Sachsen-die Schwertsöhne

Hier stellt Prof.Dr.Springer die Frage, ob es die bisher bekannten Gaue überhaupt vor den Karolingern gegeben hat?

Eine berechtigte Frage. Walter Schlesinger hat schon früher in Frage gestellt, dass es im 6. und 7. Jahrhundert überhaupt Gaue im rechtsrheinischen Raum gegeben hat. Es ist zu bedenken, dass diese Regionen ja eigentlich in den weitgehend autonomen Herzogtümern organisiert waren. Die wenigen sicher belegten Beispiel (z.B. in Ladenburg am Neckar) waren seiner Meinung nach Überbleibsel der spätrömischen Verwaltung.
 
Von den Germanen berichten die römischen Schriftsteller (Caesar, Tacitus), daß sie sich in Gaue gliederten. Bedeutung gewinnt der Gau als eine volkstümlich gefaßte Untergliederung besonders der keltischen Stämme. An die Stelle der keltischen Untergliederung der Stämme (von den Römern Civitates genannt) trat 12 v.d.Z. die in Gallien eingeführte römische Civitas-Verfassung, die die Volksstämme in Bezirke (Civitates) gliederte. Das Fränkische Reich löste die Civitas-Verfassung durch die Grafschaftsverfassung ab, wonach der Gau zunächst der Amtsbezirk des Grafen war, der in etwa der ursprünglichen Civitas entsprach.
beorna schrieb:
Wieso sollte er von der Ermordung der Ewalde nichts gehört haben? Immerhin hatten sie Freunde unter den Bewohnern dieses pagus. Diese hätten dies wohl melden können. Und wieso stimmt alles an dieser Geschichte, außer dem, was dir nicht in den Kram paßt?
Es ist so, daß ich eine Zwangsläufigkeit (?) der Unkenntnis des Häuptlings nicht belegen kann. Die mir bekannte Deutung, dessen Quelle mir leider nicht mehr geläufig ist, geht wie Beda davon aus, daß die Ewalde erschlagen wurden, damit sie nicht zum Häuptling gelangen konnten. Dann schleppten sie beide Leichname, deren Blut die Erde rot färbte, höhnend fort und warfen sie in den Fluß (Beda verwechselt hier Rhein und Ruhr, woran wenigstens eine genaue Schilderung mangelt). Der Herr aber soll seine Diener verherrlicht haben, denn ihre Leichen schwammen zu dem Ort, wo ihre zurückgebliebenen Gefährten waren und der fromme Tilman, der in den geistlichen Stand getreten war, entdeckte, durch ein zweites Gesicht von Gott belehrt, die teueren Überreste. Wären die Täter ihnen bekannt gewesen, warum bedurfte es zu ihrer Auffindung eines zweiten Gesichts? Sie waren ihnen also nicht bekannt, und so hatte der Häuptling keine Kenntnis von dem Geschehen von den Franken erhalten. Von Freunden, die die Ewalde in diesem Gebiet gehabt haben sollen, wird nichts berichtet. Es stellt sich weiterhin die Frage, woher die Franken die Kenntnis von der Strafmaßnahme hatten, wie sie Beda berichtet. Beda fügt seiner Erzählung hinzu, der Frankenherzog Pippin habe die Ewalde unter hohen Ehren beisetzen lassen. Er ist es also, der deshalb hinschickte, alle Bewohner jenes Dorfes töten und das Dorf selbst in Brand stecken ließ; wenn man Beda in seinem Bericht überhaupt folgen will. Ein sächsischer Häuptling wird es nicht gewesen sein, weil die Strafe nicht nur die Täter traf, sondern ein ganzes Dorf. Warum sollte ein heidnischer Sachse die Tat an den Ewalden auch so hart bestrafen, wenn hierin nicht eine göttliche Gerechtigkeit zu erkennen ist? Beda ist übrigens der Ehrwürdige (Venerabilis) genannt worden, nicht wegen seiner geschichtlichen Kenntnisse, sondern wegen seiner Kenntnis der heiligen Bücher.
 
Horst schrieb:
Von den Germanen berichten die römischen Schriftsteller (Caesar, Tacitus), daß sie sich in Gaue gliederten. Bedeutung gewinnt der Gau als eine volkstümlich gefaßte Untergliederung besonders der keltischen Stämme. An die Stelle der keltischen Untergliederung der Stämme (von den Römern Civitates genannt) trat 12 v.d.Z. die in Gallien eingeführte römische Civitas-Verfassung, die die Volksstämme in Bezirke (Civitates) gliederte.

So weit, so richtig. Nur ist zu bedenken, dass civitas und pagus typisch römische Begriffe war, die sie eben auf diese germanischen Einheiten übertrugen, ohne sich näher damit zu befassen, inwieweit diese tatsächlich den römischen "civitates" glichen. Vergleichbar ist auch die Benennung alemannischer Anführer als "reguli" durch Ammianus Marcellinus (der auch für die Gebiete der alemannischen Stämme den Begriff "pagus" verwendet).

Horst schrieb:
Das Fränkische Reich löste die Civitas-Verfassung durch die Grafschaftsverfassung ab, wonach der Gau zunächst der Amtsbezirk des Grafen war, der in etwa der ursprünglichen Civitas entsprach.

Was das Merowingerreich betrifft: freilich verwendeten diese die alte römische Verwaltung in Gallien zum Teil weiter. Der Begriff "civitas" erlebte insofern einen Bedeutungswandel, als dieser nun die Bischofssitze bezeichnet (die eben von den alten römischen Städten ausgingen). Interessant finde ich für den rechtsrheinischen Raum, dass im 7. und frühen 8. Jahrhundert für dessen Organisation mindestens zweimal der Begriff "provincia" auftaucht, und zwar dergestalt, dass damit offenbar Räume gesamter Stämme umschrieben werden.
Schließlich ist noch zu bedenken, dass nur ein Teil des rechtsrheinischen Gebiet in Form des Limeslandes nach der römischen Verwaltung organisiert war (und zwar in Form von "civitates"). Dieses Gebiet kam erst ca. 250 Jahre nach dem Limesende in fränkische Hand, und wurde zunächst nur sehr lose von den Franken beherrscht. Daher ist wohl anzunehmen, dass sie nicht sofort eine Gauverwaltung schufen. Ich glaube auch, die flächendeckende Einrichtung rechtsrheinischer Gaue ist nicht vor dem 8. Jahrhundert anzusetzen.
 
Ashigaru schrieb:
Nur ist zu bedenken, dass civitas und pagus typisch römische Begriffe waren, die sie eben auf diese germanischen Einheiten übertrugen, ohne sich näher damit zu befassen, inwieweit diese tatsächlich den römischen "civitates" glichen.
Das hat für Sachsen keinerlei Bedeutung. Pagus ist hier gleichzusetzen mit dem germanischen Gau.
Ashigaru schrieb:
Was das Merowingerreich betrifft: freilich verwendeten diese die alte römische Verwaltung in Gallien zum Teil weiter.
Dort wurde die Grafschaftsverfassung eingeführt.
Ashigaru schrieb:
Der Begriff "civitas" erlebte insofern einen Bedeutungswandel, als dieser nun die Bischofssitze bezeichnet (die eben von den alten römischen Städten ausgingen).
Das verwechselst du mit der Metroplitanverfassung.
Ashigaru schrieb:
Interessant finde ich für den rechtsrheinischen Raum, dass im 7. und frühen 8. Jahrhundert für dessen Organisation mindestens zweimal der Begriff "provincia" auftaucht, und zwar dergestalt, dass damit offenbar Räume gesamter Stämme umschrieben werden.
Diese Provinzen entstehen mit der Auflösung der Herzogtümer; sie werden von Statthaltern verwaltet.
Ashigaru schrieb:
Schließlich ist noch zu bedenken, dass nur ein Teil des rechtsrheinischen Gebiets in Form des Limeslandes nach der römischen Verwaltung organisiert war (und zwar in Form von "civitates").
Civitates gab es in Sachsen nicht.
Ashigaru schrieb:
Dieses Gebiet kam erst ca. 250 Jahre nach dem Limesende in fränkische Hand, und wurde zunächst nur sehr lose von den Franken beherrscht. Daher ist wohl anzunehmen, dass sie nicht sofort eine Gauverwaltung schufen.
Du meinst vermutlich, sie schufen nicht sofort eine Grafschaftsverwaltung; dort bestand aber die römische Verwaltung fort.
Ashigaru schrieb:
Ich glaube auch, die flächendeckende Einrichtung rechtsrheinischer Gaue ist nicht vor dem 8. Jahrhundert anzusetzen.
Hier sind wohl von dir die Grafschaften gemeint.

Für Sachsen gilt: Nach der Einführung der Grafschaftsverfassung in Sachsen durch Karl den Großen wurde die Gauverwaltung abgelöst von der Grafschaftsverwaltung. Der neue Herrscher setzte Grafen als seine Stellvertreter vor Ort ein.
 
Das hat für Sachsen keinerlei Bedeutung. Pagus ist hier gleichzusetzen mit dem germanischen Gau.

Was soll denn nun der Unterschied sein? Die lateinischen Quellen erwähnen den "pagus", wobei der Begriff sicher einen Bedeutungswandel vollzieht. Den Begriff "ga/Gau" gibt es auch, aber er taucht nun mal wiederum erst im 8. Jahrhundert auf. Es gibt keine Hinweise darauf, dass vor den karolingischen Eroberungen in Sachsen "Gaue" geschaffen wurden.

Das verwechselst du mit der Metroplitanverfassung

Die "Civitates" als Bistümer bildeten eben einen Teil des Reiches.Die Grafschaften sind keineswegs mit den späteren mittelalterlichen Grundherrschaften dieses Namens zu verwechseln. Die "Comes" waren Amtsadlige, nicht Erbadlige. Ihre Hauptaufgabe war es, die Leute eines bestimmten Gebietes zum Militär einzuziehen. Ansonsten bestand die Verwaltung aus den sogenannten Königshöfen, denen umliegende Ortschaften zugeordnet werden.

Diese Provinzen entstehen mit der Auflösung der Herzogtümer; sie werden von Statthaltern verwaltet.

Man weiß sehr wenig darüber, welche Organisationsformen mit "provincia" bezeichnet werden. Der Begriff taucht aber schon in einer Zeit auf, als es noch Herzogtümer gab (z.B. im Zusammenhang mit dem Feldzug Sigiberts III.).


Civitates gab es in Sachsen nicht.

Dass habe ich auch nicht behauptet.

Du meinst vermutlich, sie schufen nicht sofort eine Grafschaftsverwaltung; dort bestand aber die römische Verwaltung fort.

Ich spreche von den Limesgebieten, innerhalb denen später Franken, Alemannen oder Baiuwaren siedelten. Dort endete mit dem Fall des Limes auch die römische Verwaltung. Dies hat nichts mit den linksrheinischen Verhältnissen zu tun.

Hier sind wohl von dir die Grafschaften gemeint.

Nein, ich rede von Gauen bzw. pagi. Diese gab es ohne Zweifel im Karolingerreich; eigentlich sind sie auch erst im neunten Jahrhundert greifbar. Damit meine ich z.B. den Hessengau oder auch den Lahngau. Gaue wurden von Grafen verwaltet, dass ist richtig.

Für Sachsen gilt: Nach der Einführung der Grafschaftsverfassung in Sachsen durch Karl den Großen wurde die Gauverwaltung abgelöst von der Grafschaftsverwaltung. Der neue Herrscher setzte Grafen als seine Stellvertreter vor Ort ein.

Ich glaube eben nicht, dass in Sachsen vorher schon Gaue auftraten, sondern erst mit der Neuordnung des Gebietes nach den Sachsenkriegen. Gleichzeitig denke ich, dass das, was in Sachsen "Gau" genannt wurde, identisch ist mit dem, was in anderen Teilen des Reiches im 9. Jahrhundert, z.B. Hessen oder Thüringen, "Gau" hieß.
 
Das sächsische Volk hat so viele Anführer als es Gaue hat. Die alten Sachsen hatten keinen König, sondern ihre Gaue waren Häuptlingen unterstellt. Pippin zog durch Thüringen, rückte rechts vom Harz nach der unwirtlichen Gegend, wo die Saale in die Elbe fließt, durch die sächsischen Gaue und eroberte auf diesem Zug von neuem Seeburg. In Sachsen gab es vereinzelt nach der Einführung der Grafschaftsverfassung schon früh Amtsbereiche der fränkischen Grafen die nicht mit den Gauen übereinstimmten.
 
Das sächsische Volk hat so viele Anführer als es Gaue hat. Die alten Sachsen hatten keinen König, sondern ihre Gaue waren Häuptlingen unterstellt. Pippin zog durch Thüringen, rückte rechts vom Harz nach der unwirtlichen Gegend, wo die Saale in die Elbe fließt, durch die sächsischen Gaue und eroberte auf diesem Zug von neuem Seeburg. In Sachsen gab es vereinzelt nach der Einführung der Grafschaftsverfassung schon früh Amtsbereiche der fränkischen Grafen die nicht mit den Gauen übereinstimmten.

Hattest du das jetzt aus einem Werk zitiert ? Oder bist du nach all den Beiträgen hier im Forum immer noch der Meinung, daß es ein "Sächsisches Volk" gegeben hat ? :S
Die Beschreibung, daß Pippin durch die "sächsischen Gaue" musste, um nach Seeburg zu gelangen, zeigt ja sehr gut das damalige Verständnis, was "sächsisch" gewesen sei. Weder die Leute die dort wohnten, noch der Graf auf der Seeburg war in Wirklichkeit "sächsisch". Der Hassegau, der nach 531 in die fränkische Reichsverwaltung eingebunden wurde, war ebenso wie der Schwabengau ein Paradebeispiel merowingischer Siedlungspolitik. Die dort siedelnden Gruppen des ehemaligen Stammesverbandes der Thüringer (welche dies im einzelnen waren, ist unklar, Hermunduren, Angeln, Warnen o.a.) wurden in das Rhein-Main-Gebiet umgesiedelt. Dafür wurden aus genau diesem Gebiet in "Nordschwaben" die Siedler in das Ost-Harz-Gebiet umgesiedelt, die daher fortan auch als "Suebi" auftraten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie kommst Du überhaupt auf Idee, daß die Germanen auf dem Thing durch Runenwurf ein göttliches Urteil anstrebten? Welchen Gott haben sie da "gefragt"?
Es steht in Quellen, daß das Los entschied. Ich kann es nur wiederholen, das war keine Tombola und keine Seitenwahl. Ich war nun nicht persönlich dabei, aber was anderes als ein ritueller Akt kann damit gemeint sein?.
Bei Tacitus (Germania,11) steht etwas völlig Widersprüchliches: "...Dann hörte man den König an oder die Stammeshäupter, jeweils nach dem Alter, nach dem Adel, nach dem Kriegsruhm, nach der Redegabe; hierbei kommt es mehr auf Überzeugungskraft an als auf Befehlsgewalt. Mißfällt ein Vorschlag, so weist man ihn durch Murren ab; findet er jedoch Beifall, so schlägt man die Framen aneinander. Das Lob mit den Waffen ist die ehrenvollste Art der Zustimmung. ..."
Und im Krieg losten sie durch Zufall einen Führer? Auch bei gentes mit Königen? Der trat dann beiseite und ließ einem Niederen den Vorrang?
Über die Priester wird nur geschrieben: "Ruhe gebieten die Priester; sie haben jetzt auch das Recht zu strafen."
Daher wird es bei so einer Veranstaltung schon einen Beschluß gegeben haben, den die Mehrheit mitgetragen hat. Ob danach noch ein Priester seinen göttlichen Segen gegeben hat, ist nicht überliefert bzw. nicht mehr ausschlaggebend.
Die Merowinger, die Amaler und auch andere "Herrscherhäuser" waren göttlichen Ursprungs, galten als semideis. Sie waren daher direkt mit den Göttern verbunden. Ist es wahrscheinlich, daß sie einen Priester in ihrer gens/ihrem Reich duldeten, der auch mit den Göttern in Verbindung stand?
Somit kann man davon ausgehen, daß die germanischen Adligen auf diesem Thing über die Geschicke und das Wohl des Volkes entschieden und nicht irgendwelche Priester, die Runenstäbchen geworfen haben und dann den Weg wiesen. Auch scheint ein König beim Thing nicht eine uneingeschränkte Macht gehabt zu haben, ansonsten hätte er solche Veranstaltungen, die gegen seine Politik gerichtet waren, unterbinden können. Vielmehr mußte der König auch die Zustimmung der anderen Teilnehmer erreichen. Da haben die gotischen Könige bestimmt ihren Spaß gehabt....:yes:
Sicherlich waren auch Könige nicht selbstherliche Potentaten und mußten Rücksicht nehmen auf "den Adel". Doch ist das eine reine Machtfrage. Geiserich ließ 442 den Adel in seinem Reich niederkämpfen und in Teilen vernichten. Schwächere Könige waren da weniger selbständig.

Hier stellt Prof.Dr.Springer die Frage, ob es die bisher bekannten Gaue überhaupt vor den Karolingern gegeben hat? Die Einteilung in Engern, Westfalen und Ostfalen soll von den Karolingern vorgenommen worden sein. Im "Alten Sachsen" soll es nach seiner Meinung keine politische Einheit gegeben haben und mehrere Machtinhaber sollen geherrscht haben.
Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, daß diese sächsischen Machtinhaber unabhängig voneinander geherrscht haben. Vielmehr gehe ich davon aus, daß es schon einen gemeinsamen Thing (Markloh) gegeben hat, auf dem jährlich gemeinsame Beschlüsse gefaßt wurden. Und wenn dort genauso verfahren wurde, wie Tacitus es für die "antiken" Germanen beschrieb, dann ist es doch schon (für die Zeit) sehr demokratisch. Aber über die Einteilung der "antiken" Gaue liegt somit keine Erkenntnis vor (waren sie größer/kleiner?,...). Es wird zwar angenommen, daß die späteren Bistümer diese Grenzen beinhalteten, aber 100%ig ist das auch nicht nachgewiesen.
Was ein Gau/pagus ist, kann niemand beantworten. Zudem muß es sich nicht um einen in jedem Fall eindeutigen Begriff handeln. Ein Gau kann einen Siedlungskern bezeichnen, aber auch eine Zusammenballung mehrerer solcher Kleingaue/Kerngaue. So kann amn erklären, warum ein Ort manchmal zwei Gauen zugewiesen wird. Ich schließe, und das gilt wohl auch für Springer, Thingversammlungen gar nicht aus. Es ist jedoch eine berechtigte Frage, wie demokratisch solche Treffen waren.
 
Von den Germanen berichten die römischen Schriftsteller (Caesar, Tacitus), daß sie sich in Gaue gliederten. Bedeutung gewinnt der Gau als eine volkstümlich gefaßte Untergliederung besonders der keltischen Stämme. An die Stelle der keltischen Untergliederung der Stämme (von den Römern Civitates genannt) trat 12 v.d.Z. die in Gallien eingeführte römische Civitas-Verfassung, die die Volksstämme in Bezirke (Civitates) gliederte. Das Fränkische Reich löste die Civitas-Verfassung durch die Grafschaftsverfassung ab, wonach der Gau zunächst der Amtsbezirk des Grafen war, der in etwa der ursprünglichen Civitas entsprach.
Wenn man die stammesgebiete der Gallier mit den späteren civitates der Römer vergleicht (soweit dies möglich ist), erkennt aman sehr schön, daß sich die civitas-Grenzen an die Stammesgrenzen halten. Die kleineren Gaue sind somit kleinere Siedlungskerne, wie es sie auch in Germanien gegeben haben mag.
Es ist so, daß ich eine Zwangsläufigkeit (?) der Unkenntnis des Häuptlings nicht belegen kann. Die mir bekannte Deutung, dessen Quelle mir leider nicht mehr geläufig ist, geht wie Beda davon aus, daß die Ewalde erschlagen wurden, damit sie nicht zum Häuptling gelangen konnten. Dann schleppten sie beide Leichname, deren Blut die Erde rot färbte, höhnend fort und warfen sie in den Fluß (Beda verwechselt hier Rhein und Ruhr, woran wenigstens eine genaue Schilderung mangelt). Der Herr aber soll seine Diener verherrlicht haben, denn ihre Leichen schwammen zu dem Ort, wo ihre zurückgebliebenen Gefährten waren und der fromme Tilman, der in den geistlichen Stand getreten war, entdeckte, durch ein zweites Gesicht von Gott belehrt, die teueren Überreste. Wären die Täter ihnen bekannt gewesen, warum bedurfte es zu ihrer Auffindung eines zweiten Gesichts? Sie waren ihnen also nicht bekannt, und so hatte der Häuptling keine Kenntnis von dem Geschehen von den Franken erhalten. Von Freunden, die die Ewalde in diesem Gebiet gehabt haben sollen, wird nichts berichtet. Es stellt sich weiterhin die Frage, woher die Franken die Kenntnis von der Strafmaßnahme hatten, wie sie Beda berichtet. Beda fügt seiner Erzählung hinzu, der Frankenherzog Pippin habe die Ewalde unter hohen Ehren beisetzen lassen. Er ist es also, der deshalb hinschickte, alle Bewohner jenes Dorfes töten und das Dorf selbst in Brand stecken ließ; wenn man Beda in seinem Bericht überhaupt folgen will. Ein sächsischer Häuptling wird es nicht gewesen sein, weil die Strafe nicht nur die Täter traf, sondern ein ganzes Dorf. Warum sollte ein heidnischer Sachse die Tat an den Ewalden auch so hart bestrafen, wenn hierin nicht eine göttliche Gerechtigkeit zu erkennen ist? Beda ist übrigens der Ehrwürdige (Venerabilis) genannt worden, nicht wegen seiner geschichtlichen Kenntnisse, sondern wegen seiner Kenntnis der heiligen Bücher.
Also wenn Beda von der Bestrafung des Dorfes durch den satrapa spricht, dann soll das erfunden sein. Stattdessen nimmst du eine Bestrafung des Dorfes durch Pippin an, die nirgends belegt ist. "Ein sächsischer Häuptling wird es nicht gewesen sein....", wieso nicht? Was weißt du über die Strafgewalt eines satrapa? "Warum sollte ein heidnischer Sachse die Tat an den Ewalden auch so hart bestrafen...?". Weil sie möglicherweise Gastrecht besaßen, oder ähnliches. Weil der satrapa sich übergangen fühlte, weil er allein über Leben und Tod entscheidet. Warum sollte Pippin dieses Dorf vernichten? Und warum nur dieses? Wo lag der Ort überhaupt? Hätten die Sachsen das ungestraft zugelassen? Lieber Horst, hör endlich auf mit deiner "Rosinenpickerei". Anstatt über Probleme und Fragestellungen ernsthaft nachzudenken, drehst du dir alles so wie es dir passt.
 
Ich glaube eben nicht, dass in Sachsen vorher schon Gaue auftraten, sondern erst mit der Neuordnung des Gebietes nach den Sachsenkriegen. Gleichzeitig denke ich, dass das, was in Sachsen "Gau" genannt wurde, identisch ist mit dem, was in anderen Teilen des Reiches im 9. Jahrhundert, z.B. Hessen oder Thüringen, "Gau" hieß.
Es bleibt die Frage was pagus/pagi meint und ob es immer das Gleiche meint. Wenn die satrapae den pagi vorstenden, dann kann das heißen, daß jeder kleinen Siedlungskammer ein satrapa vorstand, es kann genauso gut meinen, daß ein satrapa einem größeren Gebiet, daß als pagus bezeichnet wurde, vorstand. Von daher ist es auch fraglich oder zumindest unklar, ob ein karolingischer pagus mit einem vorkarolingischen pagus gleichzusetzen ist. Sie könnten sowohl größer, als auch kleiner gewesen sein. Ich vermute, daß die satrapae eher größere Herrschaftsbereich hatten, als eine bloße Siedlungskammer. Es bleibt aber fraglich, ob sie mit den karolingischer pagi identisch sind.
 
Strupanice schrieb:
Oder bist du nach all den Beiträgen hier im Forum immer noch der Meinung, daß es ein "Sächsisches Volk" gegeben hat?
Es hat einen Stamm der Sachsen gegeben, von dem auch jene Sachsen abstammen, von denen Matthias Springer annimmt, es handele sich um die Vorgänger der Wikinger. Offensichtlich sind in den Stamm der Sachsen auch jene Stämme aufgegangen, die in dem Gebiet lebten, das von den Sachsen übersiedelt wurde. Wie anders wäre sonst die Unterscheidung zwischen Angeln und Sachsen in Britannien zu erklären? Willibroard hatte einen Hausvater von sächsischer Abkunft, kam allerdings aus dem von Angeln beherrschten Northumbrien.
Strupanice schrieb:
Dafür wurden aus genau diesem Gebiet in "Nordschwaben" die Siedler in das Ost-Harz-Gebiet umgesiedelt, die daher fortan auch als "Suebi" auftraten.
Nach vorherrschender Auffassung kamen die Nordschwaben aus dem Havelgebiet. Sie selbst nannten sich Schwaben, und wurden nur wegen ihrer nördlichen Sitze am Harz Nordschwaben genannt.
beorna schrieb:
Und im Krieg losten sie durch Zufall einen Führer? Auch bei gentes mit Königen? Der trat dann beiseite und ließ einem Niederen den Vorrang?
Tacitus sagt, Könige wählten sie nach Maßgabe des Adels, Heerführer nach der Tapferkeit. Selbst die Könige haben keine unbeschränkte oder freie Herrschergewalt, und die Heerführer erreichen mehr durch ihr Beispiel als durch Befehle. Tacitus steht im Verdacht ein verherrlichtes Bild der Germanen mitgeteilt zu haben, aber in dieser Hinsicht teilt er offenbar richtiges mit, denn auch die Franken Karl Martell oder Pippin der Mittlere waren keine Könige, führten aber das fränkische Heer.
beorna schrieb:
Es ist jedoch eine berechtigte Frage, wie demokratisch solche Treffen waren.
Demokratisch im Sinne von Wählen und Abstimmen war bei den Sachsen sicherlich nicht üblich, derartige Erscheinungen sind neuzeitlich. Es gab folglich auch keine gewählten Abgeordneten. Volksherrschaftlich waren die Sachsen nach Hucbald von St. Amand im Sinne einer Beteiligung an der Herrschaftsausübung (Föderalismus), der Gesetzgebung (Anhörung der Stände) und der Rechtsprechung (Verfahren). Es gab offenbar nach Beda ein Verfahren, bei dem die Häuptlinge gleichberechtigt waren, das Heer zu führen. Nach Hucbald von St. Amand betraf das auch die Friedenszeit. Eine jährliche Versammlung gab es auch bei den Franken; sie war offenbar nach Tacitus bei den Germanen allgemein üblich. Verwirft man Tacitus und Hucbald von St Amand, weil sie nicht zeitgeschichtlich berichten, so verbleibt Beda, der von einem einheitlichen Oberbefehl bei den Sachsen berichtet. Verwirft man Beda, weil er die Verhältnisse der Angeln und Sachsen auf die Sachsen des Festlandes überträgt, so bleibt nichts mehr. Jeder kann dann herumspinnen, wie er will.
beorna schrieb:
Die kleineren Gaue sind somit kleinere Siedlungskerne, wie es sie auch in Germanien gegeben haben mag.
Folglich kann man auch Rückschlüsse ziehen, die eine ungefähre Festlegung der Gaue in Sachsen erlauben.
beorna schrieb:
Also wenn Beda von der Bestrafung des Dorfes durch den satrapa spricht, dann soll das erfunden sein.
Wenn du Beda eins zu eins umsetzt, dann wurden die Ewalde in den Rhein geworfen, und nach anderen Quellen in der Ruhr gefunden. Das ist wahrlich ein Wunder.
beorna schrieb:
Anstatt über Probleme und Fragestellungen ernsthaft nachzudenken, drehst du dir alles so wie es dir passt.
Meines Wissens handelt es sich bei meiner Auffassung um die vorherrschende Ansicht, aber ich mag mich da auch irren. Die Sachsen hatten zur Zeit der Ewalde mit dem Rhein nach herrschender Auffassung keine Verbindung. Dieser Schluß ergibt sich wenigstens daraus, das die Sachsen die Brukterer (oder auch die Hattuarier) bekämpften, was eine Verbindung zum Rhein erst einmal ausschließt. Noch etwas ist erstaunlich, wenn man den Metzer Jahrbüchern, Prokop und Theuderich folgt, dann haben die Thüringer die Sachsen beherrscht, da das Reich der Thüringer bis zum Rhein und zum Meer gereicht haben soll; demnach wären auch die Brukterer und die Hattuarier unter thüringische Herrschaft gelangt. Die vorherrschende Ansicht ist, die Thüringer hätten lediglich eine Verbindung zum Rhein an der Mainmündung gehabt. Mit der Niederwerfung des Reiches der Thüringer sollen die Franken auch Gewalt über die Sachsen erlangt haben. Diese Gewalt haben sie angeblich nur zeitweise verloren, allerdings nur deshalb, weil fränkische Grafen die Herrschaft in Sachsen an sich gerissen hätten (Widukind sei also Franke gewesen). Zur Zeit Karls des Großen hätten die Karolinger die Gewalt über die Sachsen dann angeblich längst wieder ausgeübt. Die Sachsen hätten also durch Aufstände innerhalb des fränkischen Reiches die Abgaben des öfteren verweigert, was im Jahr 772 zu einem dreiunddreißigjährigen Krieg (Aufstand) der in Kleinkönigreiche aufgesplitterten Sachsen gegen die Franken geführt haben soll, wobei die nördlichen Kleinkönigreiche zunächst nicht von dem Aufstand betroffen gewesen sein sollen. Wie kann das überhaupt sein, da die Sachsen doch angeblich nur Küstenräuber waren, die sich aus Teilen der Germanen, den ehemaligen Söldnern der Römer, zusammensetzten. Sie trafen allerdings nicht eigene Entscheidungen, was Söldner gewöhnlich tuen, sondern wurden von Kleinkönigen beherrscht, was wiederum seltsam ist, da deren Königreiche sich auf die Planken ihrer Schiffe beschränkt haben müßten. Der Name der Sachsen soll sich, folgt man Matthias Springer, von diesen Küstenräubern auf jene Kleinstämme, die selbstverständlich von (thüringischen?/fränkischen?) Kleinkönigen beherrscht wurden, übertragen haben, die in Niedersachsen, Holstein, Britannien und der Bretagne siedelten. Warum dies alles so nicht von den Quellen berichtet wird, entzieht sich der vorherrschenden Auffassung gänzlich.
 
Nach vorherrschender Auffassung kamen die Nordschwaben aus dem Havelgebiet. Sie selbst nannten sich Schwaben, und wurden nur wegen ihrer nördlichen Sitze am Harz Nordschwaben genannt.
Und genau dies ist seit der Dissertation von Hermann Stöbe 1951 widerlegt.
Die Gründe dafür, das die allgemeine Geschichtsforschung in Ost und West dies nicht berücksichtigt hat, spricht Prof. Springer ja in seinem Buch an.

Die genaue Quelle lautet: Die Origo gentis Swevorum : Nordschwaben u. Sachsen in d. merowing. Reichsgründg. 1. Die Sachsengeschichte und der zweite Abschnitt der Origo gentis Swevorum. - Jena, 1951

Auszuleihen in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena unter der Signatur: U 51.4734 Jena
 
Und genau dies ist seit der Dissertation von Hermann Stöbe 1951 widerlegt.
Die Gründe dafür, das die allgemeine Geschichtsforschung in Ost und West dies nicht berücksichtigt hat, spricht Prof. Springer ja in seinem Buch an.
Widerlegt? Matthias Springer teilt uns zwar mit, Hermann Stöbe sei nicht wahrgenommen worden, weil er mit seinen Ansichten in westlichen Gefilden "Tempelschändung" begangen habe, über die östlichen Gefilde schweigt er sich aus, aber dabei dachte er an die Lehre von der sächsischen Eroberung von Martin Lintzel (vgl. Matthias Springer, Die Sachsen, Seite 57/58). Deine Quelle führt selbst Matthias Springer in seinem Buch nicht auf, er widerspricht Hermann Stöbe (und Dir!) sogar, wenn er über den Schwabengau sagt: Wir halten uns daran, daß zwischen Bevölkerungsgruppen, die denselben Namen tragen, keine leibliche Verwandtschaft zu bestehen braucht, und daß folglich die einen Träger des Namens nicht von anderen Trägern desselben Namens abstammen müssen oder aus deren Gebiet ausgewandert zu sein brauchen (vgl. Matthias Springer, Die Sachsen, Seite 108/109).
 
Widerlegt? Matthias Springer teilt uns zwar mit, Hermann Stöbe sei nicht wahrgenommen worden, weil er mit seinen Ansichten in westlichen Gefilden "Tempelschändung" begangen habe, über die östlichen Gefilde schweigt er sich aus, aber dabei dachte er an die Lehre von der sächsischen Eroberung von Martin Lintzel (vgl. Matthias Springer, Die Sachsen, Seite 57/58). Deine Quelle führt selbst Matthias Springer in seinem Buch nicht auf, er widerspricht Hermann Stöbe (und Dir!) sogar, wenn er über den Schwabengau sagt: Wir halten uns daran, daß zwischen Bevölkerungsgruppen, die denselben Namen tragen, keine leibliche Verwandtschaft zu bestehen braucht, und daß folglich die einen Träger des Namens nicht von anderen Trägern desselben Namens abstammen müssen oder aus deren Gebiet ausgewandert zu sein brauchen (vgl. Matthias Springer, Die Sachsen, Seite 108/109).

Dann wäre es aber mal an der Zeit, die Dissertation zu lesen. Daß Matthias Springer nicht alle Schriften von Hermann Stöbe in seiner Arbeit verwendet hat, muß ja nicht heißen, daß es diese nicht gab.

Ich selbst finde Herrn Springers hat in seinen Ankündigungen zur Sachsengeschichte viel Wind aufgewirbelt, dann aber seine Linie nicht konsequent durchgehalten.
 
Zurück
Oben