Ratgeber/'Benimm'-Bücher im 17./18. Jahrhundert

Saint-Simone

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Der 'Knigge' ist wohl den meisten Leuten ein Begriff, aber gab es solche 'Benimm'- Bücher im Deutschsprachigen oder Französischen Raum auch schon etwas früher?

Mir sind leider nur die Englischen bekannt, in erster Linie von Hannah Wolley, aus dem späten 17. Jahrhundert, wie zum Beispiel 'The Gentlewoman's Companion' oder 'The Queen-like Closet'. Im ersteren wird so ziemlich alles besprochen, was man als Frau wissen sollte, inklusive Beispielbriefen für verschiedene Anlässe. Women Writers Resource Project

Ähnlich verhält es sich anscheinend mit dem 'Ladies Dictionary' (1694), wenn man der 'Daily Mail' glauben darf. The 17th century women's guide to looking good | Mail Online

Ein eher anatomisches und aufklärendes Werk wäre 'Aristotle's Masterpiece' (1684 ?), inklusive moralischen Belehrungen für beide Geschlechter. The Works of "Aristotle" - Contents

Aber gibt es solche Bücher aus dem 17. /18. Jahrhundert auch für den deutschsprachigen Raum? Oder für den französischsprachigen? So weit ich das einsehen kann, hat Knigge eher eine Abhandlung geschrieben, als einen tatsächlichen Schritt für Schritt Ratgeber über gutes Benehmen. Weiß jemand etwas? Gibt es da vielleicht auch- außer für den Knigge- Primärquellen online?
 
Freiherr von Knigge hat nicht wirklich ein Benimm-Buch in der Art geschrieben, wie es später unter seinem Namen auf den Markt kam, sondern eher über allgemeine Verhaltensregeln für den Mann.
Frauen waren aus gutem Grund nicht inbegriffen, denn Knigge sagte:
"Weise Frauenzimmer allein können den Personen ihres Geschlechts die besten Lehren über ihr Betragen im gesellschaftlichen Leben erteilen; das ist eine Arbeit, die Männern nicht gelingen würde ... Übrigens haben Frauenzimmer in ihrem Umgange in der Tat Rücksichten zu nehmen, die bei uns gänzlich wegfallen. Sie hängen viel mehr vom äußern Rufe ab, dürfen nicht so zuvorkommend sein. Man verzeiht ihnen von einer Seite weniger Unvorsichtigkeiten und von der andern mehr Launen; ihre Schritte werden früher wichtig für sie, indes dem Knaben und Jüngling manche Unvorsichtigkeit verziehn wird; ihre Existenz schränkt sich ein auf den häuslichen Zirkel, dahingegen des Mannes Lage ihn eigentlich fester an den Staat, an die große bürgerliche Gesellschaft knüpft; deswegen gibt es Tugenden und Laster, Handlungen und Unterlassungen, die bei einem Geschlechte von ganz andern Folgen sind als bei dem andern."
 
Hier eine online-Version zu Knigges Verhaltensbuch, das den Vorläufer für die späteren Knigges bildete. Aber wie gesagt, es geht hauptsächlich um den Mann. Knigge, Adolph Freiherr von/Schriften/Über den Umgang mit Menschen - Zeno.org

*Nachtrag*
Zu deinem Thema gab es 2005 eine Forschungsarbeit, vielleicht kann die Autorin dir weiterhelfen:
Luisa Tasca
(Post-Doc-Stipendiatin des Französischen Wissenschaftsministeriums an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris)


Forschungsprojekt:
Gute Manieren und bürgerliche Kultur: Das Habsburgerreich, Deutschland und Italien im 19. Jahrhundert


Zeitraum des Forschungsprojektes:
1. März-30. Juni 2005
Forschungsort: IFK

CV und Publikationen:
U.a. Galatei. Buone maniere e cultura borghese nell’Italia dell’Ottocento, Florenz 2004.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alles was erhältlich ist :)
Dann fiele mir auf Deutsch ein:

J.H.Campe "Sittenbüchlein für Kinder aus gesitteten Ständen" Frankfurt und Leipzig, 1779
Kann aber sein, dass das eher moralisierend und wenig konkret ist. Darin würde es "dem Knigge" ähneln.
Das ist mir nämlich schon in Campes "Väterlicher Rath für meine Tochter..." (1789) aufgefallen, den man hier Campe, Joachim Heinrich - Zeno.org findet.

Ich suche aber mal, müsste auch was "handfesteres" daheim haben, was aber heißen kann, dass es eben nicht online steht.
 
Dann fiele mir auf Deutsch ein:

J.H.Campe "Sittenbüchlein für Kinder aus gesitteten Ständen" Frankfurt und Leipzig, 1779
Kann aber sein, dass das eher moralisierend und wenig konkret ist. Darin würde es "dem Knigge" ähneln.
Das ist mir nämlich schon in Campes "Väterlicher Rath für meine Tochter..." (1789) aufgefallen, den man hier Campe, Joachim Heinrich - Zeno.org findet.

Ich suche aber mal, müsste auch was "handfesteres" daheim haben, was aber heißen kann, dass es eben nicht online steht.


Vielen Dank für den Hinweis und das Angebot. :) Ich nehme auch gerne Quellen die nicht online stehen, es ist halt nur einfacher als langwiehrige Fernleihen anzufangen, deswegen wäre es schön, wenn einfach alles im Netz wäre, aber man kann ja nicht alles haben...
 
Vielen Dank für den Hinweis und das Angebot. :) Ich nehme auch gerne Quellen die nicht online stehen, es ist halt nur einfacher als langwiehrige Fernleihen anzufangen, deswegen wäre es schön, wenn einfach alles im Netz wäre, aber man kann ja nicht alles haben...
Sind Dir Namen wie Basedow und Campe übrigens geläufig? Kann ja sein, dass diese Pädagogen da und dort etwas nützliches in die Richtung schrieben.
 
Habe ich heute leider zum ersten Mal gehört.
In Basedows/Chodowieckis "Elementarwerk" ist ein wesentliches Werk zur Erziehung der Kinder aus der 2. Hälfte des 18.Jh..

Eine weitere Grundlage der Basedowschen Didaktik bildete das 1774 vorgelegte Elementarwerk, das in neun Büchern Grundfragen der Erziehung behandelte, dann den Menschen, die Logik, die Religion und Sittenlehre, die Beschäftigungen und Stände der Menschen, Geschichte und Naturkunde. Daniel Chodowiecki fertigte die Kupfertafeln dafür an. Mit dem Elementarwerk schuf Basedow das moderne Realienbuch: Es verband Text und Bild und Sachinformationen, die dialogisch erörtert wurden.
aus:
Johann Bernhard Basedow ? Wikipedia

Basedow zählte zu einer aufklärerischen Elite in Deutschland. Er verkehrte mit den Geistesgrößen wie Goethe, aber auch mit Künstlern.
 
Mit konkreten Vorschlägen, wie man sich zu verhalten hat, wartet allerdings August Bohse auf in seinem:
"Der getreue
Hoffmeister
adelicher und bürgerlicher
Jugend/
oder
...
von
Talandern."
Leipzig, Verlag Joh. Ludw. Gleditsch, 1706​

Bohse gibt zwar viele moralische Anweisungen. Er liefert aber auch ganz klare Beispiele, wie man sich beispielsweise in der Konversation mit jungen Demoiselles zu verhalten habe und was man frage könne. Manches davon, was er als scherzhafte Komplimente auffasst, erscheint uns heute vielleicht grotesk und sogar ein bisschen unverschämt, aber lesenswert ist es allemal. Über 500 Seiten stark ist das Werk allerdings ein ziemlicher Wälzer.
Es gibt das Buch digitalisiert online in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.:yes::yes::yes:​
 
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