Rassismus oder nicht?

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Wenn man alte Lexika zur Hand nimmt, ist vieles aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch, andere Dinge machen eher nachdenklich.

Neger [1] - Zeno.org

Neger [1] - Zeno.org

DIE LINKS SIND NICHT IDENTISCH !

Ich frage mich nun, wie soll man solche Beiträge aus heutiger Sicht werten?

1) Ist es einfach nur übler Rassismus?
2) Kann man es eher als ein überhebliches, nicht unbedingt böswilliges Herabsehen auf "seine Kinder" betrachten? So ähnlich wie man Heinrich Lübkes berühmt-berüchtigte Ansprache (Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Neger...) werten kann? Das wäre eigentlich meine Vermutung.
3) Oder, im Kontext der Zeit, ist das die rein "wissenschaftliche Linie"?

Fällt jemandem noch eine andere Sichtweise ein?

PS: Die Beiträge zu Mongolen, Indianern usw. sind von ähnlicher "Qualität".
 
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3) Oder, im Kontext der Zeit, ist das die rein "wissenschaftliche Linie"?
".

Ich würde sogar eher hierzu tendieren, alleine deswegen, da zu dieser Zeit man ja wirklich noch von verschiedenen Menschen"rassen" ausging, die, bedingt durch die koloniale Überheblichkeit wirklich als "minderwertiger" angesehen wurden.
 
Ganz klar 1) Es ist einfach übler Rassismus.
Die Beschreibungen entbehren teilweise jeder objektiven Grundlage. Man kann den damaligen Zeitgeist auch nicht damit entschuldigen, dass sie es nicht besser wußten.

Beim Geruch habe ich aufgehört zu lesen, da offenbaren sich die übelsten Niederungen.
 
Ganz klar 1) Es ist einfach übler Rassismus.
Die Beschreibungen entbehren teilweise jeder objektiven Grundlage. Man kann den damaligen Zeitgeist auch nicht damit entschuldigen, dass sie es nicht besser wußten.

Beim Geruch habe ich aufgehört zu lesen, da offenbaren sich die übelsten Niederungen.

Nicht dass mein Beitrag falsch verstanden wird. Ich wollte es so verstanden haben, dass ich 1. meine (aus heutiger Sicht klar!) in Verbindung mit der Rechtfertigung durch 3., dies allerdings als vorherrschende wissenschaftliche Meinung zu dieser Zeit.

Kann mir jemand folgen? :rotwerd:
 
Nicht dass mein Beitrag falsch verstanden wird. Ich wollte es so verstanden haben, dass ich 1. meine (aus heutiger Sicht klar!) in Verbindung mit der Rechtfertigung durch 3., dies allerdings als vorherrschende wissenschaftliche Meinung zu dieser Zeit.

Kann mir jemand folgen? :rotwerd:

Kaum, denn wissenschaftlich arbeiten sollte auch damals sachliche Objektivität bedeutet haben.

Beim Geruch und Menschenfresserbehauptungen hört bei mir Wissenschaft definitiv auf. Das war auch damals üble Nachrede der widerlichsten Sorte.
 
Kaum, denn wissenschaftlich arbeiten sollte auch damals sachliche Objektivität bedeutet haben.

Beim Geruch und Menschenfresserbehauptungen hört bei mir Wissenschaft definitiv auf. Das war auch damals üble Nachrede der widerlichsten Sorte.

Natürlich war es das. Die Frage ist nur, gehst du mit deiner heutigen Def/Ansicht von Wissenschaft ran? Oder von der damaligen. Ansonsten könntest du nämlich 99 % der "wissenschaftlichen Ergebnisse als unwissenschaftlich bezeichnen, die in der Vergangenheit abgelaufen sind.

Und ich will mich nicht so verstanden wissen, als ob ich den Artikel in irgendeiner Weise rechtfertigen würde.
 
3) Oder, im Kontext der Zeit, ist das die rein "wissenschaftliche Linie"?

Ich tendiere auch hierzu, wobei "reine" wissenschaftliche Linie aber m. E. nicht zutrifft - haben wir es doch mit einem "Universallexikon" zu tun, dass sicherlich zu einigen Vergröberungen/Popularisierungen in der Darstellung greifen muss.

Gleichzeitig hört man aber - und das muss kein Widerspruch sein, vgl. G. M. - deutlich rassistische Untertöne heraus, ohne dass diese vor dem Hintergrund der damaligen Zeit notwendig als abwertend verstanden werden müssten:

Die körperliche Leistungsfähigkeit hat sich unter dem Druck besonderer Verhältnisse zu bedeutender Höhe entwickelt; weniger geeignet für ununterbrochene Arbeit, sind sie dem Europäer überlegen an Geschwindigkeit und stürmischem Kraftaufwand. Von Charakter heiter, eitel, gefallsüchtig, lügenhaft und sinnlich, aber sehr gelehrig, machen sie europäische Erzeugnisse mit großer Geschicklichkeit nach, eignen sich fremde Sprachen schnell an und sind in den Schulen rasch auffassende Schüler.

Nach: Neger [1] - Zeno.org

Hier kann man aber nun auch das herauslesen, was du in deinem 2. Punkt angesprochen hast.

Insofern denke ich, dass die "Neger"-Artikel aus populärwissenschaftlicher Sicht verfasst worden sind, der Autor aber als Kind seiner Zeit zugleich auch rassistischem und sendungsideologischem Denken verpflichtet war (das gilt aber für die tendenziell unter den Vorbedingungen des "Zeitgeistes" stehende Wissenschaft im Allgemeinen auch, so dass dem Autor kein Strick daraus zu drehen ist).
 
Ich frage mich nun, wie soll man solche Beiträge aus heutiger Sicht werten?

Aus heutiger Sicht ... das ist so eine Sache. Ob populärwissenschaftlich oder nicht, der Lexikonbeitrag spiegelt das Denken und die Einstellung der damaligen Zeit wider. Und das war nicht nur auf Deutschland bezogen, auch die anderen "zivilisierten" Länder haben auf fremde Rassen ähnlich reagiert.

Übrigens ist es noch gar nicht so lange her, da galt in Deutschland eine "wissenschaftlich-begründete" Rassenlehre, die genau erklären konnte, warum der nordische Mensch dem "Neger" weit überlegen ist. Manche glauben auch heute noch an den Blödsinn.
In den USA galt die Rassentrennung bis weit in die 60er Jahre hinein, in Südafrika noch länger.
Wie gesagt: Ist noch gar nicht so lange her.

Zurück zum Thema: Einen über 100 Jahre alten Artikel aus heutiger Sicht zu interpretieren ist m.E. nicht sonderlich zielführend. Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und unsere moderne globalisierte Gesellschaft tragen natürlich dazu bei, dass ein solcher Artikel heute als diskriminierend und rassistisch angesehen wird. Aber der Artikel war typisch für die damalige Zeit. Punkt.
Es ist wesentlich wichtiger, dafür zu sorgen, dass das damalige Denken nicht ins Heute übertragen wird, sondern das bleibt, was es ist: Ein überholtes Relikt.

Gruß

Jacobum
 
@Jacobum, natürlich ist das ein überholtes Relikt - genau wie die Kreuzzüge oder was auch immer. Aber Schluss-Punkt? Dies ist ein Geschichtsforum und deshalb sollten wir auch versuchen, solche Ansichten im Spiegel ihrer Zeit zu sehen und zu werten. Wenn es um die heutige Bewertung unter Ausblendung der historischen Sicht allein gehen würde, dann wäre es hier das falsche Forum dafür.

PS: Ich will hier auch gar nicht über die Nazi-Rassenlehre und Apartheid diskutieren, sondern um das, was vorher war. Dort liegen m. Mn. nach die Wurzeln für viele scheinbar unverständliche Auswüchse des 20. Jahrhunderts.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Auszug aus einem anderen Lexikon, vielleicht als Vergleich und weiterer Denkanstoß:

Neger, m. (fr. nègre, span. u. it. negro, v. l. niger, schwarz, span. und it. negro, fr. noir) ein Schwarzer, Mohr; Negerinn od fr. Negresse, f. eine Schwarze, Mohrinn in od. aus Afrika; Negrophil, m. halb=gr. ein Freund der Schwarzen, Negerfreund, der die Freilassung der Neger-Sklaven wünscht.

Nach: Dr. Joh. Christ. Aug. Heyses allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch nebst genauer Angabe ihrer Abstammung und Bildung. Sechzehnte einzig rechtmäßige Original-Ausgabe. Neu bearbeitet, vielfach berichtigt und vermehrt von Prof. Gustav Hense. Hannover, Hahn´sche Buchhandlung 1879, hier S. 627.
 
@Jacobum, natürlich ist das ein überholtes Relikt - genau wie die Kreuzzüge oder was auch immer. Aber Schluss-Punkt? Dies ist ein Geschichtsforum und deshalb sollten wir auch versuchen, solche Ansichten im Spiegel ihrer Zeit zu sehen und zu werten. Wenn es um die heutige Bewertung unter Ausblendung der historischen Sicht allein gehen würde, dann wäre es hier das falsche Forum dafür.

Tut mir leid, ich kann diese Ansicht nicht teilen.
Aber über diese "Relikte" weiterzudiskutieren, wäre zu viel der Ehre und bringt sie nur zurück ins Gedächtnis, sie sind ohnehin noch immer in zu vielen Köpfen präsent.

Nehmt als Analogien die Thesen der Hexenverfolgung, ich glaube dabei ist der Abstand inzwischen groß genug.
 
1) Ist es einfach nur übler Rassismus?
2) Kann man es eher als ein überhebliches, nicht unbedingt böswilliges Herabsehen auf "seine Kinder" betrachten? So ähnlich wie man Heinrich Lübkes berühmt-berüchtigte Ansprache (Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Neger...) werten kann? Das wäre eigentlich meine Vermutung.
3) Oder, im Kontext der Zeit, ist das die rein "wissenschaftliche Linie"?

Fällt jemandem noch eine andere Sichtweise ein?

PS: Die Beiträge zu Mongolen, Indianern usw. sind von ähnlicher "Qualität".

Ich habe die beiden oben verlinkten Einträge sowie einen über Indianer gerade 'kursiv gelesen'. Soweit ich mich mit dem Thema befaßt habe, geben die Einträge durchaus die damalige wissenschaftliche Sicht wieder.

Dabei darf man nicht außer Acht lassen, daß die Wissenschaft sich damals (auch heute) nicht im luftleeren Raum bewegt, sondern von der Gesellschaft beeinflußt wird, aus der sie kommt; so wie sie ihrerseits die Gesellschaft beeinflußt. Natürlich spielt in die Wissenschaft in diesem Zeitraum hinein, daß zb die Sklaverei in den USA eine bestehende Institution war. Afrika war größtenteils unter europäischen Kolonialmächten aufgeteilt, die aus den Kolonien Profite ziehen wollten.

Nun sind aber Sklaverei sowie auch Aneignung von Kolonien nicht problemlos, sondern bedürfen der Rechtfertigung, warum diese notwendig, sogar zum Besten der Kolonisierten/Versklavten sei. Die Entwicklung rassistischer Rechtfertigungsstrategien bietet dazu Möglichkeiten. Die Einträge spiegeln dies sehr deutlich wieder: die angebliche Minderwertigkeit, Unterlegenheit nichtweißer Völker wird herausgestellt - der 'kindliche' Charakter, die angeblich mangelnde Voraussicht und Planung, die angeblichen physischen und auch psychischen Unterschiede, das Negieren kultureller und intellektueller Leistungen etc.

Die Unterdrückung anderer Menschen funktioniert offenbar nur über deren Abwertung, indem deren Menschlichkeit reduziert wird. Daß Wissenschaft dabei mitwirkt, ist nicht nur zum Erscheinungszeitpunkt der Lexikons so gewesen (ich bitte mir aber nachzusehen, daß ich mir heutige Beispiele verkneife) - auch wenn wir dies in der geballten Form wie in den verlinkten Artikeln *heute* weniger als Wissenschaft, sondern eher als Schlag ins Gesicht ansehen.
 
Tut mir leid, ich kann diese Ansicht nicht teilen.
Aber über diese "Relikte" weiterzudiskutieren, wäre zu viel der Ehre und bringt sie nur zurück ins Gedächtnis, sie sind ohnehin noch immer in zu vielen Köpfen präsent.

Nehmt als Analogien die Thesen der Hexenverfolgung, ich glaube dabei ist der Abstand inzwischen groß genug.

Ich finde, Du überziehst.
Zum einen kommen wir auch keinen Schritt weiter, indem wir solche Ansichten verdrängen, wenn sie ohnehin noch in zu vielen Köpfen sind.
Vor 70 Jahren galt etwa Epilepsie noch als Geisteskrankheit und war in Deutschland potentiell lebensbedrohend. Diese Meinung hielt sich bis in den Brockhaus anno 1958!
Zum anderen wird man den damaligen Verhältnissen nicht gerecht, wenn man moderne Maßstäbe anlegt. Auch die Passagen hinsichtlich des Geruchs, usw. bewegen sich in dem damaligen wissenschaftlichen Rahmen. Gerade die Differenz von heute zu damals in nur 200 Jahren bezeugt die atemberaubende Leistung der Menschheit in ihrer jüngeren Geschichte. Betrachtet man diese Entwicklung über die gesamte Geschichte des homo sapiens, so beschleunigen wir quasi auf Lichtgeschwindigkeit!
 
Man sollte sich mal überlegen, welche unserer heutigen Ansichten unsere Urenkel in 100 Jahren als barbarisch empfinden werden.

Aber dazu bedürfte es der Relativierung der eigenen Ansichten, und das ist schwierig.

Off Topic : In Tansania fragte mich mal jemand, was wir in Deutschland denn so äßen. Ich antwortete : "Brot, Kartoffeln, Wurst..." "Wurst, was ist denn das ?" "Nun ja, da wird ein Schwein zermatscht und dann in seinen eigene Darm gestopft." "Igitt, und das esst ihr ?!"
 
Chinesen wird ja auch schlecht, wenn wir denen erzählen wie Käse hergestellt wird und das wir das auch noch essen :D
 
3) Oder, im Kontext der Zeit, ist das die rein "wissenschaftliche Linie"?

Fällt jemandem noch eine andere Sichtweise ein?
Also ich denke schon, dass es eine damalige wissenschaftliche Sichtweise war. So vermischen sich darin scheinbar eine Vielzahl von verschiedenen Reiseberichten. Interessant ist der Artikel von 1860 (Pierers Universallexikon), weil eben zu dem Zeitpunkt Afrika noch nicht gänzlich aus europäischer Sicht erschlossen war. In den 1860ern gab es ja noch die berühmten Expeditionen von Stanley und Livingstone.

Ein bisschen sollte man sich immer wieder in der heutigen Sicht davor hüten von einer ganz besonders rassistischen Sicht auf die Bevölkerung Afrikas auszugehen. Wie schon balticbirdy eingangs sagte, die Artikel zu anderen damals zusammen gefassten Menschengruppen, Bewohnern bestimmter Erdteile usw. waren nicht minder wunderlich aus heutiger Sicht verfasst.

Ich werde mal schauen, ob ich noch früheres, wenn gewünscht, finde. Muss dies in Richtung Afrika gehen? Ich denke mal schon, sonst würde das Thema rasch ausufern.
 
Die Unterdrückung anderer Menschen funktioniert offenbar nur über deren Abwertung, indem deren Menschlichkeit reduziert wird. Daß Wissenschaft dabei mitwirkt, ist nicht nur zum Erscheinungszeitpunkt der Lexikons so gewesen (ich bitte mir aber nachzusehen, daß ich mir heutige Beispiele verkneife) - auch wenn wir dies in der geballten Form wie in den verlinkten Artikeln *heute* weniger als Wissenschaft, sondern eher als Schlag ins Gesicht ansehen.

Ich denke, dass ist der Punkt.. Wissenschaft hat sich immer wieder in den Dienst des Rassismus stellen lassen, oder war eine Ausdrucksform rassistischer Systeme u. Gedankenwelten.
Davor ist keine 'Zeit' auch unsere 'Heutige' gefeiht.

Gruß.. Verrücktes Pferd
 
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