Radiokarbon-Datierungen - Stand, Probleme, Kalibrierungen

Argument 8: Die C14 Datierung der Skelette von Nineveh

Im Jahr 2010 diskutierten Wissenschaftler der University of Arizona ein Datierungsproblem der C14-Technolgie mit folgender Ausgangslage: Bei archäologischen Ausgrabungen in den Ruinen von Nineveh waren Spuren von kriegerischen Kämpfen gefunden worden. Insbesondere waren mehrere menschliche Skelette zusammen mit ihren Bewaffnungen unter dem Zusammenbruch einer Wallanlage mit Eingangstor vergleichsweise unversehrt gefunden worden. Offenbar war die städtische Befestigung bei Belagerungskämpfen zu Fall gebracht worden und hatte an einer Torsituation einen Trupp von 12 Verteidigern unter sich begraben. Diese Situation war ungestört bis zu den heutigen Ausgrabungen erhalten geblieben.

Anhang anzeigen 15906
8.1 Die Skelette von Nineveh (Ausschnitt)

Die gefundenen Skelette gehörten wahrscheinlich zum Belagerungskampf vom Sommer des Jahres 612 v.Chr., bei dem die Stadt Nineveh zum Ende der neuassyrischen Herrschaft belagert, eingenommen und anschließend vollständig geschliffen wurde. Ihre Gegner, eine Koalition aus Medern und den Truppen des neubabylonischen Reiches wollten den alten, lange Zeit unbesiegbaren Gegner total vernichten. So ist es verständlich, das nach den für die Stadt Nineveh verlorenen Kämpfen niemand mehr Ausschau hielt nach den vermißten Verteidigern. Diese Ausgangslage, die historisch in Babylon gut dokumentiert ist, sollte nun von den Experten für C14-Datierung zeitlich bestimmt werden. Dabei trat ein für die C14 Experten unerwartetes Problem auf:

‚The calibrated value of the mean age of the 14C values obtained on these 9 bone samples … yields an indicated age a little less than 2 centuries too old.‘ (S. 376)
‚Der kalibrierte Wert des Durchschnittsalters der C14 Werte, die in diesen 9 Knochenproben enthalten waren, … ergibt eine Altersangabe, die etwas weniger als zwei Jahrhunderte zu alt ist’. (Übersetzung von mir)

In der Folge werden verschiedene Faktoren für den Fehltreffer der Datierungsbestimmung untersucht, aber letzten Endes kann man sich nicht auf eine verbindliche Ursache einigen. So bleibt letztendlich nur eine unbeweisbare Vermutung, daß die Verteidiger sich überwiegend von Frischwasserfisch ernährt hätten?!
Liest man diesen Bericht nun vor dem Hintergrund der Zeitverschiebung von 232 Jahren, wird ganz offensichtlich, daß die Kalibrierung der C14-Methode, wie sie bisher vorgenommen wird, damit C14-Datierungen für die Antike auch stimmige Altersbestimmungen ergeben, einem Irrtum aufsitzen.

Denn die babylonische Aera ist absolut datiert im Gegensatz zur griechisch-römischen Aera, die 232 Jahre in Richtung Gegenwart versetzt werden muß. Die Radiokarbon-Datierung unterscheidet aber hier noch nicht zwischen den beiden Chronologien von Babylon und Rom, sondern setzt sie gleich. Und das ist der angezeigte Fehler. Wir sollten dabei nicht darauf pochen, daß im Bericht weniger als zwei Jahrhunderte Fehlzeit gemessen werden. Dies liegt höchstwahrscheinlich an der Ausgestaltung der Kalibrierungskurve.

Zusammenfassung
An diesem Beispiel läßt sich exemplarisch erkennen, daß sich die Hilfswissenschaften zur Geschichtsschreibung bis heute kaum trauen, mit den Ergebnissen ihrer Fehlmessungen die Chronologie AD in Frage zu stellen. Oder aber, sie machen es inzwischen doch, aber auf eine höchst subtile, indirekte Art und Weise - im Wege dieser und anderer Veröffentlichungen.

Literatur:
Alternative Explanations for Anomalous 14C Ages on Human Skeletons Associated with the 612 BCE Destruction of Nineveh, by R.E. Taylor, W. C. Beaumont, J. Southon, D. Stronach, D. Pickworth; UAiR Radiocarbon, Vol. 52.2, 2010
FR
 

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... So bleibt letztendlich nur eine unbeweisbare Vermutung, daß die Verteidiger sich überwiegend von Frischwasserfisch ernährt hätten?!

...wird ganz offensichtlich, daß die Kalibrierung der C14-Methode, wie sie bisher vorgenommen wird, damit C14-Datierungen für die Antike auch stimmige Altersbestimmungen ergeben, einem Irrtum aufsitzen.

...Dies liegt höchstwahrscheinlich an der Ausgestaltung der Kalibrierungskurve.

...An diesem Beispiel läßt sich exemplarisch erkennen, daß sich die Hilfswissenschaften zur Geschichtsschreibung bis heute kaum trauen, mit den Ergebnissen ihrer Fehlmessungen die Chronologie AD in Frage zu stellen. Oder aber, sie machen es inzwischen doch, aber auf eine höchst subtile, indirekte Art und Weise - im Wege dieser und anderer Veröffentlichungen.

Die weitreichenden Behauptungen sollten auf intensive Beschäftigung mit der Thematik schließen lassen. Hier ist Gelegenheit, das nachzuweisen. Wie ist derzeit - überblicksweise - der Stand der Forschung zu C14-Kalibrierungen:

- Welche C14-Datierungsanomalien (regionale und Datierungs-Beispiele) wurden und werden diskutiert?

- Welche Kalibrierungen werden derzeit fachwissenschaftlich akzeptiert vorgenommen, auf Grundlagen welcher Probleme im C14-Proben- oder Ausgangsmaterial?

- was sind die wesentlichen Aspekte bzw. methodischen Vorschläge in fachwissenschaftlichen Disputen zu Kalibrierungskurven?

- Beispiele für die bisherigen Diskussionen von Radiokarbon-Datierungs-Anomalien?
 
Vielleicht kann man aber die Themeneröffnung dann für seriöse Diskussionen nutzen.

Immerhin gibt es reichlich Beispiele für fachwissenschaftliche Dispute oder Vorstellungen von Datierungs-Anomalien bei Anwendung der Radiokarbon-Methode.

Solches kann man hier sammeln, auch die Fachdiskussionen über Fehlerspannbreiten.

Dann gibt es noch die interessanten Diskussionen über die Ursachen (regelmäßig keine Meßfehler, sondern logischerweise Kontamination des organischen Untersuchungsmaterials mit älterem C14), sowie die Kalibrierungsmöglichkeiten und methodischen Lösungsversuche.

Riothamus hat zB die Probleme zur absoluten Datierung in der archaischen Periode angesprochen. Wie ist da der Stand?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Aufnahme von organischem Material (Kohlenstoff, hier C14 produziert ) über die Nahrungskette siehe das kleine Bildchen hier:
http://www.geschichtsforum.de/763640-post10.html

Grobe Beschreibung:
- zur Produktion von C14 in den oberen atmosphärischen Schichten durch kosmische Bestrahlung von Stickstoff (N14, mit anschließendem Spaltprozess in 14N(n,p)14C),
- zum Zerfall von C14 mit dem "Messanker" einer Halbwertzeit von 5568 Jahren (und aufgrund des exponentieller Zerfall-Verlauf mit einer mittlerer Zerfallszeit von 8033 Jahren)
- zum Kohlenstoffkreislauf durch Nahrungskette etc.

siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radiokarbonmethode#Physikalische_Grundlagen
oder:
diverse Artikel zu der Vorgehensweise beim radiocarbon dating in: Encyclopedia of Scientific Dating (Rink/Thompson/Heaman/Jull/Paces), 2015.

Mit dem Lebensende eines Organismus wird logischerweise auch die C14-Aufnahme (Atmosphäre->Fotosynthese->Aufnahme und Ablagerung von C14-Material durch andere Lebewesen) beendet.

Mittels der physikalisch-chemischen Zerfallsparameter kann dann das Alter der C14-Ablagerung bestimmt werden. Jenseits von 50000 Jahren BP wird es dann schwierig (wenn auch nicht unmöglich), die Bestimmungen vorzunehmen.

Wozu nun die "adjustments" bzw. Kalibrierungen
? Wodurch werden "Datierungsanomalien" verursacht?

Zunächst einmal sind Schwankungen der atmosphärischen Entstehungsprozesse (unterschiedliche Strahlenintensitäten, man kann sich das zB an der Partikeldichte in der Atmosphäre etwa nach Vulkanausbrüchen klarmachen) auszugleichen. Für den Ausgangs-Ablagerungsprozess Atmosphäre->Fotosynthese ist das simpel durchführbar: etwa an Jahresringen von Bäumen (C14-Ablagerung endet mit dem Absterben des Baumes), die mit der C14-Datierung abgestimmt werden.

Umfangreiche Kalibrierungsdatenbanken (regional, zeitlich, materialbezogen) sind bei den entsprechenden Forschungseinrichtungen vorhanden, und werden wissenschaftlich als Referenzierung für die Kalibrierung genutzt.

Die rein terrestrische Nahrungskette ist nun weniger das Problem, da wegen der Aufnahme und Ablagerung pflanzlichen Materials (oder tierischem, was abgelagertes pflanzliches Material als Basis hat) die C14-Adjustierungen mit Korrekturen von rd. +1% ausreichend genau sind (weil die Ablagerungskette nicht durch älteres Material "kontaminiert" ist).

Als problematisch erwies sich dagegen die "Nahrungskette" ausgehend vom Wasser, durch Aufnahme älterem C14-Ausgangsmaterial: gelöstes CO2 aus der Atmosphäre im Wasser, Bikarbonate (Hydrogencarbonat, HCO3) oder Karbonate (Kohlensäuresalze) oder schlicht Aufnahme von Sedimenten in der Nahrungskette im Wasser mit älterem C14-Material.

Platt gesagt, wird älteres C14 durch diese Nahrungskette etwa menschlichem Knochenmaterial zugeführt, als über das Verzehren von Rindern oder Äpfeln. Beim Meerwasserkreislauf ist der Effekt größter, beim Süßwasser (fresh water) ebenfalls beachtlich, aber geringer als beim Salzwasser.

Da die Zerfallsprozesse gemessen werden, reichen für die Veränderung der Daten kleinere Beimengungen von Nahrung aus dem Wasser, die sich im organischen Material natürlich sämtlich abgelagert haben.

Es folgen später noch einige ("prominente") Beispiele aus der Literatur zu solchen Adjustments.
 
Das Problem bei der C14-Datierung ist neben rein praktischen Dingen vor allem die nicht gegebene Injektivität. Durch die Schwankungen im C14-Gehalt der Umgebung eines Lebewesens kurz vor dem Tod gibt es zu einem heutigen Messwert nicht nur eine Zeitspanne des Todeszeitraums sondern mehrere.

Es reicht also nicht nur der Messwert C12/C14, man braucht noch mehr Informationen. Diese Informationen können im Laufe der Zeit Neubewertungen nötig machen. Dies verkompliziert nicht nur die Altersbestimmung, es lädt Leute mit Halbwissen zu voreiligen Schlüssen ein. ;)
 

Wozu nun die "adjustments" bzw. Kalibrierungen
? Wodurch werden "Datierungsanomalien" verursacht?

Hier ist ein Überblick über die Grundlagen und Probleme der C14-Datierung, die ab den 1960ern eine zusätzliche Kalibrierung durch dendrochronologische Methoden erfordert haben. Dass diese Methoden wiederum in einer Weise problembehaftet sind, die die Zuverlässigkeit der Dendrokalibrierung in Frage stellt, ist seit den 1970ern bekannt. Ich werde diese Probleme in einem Fortsetzungsbeitrag ansprechen.

++++

Die drei Isotope des Kohlenstoffs, C12, C13 und C14, verfügen im Atomkern über eine gleiche Anzahl von Protonen (6), aber über verschiedene Anzahlen von Neutronen, die in der Isotopenbezeichnung erkennbar sind. Anders als die stabilen Isotope C12 und C13 ist das C14-Atom instabil (radioaktiv, daher "Radiokarbon" / "Radiokohlenstoff"), es zerfällt in einem Zufallsprozess zu einem Stickstoffatom, einem Elektron und einem Antineutrino. Die Halbwertszeit von C14 beträgt ca. 5730 Jahre, d.h. eine große Menge von C14-Atomen wird - ohne äußere Zufuhr neuer C14-Atome - aufgrund des Zerfalls nach ca. 5730 Jahren auf 50 %, nach weiteren ca. 5730 Jahren auf 25 % und nach ca. 57.360 Jahren, also 10 Halbwertszeiten, auf 0,01 % der Ursprungsmenge reduziert. Daher gelten 60.000 Jahre als absoluter Zeithorizont für die Durchführung einer C14-Datierung.

Am Beginn des C14-Entstehungsprozesses steht die kosmische Strahlung. Ihr Ursprung ist größtenteils die Sonne, der höherenergetische Rest stammt von anderen Sternen, Supernovae, Quasaren usw. Trifft diese Strahlung auf die oberen Schichten der Erdatmosphäre, kommt es in 15 Kilometern Höhe und hauptsächlich in den Polarregionen durch Spallation (Atomspaltung) zur Freisetzung von Neutronen, die, wenn sie auf das häufigste atmosphärische Isotop, Stickstoff N14 (7 Protonen im Kern), treffen, die Verwandlung eines Protons in ein Neutron zur Folge haben, wodurch aus dem Stickstoff- ein Kohlenstoffatom mit 6 Protonen und 8 Neutronen wird. Dieses radioaktive C14-Atom nennt man auch ´kosmogenes Radionuklid´.

Zu jedem Zeitpunkt enthalten alle irdischen Kohlenstoff-Reservoire insgesamt ca. 62 Tonnen C14.

Der Anteil von C14 am gesamten Kohlenstoffhaushalt der Atmosphäre beträgt etwa 10 hochminus 10 %, also nur den billionsten Teil des C12-Gehalts. Aus der Verbindung des C14 mit Sauerstoff O2 entsteht Kohlen(stoff)dioxid CO2, das sich mit dem Kohlendioxid vermischt, das aus der Verbindung von C12 sowie C13 mit O2 entstanden ist. Das C12/C14 (sowie C13) enthaltende Kohlendioxid wird von den Pflanzen aufgenommen, die C im photosynthetischen Prozess für den Aufbau von Kohlehydraten verarbeiten und O2 wieder ausscheiden. Auf diese Weise gerät C14 - zusätzlich zur Aufnahme durch Einatmen - über die Nahrungskette in den biologischen Kreislauf und wird chemischer Bestandteil aller irdischen Organismen, auch der maritimen, da Kohlendioxid auch von den Wasserreservoire aufgenommen wird, wobei Salzwasser (Ozeane) ein 10mal höheres Aufnahmevermögen für CO2 hat als Süßwasser (Flüsse) und entsprechend mehr C14 enthält.

Im Kontext der weiteren Argumentation sind die Kohlenstoff-Verhältnisse in den Ozeanen von größter Bedeutung. Die Ozeane enthalten ca. 85 % des gesamten irdischen Kohlenstoffs (= 42 x 10 hoch 15 kg), wovon 82 % auf das Tiefenwasser und 3 % auf das Oberflächenwasser ("ozeanische Deckschicht", ca. 50-100 m dick) entfallen. (Zum Vergleich: Die Atmosphäre enthält nur ca. 2 % des globalen Kohlenstoffs). Zu beachten ist, dass ozeanisches Tiefenwasser, also das mit Abstand größte Kohlenstoff-Reservoir der Erde, eine signifikant geringere Konzentration an C14 (im Verhältnis zu C12) aufweist als alle anderen Reservoire (Oberflächenwasser, Atmosphäre, Humus, Biosphäre).

Zwischen Atmosphäre und ozeanischer Deckschicht findet stetig und global ein Austausch (Diffusion) von CO2 statt, und zwar in beide Richtungen, je nachdem, ob der CO2-Partialdruck in der Atmosphäre oder im Ozean überwiegt (Druckdifferenz). Diese Prozesse differerieren lokal in puncto Richtung und Quantität sehr stark. Ein Grund dafür ist, dass Warmwasser wegen eines höheren CO2-Partialdrucks CO2 an die Atmosphäre abgibt, während Kaltwasser wegen eines niedrigeren Drucks CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt. Zu Unregelmäßigkeiten in der CO2-Zirkulation zwischen Atmosphäre und Ozean kann es auch durch Einspeisung von C14-armen oder - freiem Frischwasser in die Ozeane kommen, z.B. durch Gletscherschmelze.

Noch wichtiger, weil sehr viel häufiger, sind Diffusions-Unregelmäßigkeiten durch das komplexe ozeanische Strömungsverhalten, das lokal große Mengen an C14-armem oder -freiem Tiefenwasser an die Oberfläche befördert, wodurch entsprechend C14-arme oder - freie CO2-Mengen in die Atmosphäre diffundiert werden, was zu einer lokalen und temporären Minderung der atmosphärischen C14-Konzentration führt.

Auch Vulkanausbrüche führen zu lokal-temporären Veränderungen der C14-Konzentration.

Wie problematisch all diese Reservoir-bedingten Effekte (= "Reservoireffekte") für die Zuverlässigkeit von C14-Datierungen sind, wird weiter unten zur Sprache kommen.

Zur Geschichte der C14-Datierung:

Ende der 1940er Jahre entwickelte der US-Amerikaner Willard F. Libby (Universität von Chicago) ein Verfahren der Datierung archäologischer Proben durch die Messung der darin stattfindenden C14-Aktivität, was ihm 1960 einen Nobelpreis einbrachte. Um die Zuverlässigkeit seiner Messungen zu garantieren, postulierte Libby folgende Grundannahmen:

+ Die Produktion von C14 in der Atmosphäre verläuft kontinuierlich und gleichmäßig.

+ Die Durchmischung der Atmosphäre verläuft schnell und global gleichförmig.

+ Jeder lebende Organismus spiegelt die atmosphärische Isotopenmischung (insbesondere von C12 und C14) proportional exakt wieder.

+ Alle Organismen nehmen C14 im gleichen Konzentrationsverhältnis (zu C12) auf (= organische Invarianz).

+ Nach Beendigung des Stoffwechsels (Tod) nimmt ein Organismus kein C14 mehr auf. Die C14-Konzentration (= quantitatives Verhältnis von C14 zum stabilen C12) nimmt in ihm gemäß dem Zerfallsgesetz kontinuierlich ab.

+ Aus dem gemessenen C12/C14-Verhältnis einer archäologischen Probe kann gemäß dem Zerfallsgesetz die Zeit errechnet werden, die seit der Beendigung des Stoffwechsels verstrichen ist - und damit das Alter der Probe.

+ Ganz wichtig: Das gegenwärtig (für Libby: Mitte 20. Jahrhundert) herrschende atmosphärische C12/C14-Verhältnis (= C14-Konzentration) fungiert als verbindlicher Maßstab für die Errechnung der verstrichenen C14-Zerfallszeit in einer Probe, d.h. die atmosphärische C14-Konzentration ist - für Libby - zu jedem Zeitpunkt in den vergangenen 60.000 Jahren (C14-Zeithorizont) die gleiche wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Dieses letzte Postulat nennt man auch "Fundamentalprinzip" (= zeitliche Invarianz der atmosphärischen C14-Konzentration). Ohne seine Gültigkeit kann ein zeitliches Zurückrechnen des C14-Zerfalls bis zum Punkt des Stoffwechselendes nicht erfolgen, weil dafür das präzise C12/C14-Verhältnis (= C14-Konzentration) an diesem Punkt bekannt sein muss, was voraussetzt, dass die atmosphärische C14-Konzentration zeitlich und räumlich invariant ist. Ohne die Geltung dieses Prinzips wüsste man ja nicht, bis zu welchem Punkt einer C14-Konzentration in der Probe gemäß dem Zerfallsgesetz zurückzurechnen wäre, um ihr Alter zu ermitteln.

Das Postulat der räumliche Invarianz der atmosphärischen C14-Konzentration nennt man "Simultanitätsprinzip". Ihm zufolge durchmischt sich die Atmosphäre so schnell, dass eventuelle lokale Konzentrationsschwankungen für die Zuverlässigkeit einer C14-Datierung nicht nennenswert ins Gewicht fallen.

Zu unterscheiden sind ´C14-Alter´ und ´historisches Alter´. Im Idealfall sind beide identisch, d.h. wenn ein gemessenes C14-Alter gemäß dem Zerfallsgesetz z.B. 1800 Jahre BP (= Before Present, d.h. standardmäßig: vor 1950) beträgt, dann entspricht ihm idealerweise ein Todeszeitpunkt der organischen Probe im Jahr 150 CE. In diesem Fall hätte die C14-Messung ein absolutes Datum hervorgebracht. Dies setzt aber die Gültigkeit von Libby´s Fundamentalprinzip voraus, demzufolge sich die atmosphärische C14-Konzentration nicht ändert. Andernfalls würde die Messung ein zu hohes oder zu niedriges Alter anzeigen.

In den 1950er Jahren kam es immer wieder zu Konflikten zwischen Libby und seinen Anhängern einerseits und Ägyptologen andererseits, weil archäologische C14-Datierungen oft von ägyptologisch anerkannten historischen sowie astronomischen Datierungen verjüngend abwichen, wobei Libby auf der Geltung seiner Messungen bestand und den Ägyptologen vorwarf, irrtümlichen Datierungen aufzusitzen. Bis 1958 bestand eine Pattsituation wegen Unentscheidbarkeit über die Priorität beider Datierungsverfahren.

Das änderte sich ab 1958 durch die Aufweichung von Libby´s Fundamentalprinzip infolge der Entdeckung signifikant starker Schwankungen der atmosphärischen C14-Konzentration in der Vergangenheit, erkennbar an der unterschiedlichen C14-Konzentration in den Ringen langer Baumringsequenzen. Die "Sequioa Tree Ring Series" von 1960 z.B., eine bis etwa 200 CE zurückreichende Ringsequenz, wies 14 von der erwarteten Zerfallskurve gravierend abweichende Schwankungen auf, die den Glauben an die Invarianz der atmosphärischen C14-Konzentration nachhaltig erschütterten. Solche Schwankungen werden im C14-Mainstream "wiggle" genannt (to wiggle = sich hin- und herbewegen).
 
Die Halbwertszeit von C14 beträgt ca. 5730 Jahre, d.h. eine große Menge von C14-Atomen wird - ohne äußere Zufuhr neuer C14-Atome - aufgrund des Zerfalls nach ca. 5730 Jahren auf 50 %, nach weiteren ca. 5730 Jahren auf 25 % und nach ca. 57.360 Jahren, also 10 Halbwertszeiten, auf 0,01 % der Ursprungsmenge reduziert.
1/1024, d.h. 0,1% ;)
 
Untersuchungen in einer Höhle in China sollen die Radiokarbon-Datierungen genauer möglich machen: Hintergrund ist, dass der Fund und die Messungen Überprüfungen des 14C/12C- bzw. 230Th- Gehalts der Atmosphäre für den Verlauf der letzten 54.000 Jahre gestatten sollen. Damit könnten Normgehalte bestimmt werden, die dann einer Kalibrierung ach den Fundverhältnissen zugänglich wären (ohne jetzt gleich Datierungs-"Revolutionen" zu unterstellen).

Artikel aus der Science, freier Zugang im download:
Atmospheric 14C/12C changes during the last glacial period from Hulu Cave

Presse, zB Spon:
Höhle in China: Wie uralte Tropfsteine die Archäologie revolutionieren - SPIEGEL ONLINE - Wissenschaft
 
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