Sensenmann

Nergal

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Wieder eine ungewöhnliche Frage von mir.
Habe mir, mehr aus Unterhaltungszwecken als irgendwas anderes, auf Youtube eine dieser "Ancient Aliens"-Episoden reingezogen. Das ist etwa das was E. von Däniken seit den 70ern macht (davon war ich mit 10 und 11 Jahren wirklich als begeisterter Leser dabei, aber man wird schließlich erwachsen) es geht um Präastronautik usw. jedenfalls ging es in dieser Episode auch um die Pest und es wurde erklärt dass die Personifikation des Todes als Sensenmann, als Grim Reaper mit allem Drum und Dran aus den Zeiten der ersten Großen Pestepidemie stammt da damals angeblich Personen auftauchten die derart gewandet mit Sensenähnlichen Instrumenten "Gas" oder so etwas verbreiteten. Jedenfalls die Idee der AA-Macher ist das die Ausserirdischen die Pest brachten, meine Frage dazu aber (keine Sorge nicht abgehoben) ist wann der Tod wirklich zum grimmen Schnitter wurde. Soweit mir bekannt gab es sehr lange das Bild des Todesengels oder ähnlicher weniger negativer Gestalten die die Toten ins Jenseits geleiteten, wann also genau kam eigentlich das Bild des dunklen Knochenmannes auf der das leben mit der Sense "niedermäht"?
War es die Zeit der Pest und des allgegenwärtigen Todes?
(Bei Wikipedia steht zwar der Bibelbezug drinnen aber davon ist es ein weiter Weg bis zum Lebenden Knochengestell.)
 
(Bei Wikipedia steht zwar der Bibelbezug drinnen aber davon ist es ein weiter Weg bis zum Lebenden Knochengestell.)

Der Wikipedia-Artikel zum "Sensenmann" ist für die Fragestellung kaum brauchbar.

Bessere Informationen findest Du in Gott und Tod: Tod und Sterben in der höfischen Kultur des Mittelalters
herausgegeben von Susanne Knaeble, Silvan Wagner, Viola Wittmann

Ich zitiere (leider nur aus der Google-books-Version)
Esther P. Wipfler: "Mors in specie hominis ..." Zu den Paradigmenwechseln bei der Personifikation des Todes vom Missale zum 'Andachtsbild'


Im sog. Uta-Evangelistar, das um 1020 geschaffen wurde, ist die Ikonographie des besiegten Todes weiter ausgestaltet (Abb. 5a und b): Als gebeugter Mann unter dem Kreuz Christi hält er eine Sichel in der Hand nach Apokalypse 14,14 (...)


In der Bibel von St. Gumpert, um 1195, hält der Tod nicht nur eine Sichel, sondern auch eine Sense. Nach 1200 ist die Sichel offenbar das Standardattribut der Personifikation des Todes, wenn Caesarius von Heisterbach um 1220 im Dialogus Miraculorum schreibt:
Mors in specie hominis cum falce in picturis repraesentur ("Der Tod in menschlicher Gestalt sei in Bildern mit einer Sichel dargestellt").


Mindestens genauso häufig wie die Personifikation als männlicher Teufel in Antithese zum Todesüberwinder Christus war seit dem 13. Jahrhundert die Darstellung des Todes als Skelett oder teilweise skelettierter Körper bzw. Leichnam.
Sowohl Skelett wie auch Sense gibt es also schon lange vor der großen Pestepidemie.



Jedenfalls die Idee der AA-Macher ist das die Ausserirdischen die Pest brachten,
Die Idee der AA-Macher ist offensichtlich, das Publikum für dumm zu verkaufen. Da kann man keine sauber recherchierten historischen Informationen erwarten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich halte den Bezug zu den Bibeltstellen für sehr stark. Die beiden Stellen sind bei Wikipedia auch verlinkt!
Jeremia 9.20 wird bereits von Luther mit Schnitter übersetzt. Der Schnitter ist niemand anderes als Gevatter Tod oder der Sensenmann. Der Schnitter ist schon ziemlich lange eine Personifikation des Todes - immerhin kommt er bereits im Alten Testament vor!

Einen konkreten Sensenmann wird man sich jedoch erst seit Erfindung der Sense (irgendwann im Frühmittelalter) vorgestellt haben können.
In der Antike war der Schnitter wohl nur mir der Sichel (alternativ mit der gallischen Mähmaschine) unterwegs.=)
 

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Sieht aus wie ein bewaffneter Dämon, und nicht unbedingt wie die übliche Personifikation des Todes.
 
Der mit einer Sense dargestellte Tod scheint mir im Mittelalter gar nicht so verbreitet gewesen zu sein, wie man annehmen möchte. Ich kenne diese Darstellung im Wesentlichen eigentlich ich nur von den Blockbüchern, die 1450 / 1460 aufgekommen sind. Die älteste Darstellung des Todes mit einer Sense, die mir auf die Schnelle in den Sinn kommt, stammt von einer um 1475 entstandenen Blockbuch-Variante (Albrecht Pfister) des "Ackermann aus Böhmen" von Johann von Tepl.

Eine veränderte Darstellung des personifizierten Todes nach der Pestzeit sehe ich vielmehr in der "Knochenmann-Darstellung". M.E. nach wurde der Tod vor der Pestzeit mehrheitlich als alte, übermächtige Frau dargestellt. Im Gebetbuch der 1349 an der Pest gestorbenen französischen Königin Bonne von Luxemburg ist der Tod in der Szene über die Legende der "Begegnung der drei Lebenden mit den drei Toten" aber bereits als Sekelett dargestellt.

Die Todesdarstellungen, welche tatsächlich erst nach der Pest (und unter deren Eindruck) entstanden sind, sind die verschiedenen Motive des Totentanzes.
 
Eine Bibelillustration steht in der Regel im engen Zusammenhang mit dem Text der Bibel. Die Mutmaßung über jene Gestalt (Dämon oder Tod?) aus der Gumbertbibel könnt ihr euch sparen, wenn ihr herausfindet, welcher Textstelle konkret illustriert wurde.
 
Eine Bibelillustration steht in der Regel im engen Zusammenhang mit dem Text der Bibel. Die Mutmaßung über jene Gestalt (Dämon oder Tod?) aus der Gumbertbibel könnt ihr euch sparen, wenn ihr herausfindet, welcher Textstelle konkret illustriert wurde.

Die Textstelle ist ja im Bild deutlich zu lesen: "O mors, ero mors tua"...

Ansonsten siehe oben:

"Mindestens genauso häufig wie die Personifikation als männlicher Teufel in Antithese zum Todesüberwinder Christus war seit dem 13. Jahrhundert die Darstellung des Todes als Skelett oder teilweise skelettierter Körper bzw. Leichnam."
 
Interessante Frage. Indes ich bezweifle, dass sie sich eindeutig beantworten lässt.

Jedoch taucht der Lebens- oder Schicksalsfaden in vielen Kulturen auf, das Bild drängt sich dem gesunden Menschenverstand geradezu auf; da liegt es nahe, der Figur des Todes oder dem Vollstrecker eines Unterweltherrschers ein Werkzeug in die Hand zu geben, das zum Durchtrennen geschaffen ist.
An Schwerter und vergleichbare Klingen ist dabei nicht zu denken, sie galten als Instrumente des Heldenmuts, weniger als Werkzeug; auch ist das Mähen mit der Sense eine vergleichsweise monotone Tätigkeit und aus der Distanz ausgeführt, und eine exzellente Metapher auf die Gleichgültigkeit den unterschiedlos umgemähten Gewächsen gegenüber.

Und ganz abgesehen davon, dass der Totenschädel das Sinnbild des Todes schlechthin und Schwarz in den meisten europäischen Kulturen seit jeher die Farbe der Trauer, tauchen entsprechend gestaltete Figuren schon lange in der Mythologie auf. Beispielsweise wird der Fährmann Charon (der die Toten über den Styx in die Unterwelt stakt), auf vielen griechischen Darstellungen einem Leichnam ähnlicher als einem Lebenden gezeigt.
 
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