Realpolitik Bismarcks

Aishwarya

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Hi,
ich lese gerade das Buch von Wilhelm Mommsen über Bismarck und seine Zeit( besonders empfehlenswert!:yes: ). Nun fällt da der begriff "Realpolitik" mehrmals auf.Der Begriff wird nicht erklärt, aber man kann es sich ja denken: Politik, die sich an den "realen", also an den möglichen bzw. wirklichen Gegebenheiten der Zeit orientiert.

Ich hab den Begriff auch im Zusammenhang mit dem Deutsch-Österreichischen-Krieg( oder dennen die es lieber deutsch- deutsch, deutsch-preußischen oder den Bruderkrieg nennen möchten)gelesen. Aber was genau ist da die Realpolitik ,die Bismarch betreibt?
Er fängt den Krieg gegen Österreich an, da seiner Meinung nach in "Deutschland" kein "Platz" für Östrreich ist, mit anderen Worten Preußen will die Vormachtstellung in "Deutschland".
Dann hätte ich noch eine Frage, gibt es in der(heutigen) Geschichte auch andere, die eine solche Realpolitik betrieben haben?( bitte nichts über Machiavelli!).Und bei Wikipedia war ich auch schon, aber so richtig bekommt man das da auch nicht erlärt.
 
Na, wenn Du schon bei Wikipedia warst ...

Realpolitik orientiert sich an den Gegebenheiten - was ist machbar, was erreichbar - auch vor allem unter Berücksichtigung der Öffentlichkeit.
Z.B. war Bismarck klar, dass ein harter Frieden mit Österreich die Österreicher auf längere Sicht zu Feinden machen würde und setzte daher durch, dass der Frieden sehr milde ausfiel (Wilhelm wäre gern im Triumph in Wien einmarschiert).

Auch nach dem Krieg gegen Frankreich wäre Bismarck für mildere Friedensbedingungen gewesen - aber die öffentliche Meinung sah ganz anders aus und konnte nicht ignoriert werden.

Der zweite Teil der Frage geht in's aktuell Politische - da muss ich mir erst eine gute Antwort überlegen ;)
 
Mercy schrieb:
Wie wäre es mit Adenauer?
Noch aktueller: Hatte der nicht auch illegitime Enkel?

Ja, Adenauer mit der Westintegration (was ist realistisch?) oder Kohl mit der Wiedervereinigung (was will das Volk?) kann man als Realpolitiker bezeichnen ... ich hatte jetzt eher die aktuellen Reformvorhaben/ Reformnotwendigkeiten und die öffentliche Meinung als Beispiel für Realpolitik im Kopf.
 
Ich habe eine andere Begriffserklärung. Und zwar geht es darum sich auf keine Ideologien zu konzentrieren( nicht nach dem was gewünscht wird, sondern was möglich ist)und der Pragmatismus( was ist nützlich?) gehört dazu.
 
Hallo.

Dann wäre die Politik Wilhelm II. und seinen Gefolgsleuten wohl als das Gegenteil zu bezeichnen? Denn in meinen Augen war diese wenig realistisch und von einer Fehleinschätzung, einer deutlichen Überschätzung, Deutschlands geleitet. Es trat eine neue Form des Nationalismus auf, in der auch der soziale Darwinismus seinen Anfang fand und das Handeln stützte sich auf eine Ideologie mit großem Ziel, Deutschland zur Weltmacht zu machen, jedoch ohne dabei das nötige Maß an Realismus beizubehalten.


Liebe Grüße,
Hanno
 
Hat jeder nun seine eigen Realpolitik( was dann bedeuten würde, dass man nur seine eigen machtinteressen verfolgt)? Ich glaube mit dem begriff der Realpoitik kommen wir nicht sehr weit.
 
Aishwarya schrieb:
Hat jeder nun seine eigene Realpolitik(...)? Ich glaube mit dem begriff der Realpoitik kommen wir nicht sehr weit.

Der Begriff ist schwer zu fassen, denn was wirklich realistisch durchgesetzt werden kann, beurteilen Politiker nun einmal unterschiedlich. Selbst größten Ideologen werden an die Verwirklichung ihrer Vorstellungen glauben.

Wenn man versucht Politik objektiv zu beurteilen ob sie "Realpolitik" ist, wird man wohl immer nur kurzfristige Umsetzungsmöglichkeiten berücksichtigen können.
 
Aishwarya schrieb:
Hi,
ich lese gerade das Buch von Wilhelm Mommsen über Bismarck und seine Zeit( besonders empfehlenswert!:yes: ). Nun fällt da der begriff "Realpolitik" mehrmals auf.Der Begriff wird nicht erklärt, aber man kann es sich ja denken: Politik, die sich an den "realen", also an den möglichen bzw. wirklichen Gegebenheiten der Zeit orientiert.
Der Begriff steht in Gegensatz zur gescheiterten Deutschen Revolution 1848/49. Das deutsche Bürgertum versuchte mit dieser Revolution Einheit (Nationalstaatsbildung) und Freiheit (parlamentarische Demokratie mit monarchischer Spitze) zu verwirklichen. Die Revolution scheiterte bekanntlich.
Ich hab den Begriff auch im Zusammenhang mit dem Deutsch-Österreichischen-Krieg( oder dennen die es lieber deutsch- deutsch, deutsch-preußischen oder den Bruderkrieg nennen möchten)gelesen. Aber was genau ist da die Realpolitik ,die Bismarch betreibt?
Er fängt den Krieg gegen Österreich an, da seiner Meinung nach in "Deutschland" kein "Platz" für Östrreich ist, mit anderen Worten Preußen will die Vormachtstellung in "Deutschland".
Dann hätte ich noch eine Frage, gibt es in der(heutigen) Geschichte auch andere, die eine solche Realpolitik betrieben haben?( bitte nichts über Machiavelli!).Und bei Wikipedia war ich auch schon, aber so richtig bekommt man das da auch nicht erlärt.
Bismarck lehnt den revolutionären Versuch ab, eine Deutsche Einheit zu erreichen, in deren Entscheidungszentrum ein demokratisch gewähltes Parlament steht. In innenpolitischer Hinsicht hält er eine solche Entwicklung für nicht wünschenswert. Ihm schwebt eher eine Entmachtung des Königs zu Gunsten des Adels vor. In aussenpolitischer Hinsicht hält er diesen Versuch für illusionär, da sich seiner Auffassung nach Österreich nicht freiwillig aus Deutschland verdrängen lassen und von Europa ein Großdeutschland nicht akzeptiert werden wird.

Dem revolutionären Ansatz stellt Bismarck die "Realpolitik" entgegen. "Wenn schon Revolution, dann machen wir die von oben!" Mit der "Realpolitik" treibt Bismarck einerseits den deutschen Einigungsprozeß unter Einschluss kriegerischer Mittel voran. Andererseits achtet er darauf, dass die innenpolitische Modernisierung nicht zu einem parlamentarischen Deutschland führt. Das Deutsche Reich bekommt zwar einen Reichstag mit einem fortschrittlichen Wahlrecht. Aber der Reichstag hat im Verfassungsgefüge nur eine schwache Stellung. Im Zentrum steht der Bundesrat, die Versammlung der Bundesfürsten.

Letztlich läuft die "Realpolitik" darauf hinaus, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anstehende Modernisierung Deutschlands in einer Politik zu kanalisieren, die von oben gestaltet wird. Freilich werden dabei auch Impulse aufgegriffen, die in der Bevölkerung bestehen und in bestimmte Bahnen gelenkt, bevor sich diese revolutionär entladen.

Literaturempfehlung: Rainer F. Schmidt, Otto von Bismarck (1818-1898) - Revolution und Realpolitik; eine Biographie, 2004 - Rezension von Helma Brunck: www.historicum.net/sehepunkte/2005/02/7044.html
 
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Ich hab den Begriff auch im Zusammenhang mit dem Deutsch-Österreichischen-Krieg( oder dennen die es lieber deutsch- deutsch, deutsch-preußischen oder den Bruderkrieg nennen möchten)gelesen. Aber was genau ist da die Realpolitik ,die Bismarch betreibt?

Um nochmal darauf einzugehen:

Die Ursachen des Krieges war der Dualismus zw. Preußen und Österreich.

als Anlass galt der Streit um Schleswig und Holstein. Die Verwaltung Holsteins wurde Österreich zugesprochen, es war also eine Insel im preußischen Gebiet fast eintausend Kilometer von der Kernregion entfernt.
Bismarck nutzte genau diese Situation um dort Reibereien entstehen zu lassen, denn er konnte nicht sein Vorhaben offensichtlich durchsetzen (Preußen wollte Österreich herausdrängen und so die Alleinherrschaft über das deutsche Reich erlangen und sein Gebiet so weit es geht vergrößern. Dies konnte aber nur durch einen Krieg gegen Ö. errreicht werden. Hätte Preußen einfach so den Krieg erklärt, wären die anderen Großmächten eingeschritten, da sie das Vorhaben durchschaut und das Prinzip von "balance of power" gestört wäre).


Außerdem: Bismarck schloss mit Italien ein Geheimbündnis für 3 Monate. Dieses Bündnis auf Zeit zeigt, dass es ihm sehr wohl bewusst war, dass es zu einem Krieg kommen würden und so war ein Zweifrontenkrieg gesichert.

Und auch das Ergebnis des Krieges zeigt ganz deutlich die Realpolitik Bismarcks, denn Bismarck demütigte Österreich ganz bewusst nicht und verlangte fast keine Gebietsabtretungen, denn er wusste, um ein geeintes deutsches Reich unter seiner Führrung zu erreichen, wäre ein Krieg gegen Frankreich unabdingbar! Wenn Preußen da noch Österreich zum Feind hätte, käme es zu einem Zweifrontenkrieg!

Ich hoffe, das war soweit richtig und verständlich. Ist eben ein sehr umfangreiches Thema worüber man Seiten schreiben könnte :)
 
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