Das Leben im „Old South“ wird in Europa sehr bestimmt durch Bilder, die einerseits „Gone with the wind“, insbesondere der Film, geprägt hat, andererseits Harriett Beecher-Stowe mit „Uncle Tom’s cabin“ Man sieht das Bild einer aristokratischen, auf Sklavenarbeit aufgebauten Gesellschaft.
Tatsächlich hatte der Süden eine breit aufgestellte Sozialstruktur. 1860 hatten 2300 Pflanzer 100 oder mehr Sklaven, 8000 mehr als 50, und 46000 mehr als 20. Es waren also etwa 3% der Familien der Südstaaten, die als Pflanzer gelten konnten. Nur 25 % aller Familien hatten überhaupt Sklaven und 15% 5 oder mehr. Diese Zahlen, die auf Volks- oder besser Familienzählungen beruhen, muss man dabei noch mit Vorsicht betrachten, da viele Familien ohne Sklaven, die in den abgelegenen Appalachen-Gebieten von Virginia, North- und South Carolina bis hinunter nach Nord-Alabama lebten, von den Zählungen nicht erfasst wurden. Die städtische Gesellschaft von Kaufleuten, Handwerkern usw war nur klein, die Bevölkerung ganz ländlich geprägt, wobei viele Farmer, die nur wenige Sklaven hatten, mit diesen zusammen auf den Feldern arbeiteten.
Dabei war die Sklaverei im Süden sehr umstritten. Die evangelikalen Sekten griffen schon sehr früh die Sklaverei an, und von den 130 Abolitionisten-Gesellschaften, die in den USA vor 1830 gegründet wurden, hatten über 100 ihren Sitz im Süden. 1830 begann, angeregt durch Randolph Jefferson, einen Enkel von Thomas Jefferson, im Kongress von Virginia eine Debatte darüber, ob man die Sklaverei in Virginia beenden sollte. Die Debatte nahm einen Verlauf, der darauf hindeutete, dass eine Befreiung der Sklaven erfolgen würde. Diese ganze Diskussion wurde beendet durch den Aufstand von Nat Turner, der mit seinen Anhängern durch die Dörfer Südost-Virginias zog und alle Weißen umbrachte.. Obwohl der Aufstand schnell niedergeschlagen wurde, erreichte er im Süden eine ungeheure Publizität und verhärtete die Haltung zur Sklaverei für Jahrzehnte. Die Menge der Sklaven wurde für den Fall ihrer Befreiung als eine existentielle physische Bedrohung der weißen Bevölkerung des Südens gesehen, und zwar durch alle Schichten der weißen Bevölkerung hindurch.
In den Jahren zwischen 1830 und 1860 blieb das Leben im Süden, wie es war, ländlich geprägt und dezentralisiert. Der Norden nahm in dieser Zeit eine riesige Zahl von Einwanderern aus Europa auf, große städtische Zentren entstanden im Osten und Mittelwesten, die Industrialisierung nahm ihren Lauf und damit änderten sich auch die Ideale im Norden. Nicht mehr der Kämpfer an der Grenze im Westen war das Ideal, sondern eher der Industrielle oder der „Businessman“.
Durch diese unterschiedliche Entwicklung wurden sich der Norden und der Süden immer fremder. Der Süden fühlte zudem eine stärkere Abhängigkeit vom Norden, da sich die Situation an den Baumwollmärkten änderte, neue Finanzierungswege sich entwickelten, auf die die New Yorker Banken starken Einfluss hatten und die Abhängigkeit von der Zulieferung von Industrieprodukten wie von Nahrungsmitteln durch den Norden stieg.
Dadurch bildete sich im Süden ein Hang zu Autarkiebestrebungen heraus für die der Süden schlecht gerüstet war. Man hatte fast alle landwirtschaftliche Fläche für die Baumwolle reserviert, man hatte eine miserable Verkehrsinfrastruktur (unterschiedliche Spurweiten, nicht verbundene Eisenbahnlinien, schlechte Strassen), man hatte keine großen Banken. Stimmen, die darauf hinwiesen, dass sich das System des Südens überlebt habe, wurden nicht gehört.
Verwunderlich ist, dass die weiße Bevölkerung des Südens, unabhängig von der Stellung des Einzelnen in der Sozialstruktur, grundsätzlich gleicher Auffassung war, einmal in der Beurteilung der gefühlten Bedrohung durch den Norden, zum andern, und zwar unabhängig ob die Familie Sklaven hatte oder nicht, in der gefühlten Bedrohung durch die Sklaven in der Zeit nach Nat Turner, in einer Art von „rassisch“ gegründeter, alle umfassender Solidarität.
Für mich immer wieder erstaunlich, wie dieser Zusammenhalt des Südens auch die Kriegsjahre überdauerte. Dabei war die sogenannte Aristokratie, d.h. die männlichen Angehörigen der Familien, die die großen Plantagen mit vielen Sklaven bewirtschafteten, Ende 1862 bereits zum größten Teil Opfer des Krieges geworden.