Samurai vs. Ritter

Tib. Gabinius schrieb:
Urgl, da hat jemand die Welt der Wunder Sendung gesehen. Ich bin der letzte der sie generell verurteilt, immerhin waren wir im Eingangsbeitrag dabei, aber dieser Abschnitt war wieder mal unter aller Kanone.
Voll erwischt und auf frischer Tat ertappt. ;)
 
ein bisschen eine unnütze diskussion...
der samurai müsste gewinnen, da er seinen körper mehr beherrscht, als jeder andere seiner zeit. Der Ritter hingegen mit seiner schweren Rüstung und seinem schweren Schwert hätte keine Chance gehabt.
Samurais waren schneller, hatten eine leichtere Rüstung, lecihteres Schwert, mehr treffsicherheit ...

gn8
Toku
 
ritasophia schrieb:
Wenn man nicht voll gepanzert ist, sicherlich. Da geht das Aufstehen auch recht leicht. Aber mit Kettenhemd und voller Rüstung, von Helm bis hin zu Beinschienen, etc. ist das Aufstehen nicht so leicht, besonders im Schlachtgetümmel nicht. Nicht alleine wegen der Belastung durch das Gewicht, sondern auch weil die Rüstung nicht gerade viele flexible Bewegungen zulässt. Und wenn dann der Ritter mitsamt Schild, Schwert und sonstiger Ausrüstung hinfällt und der Gegner gleich über ihm zuschlägt, hat der Ritter wohl doch einige Probleme da am Boden wieder auf die Beine zu kommen.
Das Bild vom gepanzerten Ritter, der wie ein umgestürzter Maikäfer auf dem Rücken liegt und dort verendet, wenn keiner kommt und ihn umdreht, hat mich schon immer gestört.

So kommt doch nur ein gefällter Baum zu liegen, aber kein trainierter Kämpfer.

Jeder, der das Fallen geübt hat (z.B. ein Turner) wird versuchen einen Fall in eine Rolle zu umzulenken, egal ob vorwärts, schräg, seit- oder rückwärts. Dadurch wird die Fallenergie umgelenkt. Dies treibt den Gefällten, am Ende des Abrollens, im günstigsten Fall, nahezu ohne Energieverlust, wieder hoch, in den Stand. Je größer die Masse des Gefällten ist (Masseträgheit => Rüstung), desto mehr Zeit hat er zum Abrollen.

Was mitgeführte Ausrüstung betrifft, so bringt man noch heutzutage den Rekruten bei, selbige eng an den Körper zu schnallen, aufdass sie ihnen beim Fall nicht ins Genicke schlägt oder der Helm das Nasenbein lädiere oder man bringt ihnen bei, die Gewehrmündung beim Deckung nehmen nicht in den Boden zu bohren und das Gewehr beim Abrollen möglichst nicht längs zu nehmen. Kurzum, auch die Ausrüstung konnte immer schon so arrangiert werden, dass man bei einem Sturz nicht darüber fällt.

Wenn man dies alles berücksichtigt, kommt man vielleicht zu dem Schluss, dass die Ritter nicht bloß schwerfällig, sondern auch schwer zu überwältigen waren.

mfG JS
 
Zuletzt bearbeitet:
Jürgen schrieb:
Das Bild vom gepanzerten Ritter, der wie ein umgestürzter Maikäfer auf dem Rücken liegt und dort verendet, wenn keiner kommt und ihn umdreht, hat mich schon immer gestört.

Das hab ich doch auch nicht gesagt. Ich meinte nur, dass wenn ein Ritter mitten im Ansturm vom Pferd geholt wird und der andere Kämpfer gleich über ihm ist, kann er sich wohl kaum wie ein Turner wieder gleich hochrollen. Das bezweifel ich doch arg.
 
ritasophia schrieb:
Das hab ich doch auch nicht gesagt. Ich meinte nur, dass wenn ein Ritter mitten im Ansturm vom Pferd geholt wird und der andere Kämpfer gleich über ihm ist, kann er sich wohl kaum wie ein Turner wieder gleich hochrollen. Das bezweifel ich doch arg.

Zum einen ist es verdammt schwierig, ohne eine geeignete Stangenwaffe, Bogen oder Armbrust einen anstürmenden Ritter von seinem Pferd zu holen.

Zum anderen - wenn man ersteres mal als gegeben ansieht - muß der Fußkämpfer zu dem Gestürzten recht schnell hineilen (denn der wird ihm kaum direkt vor die Füße fallen, da bspw. eine Stangenwaffe über 2 m lang ist) und zudem muß er mit einer geeigneten Waffe, welche er erst zeihen muß, auch noch zum Schlag ausholen. Der Ritter hat meist noch seinen Schild, mit welchem er seinen Körper zur Verteidigung großflächig abdecken kann, um sich dann hinter dem Schutz aufzurichten. Normalerweise hat er aber aus genannten Gründen meist "genügend" Zeit...

Zum dritten: liebe Ritasophia, ich hatte Deine diesbezügliche Aussage bereits einige Beiträge vorher aus meinen eigenen Reenactment Erfahrungen sehr ausführlich beantwortet. Bitte tue mir dann aber auch den Gefallen, diese Antwort nicht zu ignorieren!

Vielen Dank & beste Grüße

Timo
 
@timotheus: Ich wollte Dich doch nicht ignorieren. ;)

Dann meine Antworten auf deine Beiträge:

timotheus schrieb:
@ritasophia: Meines Wissens nach war das Naginata eine Stangenwaffe für Fußkämpfer - vgl.bar am ehesten solchen Waffen wie der europäischen Hellebarde -, um eben u.a. auch effektiv einen angreifenden Reiter bekämpfen zu können.
Allerdings muß der Fußkämpfer mit einer solchen Stangenwaffe auch "hart im Nehmen" sein, denn der Reiter kommt samt Pferd nämlich nicht gerade in gemütlichem Tempo auf den Fußkämpfer zu (mal abgesehen davon, daß der Reiter ebenfalls bewaffnet ist)

Sicherlich ist das kein einfaches Manöver. Man muss nur wissen, wie man am besten einen Ritter vom Pferd holt. Am Besten, in dem man ihm den Untersatz wegnimmt, z. Bsp. dem Pferd mit der Waffe den Bauch aufzuschlitzen, was auch bei einem heranstürmenden Ritter möglich. Sicherlich nicht von mir, aber von einem trainierten Kämpfer. Einem flinken Samurai (eben auf diese Diskussion bezogen) könnte ich das zutrauen. Sicherlich Spekulation, aber die ganze Diskussion ist das ja.

Zu deinem nächsten Beitrag mit deiner Rüstung:
Zwischen Rüstung aus dem 13. Jahrhundert und Rüstung aus dem 15. Jahrhundert bestehen Welten, naja, sagen wir mal 2. Jahrhunderte. Klar, mit einem Kettenhemd kann ich auch "locker" herumspringen, auch mit Wattierung etc. Ein knielanges Kettenhemd wiegt auch gerade mal so um die 10- 15 kg und ist sehr flexibel. Insbesondere da die heutigen erhältlichen Kettenhemden auch nicht unbedingt mit damaligen Kettenhemden zu vergleichen sind, da damalige doch durchaus schwerer waren.

Im 15. Jahrhundert kam jedoch die Ausrüstung gegen die Schusswaffen dazu. Warum trug ein Ritter einen Plattenpanzer? Wegen der Erfindung eben genannter Waffe hauptsächlich. Trägt man nun Kettenhemd und Plattenpanzer von oben bis unten, ist man nun mal eine schwere Büxe. Mit Training kann man viel wett machen, aber wie in einem Kettenhemd mit Wattierung ist das noch lange nicht.

Und zu Erfahrung: Ich hab diesbezüglich durchaus auch Erfahrung. Sowohl voll gerüstet mit Kettenhemd als auch mit Plattenpanzer. Die heute erhältlichen! Ich sage auch nicht, dass man sich nicht mehr mit Platte bewegen kann, aber man ist in einer solchen Kampfsituation durchaus sehr behindert, besonders mit einem Helm wegen der, schon von Dir angesprochenen, Sichtbehinderung.
 
Leute, bitte, laßt das doch. Es bringt nichts über solche Situationen zu sprechen. Wenn ihr darüber sprechen wollt, bemüht die Historie, die bietet genug Beispiele.

timotheus schrieb:
Zum einen ist es verdammt schwierig, ohne eine geeignete Stangenwaffe, Bogen oder Armbrust einen anstürmenden Ritter von seinem Pferd zu holen.

Zum anderen - wenn man ersteres mal als gegeben ansieht - muß der Fußkämpfer zu dem Gestürzten recht schnell hineilen (denn der wird ihm kaum direkt vor die Füße fallen, da bspw. eine Stangenwaffe über 2 m lang ist) und zudem muß er mit einer geeigneten Waffe, welche er erst zeihen muß, auch noch zum Schlag ausholen. Der Ritter hat meist noch seinen Schild, mit welchem er seinen Körper zur Verteidigung großflächig abdecken kann, um sich dann hinter dem Schutz aufzurichten. Normalerweise hat er aber aus genannten Gründen meist "genügend" Zeit...

z.B. auf diese Argumente:
So schwer ist dies gar nicht. Die Hellebardenträger der Eidgenossen haben die geeignete Waffe um einen Reiter vom Pferd zu holen und direkt am Boden befindlich einen auch durch Rüstung tödlichen Schlag zu versetzen (wobei die Form mancher Hellebarde besser geeignet ist als anderer).
Die Pikenträger der Landsknechte haben das probate Mittel um die Reiter zu Fall zu bringen und mit der gebrochenen Stange (und ihrem Lanzenschuh vor allem) gleiches zu tun.
Zudem sind diese Waffen auch geeignet auf lange Distanz gestürzte Ritter zu bekämpfen... zumal ein solcher Sturz die kampffähigkeit zu jedem Zeitpunkt massiv beeinträchtigt hat, dies ergibt sich aus den Berichten verschiedener Tjosten, bei denen die gepanzerten nach ihrem Sturz nicht selten verletzt waren...
Und beide Truppentypen setzten dies auch nachgewiesener Weise ein.

Auf der anderen Seite konnten die Normannen bei Hastings trotz dem Kampf gegen Huscarle, die mit langen Stieläxten ausgerüstet ebenfalls ein geeignetes Mittel besaßen sie aus dem Sattel zu holen, das ganze offensichtlich siegreich hinter sich bringen.

Wenn ihr also weiter diskutieren wollt, dann bitte so, denn "wäre, hätte, könnte" bringt keine Ergebnisse und dreht sich nur um Meinungen. :)
 
Ich muss jetzt noch mal etwas fragen. Verzeiht mir meine Unwissenheit.
Warum glauben hier alle mit Reenactment Erfahrungen für sich in Anspruch nehmen zu können, über alles was, wann und wie genau bescheid zu wissen? Jeder fährt hier ja wohl sein eigenes Ding, soweit ich das rausgelesen habe. Ja, was soll ich denn nun glauben. Die Wissenschaft wird ja schon von vorn herrein in die tonne gekloppt. Nur, weil sich der eine Akteur heute besser auf einem Pferd halten kann als der andere. Nein, das sagt mir alles nichts. Da bleibe ich dann doch lieber bein normalen Historikern, wenn ich etwas wissen will.
Und ohne es zu merken, macht ihr euch mit eurem Hü und Hott auch noch unglaubhaft.
Sorry, musste mal sein.

@Tib. das hatte sich jetzt überschnitten.
 
Zuletzt bearbeitet:
@florian: Ich halte Reenactment auch völlig ungeeignet um historisch zu argumentieren, da stimme ich Dir zu!

@Tib: Da hast Du durchaus recht. Nur ist die gesamte Diskussion ja eigentlich auf einem spekulativen Boden eröffnet worden und somit schwerer, sie in eine rein historische Richtung zu bringen.
 
@Tib & Flo: Ihr habt wohl recht...
Ich hatte schon antworten wollen, aber bremse mich jetzt mal selbst - OK, ich habe mich wohl etwas reingesteigert :fs:
Trotzdem bleibe ich bei meiner Aussage, daß die Unbeweglichkeit eines gerüsteten Ritters oftmals übertrieben dargestellt wird. Dabei belasse ich es jetzt - Punkt.
Ehe aber ein falscher Eindruck entsteht: ich richte mich an sich schon nach dem, was Belege hergeben, und maße mir kein abschätziges Urteil über die Wissenschaft an. Nur bzgl. Dokumentationen wie der zuvor angesprochenen kann ich schon sagen, was stimmig ist und was nicht!

Dank & Gruß

Timo
 
ritasophia schrieb:
Das hab ich doch auch nicht gesagt. Ich meinte nur, dass wenn ein Ritter mitten im Ansturm vom Pferd geholt wird und der andere Kämpfer gleich über ihm ist, kann er sich wohl kaum wie ein Turner wieder gleich hochrollen. Das bezweifel ich doch arg.
Einen Sturz vom Pferd habe ich noch nicht erlebt. (Pferde sind mir sowieso unheimlich).

Wie sieht es denn aus, wenn ein Ritter vom Pferd geholt wird.

Ersatzweise hätte ich nur eigene Erfahrungen aus einem Motoradunfall mit einem Kleinbus.

Entscheidend ist der Grad der Krafteinwirkung. Wenn man denn wirklich aus dem Sattel geholt wird, etliche Meter durch die Luft fliegt hat man natürlich keine Kontrolle über diesen Flug. Wenn man dann noch z.B. gegen eine Wand geschleudert wird entscheidet nur das Schicksal, ob man davon nur einige Zeit benommen ist, ob man seine Arme und Beine danach noch bewegen kann, ob man bewusstlos wird, oder ob man überhaupt noch aufwacht.

Wer einem solchen kinetischen Impuls ausgesetzt war, ist danach auf jeden Fall kampfunfähig, egal ob und was für eine Rüstung er getragen haben möge.

Ein guter Helm kann hier zwar das Leben retten, könnte aber Angreifer in der Folge nicht abhalten.

Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ein solcher Stoßimpuls durch mittelalterliche Lanzen übertragen werden könnte.

Somit gehe ich davon aus, dass die meisten Ritter nicht einfach umgefallen sind, sondern zumindest soweit möglich teilkontrollierte Stürze versucht haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da Tib. es schon so hervorragend ausgedrückt hat :)

Tib. Gabinius schrieb:
So schwer ist dies gar nicht. Die Hellebardenträger der Eidgenossen haben die geeignete Waffe um einen Reiter vom Pferd zu holen und direkt am Boden befindlich einen auch durch Rüstung tödlichen Schlag zu versetzen (wobei die Form mancher Hellebarde besser geeignet ist als anderer).
Die Pikenträger der Landsknechte haben das probate Mittel um die Reiter zu Fall zu bringen und mit der gebrochenen Stange (und ihrem Lanzenschuh vor allem) gleiches zu tun.
Zudem sind diese Waffen auch geeignet auf lange Distanz gestürzte Ritter zu bekämpfen... zumal ein solcher Sturz die kampffähigkeit zu jedem Zeitpunkt massiv beeinträchtigt hat, dies ergibt sich aus den Berichten verschiedener Tjosten, bei denen die gepanzerten nach ihrem Sturz nicht selten verletzt waren...
Und beide Truppentypen setzten dies auch nachgewiesener Weise ein.

Auf der anderen Seite konnten die Normannen bei Hastings trotz dem Kampf gegen Huscarle, die mit langen Stieläxten ausgerüstet ebenfalls ein geeignetes Mittel besaßen sie aus dem Sattel zu holen, das ganze offensichtlich siegreich hinter sich bringen.
 
Nun schreibe ich doch noch etwas...

Ich habe mich zuvor zu sehr auf die Sache mit der Beweglichkeit konzentriert und die von Tib richtigerweise angeführten Beispiele aus der Geschichte nicht ausreichend berücksichtigt.
Wie Tib schon sagte, müßte man spezielle Rahmenbedingungen festlegen - was im vorliegenden Fall (vorsichtig formuliert) schwierig ist.

Anhand der geschilderten Beispiele zeigt es sich ja, daß dies mal so und mal so ausgehen konnte, wobei natürlich auch die zeitliche Einordnung (im Mittelalter haben wir immerhin eine etwa 1000jährige militärhistorische Entwicklung) eine gewisse Rolle spielt. Vereinfacht gesagt zeigte sich im Spätmittelalter, also nach 1300, daß die inzwischen mit Stangenwaffen (das Aufkommen dieser Waffen ist sehr wichtig dafür) ausgerüsteten Fußkämpfer gegen die Ritter mehr und mehr Erfolg hatten - wie das Schweizer Beispiel treffend zeigt. Dies führte letztendlich ja in nicht geringem Maße ja auch zum Untergang der Ritterheere...

In einem Beitrag noch recht weit vorn hatte ich bereits die Kampfesweisen von muslimischen Reitern gegen christliche Ritter während der Kreuzzüge (also im Hochmittelalter) angesprochen. Dort waren - wie bereits angedeutet - ebenso unterschiedliche Ausgänge der Schlachten möglich, auch wenn es die späteren Stangenwaffen noch nicht gab, sondern als einzig wirksame Waffe gegen schwere Reiterei "nur" Bogen und Armbrust.

Beispiele aus dem Hochmittelalter...

In der Schlacht bei Ramleh und Mont Gisart im Jahre 1177 waren die muslimischen Reiter in der Überzahl; sie nutzten aber nicht ihren Vorteil mit den Bögen aus, sondern stellten sich dem christlichen Ritterheer im Nahkampf. Das war äußerst töricht von ihnen, denn so gerieten sie frontal gegen die königlich-jerusalemitischen Ritter, während an den Flanken Templer und Johanniter ihre Disziplin in Kombination mit hervorragender Fähigkeit der Einzelkämpfer ausspielen konnten.

Dies half aber beispielsweise den Ordensrittern nichts 10 Jahre später in der Schlacht bei den Quellen von Cresson; hier waren sie es, welche eine mehr als 10fache Übermacht an Sarazenen angriffen ohne deren Aufstellung zu kennen. Die Sarazenen teilten ihr Heer, wichen seitlich aus und deckten die anstürmenden Ordenskontigente mit Pfeilbeschuß ein, um erst danach zum Nahkampf überzugehen.

Was gerade auch diese Beispiele (wenn auch weg vom Fußkämpfer gegen den Reiter) deutlich machen: Die Rahmenbedingungen sind das Element, welches die Entscheidung zum Vorteil bzw. Nachteil ausmacht!
Fazit: Verallgemeinerung an der Stelle bringt genausowenig wie übermäßiges Spekulieren... ;)
 
ritasophia schrieb:
@florian: Ich halte Reenactment auch völlig ungeeignet um historisch zu argumentieren, da stimme ich Dir zu!

Hallo,

ich kenne mich da leider nicht so gut aus. Daher meine Frage, wieso Reanactment ungeignet
ist ?

Reine Historiker sprechen nur von der Theory, aber ein Reanacter (?) probiert dies alles praktisch aus.
Wenn wir davon ausgehen, dass ein Ritter oder Samurai usw. praktisch sein ganzes Leben Waffenübungen machte, dann müsste der doch noch viel mehr können als ein Renacter. Da dieser dies nicht als Beruf sonder nur als Hobby macht und im Zweifelsfalle schlechter ausgebildet ist als früher ein ritter.

Praxis sollte doch vor Theory gehen, oder ?

Grüße,
Mike
 
@timotheus: Wie ich schon in meiner Antwort vorher auf deine Beiträge angemerkt habe. Ich rede von Rittern aus dem 15. Jahrhundert und in keinster Weise von Rittern im 12. oder 13. Jahrhundert. Da bestehen große Unterschiede in der Ausrüstung und Kampfweise.

@Gast: Sicherlich bietet ausprobieren auch Möglichkeiten die Historie nachzuerleben, wie das ja auch von Historikern gemacht wird, zum Beispiel beim Nachbauen bestimmter Dinge, wie ein römisches Bad, etc. Und Reenactment kann historisch auch recht genau genommen werden.

Aber doch sind die Äußerlichkeiten von Reenactment ganz anders. Zum Teil ist es gar nicht mehr möglich bestimmte Rüstungssachen nachzubilden, weil das Wissen darüber verloren ist. Und dann gibt es für Reenactment Grenzen. Zum Beispiel würde ja keiner für so etwas sein Pferd verletzen, um etwas nachzuspielen.

Aus Reenectmanterfahrung dann zu sagen: Ich kann das, also müssten die es damals auch gekonnt haben, ist nicht eine korrekte Schlussfolgerung.
 
Man verzeihe mir, wenn ich hier jetzt etwas abschweife, aber da die letzten Diskussionen sämtlich auf die praktischen Versuche verwiesen:

Die Grenzen der Auswertung sind noch wesentlich härter. Alles beginnt mit der Konditionierung. Versuche, welche die militärische Ausrüstung und Verwendung angehen müssen sich erstmal an der Konditionierung der Träger und Betroffenen messen lassen, soll heißen: es gibt heute keine Menschen mehr, welcher wie Ritter von Kindesbeinen an zu Kämpfern in und an diesen Waffen erzogen wurde oder mehrere Monate in Ausbildungslagern der Legion zugebracht habt.

Soll ein Experiment in diesem Bereich laufen sind Monate der ausschließlichen Arbeit daraufhin notwendig, und dies ist dem normalen Reenacter schon aus beruflichen Gründen verwehrt.

Auch ist unser Schmerzempfinden vermutlich um einiges höher, denn wir leben in einer medizinisch hoch entwickelten Welt und können gewissen Dingen (wie dem Wäschewaschen) dank technischer Errungenschaften gut aus dem Wege gehen. Ein Beispiel dafür sind unsere Füße.

Selbst wenn wir dies außer acht lassen, entsteht das Problem der Ausrüstung. Oftmals ist nicht jeder Teil der Ausrüstung bekannt, was mitunter Notlösungen hervorruft, die das Ergebnis dann natürlich stark verändern können.
Der Umgang mit diesen Dingen ist ebenfalls selten zufriedenstellend gelöst. Die erste vernünftige Quelle zum Umgang mit Waffen sind Handbücher aus dem 30jährigen Krieg, die dem Landsknecht den Einsatz seiner Waffen in einer Art Comic vormachen.
Davor siehts Mau aus, zwar gibt es den ein oder anderen Hinweis (die Mittelalterszene zieht gerne den Talhoffer ran), allerdings sind dies zumeist spezielle Situationen oder Bereiche oder die Quellen sind lückenhaft bis unzuverlässig.
Das meiste muß man sich aus "zusammen suchen", etwa aus Darstellungen auf Grabsteinen oder aus Verletzungsspuren an Skeletten.

Und hat man dann all diese Hindernisse mit viel Mühe und Arbeit, welche sich die weitaus meisten Reenacter gar nicht machen, überwunden, steht das Problem der eingeschränkten Vollziehbarkeit.
Wie rita sagte, heute wird niemand sein Pferd verletzen / lassen / dürfen, und nur wenige sind bereit ihre Knochen für alle möglichen Experimente hin zu halten.

Das alles führt zu teilweise abstrusen Ergebnissen. Ein Beispiel: die meisten Römer des 1. Jh.n.Chr. stoßen und schlagen auch mit ihren Schilden und deren Rändern. Eine recht unsinnige Handlung an sich, zu viele Argumente die dagegen sprechen, allen voran: er gefährdet seine Kameraden in der Formation indem er ihnen einen Teil der Deckung nimmt.
Aber es wird als ausgearbeitete Methode vorgeführt und beibehalten.

Wenn also jemand mit der Rüstung eines Ritters des 13. Jh. nicht aufstehen kann wenn er am Boden liegt, oder aber ein Rand schlägt beweist dies kaum etwas, da es sich nicht auf die Konditionierung der jeweiligen Zeit ummünzen läßt.

Andersrum stand man damals vor den gleichen Problemen wie wir heute. Ein Topfhelm der verrutscht kann dir die Sicht nehmen, aus geschlossenen Helmen ist dein Sichtfeld eingeschränkt, schnallt man etwas zu eng um den Oberkörper fällt die Atmung zu flach aus und du kippst irgendwann um, ein Pfeil in deinem Herzen bedeutet für dich vorzeitiges Ausscheiden... Dies sind Erkentnisse, die Reenacter beisteuern können und bislang auch fleißig taten.
Um genau zu sein, ist das Reenactment auch mehr der "gelebte" Teil, darum auch kein Vorwurf, wenn wissenschaftliche Arbeit hier nicht im Mittelpunkt steht, sondern man sich sein Wissen aus Sekundärliteratur zusammen sucht.
Die experimentelle Archäologie ist es, die forscht und mit wesentlich höherem Aufwand Ergebnisse versucht zu erzwingen, die über das o.g. hinaus gehen.

Dazu ein interessanter Artikel: http://www.archäologie-online.de/magazin/thema/2001/07/a_1.php

Ein Mißbrauch der Begriffe ist übrigens nicht selten, viele, die sich Birkenstockstandalen anziehen und eine karierte Hose nennen sich Kelten, oder mancher "Römer" wirft sich eine Polyestertoga über.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was bei der ganzen Sache auch noch zu berücksichtigen wäre, ist der psychologische Faktor. Neben den ganzen "Unbekannten" die Tib aufgeführt hat, ist es ein kleiner unterschied ob ich als Reenacter vom Pferd geholt werde, wo ich unterbewusst weiss, dass mir nichts passieren wird, oder ob ich ner Meute/Truppe gegenüberstehe,die mein Wohlbefinden als äußerst unwichtig einstufen wird.
Nichts gegen Reenactment und realistische Rahmenbedingungen, aber ne Schlacht bzw die Grenzerfahrung wird man im "Spiel" nie darstellen können.
 
Puh, ne kleine Errata ,meines Verbrechens hier (sorry, ich kam gerade aus der Uni und war noch etwas neben mir):
Tib. Gabinius schrieb:
Das alles führt zu teilweise abstrusen Ergebnissen. Ein Beispiel: die meisten Römer des 1. Jh.n.Chr. stoßen und schlagen auch mit ihren Schilden und deren Rändern. Eine recht unsinnige Handlung an sich, zu viele Argumente die dagegen sprechen, allen voran: er gefährdet seine Kameraden in der Formation indem er ihnen einen Teil der Deckung nimmt.
Aber es wird als ausgearbeitete Methode vorgeführt und beibehalten.
Soll natürlich heißen, die meisten Römerdarsteller, und es bezieht sich auf den Einsatz des Rechteckscutum.

Sheiks Hinweis muß ich natürlich zustimmen, wobei dies in experimenten rund um die Ausrüstung weniger eine Rolle spielt als in einer Auswertung um die Effizienz.
 
Hallo Tib,

was heißt hier "Abschweifen verzeihen"? Deinen Beitrag finde ich persönlich an der Stelle vollkommen richtig, und mir schwebte gestern auch vor, noch etwas in dieser Richtung zu schreiben, wenngleich zugegebenermaßen ich nicht alle Aspekte berücksichtigt hätte, welche Du aufgelistet hast.

Ich will dem in diesem Punkt - Anwendung von Reenactment Erfahrungen i.w.S. - auch lediglich noch hinzufügen, daß es im Bereich der mittelalterlichen Darstellung erst seit den letzten Jahren üblich wird, die Rüstungen mehr an die historischen Vorlagen (insoweit diese wirklich vorhanden sind) anzunähern; die bisherigen "Nachbauten" sind nämlich höchstwahrscheinlich nicht selten zu schwer.
Doch belassen wir es an der Stelle bei Deinem Resumee; die Sache ist - zumindest für mich - durchaus klar geworden... :)

@Ritasophia: Nur kurz zu den zeitlichen bzw. epochalen Unterschieden bzgl. Ausrüstung, Bewaffnung und Kampfesweise - das ist natürlich richtig: die Panzerung war eine andere, immer mehr Ritter kämpften mit Fortschreiten gerade des 15. Jh. zu Fuß, und zweihändige Schwerter kamen dabei zum Einsatz etc.
Meiner Ansicht nach ist dieses Jahrhundert auch eine etwas unglückliche Wahl, denn da war die Zeit der Ritter bzw. der Ritterheere (wie aus den Veränderungen ersichtlich wird) eigentlich de facto schon abgelaufen.

Doch auch für das 15. Jh. lassen sich relativ einfach die Einflüsse verschiedener Rahmenbedingungen festmachen... es gibt auch dafür Beispiele...

Im Jahre 1410 erlitt der Deutsche Orden seine wohl schwerste Niederlage, jene in der Schlacht bei Tannenberg.
Dennoch gestaltete sich die Schlacht zu Beginn trotz des für die schwere Ordensreiterei ungünstigen Geländes, welches dieses in die Defensive zwang, beinahe zur Niederlage für das polnisch-litauisch-tatarische Heer, obgleich dieses auch noch etwa 2:1 überlegen war. Der litauisch-tatarische Flügel wurde durch die Ordenskontigente beinahe aufgerieben, und auf der polnischen Seite überwältigten die Ordensritter zunächst die polnischen Ritter und setzten dann auch dem Rest des polnischen Heeres arg zu.
Das Blatt wendete sich zugunsten der Polen und Litauer erst, da die gegen die Litauer siegreichen Ordenskämpfer den Fliehenden zu eigensinnig und zu lange nachsetzte anstatt sich sofort mit den anderen Ordensrittern gegen die verblieben polnische Kontigente zu vereinigen. Diese konnten sich nun durch ihre in Reserve gehaltenen Truppen zusätzlich verstärken und weitere Erfolge der Ordensritter verhindern, während ein Teil der Litauer sich im Schutz der polnischen Verstärkung wieder sammeln und konsolidieren konnte.
Nachdem im weiteren Verlauf der Hochmeister Ulrich von Jungingen gefallen war, zerbrach die Ordnung der Ordenskontigente endgültig, zumal die von der Verfolgung zu spät zurückkehrenden Ordenskämpfer nur noch sporadisch selbstmörderische Aktionen unternehmen, aber keineswegs mehr entscheidend in die Schlacht eingreifen konnten.

Was sich an diesem Beispiel zeigt: trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit und des für die Ritter des Ordens ungünstigen Geländes konnten diese dennoch den Angriff der Verbündeten aufhalten und zu einem Gegenangriff übergehen, dessen Erfolg sie selbst vergleichsweise leichtfertig verspielten!

Verallgemeinerungen sind so eine Sache - oder um es mit Tibs Worten zu sagen (ich hoffe, das ist an der Stelle erlaubt): es gibt so oft Beispiele und Gegenbeispiele...

In diesem Sinne

Timo
 
Ritter vs. Samurai

Hallo!

Bisher sind ja bereits fast alle wichtigen Punkte angesprochen worden, nur sollte besonders zwei Punkte berücksichtigt werden:
a) Das europäische Ideal des Ritters ist - wie gesagt - ein Ideal! Und die Regeln galten in erster Linie nur gegenüber christlichen Rittern, nicht gegenüber Heiden! In den europäischen Augen wären nun einmal Japaner Heiden gewesen.

b) Wenn ihr auf die "Ritterlichkeit" der Samurai anspricht, unterläuft den meisten ein kleiner Fehler: Der so hoch gerühmte Doppelweg von Schwert und Feder, d.h. von einer Ausbildung in den Kriegskünsten als auch in den schönen Künsten und Umgangsformen, ist eine Erfindung der Edo-Zeit, besonders aber der Meiji-, Taisho- und frühen Showa-Zeit. Im 14.oder 15. Jahrhundert war ein Samurai nichts anderes als ein Landsknecht, der vielleicht seinen Namen schreiben konnte. Außerdem besaß nicht jeder Samurai diese kostbaren Schwerter, der größte Teil konnte sich nichts leisten außer einer Lanze und ein paar abgetragenen Klamotten. Um seine Familie zu ernähren, mußte er Landwirtschaft betreiben. Erst nach 1600 wurde dies den Samurai verboten, sie mußten in den Burgstädten ansiedeln und wurden Abhängige ihrer Herren (Ausnahmen waren beispiesweise die Lehen Choshu und Tosa). Die (schön-)geistige Ausbildung der Samurai ist auch erst eine Eigenart der Edo-Zeit, als weniger Krieger, sondern eher Beamte gebraucht wurden. Spätestens seit 1650 gab es kaum einen Samurai, der jemals einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten hat. Ende der Edo-Zeit schließlich mußte das Bakufu teilweise Söldner anwerben, um Aufstände niederzuwerfen, da die eigenen Samurai nicht qualitativ ausreichend in den Waffentechniken ausgebildet waren.

Übrigens handelt es sich bei dem Begriff "Samurai" um einen Überbegriff, der sowohl Daimyo als auch Ashigaru subsumiert. Das was weitgehend unter Samurai verstanden wird, sind Bushi. "Samurai-san" wurde daher als Anrede verwendet, um selbst dem ärmsten Ashigaru das Gefühl zu geben, etwas besonderes zu sein. Nur unser heutiges Bild des gebildeten japanischen Ritters verweigert sich dem Eingeständnis, daß auch Ashigaru Samurai waren.

Übrigens darf man sich von den berittenen Samurai der Filme nicht täuschen lassen: Japanische Pferde, die heute ausgestorben sind, waren sehr zierlich und klein. Teilweise sogar kleiner als die Mongolenpferde. Erst in der Meiji-zeit wurden europäische und arabische Pferde hineingezüchtet. Sie hätten keinem Reiterduell standgehalten.

Vergeßt auch, wie sich die Hollywood-Samurai bewegen: Die Art und Weise des Gehens, wie wir es gewohnt sind, kam erst mit den preußischen Militärausbildern nach Japan. Ursprünglich bleiben Oberkörper und Arme unbewegt und man geht aus Hüfte und Knien, indem man mit den Beinen nach vorne "schlurft". Es gibt Aufzeichnungen der Militärausbilder, die - diese ihnen völlig unbekannte Gangart- nicht nachvollziehen konnten.

Das kleine Pferd, der kleine Reiter und die komische Gangart hätten einen europäischen Ritter mit seinen Vorstellungen eines gleichwertigen Gegners wohl vor Lachen umgehauen.

Naginata ist übrigens in erster Linie eine Waffe der weiblichen Samurai. Ja, die gab es auch. Denn die Frau eines Samurai ist auch ein Samurai und sein Kind.....

Grüße vom Klugscheißer

Hannes
 
Zurück
Oben