Stephan bat die Moderation darum festzustellen, ob die Insinuierung richtig oder falsch sei. Die Moderation stellt fest, dass sie falsch ist.
Ich nehme den Vorwurf zurück und entschuldige mich.
(du verzeihst mir die [...] im Zitat)
ich werde noch nicht so recht schlau aus diesen Kontrasten, d.h. ich kann noch nicht absehen, wohin deine bedenkenswerten Argumente führen wollen/sollen --- ich wiederhole noch mal, dass ich speziell den Aspekt, dass Terroristen jeglicher Couleur gerne das Image des Revolutionärs haben möchten, für entlarvend halte.
Dieser Wunsch, als Revolutionär zu erscheinen, ist ein möglicher Aspekt. Für mich stellt sich aber die Frage, wie die Leute sich selbst sehen. Haben die RAF-Leute sich selbst als Terroristen betrachtet? Ich vermute eher, dass sie tatsächlich fest überzeugt waren, große Revolutionäre zu sein. Wie wir mehrfach festgestellt haben, gibt es in dieser Diskussion niemanden, der diese Ansicht teilen würde. Wir sind einhellig der Meinung, dass die Leute Terroristen waren.
Du fragst, worauf ich mit meinen Aussagen hinauswill: Nun, ein Grund für die Diskussion ist die Ausgangsfrage "Terrorist oder Revolutionär". Wir diskutieren über Merkmale beider "Typen", die eine Unterscheidung möglich machen können. Dabei wurde unter anderem das Unterscheidungsmerkmal angeboten, dass Terroristen wahllos agieren, während Revolutionäre sich gezielt gegen den Staat wenden. Ich wollte deutlich machen, dass selbst die RAF, die wir übereinstimmend als Terrorgruppe einstufen, mit diesem Kriterium nicht zu greifen ist.
Wenn ich das Wort "Kollateralschäden" verwendet habe, so bitte ich darum, dies nicht als meine persönliche Wertung zu betrachten. Vielmehr charakterisiert es die Art, wie die RAF selbst diese speziellen Taten gesehen hat.
Zur Frage, wie "gezielt" die RAF vorgegangen ist: Selbst der damals angegriffene Staat hat der RAF nicht vorgeworfen, wahllos Terror zu verbreiten. Die RAF stützte sich auf theoretisch-ideologische Grundlagen, und ihre Taten passten zu diesen Grundlagen: Die Aktionen richteten sich nicht gegen die Bürger sondern gezielt gegen den Staat, seine Organe und seine herausragenden Repräsentanten. Es gab keine Bomben auf öffentlichen Plätzen oder in Diskotheken, keine Flugzeugentführungen, keine Massengeiselnahmen bei denen die Identität der Geiseln egal gewesen wäre.
Das alles macht die RAF-Leute noch nicht zu Terroristen. Hätten sie mit diesen Mitteln nicht die Bundesrepublik angegriffen sondern das Dritte Reich, dann würden wir sie nicht Terroristen nennen sondern Straßen nach ihnen benennen. Zu Terroristen wurden die RAF-Leute, weil die eine Hälfte der Bevölkerung das ideologische Gerede der Leute nicht verstehen konnte und die andere Hälfte nicht erkennen konnte, wie man aus dem Gerede den Schluss ziehen konnte, dass jetzt nur noch "bewaffneter Kampf" möglich sei.
Zu den mehrfach angesprochenen Taten, die nicht politisch sondern nur kriminell einzustufen sind: Wie ich bereits geschrieben habe, steht jede Untergrundgruppe - gleichgültig ob sie revolutionär, terroristisch oder nur kriminell ist - vor dem Problem, dass sie sich finanzieren muss. Und im Gegensatz zum Staat, den sie bekämpfen will, hat sie keinerlei legale Einnahmequellen. Würde man fordern, dass Revolutionäre nur auf legale Weise ihren Kampf finanzieren, könnten wir die Debatte über Unterscheidungsmerkmale gleich beenden, denn dann gibt es keine "legitime" Revolution und jede Erhebung ist per definitionem Terrorismus. Die kriminelle Geldbeschaffung zum Beispiel durch Banküberfälle ist also auch kein sicheres Merkmal für Terrorismus.
Zu den hier teilweise namentlich genannten Opfern: Ich gehe davon aus, dass man mir nicht vorwirft, ich würde diese Taten irgendwie rechtfertigen wollen. Ich rechtfertige weder diese Morde noch die anderen. Fakt bleibt aber: Die Aktionen der RAF zielten nicht auf diese Menschen. Diese Personen waren "austauschbar". Es ging nicht um sie als Personen. Diese Menschen waren nur "zufällig im Weg". Wenn das jetzt wieder zynisch klingen sollte: So meine ich es nicht. Zynisch war nur die Erbarmungslosigkeit, mit der die RAF den Tod dieser Menschen als "unvermeidliche Nebenerscheinung" in Kauf genommen hat. Wie zum Beispiel die Schleyerentführung: Es ging um Schleyer. Dass die Terroristen dafür drei Leibwächter und den Fahrer umbringen "mussten", war ihnen schlicht egal. Sie hätten diese Leute allerdings nicht umgebracht, wenn Schleyer nicht im Auto gesessen hätte. So ist es zu verstehen, wenn ich (aber durchaus nicht allein ich) sage, dass die Taten der RAF "gezielt" waren.
Ist jetzt vielleicht diese eben geschilderte "Erbarmungslosigkeit" ein Merkmal für Terrorismus? Ich fürchte, selbst das geht nicht. Wenn sich jemand einmal für den bewaffneten Kampf entschieden hat, dann muss er vermutlich solche eigentlich unbeabsichtigten Opfer als unvermeidlich betrachten. Was bleibt dem edlen Tyrannenmörder denn im Zweifel anderes übrig, als auch die Leibwächter des Tyrannen umzubringen? In solchen Fällen sprechen die Menschen von "Kollateralschäden" und wirken dadurch zynisch.
Übrigens trifft das nicht nur auf Revolutionäre und Terroristen zu. Unser demokratischer Staat unterhält bewaffnete Streitkräfte. Er hält sich also die Option offen, Krieg zu führen. Und er ist sich bewusst, dass im Krieg zwangsläufig unschuldige Zivilisten sterben. In einem erklärten Krieg ist es juristisch gesehen kein Verbrechen, wenn unbeteiligte Zivilisten umkommen - solange die Kriegsparteien darauf achten, dass "nicht mehr Zivilisten als nötig" umkommen. Ziemlich zynische Rechtslage, stimmts?
Wie auch immer: Ich vermute, der Unterschied zwischen Terrorist und Revolutionär ergibt sich in dem Moment, in dem ein Mensch entscheidet, zur Waffe zu greifen. Für den Rest der Welt wird dieser Unterschied leider immer erst sehr viel später klar erkennbar.
MfG