Das würde zumindest ein paar Fehleinschätzungen erklären. Aber hatte nicht die Natur, also der Winter, mit Schuld am Ausgang der Schlacht vor Moskau (zu mindest einen Anteil)? Oder war man im Führungsstab verblendet genug, um zu glauben, dass der Angriff auf Stalingrad im Sommer/Herbst vorüber wäre?
Zum Feldzug 1941: In der Tat, man ging in der deutschen Führung davon aus, das die Sowjetunion inerhalb weniger Wochen, die Angaben schwanken hier, die Sowjetunnion besiegt sei. Das war eine kolossale Fehleinschätzung. Diese gravierend falsche Einschätzung hat vielfältige Ursachen, wo von die personellen Kräfteverhältnisse nur ein Faktor ist, der unzutreffend kalkuliert wurde.
Zum Feldzug 1942: Nach wie vor war Hitler der Meinung, das die Entscheidung des Krieges im Osten gesucht werden müsse. Und dies obwohl der Krieg nunmehr ein Weltkrieg war. Die USA und Japan befanden sich seit Dezember 1941 auch im Krieg. Die Wehrmacht hat in diesem Krieg ihre erste große Niederlage erlitten. Seit dem Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion waren bereits über 1 Million Soldaten gefallen. Es herrschten auch Unsicherheiten hinsichtlich der Betriebsstofffrage, hinsichtlich der Pferdefrage und des Materials überhaupt. Das waren offene Fragen und Verluste in einer Größenordnung, die schon an die Substanz der Wehrmacht gingen. Es wäre vielleicht an der Zeit gewesen, die eigne Stratgie zu überdenken.
Aus der Weisung Nr. 41 geht hervor, das Stalingrad als Rüstungs- und Verkehrszentrum ausgeschaltet werden sollte, aber von einer vollständigen Eroberung war dort nicht die Rede. Des Weiteren sollten die Ölquellen im Kaukasus erobert werden. Der Generalstabschef des Heeres meinte noch im Sommer 1942, "dass die russische Widerstandskraft im Vergleich mit dem Vorjahre wesentlich schwächer geworden sei. [...] Deshalb müsse man sich darauf vorbereiten, dass die einzelnen Phasen der Operation Blau leichter und schneller durchgeführt werden würden, als bisher angenommen.(1)
Der Feldzug verlief zu Beginn, wie im Jahre 1941, äußert zügig. Halder notierte unsicher, "das tatsächliche Feindbild [...] noch nicht völlig klar. Es sind zwei Möglichkeiten gegeben. Entweder der Feind ist von uns überschätzt worden und ist durch den Angriff völlig zerschlagen
oder der Feind setzt sich planmäßig ab oder versucht es wenigstenss, um sich 1942 nicht endgültig zerschlagen zu lassen. (2)
Mitte Juli waren der Wehrmacht nicht so überragende Kesselschlachten wie 1941 mit einen großen Anzahl von Gefangenen gelungen.
Es wurden große Gebiete besetzt mit sehr langen offenen Flanken! Die Rote Armee operierte wesentlich geschickter als 1941. Hitler hielt es angesichts der Anfangerfolge der Offensive
für nötig mehrere Divisionen, darunter auch 2 Panzerdivisionen, aus der laufenden Offensive, gegen den entschiedenen Widerstand des Generalstabschef des Heeres Halder, herauszuziehen, um diese anderweitig einzusetzen. Das war eine Fehlentscheidung, denn die Kräfte waren ohnehin schon so gering genug. Hitler überschätzte die eigenen Möglichekiten und unterschätze die des Gegners.
In Hitlers Weisung Nr.45 vom 23.Juli 1942 kann man dann folgende markige Sätze lesen: "In einem Feldzug von wenig mehr als drei Wochen sind die von mir gesteckten Ziele im wesentlichen erreicht worden. Nur schwächeren feindlichen Kräften der Armeen Timoschenkos ist es gelungen sich der Umfassung zu entziehen und das südliche Donufer zu erreichen.Mir ihrer Verstärkung aus dem Kaukasusgebiet ist zu rechnen."
Hitler zog nun den katastrophalen Schluß, den Angriff auf den Kaukasus und Stalingrad gleichzeitig zu beginnen und hierfür die Kräfte entsprechend zu teilen. Es ist natürlich auch der enorme Zeitdruck zu berücksichtigen, unter dem die ganze Operation stand. So sollte die Heersgruppe A den entscheidenen kaukasischen Raum einschließlich Baku und der Schwarzmeerküste erobern, während die Heeresgruppe B Stalingrad ausschalten sollte. Das Ergebnis ist bekannt.
(1) KTB OKW, Bd.II/3 S.448
(2) Halder, KTB III, S.475 vom 06.07.1942