Rauh: Rückzug vor Moskau - Legenden und Mythen zum WK 2

Ich musste mal wieder anderen Aktivitäten Priorität geben, Entschuldigung bitte für meine Abwesenheit.

Hinzu kam, dass Hitler in diesen Wochen sich als starke Führungspersönlichkeit erwies. Brauchitsch war mit seinen Nerven am Ende; v. Bock, der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte trat ebenfalls zurück und Generaloberst Halder, der Chef des Generalstabes des Heeres, flüchtete sich in Durchhalteparolen. General Jodl, der Chef des Wehrmachtführungsstabes, bemerkte nach dem Krieg, dass er Hitler in diesen Wochen richtig bewundert hätte. Der Diktator hätte in jenen Tagen die Ostfront gerettet.

Sind dieses Aussagen von Cliomara hier Konsens?

Laut Silesia kann also von einem planmäßigen Rückzug keine Rede sein.

Tatsächlich klammerte man sich an einige Wellenbrecher, um den Vorstössen der Roten Armee die "operative Tiefe" (-> Halder) und Verbindungslinien im Winter zu nehmen, und die Vorstösse somit totlaufen zu lassen:
Demjansk
Wolchow-Linie
Toropez-Cholm
Juchnow, Belew, Wolshansk-Slawjansk, Mius.


Der Haltebefehl erwies sich als unhaltbar.

Könnte man wohlwollend behaupten, diese "Wellenbrecher" haben ihren Dienst getan? Die Vorstöße der Roten Armee im Winter 1941/42 fanden dann ja doch erst einmal ein Ende.

Grüße, Holger
 
Sind dieses Aussagen von Cliomara hier Konsens?

Zumindest läßt Halder in folgendem Buch kein gutes Haar an Hitler. Und der Aussage von Cliomara hinsichtlich Hitler und seinen Qualitäten als Feldherr dürften, wahrscheinlich, die meisten, die in diesem Themenkomplex aktiver schreiben, mehr oder minder deutlich widersprechen.

Hitler als Feldherr: der ehemalige Chef des Generalstabes berichtet die Wahrheit - Franz Halder - Google Bücher

Laut Silesia kann also von einem planmäßigen Rückzug keine Rede sein.

Ansonsten läßt sich vermutlich relativ schnell ein Konsens finden, der sich in den Beiträgen von Silesia, Turgot oder Melchior bereits herauskristallisiert.

Wäre zumindest mein persönlicher !!!!! Eindruck der bisherigen Ausführungen.
 
Könnte man wohlwollend behaupten, diese "Wellenbrecher" haben ihren Dienst getan? Die Vorstöße der Roten Armee im Winter 1941/42 fanden dann ja doch erst einmal ein Ende.

Kann man.

Zum "Wellenbrecher" gehören allerdings zwei. Die Offensive der Roten Armee im Winter 1941/42 war durch außerordentliche Zersplitterung gekennzeichnet, und durch die geographischen Vorgaben "Mitte-Nord", besonders ungünstig.

Die genannten Örtlichkeiten sind Vorläufer des späteren "Feste-Plätze-Denkens" Hitlers für die Ostfront in den Winterschlachten, und speziell Demjansk wiederholte sich in Stalingrad, allerdings mit anderem Ausgang.
 
Ansonsten läßt sich vermutlich relativ schnell ein Konsens finden, der sich in den Beiträgen von Silesia, Turgot oder Melchior bereits herauskristallisiert.

Wäre zumindest mein persönlicher !!!!! Eindruck der bisherigen Ausführungen.

Ja, aber sie widersprechen Cliomara nicht! Und Halder wird von ihnen sehr kritisch gesehen.

Grüße, Holger
 
Ja, aber sie widersprechen Cliomara nicht! Und Halder wird von ihnen sehr kritisch gesehen.

Cliomara hat in ihrer Wertung die Zusammenfassung zum Haltebefehl wiedergegeben, wie sie ähnlich auch bei Reinhardt in seinem Standardwerk vom MGFA (Die Wende vor Moskau) zu finden ist.

Dass ich die Wertung des Haltebefehls für überzogen, den Befehl selbst für frontfern, praktisch unwirksam, adressiert nur an die Führungszirkel halte, ist durch die Zitate deutlich geworden. Mal so formuliert: die Front "bewegte" sich an den entscheidenden Stellen unabhängig vom Haltebefehl Hitlers. Ebenso "stand" sie unabhängig vom Haltebefehl dort, wo witterungsbedingt ohnehin keine Bewegung möglich war. Bei der Diskussion werden häufig leider die Verhältnisse "vor Ort" völlig ausgeblendet.

Die von Reinhardt - und einer Reihe anderer Autoren - behauptete (von Hitler angeblich verhinderte) "Auflösung im Rückzug" ist reine Spekulation und wird durch die Ereignisse, bei denen Rückverlegungen stattfanden (mussten), widerlegt. Da ist nichts von "Auflösung" zu finden. Der Rest ist Mystifizierung des Haltebefehls in den Nachkriegsmemoiren.

Die Wertungen von Jodl zu Hitler sind irrelevant, die wohl psychischen Zusammenbrüche in der Führungsspitze betreffen einzelne Ausfälle der Generalität, insgesamt quantitativ völlig vernachlässigbar. Dass andererseits die Nerven mit dem gescheiterten "3-Monatsfeldzug" und in kritischen Lagen blank lagen, ist wohl nachvollziehbar.

Alles weitere an Wertungen um den Haltebefehl sind mehr oder weniger fundierte Meinungen, interessanter finde ich die Aufklärung der Ereignisse selbst (bei denen von einem "Rückzugsplan" nichts zu sehen ist).

Halder kann man kritisch sehen, die Meinung von ihm über "Hitler als Feldherr" halte ich allerdings für zutreffend und belegbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass Hitler ein großer Feldherr war. Tatsache ist aber auch, dass er im Vergleich zu anderen hohen Truppenführern in diesen Wochen die Nerven behielt.

Zum Haltebefehl: Vor Jahren las ich die Erinnnerungen von Hermann Balck, einem hochdekorierten General, dass er nach einer Frontreise Hitler ebenfalls vom sofortigen Rückzug abgeraten hätte. Balck war im Dezember 1941 Oberst im OKH.
 
Mal so formuliert: die Front "bewegte" sich an den entscheidenden Stellen unabhängig vom Haltebefehl Hitlers. Ebenso "stand" sie unabhängig vom Haltebefehl dort, wo witterungsbedingt ohnehin keine Bewegung möglich war. Bei der Diskussion werden häufig leider die Verhältnisse "vor Ort" völlig ausgeblendet.

Das bedeutet also: Der Rückzug von Moskau erfolgte also weder planmäßig noch chaotisch, sondern pragmatisch an die Gegebenheiten und Erfordernisse angepasst.

Die von Reinhardt - und einer Reihe anderer Autoren - behauptete (von Hitler angeblich verhinderte) "Auflösung im Rückzug" ist reine Spekulation...

Es spekuliert also mal wieder eine ganze Reihe von Autoren. Hat einer vom anderen abgeschrieben? Wer spekuliert? Und wo stehen andererseits die Tatsachen?

...die wohl psychischen Zusammenbrüche in der Führungsspitze betreffen einzelne Ausfälle der Generalität, insgesamt quantitativ völlig vernachlässigbar.
Tatsache ist aber auch, dass er im Vergleich zu anderen hohen Truppenführern in diesen Wochen die Nerven behielt.
Abgesehen davon, dass, wenn ich Silesia richtig verstehe, die Front Hitlers "Nervenstärke" gar nicht brauchte: Inwieweit ist es denn "Tatsache", dass er die Nerven behielt? Inwieweit ist es denn "Tatsache", dass eine relevante oder irrelevante Zahl hoher Truppenführer die Nerven verlor?

Grüße, Holger
 
Vermutlich haben wir ein Verständnisproblem, oder ich habe ein Ausdrucksproblem: :winke:

Das bedeutet also: Der Rückzug von Moskau erfolgte also weder planmäßig noch chaotisch, sondern pragmatisch an die Gegebenheiten und Erfordernisse angepasst.

Das bedeutete vielmehr, dass der Rückzug dort auf Druck stattfand, wo nichts zu halten war. Wo kein hinreichender sowjetischer Druck vorhanden war, erfolgte auch kein Rückzug. Das hat mit Pragmatismus nichts zu tun.

Das wird dir klar, wenn Du Dich mal in die Details der Winterschlachten 1941/42 einliest.

Es spekuliert also mal wieder eine ganze Reihe von Autoren. Hat einer vom anderen abgeschrieben? Wer spekuliert? Und wo stehen andererseits die Tatsachen?
Reinhardt ist keine Reihe, sondern das Standardwerk. Es gibt aber durchaus eine herrschende Literaturauffassung, mit der ich mich wie ausgeführt nicht anfreunden kann. Das bezieht sich auf die befürchtete "Auflösung" der Ostfront im Fall des Rückzugs auf eine Winterstellung. Wieso ich das für Spekulation halte, habe ich ausgeführt. Vielleicht liege ich ja mit dieser Meinung falsch. :winke:

Abgesehen davon, dass, wenn ich Silesia richtig verstehe, die Front Hitlers "Nervenstärke" gar nicht brauchte
Meine These war: dieser Haltebefehl war irrelevant, wie Rückzüge zeigen. Von zu brauchender Nervenstärke war keine Rede, ich halte "Nervenstärke" in dieser Winterschlacht auch für einen falschen Denkansatz. Das entspricht eher dem Irrglauben (nach Hitler: ) "mit Willen ist alles zu halten". Das ist ausgemachter Quatsch und hat bei minus 30 Grad und durchstoßenden T34 Niemanden interessiert. Weder 1941/42 noch 1942/43 oder später.

Diese Propaganda vom "Willen" (siehe Jodl: "Front gerettet") scheint noch 70 Jahre danach Wirkung zu zeigen.

Wir können das (diese drei Anmerkungen) bei Bedarf anhand der zahlreichen Beispiele und Brennpunkte 1941/42 gern durchgehen. Einige Brennpunkte hatte ich genannt.


P.S. Auf Cliomaras Beispiele bzw. Statistik für die Alleinstellung von Nervenstärke (Hitler) bin ich mal gespannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das bedeutete vielmehr, dass der Rückzug dort auf Druck stattfand, wo nichts zu halten war. Wo kein hinreichender sowjetischer Druck vorhanden war, erfolgte auch kein Rückzug. Das hat mit Pragmatismus nichts zu tun.
Um vielleicht tatsächlich zu einer begrifflichen Klärung zu kommen: so gesehen handelt es sich gar nicht um einen Rückzug, sondern eher um ein Zurückweichen auf sowjetischen Druck hin, dort, wo es diesen Druck gab. Habe ich das jetzt richtig interpretiert?

Reinhardt ist keine Reihe, sondern das Standardwerk.
Natürlich habe ich den "Reihenhardt"(tschuldigung, den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen...:scheinheilig:) als einzelnen aufgefasst.

Es gibt aber durchaus eine herrschende Literaturauffassung, mit der ich mich wie ausgeführt nicht anfreunden kann.
Da möchte ich jetzt um ein paar Autorennamen bitten.


Vielleicht liege ich ja mit dieser Meinung falsch. :winke:

Hast Du diese Schlussfolgerungen somit nicht aus der Literatur, sondern selbst recherchiert?

Grüße, Holger
 
Um vielleicht tatsächlich zu einer begrifflichen Klärung zu kommen: so gesehen handelt es sich gar nicht um einen Rückzug, sondern eher um ein Zurückweichen auf sowjetischen Druck hin, dort, wo es diesen Druck gab. Habe ich das jetzt richtig interpretiert?
Weshalb zieht man sich wohl zurück? Das wird ja nun recht absurd, gemessen an der Lage im Dezember 1941.

Da möchte ich jetzt um ein paar Autorennamen bitten.
DRZW, Megargeee, Hartmann, usw. Die Story findet man so landläufig in der Beschreibung des Ostfeldzugs, inkl. Memoiren.

Hast Du diese Schlussfolgerungen somit nicht aus der Literatur, sondern selbst recherchiert?
Das habe ich bereits ausgeführt. Die Frage führt nicht recht weiter, sondern nur das wo und wie in den Details 1941/42. Du könntest der Sache mal etwas mehr Inhalt geben, wenn in den Winterschlachten regional differenziert würde.
Zum Beispiel: Hahn, Oswald, "Zum 8.1.1942: Die Rücknahme der 4. Panzerarmee aus dem Balkon von Borowsk".
 
Weshalb zieht man sich wohl zurück? Das wird ja nun recht absurd, gemessen an der Lage im Dezember 1941.

Eine sehr ähnliche Assoziation hatte ich auch.

Eine paar Anmerkung zur eingetretenen Lage vor Moskau, die bei Licht betrachtet, einer Bankrotterklärung der strategischen und operativen Doktrin und abgeleiteten Planungen gleich kommt. Warum ist diese Beurteilung provokativ und dennoch zutreffend, trotz gegenteiliger Aspekte? Ein paar Überlegungen.

Mir ist durchaus die hohe Kompetenz einzelner Generale der WM bewußt und ebenso der hohe Grad an Elaboration der Angriffs-Doktrin, auch in der Gestalt der Blitzfeldzüge.

Und genau diese Diskussion über das "Dogma der Vernichtungsschlacht", das späte Vermächtnis eines Jomini, triumphierte über die Clausewitsche Sichtweise der "stärksten Form der Kriegsführung".

Strategie und Taktik nach Clausewitz und ihre Anwendung in mittelständischen ... - Jan Grünberg - Google Bücher

Die Situation, die im Winter 1941/42 vor Moskau eingetreten ist, entsprach inhaltlich über weite Strecken der inner-russischen Diskussion in zwanziger und dreißiger Jahren zwischen den Vertretern einer Vernichtungs-Doktrin (Tukhachevskii, Triandafilov, Isserson oder Varfolomeev u.a.) und einer Abnutzungs-Doktrin (vor allem Svechin).

Vor allem hielt Svechin den Verfechtern einer bedingungslosen Offensive entgegen, dass der Stratege unter den Heerführern frühzeitig den Kulminationspunk einer offensiven Operation erkennen muss (vgl. Harrison).

Der beim Überschreiten zu einer gefährlichen Überdehnung der erschöpften und unterversorgten eigenen Streitkräfte führt und die Gefahr einer vernichtenden Niederlage in sich trägt im Zuge von Gegenangriffen.

So schreibt Svechin: "the responsibility of stratgegy is not to allow offensive operations to drag out the last gasp".."and to halt the offensive in time."

Vor diesem Hintergrund wird die einseitige Ausrichtung der militärischen Doktrin der WM im Jahr 1941 vor Moskau deutlich und wird sich unter dem zunehmenden Einfluss Hitlers in den folgenden Jahren geradezu grotesk zu einer statischen "Halten-auf Biegen und Brechen"-Strategie als Degenerationsprozess entwickeln.

In disem Sinne kommt der Frage, ob es nach Smolensk 1941 einen Kulminationspunkt für die WM gab, der den Übergang zu einer strategischen Defensive, kombiniert mit taktischen Offensiven, ermöglicht hätte, eher akademische Bedeutung zu. Auch wenn Mannstein mit seiner "Rochade" das "operative Meisterstück" des WW2 für eine derartige strategische Ausrichtung geliefert hatte.

In diesem Sinne war die Entwicklung vor Moskau auch das Ergebnis eines "unbedingten politischen Willens" zur Vernichtung des Gegners, eines verabsolutierten Vernichtungs-Dogmas und der nicht ausreichend entwickelten Form einer defensiven Kriegsführung, in der eine Defensive auch zur Erlangung strategischer Ziele genutzt werden kann.

Somit scheiterte Hitler vor Moskau an seinem Charakter, der Bereitschaft um große Einsätze "zocken" zu wollen und auch an seinem militärischen Sachverstand, der falsche Beurteilungen vornahm. Auch aufgrund mangelhafter Kenntnis von Alternativen und aufgrund seiner beratungsresistenz. In dieser Situation stellt sich "Nervenstärke", die manche bei Hitler glauben erkennen zu können, eher als stupide Borniertheit heraus, wie es mir erscheint.

Vielleicht hätte Hitler mit Svechin vorher, in Kasan, diskutieren sollen. Der hätte ihm sicherlich Clausewitz erklärt. :still: Interessanterweise bin ich noch nicht über den Namen von Clausewitz gestolpert, als einer der nicht zitierten Quellen, für Hitlers "Mein Kampf. :confused: Gibt es gegenteilige Hinweise?

Strategy - Aleksandr Svechin - Google Bücher

R.W. Harrison: The Russian Way of War. Operational Art, 1904 - 1940, 2001, bes. S. 167.

J.E. Tashjean: Smolensk 1941. Der Kulminationspunkt in Theorie und Praxis. in: Die operative Idee und ihre Grundlagen, MGFA (Hrsg.), 1989, S. 39ff
 
Zuletzt bearbeitet:
HolgerXXX schrieb:
Um vielleicht tatsächlich zu einer begrifflichen Klärung zu kommen: so gesehen handelt es sich gar nicht um einen Rückzug, sondern eher um ein Zurückweichen auf sowjetischen Druck hin, dort, wo es diesen Druck gab. Habe ich das jetzt richtig interpretiert?

Zurückweichen??

Die Rote Armee griff mit 18 Armeen, der 61.,13. und 3.Armee der Südwestfront, der 10., 49., 43., 33., 5., 50., 16., 20.,1. und 30.Armee der Westfront und schließlich der 39., 30., 31., 29., und 22. Armee der Kalininfornt sowie die Operativen Gruppen der Generäle Below und Kostenko, die Heeresgruppe Mitte an. Es handelte sich über 1.000.000 Rotarmisten. Okay, diese waren zwar nicht gerade optimal ausgestattet, aber das Resultat der Kampfhandlungen spricht schon für sich. Weitere Armeen befanden sich in Aufstellung.

Die Heeresgruppe Mitte hingegen war am physisch vollkommen am Ende. Die Ausrüstung ließ aufgrund der erheblichen logistischen Schwierigkeiten zu wünschen übrig.

Erwähnenswert ist auch das Versagen von Fremde Heere Ost. Es lagen genügend Meldungen von Agenten oder Aussagen von Gefangenen vor, die das Heranführen bedeutender sowjetischer Kräfte meldeten und doch war man nicht in der Lage zutreffende Folgerungen zu ziehen.

Es war klar, das ohne Heranführung umfangreicher Reserven die Ostfront einstürzen würde wie ein Kartenhaus. Hierzu war es aber unbedingt notwendig, dass die Front um jeden Preis erst einmal gehalten werden müsse. Entsprechend fiel der Befehl Hitlers am 16.Dezember aus.

Die Heeresgruppe meldete am 19.Dezember:
„Die Rückschläge sind auf den weit unter der Grenze der Leistungsfähigkeit herabgesunken körperlichen und seelischen Zustand der eigenen Truppe, die Furcht, in russische Gefangenschaft zu geraten, die dezimierten Gefechtsstärken, den Betriebsstoffmangel, die angespannte Versorgungslage und den schlechten Zustand der Pferde zurückzuführen.“

Am 31.Dezember war die Gruppe Below ziemlich nahe an Juchnov herangekommen und bedrohte damit die komplette Logistik der 4.Armee, als am Neujahrstag Malojarslavec erobert wurde und der Einbruch bei Borovsk erweitert werden konnte. Hier war nichts mehr, trotz Hitlers Engagement und die verzweifelten Bemühungen der 4.Armee, mit Halten, hier war der Rückzug durch die Rote Armee ganz klar erzwungen worden.

Reinhardt, Wende vor Moskau
 
Zuletzt bearbeitet:
Den beiden Ausführungen von thanepower und Turgot, vor und nach dem Kulminationspunkt, kann ich mich nur anschließen.

Offen bleibt wohl, welche Rolle den Akteuren zukam. Hier denke ich v.a. an Halder (Orscha) und v.Bock (weiterer Vormarsch), auch die Frage, ob ein "betriebsblinder" Ehrgeiz oder die Furcht vor dem Fehlschlag (der von thane beschriebene rechtzeitige Übergang zur Defensive) eine Rolle spielte. Manche interpretieren v.Bock als Getriebenen, andere als Treiber.

Noch ein Blick auf die "Nebenfronten", bei denen der Kulminationspunkt ebenfalls klar überschritten wurde: Demjansk/Tichwin bei der HG Nord, Rostov/Donezk/Tim bei der HG Süd. Auch hier kam es zu kritischen Rückschlägen.

Dass die Winterschlacht überstanden wurde, liegt wohl auch am Versagen der russischen Führung, die quasi auf 2000km Frontlinie verteilt und verzettelt angreifen ließ, anstatt klare Schwerpunkte zu setzen (wie im folgenden Winter 1942/42).
 
Jodls Äußerung, der Diktator hätte Nervenstärke gezeigt, bezieht sich eindeutig auf die die Krise, die ab Mitte Dezember 1941 ihren Höhepunkt erreichte. Möglicherweise haben der Tunnelblick des Diktators und eine gewisse Menschenverachtung, die aber für militärische Oberbefehlshaber charakteristisch ist, dazu geführt, dass er so hartnäckig an dem Haltebefehl festhielt, auch wenn Offiziere in den Führungsstäben der Meinung waren, die Heeresgruppe Mitte sollte sich auf verkürzte Sehnenstellungen absetzen.

Dass der Diktator im Dezember 1941 kein strategisches Konzept mehr hatte, ist keine sensationelle Neuigkeit, sondern seit Jahren allgemein gültiger Forschungsstand. Hitler war kein großer Feldherr, wie Jodl noch unmittelbar nach dem Krieg meinte. Aber vielleicht war sein im Ersten Weltkrieg geprägtes taktisches Verständnis, verbunden mit einem Fanatismus, den er aus der "Kampfzeit" der NS-Bewegung übernommen hatte, die einzige Möglichkeit, eine Katastrophe um die Jahreswende 1941/42 abzuwenden. Gewinnen konnte man den Krieg damit nicht.
 
Jodls Äußerung, der Diktator hätte Nervenstärke gezeigt, ...

...Aber vielleicht war sein ...

Jodl hat viel gesagt, und bei vielem hatte er definitiv keinen Lageüberblick (außerhalb der großen "Lagevorträge"). Etwas merkwürdig, dass Du so an diesem Zitat angesichts des Kontextes klebst. OKW und das an der Ostfront federführende OKH sind hier zu differenzieren. Der oben zitierte Balck ("Ordnung im Chaos") ist ein weiterer, sehr spezieller Fall, den man für eine hinreichende Interpretion im Kontext sehen muss. Im Übrigen erlaubt die heutige Quellenlage weitgehendere Einblicke.

Dein post zeigt auch die Vielleicht, Wenn und Aber. Bislang ist die militärhistorische Beurteilung des "Haltebefehls" reine Spekulation, mangels ausreichender Forschung. Diese hat sich im Wesentlichen auf die Wahrnehmung des Befehls beschränkt, und zitiert diese Bemerkung von Zeitzeugen häufig hilfsweise. Um die Belastbatkeit der Aussagen zu beurteilen, ist eben der Umstand wichtig, dass außer dem engsten Kreis im OKH der Gesamtüberblick fehlte, und dem OKH nachweislich der "Kontakt" zu den führenden Heeresgruppen und Armeen in der Lageverfolgung verloren ging.

Hier muss ich wiederholen: Es ging auch nicht nur um den Rückzug der HG Mitte, sondern betraf ebenso die Linie Mius/ostwärts Charkow bei HG Süd, und die Demjansk/Wolchow/Tichwin-Region bei der HG Nord. Der Haltebefehl war umfassend ergangen. Wie zB die Kertsch-Feodossija-Operation mit Rückzug zeigte, kostete dieser auch beinahe Köpfe. Hoepner mit dem Borowsker-Balkon ist ein anderer prominenter Fall.

Die Schwäche einer Studie wie der von Reinhardt liegt schließlich darin, dass sie die Gegenseite nur rudimentär, auf unzureichender und zT überholter Quellenbasis betrachtet.
 
Weshalb zieht man sich wohl zurück? Das wird ja nun recht absurd, gemessen an der Lage im Dezember 1941.

Zurückweichen??...

...hier war der Rückzug durch die Rote Armee ganz klar erzwungen worden.

Ich hatte jetzt insgesamt vier Möglichkeiten angeboten: planmäßiger, pragmatischer oder chaotischer Rückzug oder Zurückweichen. Wobei, wenn wir schon wieder ans Definieren müssen, "Rückzug" immer noch eine Handlung aus eigener Initiative darstellt, "Zurückweichen" aber eine rein passive Reaktion. Und es wäre nett, wenn ich hierfür kein "absurd" bekommen würde, sondern irgend eine Festlegung auf einen der angebotenen Begriffe.

Das habe ich bereits ausgeführt.
Aha. Muss ich irgendwie nicht recht mitbekommen haben.

Die Frage führt nicht recht weiter, sondern nur das wo und wie in den Details 1941/42.
Es würde mich schon interessieren, ob Du Dich irgendwie auf die Sekundärliteratur stützst oder Deine eigene Analyse vorträgst. Und zum letzteren Fall darfst Du gerne stehen, vor allem dann, wenn Du es mit einem "Vielleicht liege ich ja mit dieser Meinung falsch" selbst wieder zur Diskussion stellst.

Grüße, Holger
 
Ernst Klink, der in Band 4 des Reihenwerkes "Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" den Beitrag über die Operationen von Heer und Kriegsmarine bis zur Jahreswende 1941/42 schrieb, zeichnete ein düsteres Bild von der Lage in den Führungsstäben:

"Dies war das Kernproblem der Führung der Heeresgruppe. Nicht allein die Truppe hatte Zeichen der Panik, des Panzerschrecks und der Auflösung der Ordnung gegeben, auch die Führung der Armeen, Korps und Divisionen war nicht unbedingt 'am Zügel', wenn es um die Rettung der erschöpften Truppe ging." (S. 695, zitiert nach der Taschenbuchausgabe bei Fischer). Mit Heeresgruppe ist die Heeresgruppe Mitte gemeint.

Klink geht davon aus, dass Hitler das Risiko der Vernichtung der Heeresgruppe einging:

"Dieses Risiko gedachte er mit eisernem Willen, aber auch mit der Zuführung aller transportierbaren Kampfkraft auszuschalten." (S. 696)

Natürlich steht bei Klink die deutsche Führung im Vordergrund. Klink gehörte im MGFA zu den Historikern, die auch etwas von Operationsgeschichte verstanden. Seine Forschungsergebnisse beruhen auf einer breiten Quellenbasis. Eine Statistik über Nervenzusammenbrüche kann ich leider nicht anbieten.

[MOD: smalltalk gelöscht]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
HolgerXXX schrieb:
Und es wäre nett, wenn ich hierfür kein "absurd" bekommen würde, sondern irgend eine Festlegung auf einen der angebotenen Begriffe.


Was wirklich nett wäre, wäre, wenn du endlich einfach auf Grundlage seriöser, fundierter wissenschaftlicher Literatur diskutieren würdest/könntest. Dass die Thesen von Herrn Rauh mehr als fragwürdig sind, das wirst du doch auch so langsam einsehen. Argumente und Belege sind dir ja überaus reichhaltig präsentiert worden.

Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn du nun, du hast ja schon im Forum Kaiserreich eine Endlosdebatte auf Grundlage dieses fragwürdigen Werkes von Herrn Rauh losgetreten, zu wissenschaftlich anerkannten Werken greifen würdest.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte jetzt insgesamt vier Möglichkeiten angeboten: planmäßiger, pragmatischer oder chaotischer Rückzug oder Zurückweichen. Wobei, wenn wir schon wieder ans Definieren müssen,

Sortieren wir doch einfach die korrekte Reihenfolge und es lösen sich die vermeintliche Widersprüche schnell auf.

- 0. Phase: Erschöpfung der eigenen Kräfte, durch massiven russischen Widerstand und durch das "Versickern" der eigenen Potentiale durch klimatische Faktoren und durch die Aufgabe, die nicht mit den zur Verfügung stehenden Kräften in Übereinstimmung stand
- 1. Phase: partielles zurückweichen gegenüber den Gegenangriffen
- 2. Phase: chaotische Ausweitung gegenüber benachbarten Bereichen, die den Kontakt zum "Nachbarn" verloren hatten
- 3. Phase: Pragmatische Ausnutzung der örtlichen Gegebenheiten und Aufbau von Positionen, die verteidigt werden können.
- 4. Phase: Planmäßige Verstärkung der vorhandenen Position, die gerade in der "Mitte" und auch im "Norden" für eine gewisse Zeit zu einer statischen Kriegsführung führten.

Und es liegt immer noch im ideologischen Sichtwinkel des Betrachters, ob eine Bewegung erzwungen oder freiwillig ist. Bestenfalls auf einer sprachlichen Ebene wird man eindeitige Abgrenzungen vornehmen können.

Ansonsten schließe ich mich der Kritik von Turgot an.

Und finde die harte Position, die Hitler einnahm, die Cliomara darstellt, eine wichtige Ergänzung zur Beschreibung seines sehr eingeschränkten Handlungsrepertoirs. Ergänzt vielleicht durch den Kontext, dass durch den Abgang von Brauchitsch eine Situation entstand, in der die Akteure kollektiv ihre Rolle neu definieren mßten, so Megargee. (Inside Hitler`s High Command, S. 117 ff).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ansonsten schließe ich mich der Kritik von Turgot an.

Ebenfalls :winke:

Man findet übrigens alle angesprochenen Formen in jeder Phase, wenn man der Phaseneinteilung von Hartmann folgt:

1. Forcierter Rückzug 6.12. bis 26.12.1941
2. Unbedingter Haltebefehl 26.12.41 bis 15.1.42
3. Teilweiser Rückzug 16.1. bis März 1942

Von Hartmanns Studie 1941/42, dortiges Kapitel zur Winterschlacht, kann man auch betr. Diskussion über den Haltebefehl lernen. Nicht umsonst verweist er auch mehrfach auf unverändert aktuelle Aspekte der alten Darstellung von Philippi/Heim.

Die Diskussion kommt nur weiter, wenn man auf die von mir mehrfach angesprochene Detailierung und Differenzierung nach Örtlichkeiten eingeht. Hartmann macht das im Ansatz, indem er auf die Divisionsebene wechselt. Das wäre "zu tief", Korps- bzw. Armeeebene mE zielführend. Beispiele hatte ich angeboten.

P.S. zu den Ausführungen von cliomara: auf DRZW wurde bereits hingewiesen. Die sowjetische Lage ist hier völlig unzureichend dargestellt. Die Darstellung von Klink ist auch in Teilen veraltet. Eine MGFA-Diskussion - wie aus der Hoffmann/Magenheimer-Ecke (die Du zu verwenden scheinst) angedeutet - sprengt hier wohl das Thema.
 
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