Scholastik

Lord Byron

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Guten Tag,
Inwiefern ermöglichte die Methode der Scholastik freie Forschung und wissenschaftliche Arbeit. In der Mittelstufe habe ich gelernt, das einzige Ziel der Scholastik sei der Gottesbeweis gewesen, was gegen ergebnisoffene wissenschaftliche Methode spricht. Neulich wurde in einer philosophischen Diskussion jedoch behauptet, einziger Sinn und Zweck der Scholastik sei nicht der Gottesbeweis und freies wissenschaftliches Forschen möglich gewesen.
Entschuldigt die etwas laienhafte Frage, aber ich kenne mich in mittelalterlicher bzw. frühneuzeitlicher Philosophie nicht aus.
Literaturempfehlungen werden gerne angenommen :)
 
Die Scholastik war zunächst eine logisch-wissenschaftstheoretische Methode, wie der entsprechende Wikipedia-Artikel auch darstellt.

Zunächst hatte man in Früh- und Hochmittelalter nach alten Schriften gesucht und sie sich über die Kommentierung angeeignet. Insbesondere das Organon des Aristoteles, welches man z.T. nur über arabische Vermittlung kannte, wurde hierbei wichtig. Hieraus entwickelte man dann eine Methode zur wissenschaftlichen Arbeit.

Natürlich wurde sie auch im Sinne des damaligen Europäischen Zeitgeists eingesetzt, um Theologie zu betreiben, doch war es eben der damals zur Verfügung stehende Weg zu wissenschaftlicher Erkenntnis. Und allein durch diese Methode wurden freie Forschung und wissenschaftliche Arbeit möglich. (Wobei man bei der Benutzung der Begriffe nicht von heutigen Definitionen, bzw. Definitionsversuchen ausgehen darf.) Zuvor konnte man - wieder vereinfacht gesagt - Wissen nur übernehmen: Man musste sich auf die vorhandenen Werke beschränken, statt selbst das 'Wissen' zu erweitern.

Da nun die Theologen auf die Wahrheit ihres Weltbildes vertrauten, war für sie alle Wissenschaft nur Bestätigung der Bibel. Hinzu kam, dass es bei der Scholastik teilweise sehr formal vorging. Noch Goethe konnte von den 'spanischen Stiefeln [Folterinstrument] der [aristotelischen] Logik' sprechen. Diese beiden Dinge genügten der Scholastik in der Renaissance ein negatives Image als die veraltete und falsch verstandene Wissenschaft der Kirche zu verleihen.

Schon dass diese Methode aus den Werken eines Heiden gezogen wurde, zeigt, dass sie nicht voreingenommen christlich war. Dass sich die große Mehrheit nicht von ihren Grundüberzeugungen lösen konnte und bis heute nicht lösen kann, kann man nicht einer Methode ankreiden. Wenigstens sind wir uns heute bewusst, Wissenschaft auch unbewusst durch unsere Überzeugungen zu verfälschen.
 
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