Sprachpolitik in der Habsburgermonarchie

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Gast

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Hallo,

ich schreibe zur Zeit eine Arbeit zum Thema der Sprachpolitik in der Habsburgermonarchie. Sie behandelt die Zeit zwischen 1848-1914, umfasst also auch Österreich-Ungarn, auch wenn im Titel nur die "Habsburgermonarchie" steht.
Kann man überhaupt von einer Sprachpolitik in der Zeit schon sprechen?
Bei der Nationalitätenfrage, die dort zu lösen war. ging es vor allem um die Sprache, die in Schulen, Amt oder öffentlichen Leben gebraucht werden konnte.
Hätte man die Frage der Nationalitäten gelöst, glaubt ihr, dass die Monarchie bestehen gebleiben wäre. Wobei sich da die Frage stellt, wie?
Oder ist war sie von vorne herein zu scheitern verurteilt?
 
Identität und Sprache

Lässt sich die Identität von Nationen nur an Sprache festhalten?
 
Ich kann Dir das Buch Hitlers Wien von Brigitte Hamann und darin insbesondere das erste und das vierte Kapitel empfehlen. Hier ein paar Schnippsel:

Hamann schrieb:
Um politischen Missverständnissen vorzubeugen, betone ich hier das eigentlich Überflüssige: der Leser möge sich bitte bewusst sein, dass es sich in diesem Buch nicht um das heutige - vorwiegend deutschsprachige - Österreich handelt, sondern um ein Vielvölkerreich mit nichtdeutscher Mehrheit. Die Volkszugehörigkeit wurde in diesem Staat laut Gesetz durch die Umgangssprache definiert. Wenn von Tschechen, Slowenen, Italienern, Deutschen und all den anderen die Rede ist, handelt es sich um verschiedensprachige Bürger der k.u.k. Monarchie.

Hamann schrieb:
Nach dem in der k.u.k. Monarchie üblichen Kriterium, dass die Nationalität durch die einbekannte Umgangssprache bestimmt war, ergab sich folgende Zusammensetzung [der nationalen Zusammensetzung des Parlaments, Zahlen, wenn ich das richtig sehe für 1907]: 233 Deutsche, 107 Tschechen, 82 Polen, 33 Ruthenen, 24 Slowenen, 19 Italiener sowie 13 Kroaten und 5 Rumänen.


Hamann schrieb:
Zehn Sprachen waren zugelassen: Deutsch, Polnisch, Ruthenisch, Serbisch, Kroatisch, Slowenisch, Italienisch, Rumänisch und Russisch. Jeder Abgeordnete hatte das Recht, in seiner Muttersprache zu reden. Dolmetscher gab es aber nicht.
Dazu kamen Einschränkungen: Als 1907 ein polnischer Abgeordneter aus Galizien versuchte russisch zu sprechen, wurde das als Sympathie für den Panslawismus gewertet und sofort verboten. Andererseits durfte Dr. Dimitri Markow, "radikaler Russe" aus Galizien, seine Reden in Russisch halten, da es sich hier um seine Muttersprache handelte.

Hamann schrieb:
Bei derart komplizierten Verhältnissen konnte über parlamentarische Verfahrensfragen tagelang debattiert und schon damit jede Parlamentsarbeit blockiert werden. [...] Manche nichtdeutsche Abgeordnete nutzten das Fehlen von Dolmetschern und die fehlende Redezeitbeschränkung aus: Da die meisten anderen sie nicht verstanden, ihre Reden auch nicht protokolliert wurden [...] war eine Kontrolle schwierig, ob sie wirklich nur über den akuten Antrag gesprochen oder nicht etwa mit Gedichtaufsagen oder ständigen Wiederholungen Zeit geschunden wurde.
 
Wenn ich das richtig verstehe, handelt es sich hier nicht um das "k.u.k."-Parlament, sondern um das nur für Österreich zuständige.
In Budapest saß dann noch das für das ungarische Königreich zuständige Parlament. Ich habe dazu keine Informationen, würde aber vermuten, daß dort nur Ungarisch als Parlamentssprache zulässig war, obwohl natürlich in diesem Reichsteil auch Deutsche, Polen, Slowaken, Kroaten, Serben, Ukrainer und weitere lebten.

Die einzige Institution, die sprachlich halbwegs homogen war, war die Armee: Dort galt im wesentlichen Deutsch als Kommandosprache, wurde wohl auch von allen Offizieren verwendet, nur die Mannschaften sprachen ihre Heimatsprache.
 
In Budapest saß dann noch das für das ungarische Königreich zuständige Parlament. Ich habe dazu keine Informationen, würde aber vermuten, daß dort nur Ungarisch als Parlamentssprache zulässig war, obwohl natürlich in diesem Reichsteil auch Deutsche, Polen, Slowaken, Kroaten, Serben, Ukrainer und weitere lebten.

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Imposanter Bau, das ungarische Parlament. Elektizistisch sei der Baustil.

Gibt es da nicht die Geschichte, dass aus Protest mal eine Weile die Reden nur auf Latein gehalten wurden?
 
Ich meinte einmal gelesen zu haben, dass in Ungarn bis 1932 Latein die offizielle Sprache des Parlaments war. Jedenfalls sollen die meisten Abgeordneten ihre Reden in Latein gehalten haben. Leider kann ich mich aber nicht mehr an die Quelle erinnern, da dies schon einige Zeit her ist.
 
Ich meinte einmal gelesen zu haben, dass in Ungarn bis 1932 Latein die offizielle Sprache des Parlaments war.
Das einzige, was ich dazu gefunden hab, war ein Satz bei Wiki, daß 1825 ungarisch das Lateinische als Amtssprache in den Ländern der ungarischen Krone ablöste.

Joseph II. wollte bereit Ende des 18. Jhdts. im Zuge seiner Bestrebungen, aus Österreich einen Einheitsstaat zu machen, deutsch zur Einheitssprache erheben. Dies konnte er aber m.W. nicht durchsetzen.

Die beiden genannten Punkte verdienen sicherlich eine Erwähnung in o.g. Arbeit.
 
JosephII (?) wollte Deutsch als Debattiersprache vorschreiben?

Das hatte ich auch so in Erinnerung; eine kurze stichpunktartige Liste meines Kenntnisstandes zur Entwicklung der Amtssprache in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie - nicht weiter verifiziert, so daß ich ausdrücklich um Korrekturen und/oder Ergänzungen bitte, wenn es jemand genauer und v.a abgesichert weiß.
1784 installiert Joseph II. Deutsch als alleinige Amtssprache
1844 Gesetz zur Einführung von Ungarisch als Amtssprache in Ungarn und den ihm zugeordneten Landesteilen (möglicherweise in Ungarn schon 1825 - vgl. Aussage der Wikipedia von Tekker)
1868 Ungarisch löst Deutsch als Amtssprache in der Slowakei ab
1869 Polnisch als Amtssprache in Galizien erlaubt
1886 Tschechisch als Amtssprache in Böhmen und Mähren erlaubt
 
Wenn ich das richtig verstehe, handelt es sich hier nicht um das "k.u.k."-Parlament, sondern um das nur für Österreich zuständige.
In Budapest saß dann noch das für das ungarische Königreich zuständige Parlament. Ich habe dazu keine Informationen, würde aber vermuten, daß dort nur Ungarisch als Parlamentssprache zulässig war, obwohl natürlich in diesem Reichsteil auch Deutsche, Polen, Slowaken, Kroaten, Serben, Ukrainer und weitere lebten.

Das ist richtig, Ungarn hatte sein eigenes Parlament. Das wird aber in Hitlers Wien, ein Buch, dass sich logischerweise mit dem beschäftigt, was Hitler vorgibt in Wien erlebt zu haben, was er tatsächlich erlebt hat und was er erlebt haben könnte, nur am Rande erwähnt. Zur dortigen Sprachpolitik kann ich daher nichts beisteuern.

Gast schrieb:
Lässt sich die Identität von Nationen nur an Sprache festhalten?

Hallo Gast,

[Liebe Conmoderatores, liebe Mitglieder, ich will hier im Folgenden keine politische Diskussion vom Zaun brechen, sondern versuchen historische gewachsene Ist-Zustände zu beschrieben, um das Problem Identität und Sprache von verschiedenen Seiten zu beleuchten.]

ich habe mir ein paar Gedanken zu Deiner Frage, in wie weit Identität und Sprache zusammenhängen, gemacht, dabei werde ich aber sehr stark vom Habsburger-Thema abweichen. Ich hoffe trotzdem, Dir damit zu helfen, ein paar grundsätzliche Gedanken zu fassen über den Zusammenhang nationaler Identität und Sprache:

Schaust Du in den Niger, wirst Du sehen, dass die dortigen Tuareg – entgegen der Verfassung des Niger – Sklaven halten. Sie nennen sie nicht so, aber sie behandeln sie als Sklaven. Was unterscheidet diese Sklaven von den Tuareg? Sie sprechen die gleiche Sprache, tragen die gleiche Kleidung, essen und trinken das gleiche und haben bis auf geringe Unterschiede dieselbe Lebensweise (Sklaven dürfen keine Kamele reiten, Tuareg müssen gewisse Arbeiten nicht verrichten). Es ist die Hautfarbe, die den Unterschied macht. Die Sklaven haben eine schwarzafrikanische Herkunft (ich will das ganze jetzt nicht dadurch komplizierter machen, dass es natürlich auch Vermischungen gibt und manches Sklavenmädchen daher auch freie Kinder gebiert, welche dann zu den Tuareg gezählt werden).

Schauen wir auf den Balkan: wenn ich richtig informiert bin, sprechen Serben und Kroaten dieselbe Sprache, vielleicht die Kroaten ein wenig mehr romanisch, die Serben ein wenig mehr griechisch beeinflusst. Was aber unterscheidet die beiden Sprachen voneinander? Die eine benutzt – religiös motiviert – das lateinische Alphabet, die andere – genauso religiös motiviert – das kyrillische Alphabet. Hier sind es also Konfession und Alphabet, welches die Identität konstituieren.

Wenn Du nach Spanien schaust, dort gibt es einen Streit darum, welche Sprache man spricht. Zunächst einmal wird in vielen autonomen Regionen der Zentralstaat als faschistisch gesehen, weshalb der ultranationale Separatismus der ‚nichtspanischen’ Autonomien gemeinhin als ‚links’ wahrgenommen wird – eine für Mitteleuropäer eher befremdliche Wahrnehmung. Es geht aber noch weiter. Gesellschaftlich nicht unbedeutende Gruppen der Autonomen Regionen Valencia und Baleares, die einen tertiären Dialekt vom Katalanischen sprechen, behaupten, Valenciano und Balear seien eigenständig aus dem Vulgärlateinischen entstandene Sprachen, also sekundäre Dialekte. Das lässt sich zwar weder philologisch noch historisch halten, wird aber in der Abgrenzung zum Zentralstaat und auch nach Katalonien so gehalten. Ähnliche Ideen gibt es in Andalusien, wenn auch noch verschwindend gering: manche radikale Andalucistas behaupten, das Andalusische sei kein tertiärer Dialekt aus dem Kastilischen (was es historisch und philologisch ist) sondern die Fortentwicklung des mozarabischen, also der romanischen Sprache der Christen unter der muslimischen Herrschaft al-Andalus’. Manche Extremisten gehen sogar noch weiter und behaupten gar, es sei umgekehrt: das Kastilische sei als tertiärer Dialekt aus dem Mozarabisch-Andalusischen entstanden. Um das ganze vollends kompliziert zu machen, gibt es – im Übrigen schon seit dem 16. Jahrhundert – die Frage, was denn überhaupt Spanisch sei [seit dem 16. Jahrhundert existiert de facto der spanische Staat – juristisch-politisch ist das um einiges komplizierter]. Schließlich sei Hispania nicht auf die später Kastilischen Gebiete beschränkt gewesen. Die spanische Verfassung von 1978 spricht von lenguas españolas. Manche Separatisten nehmen für ihre Sprache den Namen ‚Spanisch’ in Anspruch [und definieren das, was wir als Spanisch kennen als ‚Kastilisch’], andere lehnen das rundweg ab, weil Spanien für sie gleichbedeutend mit dem abgelehnten Zentralstaat ist.

Richten wir unseren Blick auf Lateinamerika: Als ich das erste Mal in LA war, in Argentinien, lernte ich dort, dass die Sprache castellano, also ‚Kastilisch’, heißt, denn español wäre all das, was mit dem spanischen Staat zu tun habe. Für mich war daher die Gleichung: Spanisch in Lateinamerika = castellano. Falsch gedacht, wie ich bei meiner zweiten LA-Reise nach Venezuela feststellen musste: Hier sprach ich von castellano, wie ich das in Argentinien gelernt hatte, wurde aber gleich verbessert: español. Warum? Weil castellano für die spanischen Regionen Castilla-León und Castilla La Mancha stünde und vielleicht den dortigen Dialekt des Spanischen bezeichne, aber eben nicht die Hochsprache. (Wer soll sich da noch auskennen???)

Langer Rede –kurzer Sinn: Das Verhältnis von Identität und Sprache ist äußerst kompliziert.

Ach ja, und dann gibt es einen Ausdruck im Spanischen der heute noch die Sprache der Spanischen Inquisition und der Vertreibung der moriscos aus Spanien reflektiert: ¡Háblame en cristiano! – ‚Sprich mit mir christlich!’ sagt man, wenn jemand sich unverständlich ausdrückt.




 
Das wird aber in Hitlers Wien, ... nur am Rande erwähnt.
Schon klar - ich wollte nur unseren Gast dafür sensibilisieren, daß er hier eine Teilantwort hat, schließlich hat er nach k. und k. insgesamt gefragt.

Deine Ausführungen zu Sprachen und Identität sind hochinteressant.

Für die Habsburger Monarchie würde ich sagen, daß in den meisten Fällen Sprache und nationale Identität zusammenfallen. D.h. wer ungarisch oder tschechisch als Muttersprache hat, fühlte sich als Ungar oder Tscheche.

Und dann gibt es die interessanten Ausnahmen: Wenn es zu dieser Sprache noch auswärtig einen Nationalstaat gat, wie bei Italienern, Serben oder Russen. Da hing es wohl vom Einzelnen ab, ob er sich als Österreich oder Ungar italienischer, serbischer oder russischer Sprache sah - oder als Angehöriger einer anderen Nation, der unter Fremdherrschaft leben muß.

Analog das Problem der Polen, deren Nationalstaat zu dieser Zeit gerade mal nicht existierte (was für persönliche Zugehörigkeitsgefühle keine Hindernis sein muß).

Und schließlich gab es noch die Sonderstellung der deutsch oder jiddisch sprechenden Juden mit den "üblichen" Identitätsproblemen (die eher von der übrigen Gesellschaft als von ihnen selber gesehen wurden).

Schließlich noch eine kleine Nachfrage: Was ist mit "sekundären" und "tertiären" Dialekten gemeint?
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr informativ was Du hier zu den sprachverhältnissen Spaniens schreibt.
Das hätte doch einen eigenen Thread verdient.
Zu was bist Du denn moderator?

Langer Rede –kurzer Sinn: Das Verhältnis von Identität und Sprache ist äußerst kompliziert.

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Auf ÖU bezogen ist höchst interessant, dass die "Österreicher italienischer Zunge" von Trient bis Split alles andere als begeistert waren, als sie 1918 befreit wurden.
Triest beispielsweise hat nie wieder die Bedeutung als Hafenstadt bekommen die es 1914 hatte.
 
Analog das Problem der Polen, deren Nationalstaat zu dieser Zeit gerade mal nicht existierte (was für persönliche Zugehörigkeitsgefühle keine Hindernis sein muß).

In der Darstellung von Brigitte Hamann waren die Polen die einzige nationale Gruppe, die nicht versuchten, die Parlamentsarbeit aus nationalistischen Gründen zu torpedieren, gerade weil sie nur einen Landesteil repräsentierten und es ihren Landsleuten unter preußischer Herrschaft schlechter gegangen sei. Wie gesagt, ich habe nur Schnippsel aus ihrer Darstellung eingeworfen.

Und schließlich gab es noch die Sonderstellung der deutsch oder jiddisch sprechenden Juden mit den "üblichen" Identitätsproblemen (die eher von der übrigen Gesellschaft als von ihnen selber gesehen wurden).
Auch darauf geht Hamann sehr intensiv ein.

Schließlich noch eine kleine Nachfrage: Was ist mit "sekundären" und "tertiären" Dialekten gemeint?
Ich erkläre es mal anhand der iberischen Sprachen. Diese gehen alle auf das Lateinische zurück. Nehmen wird das Vulgärlateinische iberischer Prägung als primären Dialekt an, sind die sich daraus entwickelnden Dialekte sekundäre Dialekte. Das wären z.B. Katalanisch, Galizisch etc. Aus Katalanisch haben sich die die tertiären Dialekte Valenciano und Balear, aus Galizisch der tertiäre Dialekt Portugiesisch entwickelt. Nichtsdestotrotz hat sich Portugiesisch zu einer Hochsprache entwickelt, was zeigt dass Dialekte und Hochsprache linguistisch eigentlich nicht zu unterscheiden sind. Erst durch Normierung und Literaturgebrauch wird aus einem Dialekt eigentlich erst eine Hoch- oder Dachsprache.
 
Sehr informativ was Du hier zu den sprachverhältnissen Spaniens schreibst. Das hätte doch einen eigenen Thread verdient. Zu was bist Du denn Moderator?

Ich habe es ja nicht geschrieben um mein Interesse an Spanien auszuleben, sondern um Überlegungen zum Problem Sprache = Identität artikulieren zu können.

Auf ÖU bezogen ist höchst interessant, dass die "Österreicher italienischer Zunge" von Trient bis Split alles andere als begeistert waren, als sie 1918 befreit wurden.
Triest beispielsweise hat nie wieder die Bedeutung als Hafenstadt bekommen die es 1914 hatte.
Da spielen dann handfeste ökonomische Interessen eine große Rolle.
 
Da spielen dann handfeste ökonomische Interessen eine große Rolle.


OT:
Sage ich zu meinem Bekannten, Südtiroler, seit Jahrzehnten in BW lebend,
sage ich "Du L..., sag mal, wenn ich so durch Tirol fahre, Nordtirol, Südtirol, ich glaube den Südtirolern gehts heute besser als den Nordtirolern."
L...:
"Ja klar, da kann man das Finanzamt besser bescheißen"
 
Auf ÖU bezogen ist höchst interessant, dass die "Österreicher italienischer Zunge" von Trient bis Split alles andere als begeistert waren, als sie 1918 befreit wurden.
Triest beispielsweise hat nie wieder die Bedeutung als Hafenstadt bekommen die es 1914 hatte.

Stimmt!!
das habe ich auch gefunden. Gut, wie begeistert oder auch nicht die anderen waren, kann ich nicht richtig beurteilen. Die Slowaken und die Tschechen waren es glaube ich schon. Aber, was ich interessant finde, ist, dass noch lange vor dem Krieg eigentlich keiner der Nationalitäten ausserhalb des Kaiserreiches leben wollte. Das einzige was sie forderten war eine Gleichberechtigung mit den Deutschen und später den Ungarn. Deshalb habe ich gefragt, ob das ganze System hätte funktionieren können? Wäre es ihnen gegeben worden, den es war nicht.
In Ungan überhaupt nicht, da ging es teilweise richtig fies zu. In Österreich teilweise schon, aber die haben auch ihre Spielchen gespielt.
Es wird ja behauptet, dass OÜ an ihrer Nationalitätenfrage gescheitert sei.
 
Auf ÖU bezogen ist höchst interessant, dass die "Österreicher italienischer Zunge" von Trient bis Split alles andere als begeistert waren, als sie 1918 befreit wurden.
Triest beispielsweise hat nie wieder die Bedeutung als Hafenstadt bekommen die es 1914 hatte.
Stimmt!!
das habe ich auch gefunden.
Sehr interessant und mir völlig neu. Hättet ihr da evtl. einen Link dazu?

Deshalb habe ich gefragt, ob das ganze System hätte funktionieren können?
Das Ende der Donaumonarchie hat meiner Ansicht nach zu vielfältige Gründe, als daß man es auf die Sprachsache reduzieren könnte. Aber eben auch dies "ungelöste Problem" trug dazu bei.
 
Dieser folgende Text beschreibt nicht mehr die habsburgische Sprachpolitik, informiert aber ein wenig über die posthabsburgische Identität der Österreicher. Der Text stammt von Walter M. Weiss und ist aus dem Dumontreiseführer Wien. Vielleicht kannst Du ja über den Verlag (dumontreise.de) den Verfasser kontaktieren und so an die Umfrage von 1988 kommen (falls dich das überhaupt bei Deiner Arbeit weiter bringt).

ZWEI UNGLEICHE BRÜDER DAS VERHÄLTNIS ÖSTERREICH - DEUTSCHLAND AUS WIENER SICHT
Wenn zwei Wiener, die miteinander Deutsch sprechen, heute im fremdsprachigen Ausland gefragt werden: »Are you German?«, wird die überwältigende Mehrheit unter ihnen, nämlich 87 %, antworten: »No, we are Austrians.« Nur sechs von hundert werden zustimmen, und drei werden ergänzen: »Germans from Austria!« Dieses Resultat einer Umfrage, mit der kurz vor dem Gedenkjahr 1988 (50 Jahre nach dem Anschluss an Hitler-Deutschland) das Österreichbewusstsein untersucht wurde, mag der Nachkriegsgeneration als selbstverständlich erscheinen. Ältere Semester werden es jedoch als durchaus bemerkenswertes Ergebnis eines mühsamen Emanzipationsprozesses empfinden, denn sie haben die großen Identitätskrisen der Nation während der ersten Jahrhunderthälfte noch gut in Erinnerung.
Das Verhältnis der Österreicher zu ihren Nachbarn im Nordwesten ist von altersher von einem Wechselbad der Gefühle bestimmt. 1848 etwa schwärmte man auch an der Donau für ein gemeinsames deutsches Reich, für die Ideale der Paulskirche und die Revolutionsfarben Schwarz-Rot-Gold. Doch spätestens im Bruderkrieg von 1866 gegen Preußen erkannte man mit Verbitterung, dass Bismarck eine kleindeutsche Lösung anstrebte. Die Niederlage bei Königgrätz und der Ausgleich mit Ungarn im Jahr darauf (1867) nagten am Selbstbewusstsein der deutschsprachigen Österreicher. Und je mehr ihre Macht schrumpfte und jene Bismarcks wuchs, desto stärker wurde die Sehnsucht nach Anbindung an den jungen wilhelminischen Staat.
Außenpolitisch besiegeln die Habsburger 1879 mit dem Zweibund ihre Abhängigkeit vom Deutschen Reich, die bis zum Ersten Weltkrieg stetig wachsen sollte. Als die Monarchie schließlich zusammenbricht, hält niemand den winzigen Reststaat für lebensfähig: Die provisorische Nationalversammlung proklamiert im November 1918 den neuen Staat als Bestandteil der >Deutschen Republik< und nennt ihn folgerichtig >Deutschösterreich< - ein Name, der erst 1919 auf Verlangen der Siegermächte in >Österreich< geändert wird.
Die Weimarer Republik zeigt dem anschlusswilligen Nachbarn in all diesen Jahren die kalte Schulter. Erst Adolf Hitler erklärt die Integration Österreichs zum politischen Ziel. Der gebürtige Braunauer hat freilich weniger die traditionelle ethnisch-kulturelle Einheit vor Augen als die Bodenschätze, Industrieanlagen und Goldreserven seiner Heimat - allesamt nützliche Bausteine für sein Aufrüstungsprogramm. Er degradiert das Land - mit Mussolinis Hilfe - nach und nach zum Satelliten Deutschlands und »holt« es am 12. März 1938 ,>heim ins Reich«.
Die leidenschaftliche Liebe zu Deutschland erfährt ein jähes Ende. Österreich wird in die »Reichsgaue des Donau- und Alpenlandes« zerschlagen. Während der folgenden siebenjährigen Nacht erwacht - zuerst in den Emigranten, Widerstandskämpfern und KZ-Insassen aller politischer Couleur, allmählich aber in sämtlichen Schichten der ernüchterten Bevölkerung - ein neues Österreich-Bewusstsein. Dessen tragende Fundamente sind der Glaube an die Kleinstaatlichkeit und an das demokratische Prinzip. In den Nachkriegsjahren orientiert man sich in Wien vorwiegend an der Schweiz, fördert per Verfassung die föderalistischen Strukturen und über die Sozialpartnerschaft (vgl. S. 112) den politischen Interessenausgleich und bekennt sich - nach dem Staatsvertrag von 1955 - zur immerwährenden Neutralität.
Seither ist das Selbstvertrauen der Österreicher stetig gewachsen. Parolen wie »Deutschland, einig Vaterland« oder »Wir sind ein Volk« aus BRD und DDR knapp vor der Wiedervereinigung weckten bei kaum jemandem mehr zwiespältige Gefühle.
 
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