man den Bericht von Jan Karski zur "geheimen" Mobilmachung in der Nacht vom 23. zum 24. August 1939 liest, dann erinnert das fatal an das, was wir sonst aus den Julitagen 1914 kennen: Begeisterung!* Und tatsächlich auch den Glauben an einen Sieg Polens:
">>Lass mich, Mutter<<, hörte ich an einem Nahnhof einen Jungen von etwa 20 Jahren laut rufen. >>Bald kannst du mich in Berlin besuchen.<<"
Unter Offizieren:
"Was Pietrzak von seinem Vater berichtete, der über eher noch zuverlässigere Informationsquellen verfügte, erweiterte und unterstützte die Analyse meines Bruders. [...] All dies brachte uns zu der Überzeugung, unsere Mobilmachung sei lediglich die polnische Antwort auf den Nervenkrieg der Nazis. Deuschland war schwach und Hitler bluffte. Wenn er sah, dass Polen stark und einig war [...] würde er sich bald zurückziehen, und wir könnten alle wieder nach Hause. Andernfalls würde Polen diesem grotesken kleinen Fanatiker eine Lektion erteilen und gegebenenfalls würden sich England und Frankreich daran beteiligen.
Eines Abends sagte unser Major:
>>England und Frankreich werden diesmal nicht gebraucht. Wir schaffen das allein.<<
Pietrzak bemerkte trocken:
>>Jawohl, Herr Major, wir sind strak, aber ... nun, also ... es ist immer schön, in guter Gesellschaft zu sein.<<"
Wie schnell Ernüchterung eintrat, berichtet Karski auch:
"In den Morgenstunden des 1. September, gegen fünf Uhr [...] donnerte unentdeckt die deutsche Luftwaffe heran [...] Das Ausmaß von Tod, Zerstörung und Chaos, das die Angriffe in diesen drei Stunden verursachten, war unvorstellbar. Bis wir uns so weit gefasst hatten, dass wir die Situation auch nur begriffen, war klar, dass wir keinerlei ernsthaften Widerstand leisten konnten."
Wobei diese Aussage zunächst nur für seine Kaserne gilt. Er berichtet über die nächsten zwei Wochen, dass seine Einheit immer wieder versuchte, Anschluss an die polnische Verteidigungslinie zu bekommen - bis sie schließlich von Auschwitz, wo die Kaserne lag, in den von den Sowjets besetzten Teil Polens kamen, wo sie von den Sowjets entwaffnet wurden.


*Wobei das ja inzwischen relativiert wird, dass die Kriegsbegeisterung 1914 nur von einer, wenn auch großen, Minderheit geteilt wurde. Wobei diese Spaltung auch bei Karski zum Ausdruck kommt: "Während der Fahrt wurde mir allmählich der Ernst der Lage bewusst. Ich hatte noch nicht die blasseste Ahnung, wie nah der Krieg tatsächlich war, aber immerhin begriff ich, dass es sich hier nicht um einen vergnüglichen Ausflug handelte, sondern um eine richtige Mobilmachung. [...] mehr Männer strömten herbei, mittlerweile hauptsächlich Bauern. Sie machten einen nüchterneren Eindruck und fassten die Möglichkeit, dass es tatsächlich in einen Krieg ging, offenbar realistischer ins Auge."
 
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