Der Fregattenkapitän Frank Nägler vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam hat in „Skagerrakschlacht“ von Epkenhans/Hillmann/Nägler hat einen weitgehend an Originaldokumenten orientierten Aufsatz über „Operative und strategische Vorstellungen der Kaiserlichen Marine vor dem Ersten Weltkrieg“ veröffentlicht.
Ausgangspunkt ist die Dienstschrift Nr. IX von 1894 mit dem Dogma der Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen. Dies bedeutete immer einen Angriff der Gegenseite (England) an die deutsche Küste mit dem – damals rechtlich einzig zulässigen Ziel – der engen Blockade, dem man aufgrund der Nähe zu den eigenen Stützpunkten und Vertrautheit mit den heimischen Gewässern, den Torpedobooten (mit kleinem Aktionsradius) und der taktischen Verbandsausbildung begegnen wollte. Früh kam auch der Gedanke von überraschenden Gegenschlägen auf mit dem Ziel (englische) Ostküste, insbesondere Themsemündung (einfache Fahrtzeit für die 300 sm bei 15 kn Fahrt 20 Stunden). Aus englischer Sicht sollte diese Option den Zwang zur engen Blockade unterstreichen. Die beschränkten finanziellen Möglichkeiten des Reiches bedingten die Konzentration auf die Schlachtflotte, d.h. auf die strategische Defensive aus der Deutschen Bucht.
Unter Wilhelm Büchsel, Chef des Admiralstabes von 1902-1908, war dies alles noch Theorie. Die Ausführungen zu den Möglichkeiten Büchsels ließ bei mir den Gedanken hochkommen, dass Deutschland (als Exportland) den Status eines halbsouveränen Landes hatte, denn es gab zumindest Anfangs keine ernsthafte Verteidigungsmöglichkeit gegen England. Die Gegenschläge gegen die Navy hatten den Charakter von Himmelfahrtsunternehmen ohne wirkliche militärische Wirkung. Der Marine blieb als militärisches Mittel nur, das Heer zu bitten Dänemark zu besetzen und mit Mittelnder Armee die Belte gegen einen Einbruch Englands in die Ostsee abzuriegeln. Ein erster Vorstoß diesbezüglich soll von Bendemann 1899 erfolgt sein, das Heer lehnte (endgültig 1905) ab. Büchsel konzentrierte sich zunächst auf die Verteidigung der Ostsee (um den wichtigen Handel mit Schweden aufrechtzuerhalten) und wollte die Engländer zu verlustreichen Kämpfen an den Belten zwingen. Die starke Schädigung des Gegners wurde dann auch das Ziel in der Nordsee, diese Schädigung sollte zu einem Risiko bezüglich Drittstaaten werden. Ein solches politisches Risiko sollte militärische Defizite ausgleichen. An dieser Stelle kam zum ersten Mal der Gedanke einer weiten Blockade auf (als englische Abwehrreaktion zur Risikoflotte), die freilich noch als unwahrscheinlich bezeichnet wurde.
Als Friedrich Graf Baudissin Chef des Admiralstabes (1908/09) wurde die weite Blockade (bedeutet hier Sicherheitsabstand des englischen Gros von 170 sm von der deutschen Küste) schon ernsthafter diskutiert. Die (alte) Erkenntnis der englischen Möglichkeiten wurde neu diskutiert. England konnte (i) die deutsche Flotte vernichten oder (ii) die Nordsee abschließen. Beides hat das gleiche Ergebnis, den Abschluss Deutschlands vom Weltverkehr. Der Unterschied ist ein Zeitfaktor (der Deutschland keine Vorteile, sondern Nachteile bringt). Daraus folgerte Graf Baudissin, dass die Hochseeflotte sofort (innerhalb Stunden, da eine Einschließung durch Minenoffensiven droht) angreifen müsse. Das Schlachtfeld ist nicht mehr die eigene, sondern die englische Ostküste (genannt wurden Dover, Themse, Harwich, Humber, Tyne Teesbay, Firth of Forth, Dundee).
Der Übergang zum Großschiffbau, der das Übergewicht der Navy etwas schmälerte, änderte den sicherlich riskanten Ansatz unter dem nächsten Admiralstabschef Max von Fischel (1909-1911), allerdings hauptsächlich wegen der notwendigen Kanalerweiterungen für die Großkampfschiffe, die bis kurz vor Kriegsausbruch auf den Weg um Skagen angewiesen waren. Die Einschränkungen durch den Kanalbau war Anlass, die grundsätzliche Strategie zu überprüfen. Die ausführliche Denkschrift 1910 führte allerdings zu keiner grundsätzlichen Änderung. Es blieb bei einer offensiven Orientierung unter dem Vorbehalt günstiger Möglichkeiten.
Dabei blieb es bei August von Heeringen (1911-1913), der einen weiteren Rückzug der Navy von der deutschen Küste bemerkte, allerdings verbunden mit vorgeschobenen leichten Streitkräften. Diese wollte von Heeringen vordringlich bekämpfen und das englische Gros zu aufwendigen Hilfsmaßnahmen auf die deutsche Küste ziehen. Verbunden werden sollte die mit (ausnahmsweisen) Vorstößen auf die englische Küste.
Unter Hugo von Pohl (1913/14) erkannten die Deutschen einen weiteren Rücknahme der Unterstützungslinie der Engländer (Firth of Forth, Moray Firth). Man ging ab 1912 vondem aus, was gemeinhin als weite Blockade bezeichnet wird Darin sah man keine wirklichen Nachteile, konnte doch die Nordsee für Fernoffensiven zur englischen Ostküste genutzt werden (man ging nicht davon aus, dass die Nordsee quasi „deutsches“ Meer wurde, die Engländer mussten zwingend Sicherungen einbauen).
Als Fatal wird das Kriegsspiel 1913 angesehen. Unter Annahmen, die nicht den (richtigen) Ergebnissen der Aufklärung (und auch nicht der späteren englischen Kriegsführung) entsprachen (es ging um die Ausdehnung der englischen Bewachungslinie an die Deutsche Bucht), sollte die Frage geprüft werden, wieweit deutsche Offensiven mit Aussicht auf Erfolg ausgedehnt werden können. Das (falsche) Ergebnis war, dass „die Offensive mit den größten und besten Teil unserer Streitkräfte nicht so weit vorgetragen werden dürfe.“ Mit anderen Worten: Obwohl sich die Situation für die deutsche Strategie (seit 1908 mit Abwandlungen) immer besser entwickelt hat, ist diese zurückgenommen worden. Dies gipfelt im Operationsbefehl vom 30.07.1914. Erfolgversprechende (für die Navy mit großem Aufwand zu bekämpfende) Vorstöße unterblieben, als sie durchgeführt wurden, fehlte der Rückhalt der Hochseeflotte (Scarborough 16.12.1914)
Ausgangspunkt ist die Dienstschrift Nr. IX von 1894 mit dem Dogma der Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen. Dies bedeutete immer einen Angriff der Gegenseite (England) an die deutsche Küste mit dem – damals rechtlich einzig zulässigen Ziel – der engen Blockade, dem man aufgrund der Nähe zu den eigenen Stützpunkten und Vertrautheit mit den heimischen Gewässern, den Torpedobooten (mit kleinem Aktionsradius) und der taktischen Verbandsausbildung begegnen wollte. Früh kam auch der Gedanke von überraschenden Gegenschlägen auf mit dem Ziel (englische) Ostküste, insbesondere Themsemündung (einfache Fahrtzeit für die 300 sm bei 15 kn Fahrt 20 Stunden). Aus englischer Sicht sollte diese Option den Zwang zur engen Blockade unterstreichen. Die beschränkten finanziellen Möglichkeiten des Reiches bedingten die Konzentration auf die Schlachtflotte, d.h. auf die strategische Defensive aus der Deutschen Bucht.
Unter Wilhelm Büchsel, Chef des Admiralstabes von 1902-1908, war dies alles noch Theorie. Die Ausführungen zu den Möglichkeiten Büchsels ließ bei mir den Gedanken hochkommen, dass Deutschland (als Exportland) den Status eines halbsouveränen Landes hatte, denn es gab zumindest Anfangs keine ernsthafte Verteidigungsmöglichkeit gegen England. Die Gegenschläge gegen die Navy hatten den Charakter von Himmelfahrtsunternehmen ohne wirkliche militärische Wirkung. Der Marine blieb als militärisches Mittel nur, das Heer zu bitten Dänemark zu besetzen und mit Mittelnder Armee die Belte gegen einen Einbruch Englands in die Ostsee abzuriegeln. Ein erster Vorstoß diesbezüglich soll von Bendemann 1899 erfolgt sein, das Heer lehnte (endgültig 1905) ab. Büchsel konzentrierte sich zunächst auf die Verteidigung der Ostsee (um den wichtigen Handel mit Schweden aufrechtzuerhalten) und wollte die Engländer zu verlustreichen Kämpfen an den Belten zwingen. Die starke Schädigung des Gegners wurde dann auch das Ziel in der Nordsee, diese Schädigung sollte zu einem Risiko bezüglich Drittstaaten werden. Ein solches politisches Risiko sollte militärische Defizite ausgleichen. An dieser Stelle kam zum ersten Mal der Gedanke einer weiten Blockade auf (als englische Abwehrreaktion zur Risikoflotte), die freilich noch als unwahrscheinlich bezeichnet wurde.
Als Friedrich Graf Baudissin Chef des Admiralstabes (1908/09) wurde die weite Blockade (bedeutet hier Sicherheitsabstand des englischen Gros von 170 sm von der deutschen Küste) schon ernsthafter diskutiert. Die (alte) Erkenntnis der englischen Möglichkeiten wurde neu diskutiert. England konnte (i) die deutsche Flotte vernichten oder (ii) die Nordsee abschließen. Beides hat das gleiche Ergebnis, den Abschluss Deutschlands vom Weltverkehr. Der Unterschied ist ein Zeitfaktor (der Deutschland keine Vorteile, sondern Nachteile bringt). Daraus folgerte Graf Baudissin, dass die Hochseeflotte sofort (innerhalb Stunden, da eine Einschließung durch Minenoffensiven droht) angreifen müsse. Das Schlachtfeld ist nicht mehr die eigene, sondern die englische Ostküste (genannt wurden Dover, Themse, Harwich, Humber, Tyne Teesbay, Firth of Forth, Dundee).
Der Übergang zum Großschiffbau, der das Übergewicht der Navy etwas schmälerte, änderte den sicherlich riskanten Ansatz unter dem nächsten Admiralstabschef Max von Fischel (1909-1911), allerdings hauptsächlich wegen der notwendigen Kanalerweiterungen für die Großkampfschiffe, die bis kurz vor Kriegsausbruch auf den Weg um Skagen angewiesen waren. Die Einschränkungen durch den Kanalbau war Anlass, die grundsätzliche Strategie zu überprüfen. Die ausführliche Denkschrift 1910 führte allerdings zu keiner grundsätzlichen Änderung. Es blieb bei einer offensiven Orientierung unter dem Vorbehalt günstiger Möglichkeiten.
Dabei blieb es bei August von Heeringen (1911-1913), der einen weiteren Rückzug der Navy von der deutschen Küste bemerkte, allerdings verbunden mit vorgeschobenen leichten Streitkräften. Diese wollte von Heeringen vordringlich bekämpfen und das englische Gros zu aufwendigen Hilfsmaßnahmen auf die deutsche Küste ziehen. Verbunden werden sollte die mit (ausnahmsweisen) Vorstößen auf die englische Küste.
Unter Hugo von Pohl (1913/14) erkannten die Deutschen einen weiteren Rücknahme der Unterstützungslinie der Engländer (Firth of Forth, Moray Firth). Man ging ab 1912 vondem aus, was gemeinhin als weite Blockade bezeichnet wird Darin sah man keine wirklichen Nachteile, konnte doch die Nordsee für Fernoffensiven zur englischen Ostküste genutzt werden (man ging nicht davon aus, dass die Nordsee quasi „deutsches“ Meer wurde, die Engländer mussten zwingend Sicherungen einbauen).
Als Fatal wird das Kriegsspiel 1913 angesehen. Unter Annahmen, die nicht den (richtigen) Ergebnissen der Aufklärung (und auch nicht der späteren englischen Kriegsführung) entsprachen (es ging um die Ausdehnung der englischen Bewachungslinie an die Deutsche Bucht), sollte die Frage geprüft werden, wieweit deutsche Offensiven mit Aussicht auf Erfolg ausgedehnt werden können. Das (falsche) Ergebnis war, dass „die Offensive mit den größten und besten Teil unserer Streitkräfte nicht so weit vorgetragen werden dürfe.“ Mit anderen Worten: Obwohl sich die Situation für die deutsche Strategie (seit 1908 mit Abwandlungen) immer besser entwickelt hat, ist diese zurückgenommen worden. Dies gipfelt im Operationsbefehl vom 30.07.1914. Erfolgversprechende (für die Navy mit großem Aufwand zu bekämpfende) Vorstöße unterblieben, als sie durchgeführt wurden, fehlte der Rückhalt der Hochseeflotte (Scarborough 16.12.1914)