Schlieffen-Plan und Marneschlacht

Die Franzosen hatten im Hinterland mit dem großen Knotenpunkt Paris hingegen ein sehr leistungsfähiges Eisenbahnnetz zur Verfügung. Das Truppenverlegungen dort also sehr viel effektiver und somit auch schneller möglich waren, ist nicht wirklich überraschend.

Das stellt den wichtigen Punkt heraus. Bis Anfang September wurden 34 Divisionen von Joffre auf den alliierten linken Flügel über die Drehscheibe Paris verschoben und stellten die Überlegenheit an dieser strategisch entscheidenden Front sicher.
 
Nachtrag

Gerade gefunden und nicht schlecht gestaunt:

Schlieffen hatte 1911 in seinem Zeitungsartikel "Der Krieg in der Gegenwart" doch glatt behauptet, das ein Krieg "allerhöchstens" zwei Millionen, eher noch nur eine Million Soldaten in Bewegung setze. Daher sei die Logistik völlig unproblematisch und auch die hohe Geschwindigkeit der Truppen sei gewährleistet. Ach ja, und mit dem Telefon könne der Kommandeur die ganze Organisation überwachen. (1)

Auch die französischen Überlegungen zu den deutschen Absichten sind nicht uninteressat; sie endeten an dem Punkt, wo man meinte,das die deutschen Armeen die Sambre nicht überwinden können. Also beschäftigte man sich mit den eigenen Offensivvorstellungen des Plan XVII. (2)

(1) Neitzel, Zukunftsvisionen vom Krieg, Beitrag Krumreich S.173-186
(2) Becker u. Krumreich, Der Grosse Krieg, S.200f
 
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Auch die französischen Überlegungen zu den deutschen Absichten sind nicht uninteressat; sie endeten an dem Punkt, wo man meinte,das die deutschen Armeen die Sambre nicht überwinden können. Also beschäftigte man sich mit den eigenen Offensivvorstellungen des Plan XVII. (2)

(2) Becker u. Krumreich, Der Grosse Krieg, S.200f

Neuere militärhistorische Untersuchungen seheh das sehr kritisch (zB Doughty, French Strategy in 1914: Joffre's own, in JoMH 2003, S. 427-454).

Danach determinierte 'Plan XVII' weder einen "Blindflug" nach Elsaß-Lothringen hinein noch die "Inkarnation" des Kults der Offensive (von Beginn an!). Die Verwirrung über die Dislokation bzw. die Absichten Joffres resultierten aus den Kommission-Anhörungen von Joffre und den Schlüsselpersonen seines Stabes 1919. Der Untersuchungsausschuss sollte eruieren, warum man (=Joffre) das Briey-Becken nahe Metz unmittelbar nach Kriegsausbruch aufgegeben hatte.

Dabei wurde klar herausgestellt, dass Frankreich keinen Operationsplan, sondern in Form von Plan XVII einen Aufstellungs-(Konzentrations-)Plan hatte.

Näheres folgt.
 
Die Vorgeschichte von XVII kann hier außer Acht gelassen werden, da sie zT von anderen Personen als Joffre geprägt wurde, zT mehr auf Absichten und Zielstellungen beruht, oder in der Wahrnehmung durch die aktenseitig bekannten russischen Wünsche für eine französische Offensive geprägt worden ist.

Joffre finalisierte jedenfalls Plan XVII im Frühjahr 1914 nach eineinhalbjähriger Vorarbeit, wobei der Plan mit allen Anlagen am 1.5.1914 auf Armeeebene verteilt worden ist. Der Plan sah eine Konzentration von 5 Armee im Nordosten Frankreichs vor. Bereits seit Plan XII 1892 wurde erwogen, dass es eine deutsche Verletzung der Neutralität Belgiens geben könnte, die einen Vormarsch zur Lüttich-Namur-Linie bedeutet. Für einen weit reichenden Vorstoss um den linken französischen Flügel herum wurden die 26 aktiven deutschen Korps, die außerdem noch Schwächungen für Ostpreußen und den Schutz voin Elsaß-Lothringen erfahren würden, als zu schwach angesehen. Ein Vorstoß über die Lüttich-Namur-Linie bis zur Mosel-Sambre würde dann wesentliche Teile der deutschen Reserve-Korps absorbieren, und sich im Vorstoß erschöpfen.

Plan XVII sah die 1., 2., 3., 5. frz. Armee hinter der Grenzlinie vor. Die 4. Armee wurde zentral hinter der 2.,3. disponiert, was zusammen mit weiteren 12 Reserve-Divisionen in 4 Gruppen eine beachtliche Reserve von rd. 20 Divisionen ergab, die je nach Lage in den Schwerpunkt geschoben werden sollten. Ziel war wir in Plan XVI ein Offensivschlag gegen die deutschen Armeen (nicht in erster Linie deutsche Gebiete!), der davon abhängen würde, wie und welcher Richtung (Belgien?) die deutschen Armeen marschieren würden.

Ein geheimer Zusatz zu Plan XVII betraf "Armee W." (=die British Expedition Force 'BEF'), vorgesehen hinter dem linken Flügel der 5. frz. Armee. Mit diesem Konzentrationsplan marschierte man dann in den Ersten Weltkrieg.

Nachdem deutsche Truppen am 4.8.1914 belgisches Territorium durchquerten, sandte Joffre am 5.8. Aufklärungsflieger und Kavallerie nach Belgien hinein. Ansonsten hieß es abwarten, da der deutsche Schwerpunkt für die große Schlacht und die geplante Umfassung der deutschen Armeen zunächst unklar blieb. Erst auf die russische Zusage, eine große Offensive am 14.8.1914 beginnen zu können, gab Joffre unter gleichem Datum die Anweisung für offensives Vorgehen in Elsaß-Lothringen heraus.

Teil II folgt.
 
silesia schrieb:
Ein geheimer Zusatz zu Plan XVII betraf "Armee W." (=die British Expedition Force 'BEF'), vorgesehen hinter dem linken Flügel der 5. frz. Armee. Mit diesem Konzentrationsplan marschierte man dann in den Ersten Weltkrieg.
Das ist mir neu. In der mir vorliegenden Literatur wird ausgeführt, das Joffre ohne britsche Truppen in Plan XVII geplant hatte.


Plan XVII war ja nicht so ganz ohne Risiko. Immerhin überließ er einen „eventuellen „ Vormarsch der Deutschen durch Belgien lediglich der 5.Armee. Des Weiteren hat er die Zusammenfassung von aktiven und Verbänden der Reserve aufgegeben.
Joffre hielt nicht viel von der Reserve und er war der Meinung sein gegenüber Moltke würde es genauso handhaben. Welch ein Irrtum!

Hingegen sollten die militärischen Operationen, meines Wissens nach, an der Grenze zum Deutschen Reich offensiv geführt werden. Im Plan XVII hieß es dazu: “Wie immer auch die Umstände sein mögen, es ist die Absicht des Oberbefehlshabers, mit vereinten Kräften den Vormarsch anzutreten, um die deutschen Armeen anzugreifen…..“ Das war eigentlich ganz im Sinne Schlieffens.

Bevor Joffre abe in Lothringen zur „Sache“ ging, hatte er ein Ablenkungsmanöver im Oberelsass geplant, wodurch deutsche Kräfte gebunden werden sollten. General Bonneau führte dieses Manöver mit zweifelhaftem Erfolg am 07.August durch. Es gelang zwar Mühlhausen zu nehmen, doch musste sie schon wieder am 09.August geräumt werden. Es gelang dann die Stadt noch einmal zu nehmen, aber am 24.August wurde sie, diesmal endgültig, von den Deutschen zurückerobert.
Die eigentlich Offensive war jedoch in Lothringen vorgesehen. Am 20.August marschierte die 2.Armee, unterstützt durch die 1.Armee, auf Straßburg vor. Am 22.Augsut griffen die 3.Armee und 4.Armee in Richtung auf die Ardennen an.


Keegan, Der Erste Weltkrieg
Becker u. Krumreich, Der Große Krieg
 
Im Plan XVII hieß es dazu: “Wie immer auch die Umstände sein mögen, es ist die Absicht des Oberbefehlshabers, mit vereinten Kräften den Vormarsch anzutreten, um die deutschen Armeen anzugreifen…..“ Das war eigentlich ganz im Sinne Schlieffens.

Genau das ist der Ausgangspunkt der Missinterpretationen von XVII in der Literatur.

Den entscheidenden Punkt habe ich unterstrichen. Joffre hat sehr wohl Reserven gebildet, eine Armee plus weitere 4 Reservekorps hinter den "vorn" plazierten vier Armeen. Das war rund ein Viertel der Gesamtstärke, hinzu kommt noch die "Gruppe W."

Wir dem Satz zu entnehmen ist, der nicht allein anhand des Planes XVII, sondern im Kontext seiner "Handhabung" im August 1914 zu verstehen ist: Joffres Intention war

- die Plazierung der Armeen gegen den Schwerpunkt des deutschen Vorstosses, plus Entscheidungsschlacht (wo immer die stattfinden würde, prognostiziert war die Ecke Nordost-Frankreichs, während die Stärke des deutschen Vorstosses durch Belgien unterschätzt wurde, weswegen die "Entscheidung" weiter westlich stattfand als von Joffre ursprünglich gedacht).

- die Vorhaltung und verzögerte Festlegung der beachtlichen frz. Reserven, bis die deutsche Hauptstossrichtung klar herausgebildet war.

- die Verwendung der frz. Hauptstreitmacht im Schwerpunkt gegen die deutschen Armeen (siehe oben!), nicht gegen deutsche "Gebiete".

Elsass-Lothringen ist daher im Plan XVII nur eine Nebenfrage, die nur dann zum Hauptthema werden konnte, wäre hier der deutsche Schwerpunkt ausgebildet worden.
 
Vielleicht verstehe ich hier etwas falsch, aber es war doch ein erklärtes Kriegsziel Frankreichs, das Elsass und Lothringen zurückzugewinnen. Auch aus diesem Grunde wurde, man war sich eben nicht definitv sicher, ob die Deutschen durch Belgien kommen würden, wurde eben "nur" die 5.Armee zu Schutze des südlichen Belgiens auf dem linken Flügel stationiert. Des Weiteren hoffte man natürlich auf die Briten; es gab ja die gemeinsamen Absprachen. Des Weiteren verhielten sich die Belgier gegenüber französischen und britischen Wünschen sehr zugeknöpft.

Aber es sind vier französische Armeen in die Offensive gegangen; zwei griffen die deutschen Armee auf deutschen (Elsass und Lothringen) Territorium an. Es wurde also über die deutsch-französische Grenze hinweg angegriffen. Und ganz nebenbei war das natürlich auch für die Moral nicht ganz unbedeutend, wenn der Krieg erfolgreich in das Deutsche Reich getragen wird und dort deutsche Territorium erobert werden würde. Das war doch sicher mehr als eine Verteidigungsmaßnahme.
 
Wenn man davon ausgeht, dass die Franzosen davon ausgingen, das die Deutschen ihren Hauptangriff von Westen her starten würden, da man annahm, die deutschen Kräfte würden für einen Bogen durch Belgien nur bis zur Maas aber nicht bis Paris ausreichten, dann ergibt der französische Aufmarsch durchaus Sinn.

Dort konnte und sollte der deutsche Angriff gestoppt werden um dann wohl, so würde ich mutmaßen, selber zum Gegenangriff anzutreten. Dabei sollte dann bestimmt die verlorenen Provinzen erobert werden. Plan XVII selbst legte ja nicht explizit fest, in welche Richtung der französische Angriff erfolgen sollte; das blieb dem Oberbefehlshaber, hier Joffre, überlassen.

Joffre wollte eine Entscheidungsschlacht führen, will heissen den deutschen Vormarsch zu stoppen, bevor er überhaupt an Fahrt gewinnt. (1)

Joffre stand hier wahrscheinlich unter dem Einfluss von Foch und auch Loyzeaux de Grandmaison. Foch lehrte an der Militärakdemie und de Grandmaison war der Einsatzleiter des Generalstabes. Beide waren Verfechter sowohl einer taktischen als auch einer strategischen Offensive.

Nur marschierten die deutschen Truppen bekanntermaßen am 04.August in Belgien ein. Und trotzdem schickte Joffre seine 1. und 2.Armee nach Lothringen. Unterschätzte er die Gefahr, die Frankreich aus dem Norden drohte?

Joffre hoffte mit dieser Offensive wohl, bis zum Rhein vordringen zu können, um so den Deutschen das Gesetz des Handelns vorzugeben.

(1) Stevenson, Armaments, S.306f und S.330
 
Wenn man davon ausgeht, dass die Franzosen davon ausgingen, das die Deutschen ihren Hauptangriff von Westen her starten würden, da man annahm, die deutschen Kräfte würden für einen Bogen durch Belgien nur bis zur Maas aber nicht bis Paris ausreichten, dann ergibt der französische Aufmarsch durchaus Sinn. [1]

Nur marschierten die deutschen Truppen bekanntermaßen am 04.August in Belgien ein. Und trotzdem schickte Joffre seine 1. und 2.Armee nach Lothringen. Unterschätzte er die Gefahr, die Frankreich aus dem Norden drohte? [2]

Joffre hoffte mit dieser Offensive wohl, bis zum Rhein vordringen zu können, um so den Deutschen das Gesetz des Handelns vorzugeben. [3]

1. Das ergab sich aus der frz. Vorkriegs-Abschätzung der deutschen (akiven) Korps, die als verfügbar für die Offensive angesehen wurden (angesichts der russischen Bedrohung), ca. 30.

2. Die frz. Offensive in Elsaß-Lothringen wurde bereits am 5.8.1914 besprochen, jedoch in Stärke auf den 14.8. vertagt. Hierzu ist die russische Information entscheidend, zu diesem Zeitpunkt in Ostpreußen anzugreifen. Der Vorgang ist der Koordination geschuldet.

3. Alles vorher ist Geplänkel (so zB VII. frz. Korps Richtung Mühlhausen 8.8.1914). Dabei geht es um das "Herauslocken", so die frz. Operationsanweisung Nr. 1 vom 8.8.1914: Ziel ist die Vernichtung der deutschen Armeen, nicht die Besetzung deutschen Territoriums.

Parallel mit Beginn der "Offensive" nach Elsaß-Lothringen hinein erreichten das frz. Oberkommando Nachrichten über deutsche Kavallerie, die an den Flussbrücken von Namur standen. Damit war ein Hinweis gegeben, dass der deutsche Vorstoss in Belgien stärkere Kräfte als vorher angenommen umfasste.

Bei diesen Entwicklungen ist die Nachrichtenlage Tag-genau entscheidend. Joffre setzte seine Erwartung über die in Belgien marschierenden deutschen Kräfte höher als die Vorkriegsplanung, erfasste aber immer noch nicht deren immensen Umfang. Jedenfalls wurden an dem Tag 3 (!) frz. Divisionen zum rechten frz. Flügel verschoben, also eine zu geringe Reaktion. Noch am 18.8., also 3 Tage vor dem verstärkten frz. Einmarsch in Belgien, wurde die Bedrohung für die linken 3 frz. Armeen zu gering eingeschätzt. Immerhin wurde nun ein Korps von der 5. zur 4. Armee (XI.), ein weiteres als Ersatz von der 3. zur 4. Armee (IX.) verschoben: eine beginnende Linksverschiebung frz. Kräfte (4. Armee konstant bei 6 Korps). Am 20.8. wurde die 3. Armee gespalten (neue 3. plus Lothringen-Armee), ebenfalls ein Indiz für die Linksverschiebung.

Die Erwartung bei Einmarsch in Belgien war danach, die deutschen Kräfte, die über Belgien vorgehen, numerisch zu überflügeln! Ein völliger Fehlschluss. Die Offensive hinein nach Elsass-Lothringen wurde begleitet von Verzögerungen und Verstärkungen auf dem linken Flügel, insoweit Abweichungen von Plan XVII.

Die gesamte frz. Strategie stand unter dem Primat, die stärkste Konzentration gegen den deutschen Schwerpunkt aufzubieten. Die Handlungen wiederum waren dann praktisch durch die eintreffenden Informationen geprägt, und können nur in deren Kontext gedeutet werden. Joffre erwartete, in Belgien schwächere deutsche Kräfte zu treffen, stattdessen traf seine Disposition auf starke Kräfte in günstigen Verteidigungspositionen. Seine Dispositionen (auf unzureichender Nachrichtenlage basierend) hatten danach die frz. Armee in zwei divergierende Richtungen geschickt: Neufchâteau-Arlon und Elsass-Lothringen.

Nachtrag zum Dokument:
Alfred Graf von Schlieffen, Denkschrift Krieg gegen Frankreich [Schlieffen-Plan], Dezember 1905


Nachtrag zur französischen Informationslage im August 1914:
W.A. Stewart: Lanrezac, Joffre and Plan XVII:
www.rand.org/pubs/papers/2009/P3637.pdf
(1,2 MB)
 
Zuletzt bearbeitet:
Daraus ergibt sich dann, das es Frankreichs Aufgabe war, die deutsche Offensive zu stoppen und es Russland zufiel, das Deutsche Reich im Osten durch eine erfolgreiche Offensive über die Weichsel bis hin nach Berlin zum siegreichen Ende des Krieges führen sollte. Die Franzosen dürften dementsprechend sauer gewesen sein, das ihr Bündnispartner mit den größten Teil seiner Streitkräfte, entgegen anderslautender Absprachen, Österreich-Ungarn angriff und in Ostpreußen „nur“ mit der der 1. und 2.Armee einmarschierte.
 
Zumindest gab die Stawka dem Drängen der Franzosen am 7. August teilweise nach und stellte, um sie zu beruhigen, für einen dritten Stoß Richtung Thorn-Posen die 9. und 10. Armee bei Warschau zusammen. Dadurch ergab sich allerdings eine weitere Zersplitterung der russischen Kräfte.
 
Beim lesen bin ich über zwei Punkte gestolpert, die Herwig bzw. Stevenson zu Schlieffen schreibt.

Zu Schlieffen merkt Herwig an, dass die Formulierung des Plans auf keinerlei Aufklärung basierte. Ebenfalls bezog er weder die französischen noch die russischen Pläne in seine Überlegung ein (S. 116).

Erstaunlich ist zudem, nicht nur die bereits an anderer Stelle kritisierte geringe Abstimmung mit der Reichsleitung, die nicht vorhandene Koordination der militärischen Planungen im Rahmen des Schlieffen-Plans.

Bis Dezember 1912 hatte es der Generalstab für nicht notwendig erachtet, seinen Plan dem Kriegs Ministerium vorzustellen. Auch Schlieffen persönlich hatte das für nicht notwendig erachtet, wie Stevenson es darstellt (ebd. S. 75 ff)

The Fog of Peace and War Planning: Military and Strategic Planning Under ... - Google Books

Das wirft insgesamt ein problematischen Licht auf die Koordinationsfähigkeit von KW II im Rahmen seines Oberbefehls. Es zeigt aber auch, was Herwig und andere betonen, dass es Ende 1912 noch nicht mal im Ansatz eine systematische Vorbereitung für einen Krieg gab.
 
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Es zeigt aber auch, was Herwig und andere betonen, dass es Ende 1912 noch nicht mal im Ansatz eine systematische Vorbereitung für einen Krieg gab.
Das liest sich fast so, als hätte man doch eher (vielleicht auch ganz unbewusst) auf eine politische Lösung von Konflikten vertraut. Da war der Schlieffenplan sozusagen eher nebensächlich, eben etwas, um überhaupt was zu haben.
Allerdings, die Diplomatie versagte. Vor gut einer Woche, auf der Sicherheitskonferenz im Hotel "Bayerischer Hof" in München, hat in einer Gesprächsrunde mit Helmut Schmidt und Valerie Giscard d'Estaing Henry Kissinger gesagt, man habe sich 1914 durch die vielen kleinen Krisen in die Konfrontation hineingeredet. Mir drängen sich da ein wenig die Fragen auf: Zuviel Diplomatie? Einfach nur verzettelt? Dann Gordischer Knoten?
 
Zu Schlieffen merkt Herwig an, dass die Formulierung des Plans auf keinerlei Aufklärung basierte. Ebenfalls bezog er weder die französischen noch die russischen Pläne in seine Überlegung ein (S. 116).

Erstaunlich ist zudem, nicht nur die bereits an anderer Stelle kritisierte geringe Abstimmung mit der Reichsleitung, die nicht vorhandene Koordination der militärischen Planungen im Rahmen des Schlieffen-Plans.

Bis Dezember 1912 hatte es der Generalstab für nicht notwendig erachtet, seinen Plan dem Kriegs Ministerium vorzustellen. Auch Schlieffen persönlich hatte das für nicht notwendig erachtet, wie Stevenson es darstellt (ebd. S. 75 ff)

...Es zeigt aber auch, was Herwig und andere betonen, dass es Ende 1912 noch nicht mal im Ansatz eine systematische Vorbereitung für einen Krieg gab.

Bei den Wertungen von Herwig und Stevenson bin ich skeptisch.

Aus dem "Schlieffen"-Band von Epkenhans etc. ist zu entnehmen:

Zum einen gab es bereits zwischen Schlieffen und Bülow Kontakt über die Operationsplanung, zudem auch Aufträge der Politik für eine solche Feldzugplanung. Weiterhin gibt es Aktenbestände im BA-MA über die Einschätzung des deutschen Generalstabs über Stärke und Feldzugplanung der französischen Armee (ironischerweise im Beitrag von Zuber erwähnt, aber auch bei Gross und anderen). Selbstverständlich gab es hier "Aufklärung". Und bis auf den Wechsel zu Plan XVII wurden auch zuvor französische Optionen (inkl. britisches BEF) antizipiert. So ist die Entwicklung "Handstreich Lüttich" bei Moltke Ergebnis dieser Überlegungen. Richtig ist, dass man auf Plan XVII nicht mehr reagierte.

Bereits in DDR-Zeiten gab es Publikationen zur finanziellen Kriegsvorbereitung, so der hier im Forum schon besprochene Kriegsfonds (die Aktenbestände der Reichsbank lagen nach 1945 in den DDR-Archiven). Auch die Kriegswirtschaft traf Vorbereitungen, indem man über Nahrungsmittelversorgung Überlegungen anstellte und auch Deponierungen vornahm (und an dieser grundsätzlichen Feststellung ändert sich nichts, wenn man Vorbereitungen nachträglich aus Historikersicht als "unzureichend" bewertet). Schließlich ist Ausfluss der Feldzugplanung "West" die konkrete Mobilmachungsplanung mit den Zeitplänen, Zugbelegungen und räumliche Verteilungen des Aufmarsches.

Ergo: was Herwig als unzureichend bei Planung und Aufklärung kennzeichnet, ist als Wertung zu relativieren. Er nimmt dabei mE zu sehr eine nachträgliche Sichtweise ein. Um es mal platt zu formulieren: Schlieffen/Moltke kann man im Detailierungsgrad etc. nicht mit "Barbarossa", "Polen 1939" oder "Gelb 1940" vergleichen.
 
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Da war der Schlieffenplan sozusagen eher nebensächlich, eben etwas, um überhaupt was zu haben.

Nein, das unterschätzt die Bedeutung der Planung sehr gravierend. Allerdings muss man m.E. seine Bedeutung immer im Kontext der relativen Schwäche Russlands von 1905 (russisch - japanischer Krieg) und danach sehen, um den militärischen Imperativ der Westausrichtung seiner Planung voll zu nachvollziehen zu können.

Und dieser Zeitpunkt ist dann auch der Beginn der Neuordnung der Allianzstrukkturen in Europa und somit auch der eigentlich Beginn der zunehmenden "Hysterie" des "Eingekreistsein", das ca. 1908/09 auch publizistisch sich niederschlägt und ab diesem Zeitpunkt die Selbst- und die Fremdwahrnehmung im DR strukturiert.

Allerdings ohne zu reflektieren, dass es - wie im Forum häufiger schon betont - durch ein betont aggresives Auftreten des DR auch eine Selbsteinkreisung war.

Zum einen gab es bereits zwischen Schlieffen und Bülow Kontakt über die Operationsplanung, zudem auch Aufträge der Politik für eine solche Feldzugplanung.

In ihrem Buch über Moltke geht Mombauer auch auf Schlieffen ein. Und ihr Psychogramm seiner Person ist sehr interessant (S. 79 ff).

Schlieffen war offensichtlich ein sehr verschlossener Zeitgenosse, der nicht ausführlich kommunizierte.

1. Das trifft zu auf die Kommunikation mit dem österreichischen Generalstab und verhinderte eine Koordination der beiden militärischen Planungen mindestns bis ca. 1908 (vgl. S.81/82).

2. Bis 1912 wurde von Schlieffen & Moltke weder dem Kriegsministerium, noch dem Kanzler oder dem Auswärtigem Amt eine Information über die Planungen und die politsichen Implikationen der militärischen Aktionen mitgeteilt. Bestimmte Aktionen der militärischen Planungen, wie beispielsweise der Angriff auf Liege erfuhr der Kanzler bzw. auch KW II erst am 31. 07. 1914.

3. Es gab zudem keine abgestimmte Planung zwischen der Armee und der Hochseeflotte (S. 83). Weder für den Kanal noch für die Kriegsführung im Baltikum, die beide extrem wichtig hätten sein können für die Kriegsführung auf dem Lande.

4. Schlieffen hatte nie eine "Vier-Augen"- Audienz beim Kaiser. Er ging immer zusammen mit den Kriegsminister zum Kaiser und das verhinderte weitgehend, dass der Kaiser in die "Tiefen" der Planungen "eingeweiht" wurde. Und es verhinderte die entsprechenden Rückwirkungen von KW II als Vorgaben an das Kriegsministerium bzw. an den Kanzler. Die Ursachen waren dabei eine massive Rivalität zwischen Schlieffen und Generalen aus dem Kriegsminister, vor allem zu Einem, Hülsen-Haesler und Plessen. Schlieffen ging davon aus, dass das Kriegsministerium ihn ablösen möchte (S. 84).

5. In diesem Sinne waren die Planungen von Schlieffen ohne eine substantielle Unterstützung durch seine unmittelbaren Vorgesetzten. Die zudem völlig andereVorstellungen verfolgten. Und aus der Sicht von Schlieffen waren die Planungen ein Anforderungpaket, das durch die massive Erweiterung der deutschen Armee erst in den Status einer realitischen Planung gehoben werden sollte. Es war ein "Auftrag" an Moltke, diese Erweiterungen der Armee umzusetzen, um den Schlieffenplan überhaupt durchführen zu können! (S. 86).

6. Allerdings hat Moltke bis 1911 diesen Auftrag nicht erkannt bzw. angenommen. Die Agadir-Krise 1911 veränderte das Problembewußsein des Generalstab, indem man das DR nicht mehr als die anangefochtene militärische Macht auf dem Kontinent definierte. Und einen massiven Aufrüstungsbedarf für das Heer erkannte.

7. In disem Kontext stimmte erst in 1910 Moltke der Erweiterung, die Kriegsminister von Heeringen vorgeschlagen hatte zu. Auch, weil er vorher den Konflikt mit dem Kriegsministerium nicht gesucht hatte. Allerdings mit dem Effekt, das Bethmann Hollweg die Umsetzung verhinderte (S. 88).

Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich richtig, die Planungen für die Operation Barbarossa nicht zu Maßstab zu machen, allerdings wird auch deutlich, wie gering die Synergien zwischen dem Generalstab, dem Kriegsministerium, der Marine, dem Kaiser und dem Kanzler, inklusive Fachminister, eigentlich waren.

Und es macht m.E. auch deutlich, wie weit das DR in 1914 davon entfernt war, kriegsbereit zu sein, obwohl es sich durch die Planungen Russlands mental in den Zugzwang begeben hatte, einen Präventivkrieg möglichst frühzeitig zu führen (vgl. 8. Dezmeber 1912).

Helmuth Von Moltke and the Origins of the First World War - Annika Mombauer - Google Books
 
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Und es macht m.E. auch deutlich, wie weit das DR in 1914 davon entfernt war, kriegsbereit zu sein, obwohl es sich durch die Planungen Russlands mental in den Zugzwang begeben hatte, einen Präventivkrieg möglichst frühzeitig zu führen (vgl. 8. Dezmeber 1912).

Helmuth Von Moltke and the Origins of the First World War - Annika Mombauer - Google Books

Der "Kriegsrat" vom Dezember 1912 hatte mehrere Folgen:

Zum einen beförderte er die nachfolgende Heeresvermehrung 1913/14 in der Einsicht und in Kombination mit dem Schlieffen-Moltke-Plan, dass die Mobilimachungskräfte inkl. Reservisten auf Basis des bisherigen Umfanges des stehenden Heeres unzureichend sein würde.

Parallel wurde eine "Pressearbeit" umgesetzt, scharf auf Russland als Kriegsgegner einzustimmen. Da auch Widerstände von Seiten der SPD gegen die Heeresvermehrung befürchtet wurden (die auch eintraten), ergab sich eine "Offenlegung" der russischen Rüstung im kleinsten, vertraulichen Kreis gegenüber Führungspersonen der SPD. Die russische Aufrüstung sollte benutzt werden, um die eigene Heeresvermehrung für den schnellen Kriegsfeldzug im Westen durchzusetzen.

Zentral war außerdem der Tirpitzsche Standpunkt, dass die Kaiserliche Marine nicht vor 1914 aufgrund der laufenden Bauprogramme und der Fertigstellung der Maßnahmen am Kaiser-Wilhelm-Kanal kriegsbereit sein würde. Diese Kanalverbindung musste Schiffsgrößen des Dreadnought-Zeitalters aufnehmen, um schnelle und geschützte Verschiebungen zwischen Ost- und Nordsee möglich zu machen. Bereits aus diesem Argument wird deutlich, dass man für den Ernstfall auf Seiten der Militärs mit dem Kriegseintritt Englands rechnete.

Bezüglich der Schlieffen-Moltke-Planung muß man den Inhalt dieses "Plans" konkretisieren: als Folge ergab sich (selbstverständlich) eine detaillierte Mobilmachungs- und Aufmarschplanung.

Der "Plan" ansonsten bleibt nur diffus, eine Operationsskizze für 30 Tage Krieg, die eigentlich im Kern nur eine Vormarschplanung ohne Gefechtsszenarien enthält. Diese Gefechtsszenarien wurden in den jährlichen "Kriegsspielen" und Operationsübungen skizziert (an denen zB v.Kluck teilnahm, später 1. Armee an der Marne, der sich im September 1914 in einem ähnlichen Szenario wiederfand wie geübt, und vermutlich entsprechend seiner Übungen "reagierte", so in dem Linksschwenk, um östlich Paris vorbeizustoßen).

Völlig offen bleibt, wie man sich eigentlich die "Entscheidungsschlacht" mit "verkehrten Seiten" vorstellte. Das Problem "Paris" blieb offen, jedenfalls endet der Plan lediglich mit der Überflügelung des französischen Heeres, die Schlacht mit Ost-West-Richtung aus deutscher Sicht wurde weder bei Schlieffen noch bei Moltke "behandelt".

Der Plan auf den Kern reduziert, stellte somit nur die Frage: wie und wo und in welchem Zeitabschnitt des Krieges "erwischt" man die Masse des französischen Heeres, wobei man völlig überzeugt von dem totalen deutschen Sieg in dieser Entscheidungsschlacht ausging (die nie durchgeplant wurde). Implizit ist die Vorstellung von der Überlegenheit der Offensive (und des deutschen Heeres) als "Fakt" enthalten. Das einzige "Problem" war der Zeitfaktor, ausgehend schon vom Mob-Fall, schnell in den Rücken des frz. Heeres zu gelangen, der Restblieb offen. Wie man dann sehen konnte, mißlang bereits die Überflügelung. Warum auch weiter planen, bekanntlich "überlebt keine Planung den ersten Zusammenstoß", während aber "ein Fehler im Aufmarsch im Feld nicht mehr korrigiert werden kann".

Man könnte den Plan mit einem Pfeil vergleichen, der vom Bogen abgeschossen wird. Der Rest ergibt sich dann gewissermaßen, und wurde nur in den Operationsübungen auf Korps- und Armeeebene simuliert.

Nun ist das alles für das Zeitalter nichts Besonderes. Ebenso rudimentär und "aufmarschlastig" waren die französischen und russischen Planungen, die ebenfalls nicht weiterreichten als zu dem Zeitpunkt nach Kriegsausbruch, in dem man seine Korps entsprechend "plaziert" hatte.

Kennzeichen dieser zeitgenössischen Pläne ist also eher eine (Operations-)"Idee" und eine detaillierte Mobilmachungsplanung.
 
Wunder an der Marne?

[FONT=Times New Roman, serif]Zum Gruße[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Musste der Vormarsch des deutschen Rechtsflügels [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]zwangsläufig in einen Rückzug von der Marne enden? [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die Ausgangslage des Reichsheers am Vorabend der M-Schlacht [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]stand ja nicht ungünstig: Klucks 1. unweit des schutzlosen Paris,[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]die eilends aufgestellte franz 6. A 2 Tagesmärsche entfernt, [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]die 5. A nach 2 Niederlagen in raschem Rückzug zur Seine, [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]das BEF weitab und mäßig kampfwillig. . . [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Ja der Großteil des franz Heeres stand unter dem Eindruck einer Reihe [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]von Niederlagen und hatte durch die 'offensif á l'outrance' in Lothringen[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]riesige Verluste erlitten und zugleich den Glauben an die eigene Angriffsstärke.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die Reichstruppen befanden sich hingegen in bester Siegerlaune.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Ein nicht zu unterschätzender Vorteil. , .[/FONT]


[FONT=Times New Roman, serif]D[/FONT]​
 
Wenn Dich das Thema interessiert: es gibt hervorragende operationsgeschichtlichen Studien, so jüngst Herwigs "Marne 1914", oder Doughtys Pyhrric Victory, oder Harts "Fire and Movement" zum BEF. Das Thema ist auch in den entsprechenden Fachzeitschriften abgehandelt.

Nach den Fakten war das "Durchschlagen" der Schlacht deutscherseits aussichtslos wegen der quantitativen Unterlegenheit, dem hohen deutschen Abnutzungsgrad durch bereits eingetretene Verluste, der völligen logistischen Überdehnung, der eingeleiteten Überflügelung durch die frz. Truppen, und - insofern ist das BEF in Deiner Einleitung nicht korrekt dargestellt - der Aufspaltung der deutschen Front zwischen 1. und 2. Armee durch das "dazwischen sitzende" BEF.

Daraus konstruierte man dann schon während des Krieges deutscherseits das Märchen und die Verschwörungstheorie vom Befehlswirrwarr, Moltkes Führungsschwäche und Eigenmächtigkeiten von Oberstleutnant Hentsch, die zum Abbruch führten und das Deutsche Reich um den "sicheren Sieg" brachten. Ludendorff bemühte "höhere Mächte", die hier das deutsche Volk angeblich prüfen würden.

Ein wichtiger Baustein der Dolchstoßlegende: an der Marne mischten sich angeblich die "Schicksalsmächte" ein, schließlich musste man dem Volk erklären, warum die Sache schiefging, nachdem man sie angeblich fast gewonnen hatte.
 
Die Schlacht an der Marne wurde in den Tagen vor den Kämpfen entschieden. Mehr Nachschub war fast nicht möglich und zwei Armeekorps waren in Richtung Osten abkommandiert worden.

Bessere Befehle bzw. das Durchkämpfen hätten das BEF zwar stärker getroffen, strategisch aber nichts geändert.
 
Um die zahlenmäßige Situation noch einmal zu spezifizieren, 1.9.1914 nach Herwig, Marne 1914:

„Numerically, the Germans were inferior to the Allies at the critical point, the right wing. Kluck’s First Army of 128 battalions of infantry and 748 guns was ranged against 191 battalions and 942 guns of French Sixth Army and the BEF; Bülow’s Second Army and half of Hausen’s Third Army with 134 battalions and 844 guns faced 268 battalions and 1,084 guns of French Fifth and Ninth armies. It was a stark reversal from August 1914.“

Oder in Mannschaften 3:5 aus Sicht des angreifenden deutschen rechten Flügels (1. und 2. Armee). Damit war kein Blumentopf mehr zu gewinnen, höchstens die Überflügelung von Klucks 1. Armee und die Vertiefung der Lücke zwischen 1. und 2. Armee.
 
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