@ Strupanice: im Groben decken sich unseren Meinungen. Aber es gibt ein paar entscheidende Punkte, wo ich anderer Ansicht bin:
War Theoderich zwar Feind der zentralen Königsgewalt, heißt dies aber nicht automatisch, daß er ein sächsischer (ethnisch und politisch) Graf war...
Also ich hab noch mal nachgeschaut, Theoderich ist tatsächlich in den Annales Mettenses als "Dux" und damit Herzog bezeichnet. Ich sehe das Problem und tatsächlich kämpfte ja so mancher (eigentlich dem Reich unterstehende) Herzog im 8. Jhdt. gegen die Hausmeier. Dennoch finde ich, dass nicht so leicht darüber hinweggegangen werden kann, dass Theoderich an einer Stelle ausdrücklich als Sachse bezeichnet wird (Theodericem Saxonem). Ich denke, dass die Bezeichnung Sachse in diesem Fall nicht einfach synonym zu sehen ist mit "Feind des Königs". Das leitet über in den zweiten Punkt, wo ich etwas anderer Meinung bin.
Das Frankenreich selbst ist ein Vielvölkerstaat gewesen. Auch vor den sogenannten "Sachsenkriegen" Karls haben sich viele "Sachsen" und die die als solche bezeichnet wurden, als Mitglieder des Frankenreichs verstanden. Karl versuchte dabei nur die Ordnung im Nordosten wieder herzustellen, die schon in früherer Zeit bestanden hat.
Zunächst mal Zustimmung, was die personellen Verflechtungen betrifft. Häufig wird von einem andauernden Konflikt zwischen Sachsen und Franken ausgegangen, wobei sich m.E. die heftige Auseinandersetzung (trotz der zahlreichen Sachsenzüge Karl Martells und Pippin d. J.) wirklich auf die Kriege Karls des Großen beschränkte. Tatsächlich dürften aber stets mehr oder weniger enge Beziehungen zwischen den sächsischen und fränkischen Adligen geherrscht haben (so heiratete auch König Dagobert eine Sächsin). Dies rührt schon daher, dass man im allgemeinen davon ausgeht, dass Sachsen und Franken aus benachbarten, Rhein-Weser-germanischen Stämmen entstanden.
Des weiteren sehe ich es so, dass die Franken Mitte des 6. Jahrhunderts irgendeine Form der Hegemonie über die Sachsen (wie immer sie politisch organisiert waren) gewannen.
Allerdings - und hier unterscheiden sich vielleicht unsere Ansichten - sehe ich es so, dass die Saxonia vor Karl dem Großen kein fester Bestandteil des Reiches wurde, nicht einmal ein quasi-autonomes Gebiet von so formeller Abhängigkeit wie die Alemannia bis zur Abschaffung des Herzogtums.
Des weiteren folge ich Springers Meinung, dass die Sachsen in dezentralen Herrschaften organisiert waren. Dies zeigt sich meiner Meinung nach auch daran, wie ungehindert die fränkischen Heere unter Karl Martell und Pippin sich überall in der Saxonia bewegen konnten. So jetzt mal stichwortartig meine weiteren Überlegungen:
- Die Quelle des "heißen" Konflikts zwischen Sachsen und Franken liegt in den 690er Jahren. In den Metzer Annalen findet sich die Stelle, wie Pippin d. Mittlere die Völkerschaften an der Peripherie des Reiches wieder unter seine Herrschaft bringen will (z.B. auch die Aquitanier). Dies ließt sich angesichts d. offenkundigen Tatenlosigkeit Pippins (mit Ausnahme seiner Alemannen-Feldzüge) mehr wie eine offizielle Erklärung der Gegnerschaft. Zeitlich zusammen fällt dies mit der Nachricht bei Beda, nachdem die Sachsen christianisierte Brukterer vertrieben im Jahr 695.
- es entstand eine diffuse Grenzzone zwischen Sachsen und Franken (entlang Westfalens, des Weserberglandes, Thüringens), die wohl mehr auf dem politischen Vordringen der fränkischen (und z.T. auch sächsischen) Vorherrschaft beruhte, als unter archäologisch nicht erwiesenen ethnischen Unterschieden. Die Grenze wurde aber dennoch von Zeitgenossen als solche empfunden (hier verweise ich auf eine Stelle aus der Vita des Bonifatius und auf dieUrkunden Karls des Großen aus den Jahren 811 und 813 an Asig und Bennit, wo erwähnt wird, dass im Ort Wolfsanger (bei Kassel) Franken und Sachsen zusammen wohnten.
- ohne in atavistische völkische Erklärungsmuster zurückzufallen, denke ich doch, dass der um 772 ausbrechende Krieg zwischen Sachsen und Franken durch kulturelle und religiöse Unterschiede zumindest verstärkt wurde. Es lässt sich nun doch in den Gebieten rechts des Rheins eine verstärkte, durch die Hausmeier sehr geförderte, administrative und religiöse Neuorganisation festzustellen ist. Diese stieß u.a. im 7. und 8. Jahrhundert auf den Widerstand der Herzöge. Da diese aber gleichwohl (auch durch Verwandschaftsbeziehungen und Reichsfunktionen) bereits stärker ins Frankenreich integriert waren, entwickelten sich die Konflikte nicht so heftig wie der 30-jährige Krieg zwischen Sachsen und Franken. Zumal die Sachsenzüge Karls eindeutig den Charakter einer Expansion hatten, da die Gebiete nördlich der Büraburg von einer direkten fränkischen Herrschaft zuvor unberührt waren.
@ Witege: stimmt, die Alemannen hatte ich etwas unterschlagen, gleichwohl auch hier viele Adlige eng mit den "Großen" des Merowingerreiches verflochten waren. Bei den Agilolfingern würde ich - trotz der ungeklärten Ethnogenese - dennoch sagen, dass sie zu Zeiten des Konflikts mit den Hausmeiern als fränkische Adelsfamilie aufzufassen sind.