Schlieffen-Plan und Marneschlacht

Hallo Silesia,

Geständnisse in Richtung Unkenntnis sind immer peinlich... nein, kenne ich nicht.
Ich bin da jetzt beim Thema WK I am Querbeetlesen.
 
Schlieffen hatte zum Dienstende, wie auch in den Jahren zvor, immer mindestens zwei Varianten (die dritte, den großen Aufmarsch Ost, mal außer Acht gelassen). Die eine beschäftigte sich - politisch wegen der Lage nicht unzeitgemäss, allerdings waren die Planungen davon wohl nicht inspiriert bzw. schon zuvor auf der Sommerreise 1904 entstanden - mit der Variante "alleiniger Angriffskrieg gegen Frankreich".

Die zweite Variante bezog den Zweifrontenkrieg im Osten ein; bei dieser Variante zog Schlieffen selbst Divisionen im Umfang einer Armee (3 Armeekorps plus Reservedivisionen) gleichmäßig vom linken und rechten Flügel vom westlichen Kriegsschauplatz ab, ohne das Grundkonzept der weiten Umfassung gemäß "Schlieffen I" abzuändern. Beide Varianten rechneten mit Korps, die noch nicht existent waren und erst durch Heeresvermehrung zu schaffen waren.

Er hatte somit aber selbst eine "abgespeckte" Version konzipiert; die Bezeichnung "Schlieffen II" dafür ist natürlich nicht gängig, sondern nur plakativ gewählt. Im Generalstab war auch die Grundkonzeption von Schlieffen I (also der "reinen" Fassung) nicht umumstritten. Ein mE wesentlicher Kritikpunkt war, dass man Armeen nicht pnuktgenau und taktweise wie Bataillone gemäß des Operationsplanes führen könne, der bekanntlich den ersten Zusammenstoss nicht überlebt, und was Schlieffen selber wie Moltke d. Ä. auch ansonsten nie verfolgt hatte. Die Realisierbarkeit ist also schon vor 1914 in Zweifel gezogen worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Realisierbarkeit ist also schon vor 1914 in Zweifel gezogen worden.
Ja, jedoch war, z.B. auch über die sich häufenden Krisen hinweg, Frankreich der Hauptfeind. Dort musste man zuschlagen.
Allerdings sprachen ab 1910 die Heeresreform in Russland und das französisch-russische Eisenbahnabkommen dafür, dass sich Russland zum Krieg gegen Deutschland rüstete. So musste man sich entscheiden, wo man zuerst angreifen sollte.
Wenn man einerseits Frankreich am Anfang mit einem Schlag besiegen könnte, wäre der Krieg so gut wie gewonnen. Russland hätte ohne wirtschaftliche Hilfe nicht lange durchhalten können. Würde man dagegen Russland als erstes schlagen, hätte man immer noch Frankreich und England gegen sich. Die Briten wären ohnehin in den Krieg eingetreten, denn für sie war ein Sieg Deutschlands über zwei Großmächte, wie Frankreich und Russland, nicht akzeptabel.
So sehe ich den Schlieffenplan zumindest immer noch als das "bessere" Übel.
 
Ja, jedoch war, z.B. auch über die sich häufenden Krisen hinweg, Frankreich der Hauptfeind. Dort musste man zuschlagen.
Das spricht einen wichtigen Aspekt an: Moltke d.Ä. und wohl auch noch Waldersee sahen keinen operativen "Schlüssel zum Sieg", Moltke plante vielmehr in beiden Richtungen West wie Ost mit einem "hinhaltenden Widerstand" bzw. defensiv bis zur politischen Lösung.

So sah das auch zunächst Schlieffen, vor der Radikalisierung in seinen Entwürfen 1904/05 bis Nachträge 1912. Hier legte er sogar einen Widerspruch an, den er selbst nicht lösen konnte: dem "Dogma der Vernichtungsschlacht" ala Cannae verbunden, äußerte er sich nicht zum Problem der "Verfolgung". Dabei riss er die Fragestellung selbst an: bezeichnete er Sedan als Vernichtungsschlacht, dort zog sich die Verfolgung noch Monate hin. In seinem radikalisierten Feldzugsentwurf - dem angeblichen "Schlüssel" zum Sieg - sah er allerdings im Gegensatz dazu den sofortigen Abzug der Masse des Westheeres in den Osten als notwendig an. Eine Lösung für dieses Problem bot Schlieffen nicht an.

Allerdings sprachen ab 1910 die Heeresreform in Russland und das französisch-russische Eisenbahnabkommen dafür, dass sich Russland zum Krieg gegen Deutschland rüstete. So musste man sich entscheiden, wo man zuerst angreifen sollte.
Zwei Hinweise:
1. der Operationsplan entstand bereits früher, so dass die Entscheidung von diesen Ereignissen nicht beeinflusst wurde
2. das Argument der "Eisenbahnlinien" geisterte seit 30 Jahren durch den deutschen Generalstab, mit angeblich nur noch wenigen Jahren Zeit, der Schlieffenplan entstand aber erst 1904/05.

Russland hätte ohne wirtschaftliche Hilfe nicht lange durchhalten können.
Rußland war stets zu versorgen, solange die Dardanellen offen gewesen wären. Dieses Kalkül hat Schlieffen überhaupt nicht durchdacht bzw. vorhergesehen.

So sehe ich den Schlieffenplan zumindest immer noch als das "bessere" Übel.
Wenn man über Alternativen nachdenkt, wäre eine Möglichkeit, die Siegchance auch nach dem Schlieffenschen Operationsplan auszuschließen. Daraus hätten politische Folgerungen gezogen werden können. So weit kam es allerdings nicht, weil man ja den Schlüssel zum Sieg scheinbar mit dem Präventivkriegsplan in der Hand hatte. Dieser wiederum bedingte einen Automatismus der Mobilmachung, der die Politik fesselte.
 
Wenn man einerseits Frankreich am Anfang mit einem Schlag besiegen könnte, wäre der Krieg so gut wie gewonnen.

Hätten die Franzosen denn nach einen Schlieffen-Sieg der Deutschen denn so schnell schon Kappituliert?

Ich kann jetzt nicht mehr finden wo, aber ich meine dass ich mal gelesen habe dass die Franzosen hatten bis zum Kriegseintritt Italiens noch Truppen zum Schutz der italienische Grenze stationiert hatten. Die hätten doch nicht so aufgegeben, wenn es noch eine Chance gab dass die Russen Deutschland noch besiegen konnten.

Und Deutschland hätte mit Russland im Rücken konnte man sich nicht auf die vollständige besiegung der Franzosen konsentrieren.
 
Das spricht einen wichtigen Aspekt an: Moltke d.Ä. und wohl auch noch Waldersee sahen keinen operativen "Schlüssel zum Sieg", Moltke plante vielmehr in beiden Richtungen West wie Ost mit einem "hinhaltenden Widerstand" bzw. defensiv bis zur politischen Lösung.

So sah das auch zunächst Schlieffen, vor der Radikalisierung in seinen Entwürfen 1904/05 bis Nachträge 1912. Hier legte er sogar einen Widerspruch an, den er selbst nicht lösen konnte: dem "Dogma der Vernichtungsschlacht" ala Cannae verbunden, äußerte er sich nicht zum Problem der "Verfolgung". Dabei riss er die Fragestellung selbst an: bezeichnete er Sedan als Vernichtungsschlacht, dort zog sich die Verfolgung noch Monate hin. In seinem radikalisierten Feldzugsentwurf - dem angeblichen "Schlüssel" zum Sieg - sah er allerdings im Gegensatz dazu den sofortigen Abzug der Masse des Westheeres in den Osten als notwendig an. Eine Lösung für dieses Problem bot Schlieffen nicht an.


Zwei Hinweise:
1. der Operationsplan entstand bereits früher, so dass die Entscheidung von diesen Ereignissen nicht beeinflusst wurde
2. das Argument der "Eisenbahnlinien" geisterte seit 30 Jahren durch den deutschen Generalstab, mit angeblich nur noch wenigen Jahren Zeit, der Schlieffenplan entstand aber erst 1904/05.


Rußland war stets zu versorgen, solange die Dardanellen offen gewesen wären. Dieses Kalkül hat Schlieffen überhaupt nicht durchdacht bzw. vorhergesehen.


Wenn man über Alternativen nachdenkt, wäre eine Möglichkeit, die Siegchance auch nach dem Schlieffenschen Operationsplan auszuschließen. Daraus hätten politische Folgerungen gezogen werden können. So weit kam es allerdings nicht, weil man ja den Schlüssel zum Sieg scheinbar mit dem Präventivkriegsplan in der Hand hatte. Dieser wiederum bedingte einen Automatismus der Mobilmachung, der die Politik fesselte.

Ich denke, dass beim Nachdenken über Alternativen, bzw am Fehlen einer Alternativkonzeption gerade der Hund begraben liegt. Ähnlich improvisitär äußerte sich Ludendorff ja dann auch 1918 bei der Operation Michael:

"Wir hauen ein Loch hinein, dann sehen wir weiter....

Insgesamt erscheint der ganze Schlieffenplan, das totale Primat des Militärs als ein ungeheures Va Banque Spiel.

1870/71 lag doch die Lage ganz anders, der Krieg war geschickt provoziert und sorgfältig diplomatisch vorbereitet. Es handelte sich um einen begrenzten Krieg, es war für das Stillhalten der europäischen Mächte gesorgt. Man hatte es nur mit einer europäischen Großmacht zu tun, die man zwar planmäßig bei Sedan geschlagen hatte, die man aber schon damals nicht in 6 Wochen vollständig besiegen konnte.

Jetzt aber hatte man es mindestens mit zwei Großmächten zu tun, die materiell und zahlenmäßig überlegen waren. Diplomatisch war die Lage festgefahren, das Reich glänzend isoliert. Also musste es das Militär richten, durch einen kühnen, genialen Plan. einen Plan B gab es nicht, jedenfalls erschien er nicht durchführbar. Die nach Ansicht der Militärs gefährlichere Großmacht sollte in einem einzigen Aufwasch und in wenigen Wochen erledigt werden, ehe man sich um die zweite kümmern wollte. Für das Gelingen des Planes innerhalb des Zeitfensters wurde die Neutralität Belgiens missachtet, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die dritte und stärkste Großmacht zum Kriegseintritt bewegen musste.

Die Annahme, dass das Reich unter diesen Umständen in einem kurzen Krieg allen anderen Großmächten einen Siegfrieden diktieren konnte, grenzt an Realitätsverlust. Wie konnten die annehmen, dass sich diese Probleme allein militärisch hätten lösen können, selbst unter den günstigsten Bedingungen? Wenn das Reich den lange vorhergesagten, gefürchteten und ersehnten großen europäischen Krieg einigermaßen glimpflich überstehen wollte, waren diplomatische Anstrengungen nicht zu vermeiden. Dabei verstellte sich Deutschland aber von Anfang an Chancen, da wie Clemenceau sagte, "niemand behaupten konnte, Belgien habe Deutschland angegriffen."
 
Jetzt aber hatte man es mindestens mit zwei Großmächten zu tun, die materiell und zahlenmäßig überlegen waren. Diplomatisch war die Lage festgefahren, das Reich glänzend isoliert. Also musste es das Militär richten, durch einen kühnen, genialen Plan. einen Plan B gab es nicht, jedenfalls erschien er nicht durchführbar.

Man muss viellicht, überspitzt, hinzufügen, bewußt isoliert. Es gab durchaus eine Alternative zur militärischen Variante, die auf Anwendung von Gewalt setzte.

In einer gewissen Rivalität zur militärischen Lösung stand der ökonomische Weg, der die hegemoniale Position des DR über wirtschaftliche Instrumente, z.B. Aktienmehrheit etc., erreichen wollte. Typische Exponenten einer wirtschaftlichen Unterwerfung Mittel- und SO-Europas war beispielsweise Stinnes. Im weiteren Umfeld gehörten aber auch die Wirtschaftsführer dazu, die von der führenden Position Deutschlands als Exportnation profitierten, wie Ballin.

Es gab einen "Plan B"!, allerdings war der nicht so "glanzvoll" und weniger "blutig", aber wäre vermutlich deutlich "nachhaltiger" für die wirtschaftliche und politische Bedeutung des DR gewesen.

kleiner Exkurs: Die Bedeutung dieser ökonomischen Option zeigte sich in vollem Ausmass nach dem "Anschluss" Österreichs durch Hitler. Im österreichischen Staatsbesitz befanden sich umfangreiche Aktienporfolios ungarischer Unternehmen, die auf das 3. Reich übertragen wurden.

Mit dieser wirtschaftlichen Position wurde das 3. Reich ein politischer und ökonomischer Faktor in SO-Europa und war wesentlich eher in der Lage, Druck auf Rumänien, Jugoslavien oder Bulgarien auszuüben.
 
Etwas ungeordnet einige Gedanken dazu:

Stinnes (und andere) äußerten sich 1912 bereits in der Weise: "Gebt uns 5 Jahre, und wir bringen die übrigen europäischen Mächte unter Kontrolle. Das war angesichts der chronischen Kapitalknappheit der deutschen Finanzmärkte wohl eine Illusion, auch wenn es zahlreiche industrielle Beteiligungen gab.

Schlieffen bezog in der Eskalation seiner Planung durchaus die Niederlande als Durchmarschgebiet ein, es wurde immer weiter nach Westen ausgeholt. Davon ging Moltke ab, weil er absah, dass die Niederlande als Versorgungstunnel benötigt würden.

Schlieffen wie Moltke waren - ohne jedoch dem Aspekt tiefergehende Analysen zu widmen - davon überzeugt, dass der europäische Krieg der Industrienationen nur kurz dauern würde (etwa 6 Monate bis 1 Jahr). Dieser Aspekt stimulierte geradezu den Gedanken, alles mit einem Streich zu erreichen.

Schlieffen selbst fand keine Lösung für den Fall, dass die französischen Ost-Armeen nach Süden ausweichen würden. Ein Plan B für den Fall, dass eine wochenlange Verfolgung notwendig würde, gab es nicht (die Divisionen waren für den Osten fest eingeplant). Immerhin: insofern war die Spekulation nicht ganz unbegründet, wie sich später erwies.
 
Hätten die Franzosen denn nach einen Schlieffen-Sieg der Deutschen denn so schnell schon Kappituliert?

Ich kann jetzt nicht mehr finden wo, aber ich meine dass ich mal gelesen habe dass die Franzosen hatten bis zum Kriegseintritt Italiens noch Truppen zum Schutz der italienische Grenze stationiert hatten. Die hätten doch nicht so aufgegeben, wenn es noch eine Chance gab dass die Russen Deutschland noch besiegen konnten.

Und Deutschland hätte mit Russland im Rücken konnte man sich nicht auf die vollständige besiegung der Franzosen konsentrieren.

Klar, aufgegeben hätte Frankreich sicher nicht, zumal es, wie Du schon schreibst, Russland und England auf seiner Seite hatte. Allerdings wäre es schwer angeschlagen und hätte große Schwierigkeiten gehabt, wieder die Initiative zu ergreifen. Eine Belagerung von Paris wäre mit den artilleristischen Möglichkeiten drastisch verlaufen. Mit dem Fall von Paris wäre der Widerstandswille der Franzosen dann sicherlich auch dem Ende entgegengegangen. Die Briten hätten ihr Engagement auf dem Kontinent sicherlich auch überdacht. Das sie die deutschen Kräfte nicht wirklich einschätzen konnten, zeigt, dass sie zwei Divisionen des Expeditionskorps zurückhielten und nordöstlich von London als Schutz vor einer deutschen Invasion drei Schützengrabensysteme aushoben.

Der Schlieffenplan beinhaltet ja einfach nur, sich nicht zu verzetteln, sondern mit vollem Karacho in eine Richtung. Alles andere wäre zumindest auch nicht besser gewesen. Die Logistik wurde dabei gnadenlos überansprucht. Mit dem Problem hätte man sich vorher besser auseinandersetzen müssen. Ließ sich wohl aber auch erst mit dem LKW lösen und davon gab es gerade mal um die 4000, die dann auch noch technisch unzuverlässig waren. Der Aufbau einer Flotte von Heeres-LKW wäre ein Pfeiler zum Gelingen des Schlieffenplans gewesen.
 
Der Schlieffenplan beinhaltet ja einfach nur, sich nicht zu verzetteln, sondern mit vollem Karacho in eine Richtung. Alles andere wäre zumindest auch nicht besser gewesen. Die Logistik wurde dabei gnadenlos überansprucht.

Das ist wieder ein guter Hinweis!

"Among the detailed plans that were never made were those concerning logistics and provisioning. As in 1866 and in the colonial campaigns, these central elements of preparation were left largely to luck."

Hull, Isabel V., Absolute Destruction - Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany, 2005, S. 169, mit Verweis auf Van Crefeld, Supplying War, Kapitel 4.

So detailliert der Plan - tageweise aufgebaut nach Operationsfortschritt - erscheint, die logistischen Grundlagen wurden von Schlieffen und Moltke völlig außer Acht und ungeplant gelassen.

Für die West-Umfassung von Paris ("die Sphinx" nach Ritter), die zunächst nicht Bestandteil war, aber als Problem schließlich erkannt und einfach unterstellt wurde, gab es keine Kräftekalkulation. Sie wurde schlicht als Lösung präsentiert, ohne die Stärkeberechnungen zu verändern. Dafür wurde schließlich auf jede Reserve, jede Nährung der Offensive aus der Tiefe verzichtet, jede Option zur Schwerpunktbildung verzichtet und im Offensivwahn alles in die immer breiter werdende erste Linie gepackt. Der Schlieffenplan wird hier Hitlers Kaukasus-Offensive ähnlich.
 
Ich bin doch erstaunt, dass niemand einen link zum Schlieffenplan, eines der wichtigsten Dokumente des 20. Jahrhunderts, posten kann. Wundert sich den außer mir in diesem Forum niemand darüber? Das von silesia erwähnte Buch von Ritter ist vergriffen, bei abebooks habe ich für teures Geld englische Ausgaben gefunden.
Nach der Zuber-Lektüre bekommt man schon das Gefühl, dass die breite Bevölkerung die Schrift nicht lesen soll.

Das Buch ist im Jahre 1956 erschienen und ist lediglich auf dem antiquqrischen Markt erhältlich. Ich habe es kurz bei ZVAB probiert und bin sofort fündig geworden:

ZVAB - Suchergebnis


Geschichtsbücher erster Güteklasse sind, insbesondere auf dem antiqurischen Markt, leider nicht preiswert zu haben. Mit Glück bei ebay, aber nur wenn keiner hinguckt.
 
Vielleicht hätte Schlieffen sich, an seinem nicht gerade inkompetenten Vorgänger, Moltke erinnern sollen. Moltke hat schon sehr frühzeitig mit einem Zweifrontenkrieg, bereits in den 1870igern, gerechnet. Moltke ging aber davon aus, das es nicht noch einmal gelingen würde, Frankreich so rasch zu besiegen, um dann mit den versammelten Kräften gegen das Zarenreich vorzugehen. Moltke argumentierte, man hätte ja schon schließlich mit Frankreich allein als Gegner genügend Mühe gehabt, diesem niederzuringen. 1890 hat Moltke in seiner letzten Reichstagsrede nochmals darauf hingewiesen, dass man den künftigen militärischen Gegner nicht in einem einzigen Feldzug oder möglicherweise in zwei Feldzügen zu besiegen. Er ging von eine langen Krieg aus.
Schlieffen hingegen meinte, das genau dies möglich sei. Er war tatsächlich der Ansicht, ein Millionenheer punktgenau steuern zu können. Moltke begnügt sich damit den ersten Aufmarsch festzulegen und en Rest den Truppenführern zu überlassen.
Schlieffen hat ja auch exakt die zurückzulegende tägliche Marschleistung festgelegt. Was hat ihn da bloß geritten? War Schlieffen etwa der Meinung, dass die deutschen Armeen einfach so durchspazieren und die Belgier sich nicht wehren würden? Und dann noch die beträchtliche Enge des Raumes und die damit verbundenen erheblichen logistischen Probleme. Wie selbstverständlich ging er davon aus, dass man das Bahnnetz unversehrt in die Hände bekommen würde.
 
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Wie selbstverständlich ging er davon aus, dass man das Bahnnetz unversehrt in die Hände bekommen würde.

Das ist sicher eines der größten Rätsel, neben der (politisch-) bedenkenlosen Planung des Durchmarsches durch die Niederlande und Belgien. Es sieht so aus, als wäre hier die rein technische Betrachtung eines Operationsproblems erfolgt, quasi ohne Berücksichtigung aller sonstigen Fragestellungen außerhalb von Kampf- und Marschleistungsproblemen.
 
Genie und Wahnsinn.

Nachdem die Sache an der Marne schiefgegangen war, äußerte sich Moltke um die Jahreswende 1914/15 noch in der Weise, dass man sich 200 Km zurückziehen müsse, um wieder in den Bewegungskrieg zu kommen. Seine Erwartung war dabei wohl, dass die Westalliierten zum Rhein nachstoßen.

Ähnliche Überlegungen von der aktiven Defensive hatte Moltke d.Ä. bei seinen Planungen im Westen. Man sah sich unverändert im großräumigen operativen Manöver als überlegen an. Dass es an der Marne schiefgegangen war, lag am Kulminationspunkt der eigenen Kräfte und am Vorteil der französischen Armee, die auf der inneren Linie massenhaft Verschiebungen vornehmen konnte.
 
Es sieht so aus, als wäre hier die rein technische Betrachtung eines Operationsproblems erfolgt, quasi ohne Berücksichtigung aller sonstigen Fragestellungen außerhalb von Kampf- und Marschleistungsproblemen.

Genau so habe ich diese Planungen des Generalstabs gesehen. Eine Verselbständigung und auch teilweise Loslösung des "operativen Genies"

Interessant sind in diesem Zusammenhang die Kommentierungen von Rietzler. Der die Geheimnistuerie der Militärs kritisiert und als Erklärung heranzieht, dass man nicht zu tief in die Unzulänglichkeit der militärischen Überlegungen Einblick gewinnen sollte.

In diesem Sinne war es auch ein wenig "dünkelhafte Stilisierung" des Generalstabs-Halbgottes im Umfeld des spezfisch preußischen Verständnisses von Militär, Politik und Gesellschaft.

Das Problem wird später im WW2 in ähnlicher Form auftreten und am ehesten in dem Verständnis sich niederschlagen, dass sich operative Planungen nicht durch solch zweitrangige Aspekte, wie Feindlage oder Logistik einschränken lassen darf (vgl. z.B. Halder sinngemäß)!

Und findet dann auch organisatorisch seinen Niederschlag in der unterschiedlichen Stellung des Ia im Vergleich zum Ib und Ic.
 
Silesia schrieb:
Für die West-Umfassung von Paris ("die Sphinx" nach Ritter), die zunächst nicht Bestandteil war, aber als Problem schließlich erkannt und einfach unterstellt wurde, gab es keine Kräftekalkulation. Sie wurde schlicht als Lösung präsentiert, ohne die Stärkeberechnungen zu verändern. Dafür wurde schließlich auf jede Reserve, jede Nährung der Offensive aus der Tiefe verzichtet, jede Option zur Schwerpunktbildung verzichtet und im Offensivwahn alles in die immer breiter werdende erste Linie gepackt. Der Schlieffenplan wird hier Hitlers Kaukasus-Offensive ähnlich.

Wollte Schlieffen nicht gleich nach Kriegsbeginn die ausgebildeten Reservisten in Stärke von 8 Korps einberufen und in Marsch setzten. Wie diese allerdings in der wünschenswerten Geschwindigkeit vor Ort gebracht werden sollten, schwieg ssich Schlieffen jedoch, so meine ich, aber aus.

Schlieffen wollte im Prinzip alles auf eine Karte setzten.
 
Schlieffen wollte im Prinzip alles auf eine Karte setzten.

Die West-Umfassung von Paris schlich sich im Zeitablauf in die Planung ein, weil die diversen "Kriegsspiele" erwiesen hatten, dass es wohl anders nicht gehen würde.

Die Kräftekalkulation wurde dem mE nicht entsprechend angepasst, man holte nur weiter aus - wie die Fragmente bei Ritter zu den Planstufen zeigen.

Der Osten wurde blank gezogen - wie das ausgehen sollte, wenn eine Verzögerung berücksichtigt wurde, gab Schlieffen nicht an: bei Verzögerung plus 30 Tagen würde die deutsche Armee in der West-Umgehung von Paris stehen, die russische Armee in Berlin.=)
 
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Joh, Schlieffen war hier wohl ein Stück naiv, wenn er meinte, die Russen würden die Füße still halten, obwohl dies ein klarer Verstoß gegen die Konvention von 1892 gewesen wäre. Ach ja, die Briten gab es ja auch noch :still:...
 
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