"Goethe!" (2010)
Regie: Philipp Stölzl
Drehbuch: Alexanda Dydnya, Christoph Müller, Philipp Stölzl
Nun ist dieser Tage der Film des Jahres über Goethe an den Start gegangen und in der Presse nicht wenig (zumindest hierzulande) gelobt worden.
Hier nun meine unmaßgebliche Meinung.
Handlung:
Johann Goethe (den "Wolfgang" lassen sie durchweg wegfallen) befindet sich am Anfang in Straßburg, wo er studiert. Bei einer mündlichen Prüfung (sollte das seine Promotion sein?) fällt er durch. Sein Vater (Henry Hübchen) besucht ihn in Straßburg und beordert ihn daraufhin nach Wetzlar ans Reichskammergericht.
Goethe (Alexander Fehling) trifft dort auf Albert Kestner (hist. Vorlage: Johann Christian Kestner - gespielt von Moritz Bleibtreu), der im Film eine Vorgesetzter ist (eigentlich war er hannoveranischer Legationssekretär). Goethe verliebt sich in Charlotte Buff (Miriam Stein), welche scheinbar aus ärmlichen Verhältnissen stammt. Ihr Vater (Burghart Klaussner) sähe allerdings gern Kestner als Gemahl seiner Tochter, da Kestner als wohlhabend dargestellt wird und eine flotte Karriere als Jurist zu machen scheint.
Als Nebenhandlung verliebt sich der enge Freund Goethes namens Jerusalem (Volker Bruch) ebenfalls unglücklich und begeht in der Folge Selbstmord.
Goethe verhilft im Film mit einigen Ratschlägen Kestner zum Erfolg bei seiner Verlobung mit Charlotte. Daraufhin erfährt Kestner allerdings, dass Goethe ebenfalls eine Beziehung mit Charlotte hat und möchte ihn daher aus dem Weg räumen. Das gelingt ihm, indem er offenbar von langer Hand geplant Goethe zu einer Beleidigung reizt, wofür Kestner Satisfaktion fordert.
Während des Duells wird Goethe verhaftet und daraufhin in den Kerker geworfen. (Warum Kestner nicht verhaftet wird ist leider eine der unverständlichsten Stellen des Films.)
Derweilen Goethe im Kerker schmachtet, vermählt sich Charlotte Buff mit Kestner. Goethe erfährt davon und ringt mit sich, ob er den Freitod wählen soll. Stattdessen schreibt er die "Leiden des jungen Werther" und sendet sie Charlotte Kestner zu.
Nachdem Goethe entlassen worden ist und sein Vater ihn nach Frankfurt nahm, umringt ihn dort die Menge. Charlotte hat ohne sein Wissen - sie sollte den Roman eigentlich vernichten - den Roman veröffentlicht und nun ist Goethe ein berühmter Mann. Sein Vater sieht ein, dass er aus ihm keinen Juristen machen kann und freut sich doch, dass sein Sohn erfolgreich ist.
Anmerkungen zur Handlung:
Man sollte keine Dichterbiographie erwarten. Ganz ungefähr hangelt sich die Handlung an Goethes Jahren zwischen seinem Aufenthalt in Straßburg und seiner Zeit in Wetzlar entlang. Zugleich werden, mal mehr mal weniger Elemente aus Goethes "Werther" darin verwoben. Manchmal weiß man jetzt nicht, was von den Geschehnissen authentisch ist und was romanhaft.
Entsprechend am stärksten verzerrt sind die Figuren von Goethe, Kestner, der zu einem irgendwie allmächtigen Bösewicht heranwächst, und Charlotte.
Warum man dann nicht gleich eine Verfilmung des "Werther" gemacht hat, wenn der doch dem Regisseur viel lieber als der "echte" Goethe ist, bleibt wohl schleierhaft. Andererseits sind Verwebungen von Romanstoffen und den Biographien der Autoren in Mode (vgl.: "Mansfield Park" 1999, "Becoming Jane" 2007 - beide zu Jane Austen).
Umgangsformen der Zeit werden weitesgehend ignoriert.
Goethe schreibt genauso wie Charlotte durchweg französische Schreibschrift statt Kurrent (hätte man doch auch mit Untertiteln lösen können).
Seltsam ist am Anfang der Hinweis von Straßburger Studenten darauf, dass Goethe "mit oe" genannt werden wollte, finden wir doch im Musenalmanach aus den 1790ern noch die Schreibweise: "Göthe".
Ebenso seltsam die Autogrammstunde Goethes in Frankfurt am Ende des Films. Gab es sowas?
Die Brotbackszene ist auch in sich unlogisch. Wieso wird da frisch gebackenes Brot gegessen, was eben erst aus dem Ofen kommt? Das macht doch niemand, es ist viel zu heiß. Warum wird das Kindern gegeben - für die ist es doch noch ungesünder? Also bitte nicht nachmachen!
(Über den Backofen mussten wir auch erst noch grübeln. Schien nur Fake und unlogisch in sich.)
Wieso jagt Kestner eigentlich? Ist er ein Adeliger oder ein angestellter Jäger?
Drehorte
Scheinbar hatte man nach dem Einkauf vorzüglicher Schauspieler leider kein Geld mehr für Drehorte wie Kostüme und Ausstattung. So wurden die Staßburg-Szenen ebenso wie diejenigen in Frankfurt an ein und demselben Ort gedreht, was ich sehr amüsant fand. Wir waren ja vor Kurzem in Straßburg und dort gibt es nunmal keine Architektur, welche an die Neißstraße und den Untermarkt von Görlitz erinnert. Manchmal fährt die Kutsche weiter und ist dann wieder an der selben Tür (Neißstraße 30 - heute Kulturhist. Museum Görlitz).
Ein wenig besser zumindest war der Versuch geglückt, Wetzlar ungefähr wieder nachzustellen.
Kostüme und Ausstattung
Da war ich mir mit
Cécile einer Meinung, dass man scheinbar bis auf 3-4 Hauptfiguren hauptsächlich in einen recht schlechten Kostümfundus gegriffen hat. In der Szene vor den Professoren glaubt man sich in einer Zeitreise der anderen Art, nämlich in die Zeit der Kostümfilme der 1960er (haben die das Kostüm von Mel Ferrer aus "Scaramouche" genommen? =):devil
Immerhin wird mit Gänsekiel und Gessner (gibts im Künstlerbedarf genau in der Ausführung) geschrieben. Goethe spielt auf einem Clavichord (war man wohl stolz drauf, dass man das hatte).
Das Geschirr und v.a. die Tassen konnte man vergessen (auch wenn heute noch gut nachgemachte verkauft werden).
Amüsant fand ich folgende Idee: Wie kommt der Werther (Goethe) zu seinem blauen Rock mit gelber Weste und Hose?
Antwort: Charlotte Buff haut dem Goethe/Werther Rotwein auf den anderen Rock (vom Material her eher ein Morgenmantel
feif
, so dass er sich einen blauen Rock von Jerusalem (wieso passt er dem Goethe überhaupt - Jerusalem ist doch viel kleiner - also besser Kopf ausschalten) ausleiht. Gleich auf der Straße wird er für seine wilde Farbkombinantion angesprochen.
Leider ist die historische Erklärung viel banaler. Im Grunde war die Wertherkleidung schon vor dem Erscheinen des "Werthers" in Mode, es war schlichtweg englische Mode. Es gibt ein Porträt eines ernestinischen Herzogs der 1760er, welches ihn quasi in Wertherkleidung zeigt (!).
Bei der Kleidung konnte man sich offensichtlich nicht entscheiden. Die Handlung spielt etwa 1772 bis 1774, gezeigt wird aber Kleidung bei den Damen aus den 1780ern. Die typisch deutschen Frisuren der Damen wie auf den zeitgen. Werther-Illustrationen von Chodowiecki zu sehen, werden ganz weggelassen. Charlotte trägt sogar ein Chemisenkleid (relativ leicht auf 1780er datierbar).
Tränchen:
Bei dem Film fand ich den Gegensatz zwischen den Kritiken, v.a. wo die angebliche Authenzität der Ausstattung und Kostüme gelobt wurde, und dem tatsächlichen Film am augenscheinlichsten.
Manche Aspekte waren ganz nett, an anderen Stellen wirkte der Film wie eben die unbeholfenen deutschen Historienfilme der letzten Jahre mit ungefähr auch den selben Schwächen.
Immerhin schläft man nicht ein und die Handlung ist munter inszeniert.
Als Dichterbiographie sollte man den Film nicht bewerten, denn dann fände man allerhand Fehler oder Ungereimtheiten.
Von mir bekommt er, v.a. in Anbetracht dass es ein deutscher Film ist, immerhin noch 5 vergossene Tränen.