Strategie der kaiserlichen Marine

admiral

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Der Fregattenkapitän Frank Nägler vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam hat in „Skagerrakschlacht“ von Epkenhans/Hillmann/Nägler hat einen weitgehend an Originaldokumenten orientierten Aufsatz über „Operative und strategische Vorstellungen der Kaiserlichen Marine vor dem Ersten Weltkrieg“ veröffentlicht.

Ausgangspunkt ist die Dienstschrift Nr. IX von 1894 mit dem Dogma der Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen. Dies bedeutete immer einen Angriff der Gegenseite (England) an die deutsche Küste mit dem – damals rechtlich einzig zulässigen Ziel – der engen Blockade, dem man aufgrund der Nähe zu den eigenen Stützpunkten und Vertrautheit mit den heimischen Gewässern, den Torpedobooten (mit kleinem Aktionsradius) und der taktischen Verbandsausbildung begegnen wollte. Früh kam auch der Gedanke von überraschenden Gegenschlägen auf mit dem Ziel (englische) Ostküste, insbesondere Themsemündung (einfache Fahrtzeit für die 300 sm bei 15 kn Fahrt 20 Stunden). Aus englischer Sicht sollte diese Option den Zwang zur engen Blockade unterstreichen. Die beschränkten finanziellen Möglichkeiten des Reiches bedingten die Konzentration auf die Schlachtflotte, d.h. auf die strategische Defensive aus der Deutschen Bucht.

Unter Wilhelm Büchsel, Chef des Admiralstabes von 1902-1908, war dies alles noch Theorie. Die Ausführungen zu den Möglichkeiten Büchsels ließ bei mir den Gedanken hochkommen, dass Deutschland (als Exportland) den Status eines halbsouveränen Landes hatte, denn es gab zumindest Anfangs keine ernsthafte Verteidigungsmöglichkeit gegen England. Die Gegenschläge gegen die Navy hatten den Charakter von Himmelfahrtsunternehmen ohne wirkliche militärische Wirkung. Der Marine blieb als militärisches Mittel nur, das Heer zu bitten Dänemark zu besetzen und mit Mittelnder Armee die Belte gegen einen Einbruch Englands in die Ostsee abzuriegeln. Ein erster Vorstoß diesbezüglich soll von Bendemann 1899 erfolgt sein, das Heer lehnte (endgültig 1905) ab. Büchsel konzentrierte sich zunächst auf die Verteidigung der Ostsee (um den wichtigen Handel mit Schweden aufrechtzuerhalten) und wollte die Engländer zu verlustreichen Kämpfen an den Belten zwingen. Die starke Schädigung des Gegners wurde dann auch das Ziel in der Nordsee, diese Schädigung sollte zu einem Risiko bezüglich Drittstaaten werden. Ein solches politisches Risiko sollte militärische Defizite ausgleichen. An dieser Stelle kam zum ersten Mal der Gedanke einer weiten Blockade auf (als englische Abwehrreaktion zur Risikoflotte), die freilich noch als unwahrscheinlich bezeichnet wurde.

Als Friedrich Graf Baudissin Chef des Admiralstabes (1908/09) wurde die weite Blockade (bedeutet hier Sicherheitsabstand des englischen Gros von 170 sm von der deutschen Küste) schon ernsthafter diskutiert. Die (alte) Erkenntnis der englischen Möglichkeiten wurde neu diskutiert. England konnte (i) die deutsche Flotte vernichten oder (ii) die Nordsee abschließen. Beides hat das gleiche Ergebnis, den Abschluss Deutschlands vom Weltverkehr. Der Unterschied ist ein Zeitfaktor (der Deutschland keine Vorteile, sondern Nachteile bringt). Daraus folgerte Graf Baudissin, dass die Hochseeflotte sofort (innerhalb Stunden, da eine Einschließung durch Minenoffensiven droht) angreifen müsse. Das Schlachtfeld ist nicht mehr die eigene, sondern die englische Ostküste (genannt wurden Dover, Themse, Harwich, Humber, Tyne Teesbay, Firth of Forth, Dundee).

Der Übergang zum Großschiffbau, der das Übergewicht der Navy etwas schmälerte, änderte den sicherlich riskanten Ansatz unter dem nächsten Admiralstabschef Max von Fischel (1909-1911), allerdings hauptsächlich wegen der notwendigen Kanalerweiterungen für die Großkampfschiffe, die bis kurz vor Kriegsausbruch auf den Weg um Skagen angewiesen waren. Die Einschränkungen durch den Kanalbau war Anlass, die grundsätzliche Strategie zu überprüfen. Die ausführliche Denkschrift 1910 führte allerdings zu keiner grundsätzlichen Änderung. Es blieb bei einer offensiven Orientierung unter dem Vorbehalt günstiger Möglichkeiten.

Dabei blieb es bei August von Heeringen (1911-1913), der einen weiteren Rückzug der Navy von der deutschen Küste bemerkte, allerdings verbunden mit vorgeschobenen leichten Streitkräften. Diese wollte von Heeringen vordringlich bekämpfen und das englische Gros zu aufwendigen Hilfsmaßnahmen auf die deutsche Küste ziehen. Verbunden werden sollte die mit (ausnahmsweisen) Vorstößen auf die englische Küste.

Unter Hugo von Pohl (1913/14) erkannten die Deutschen einen weiteren Rücknahme der Unterstützungslinie der Engländer (Firth of Forth, Moray Firth). Man ging ab 1912 vondem aus, was gemeinhin als weite Blockade bezeichnet wird Darin sah man keine wirklichen Nachteile, konnte doch die Nordsee für Fernoffensiven zur englischen Ostküste genutzt werden (man ging nicht davon aus, dass die Nordsee quasi „deutsches“ Meer wurde, die Engländer mussten zwingend Sicherungen einbauen).

Als Fatal wird das Kriegsspiel 1913 angesehen. Unter Annahmen, die nicht den (richtigen) Ergebnissen der Aufklärung (und auch nicht der späteren englischen Kriegsführung) entsprachen (es ging um die Ausdehnung der englischen Bewachungslinie an die Deutsche Bucht), sollte die Frage geprüft werden, wieweit deutsche Offensiven mit Aussicht auf Erfolg ausgedehnt werden können. Das (falsche) Ergebnis war, dass „die Offensive mit den größten und besten Teil unserer Streitkräfte nicht so weit vorgetragen werden dürfe.“ Mit anderen Worten: Obwohl sich die Situation für die deutsche Strategie (seit 1908 mit Abwandlungen) immer besser entwickelt hat, ist diese zurückgenommen worden. Dies gipfelt im Operationsbefehl vom 30.07.1914. Erfolgversprechende (für die Navy mit großem Aufwand zu bekämpfende) Vorstöße unterblieben, als sie durchgeführt wurden, fehlte der Rückhalt der Hochseeflotte (Scarborough 16.12.1914)
 
Strategie im Krieg:

Am 06.12.1914 schlug der Von der Tann Kommandant, KzS Hahn, in einer Denkschrift vor, mit seinem Kreuzer Handelskrieg im Atlantischen Ozean zu führen, doch ist eine solche Unternehmung nicht durchgeführt worden, bzw. ließen sich die Voraussetzungen hierzu nicht schaffen.

Zu all den strategischen Anmerkungen für diverse Opertionspläne im Ernstfall fehlt ein wichtiges Detail:

Siehe hier:

http://www.geschichtsforum.de/390094-post5.html
 
Die Sache mit Dänemark steht in dem Absatz bzgl. der Amtszeit von Vizeadmiral Büchsel. Der Absatz umfasst einen Zeitraum von 6 Jahren. Ich habe Nägler so verstanden, dass die Besetzung Dänemarks und Schließung der Belte durch das Heer(!) Anfangs die einzige ernsthafte Kriegshandlung gegen England war. Die Marine war damals zu Kriegshandlungen gegen England nicht fähig. Das änderte sch mit der Zeit (die gesamte Entwicklung ist Gegenstand des threads) und erst in der zweiten Hälfte der Amtszeit Büchsel waren solche Gemeinschaftsunternehen bzw. Flottenvorstöße zum Schutz des Westausgangs des Kanals wie von Dir beschrieben möglich.
 
Ja was war denn deiner Meinung nach die Strategie der kaiserlichen Marine. So lange Tirpitz als Staatssekretär des Marineamtes tätig war, ging es einzig um die große Schlacht und als Vorwand für die enormen Kosten für den Aufbau einer großen Flotte, die die große Schlacht tragen soll, wurde der "Risikogedanke" (wohl analog zu dem britischen "Zweimächte-Standard") "erfunden", der nur in Richtung England als zu bezwingende Seemacht zielte.
 
Die Strategie der Kaiserlichen Marine war nach der Dienstschrift Nr. IX von 1894 die Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen wurden die Flottengesetze verabschiedet und die Schlachtflotte aufgebaut.
 
Die Strategie der Kaiserlichen Marine war nach der Dienstschrift Nr. IX von 1894 die Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen wurden die Flottengesetze verabschiedet und die Schlachtflotte aufgebaut.

Hier wäre Saleski: Tirpitz - Aufstieg/Macht/Scheitern - beachtenswert. Sicher war sein Grundansatz "in die Mitte und dann drauf". Die Hochseeflotte ist dafür gebaut worden, für die "rangierte Schlacht". Deshalb auch die Tirpitzschen "Hoplitenschiffe", zur Phalanx zusammengefaßt, theoretisch mit hohen Nehmerqualitäten.

Einen Schnitt machten u.a. die erst 5, dann 10 etc. Briten mit ihren 38cm-Geschützen, bei denen die Panzerung nicht mithalten konnte auf damals gängige Entfernungen - eben Kernschußweite, der nicht einmal die beeindruckenden Gürtelpanzer und Turmbarbetten standhalten. Ansonsten war die Achillesferse des Gedankens das real exisiterende Stärkeverhältnis.
 
Ich halte auch das 15"/42 Mk. I für die wohle gelungenste britishe Seekriegsinnovation seit der "Dreadnought". Obwzar das deutsche 30.5cm/50 Geschütz dem 13.5" Mk. I-VI ebenbürtig war, kam das 38cm/45 etwas spät. Die gesamte Bayernklasse kam eigentlich (zu) spät.
 
Ich glaube nicht, dass die Besetzung Dänemarks ein wahrscheinliches Szenario ist. Militärs prüfen Sachverhalte zunächst nach rein militärischen Gesichtspunkten. Das heißt noch lange nicht, dass solche Aktionen machbar oder wünschenswert sind. Die Besetzung Dänemarks war für das Heer nicht machbar (benötigt wurden 6 Divisionen, sämtlich mit besonders starker Artellerie, diese standen nicht zur Verfügung, vgl. Nägler in Epkenhans u.a., Skagerrakschlacht, S. 38 mit Hinweisen auf das Bundesarchiv-Militärarchive). Dann war eine solche Besetzung nicht wünschenswert, da – so habe ich zumindest gelesen – die skandinavischen Staaten ein Verteidigungsbündnis hatten und die Freundschaft Schwedens lebenswichtig für Deutschland war.

Bekanntlich wollten Wilhelm II. und Tirpitz (dieser war sogar bereit den Prager Frieden zu überprüfen und Nordschleswig zurückzugeben, Tirpitz, Erinnerungen, S. 156) politisch ein näheres Verhältnis zu Dänemark. Der damalige Reichskanzler lehnte entsprechende Aktivitäten ab, da er das dänische Volk für deutschfeindlich hielt und er Schwierigkeiten mit England und Russland befürchtete (Bülow, Denkwürdigkeiten, S. 79).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube nicht, dass die Besetzung Dänemarks ein wahrscheinliches Szenario ist.

Sehe ich auch so.

Ausgangspunkt war der Hinweis von Köbis auf einen Handelskrieg der Schlachtkreuzer im Atklantik. Ich halte das aus technischen Gründen für undurchführbar, insbesondere wegen der Kohlenversorgung. Hier lohnt ein Blick auf die Probleme des Kreuzergeschwaders sowie den tatsächlich vorgenommenen Handelskrieg einiger Kleiner Kreuzer. Ein deutsche Versorgungslinie für einen Großverband im atlantik kann ich mir nicht vorstellen.

Weitere Überlegungen dazu sind mir nicht bekannt; als verwandte Idee (solche gab es viele, es gibt hier wohl nichts, was man nicht findet ;) ) wurde die Aufnahme von Spees Geschwader durch die Schlachtkreuzer erwogen, im Durchbruch der britischen Blockade.
 
Die Ausführungen zur Amtszeit von Büchsel sind die nach Seitenzahl längsten, ich habe sie stark verkürzt wiedergegeben. Sie zeigen aber eindeutig, wie systematisch die Marine ihre Probleme löste (erst der Schiffsbau von Tirpitz, dann die Umsetzung vom Admiralstab).

Das erste Problem, das gelöst werden musste, war die Beherrschung der Ostsee (um die schwedischen Erztransporte scherzustellen). Das ist der Grund für die intensive Beschäftigung mit Dänemark. Die Ostseefrage blieb von überragender Bedeutung und obwohl die Beherrschung im Kriege problemlos (mit schwachen Kräften) durchgeführt wurde, war die Frage doch von größter Bedeutung für die Frage wie defensiv oder offensiv die Flotte in der Nordsee eingesetzt wurde. Mit defensiv und offensiv meinte man einen Gradmesser für Risiko zu haben, was sich nicht als richtig herausstellte. Die defensive Haltung war nicht risikoarm, man hat die darin liegenden Risiken nur nicht erkannt (Scheer, Hochseeflotte, S. 72). Eine echte (d.h. effektive, was juristisch eine Voraussetzung einer Blockade war) Blockade durch England (nämlich auch der Ostsee) war nicht mehr möglich und die Ostseeoffensive der Engländer wurde wohl diskutiert, aber es ist (meines Wissens) von den Engländern nie ein ernsthafter Plan hierfür entwickelt worden. Das Risiko wäre viel zu groß gewesen (im Falle eines erfolgreichen Durchbruchs, der mit der Verletzung der dänischen Neutralität verbunden gewesen wäre, hätten die Engländer befürchten müssen, dass die Deutschen doch die nötigen Divisionen freimachen und die Navy in der Ostsee einschließen).

Die nächsten Schritte waren der Schutz des Kanals und dann das permanente Ausdehnen des Machtbereichs in die Nordsee(oder Zurückdrängen des Gegners). Es ist evident, dass der Kriegsausbruch für die Kaiserliche Marine zu früh kam um die Navy aktiv zu bekämpfen (auch wenn es der Navy auch nicht mehr möglich – oder nicht mehr opportun - war die Hochseeflotte anzugreifen). Allerdings sind die seit Jahren – mindestens seit 1909 - angedachten Mittel nicht eingesetzt worden (vermutlich waren dafür die politischen Ideen Bethmanns verantwortlich, denen Müller und Wilhelm II. – Pohl weiß ich nicht - folgte). Die Zurückhaltung gab England die Initiative für Vorstöße (Helgoland am 28.08.1914). Eigene Aktionen wurden abgelehnt.

Beispielsweise waren am 09.09.1914 die in die Ostsee detachierten Einheiten zurückgerufen worden. Auf Vorschlag von Konteradmiral Hipper plante der Admiralstab mit Zustimmung des Chefs der Hochseeflotte, Ingenohl, einen Vorstoß der Schlachtkreuzer Moltke, Seydlitz und von der Tann gegen die Blockadelinie in der Nordsee. Der von Konteradmiral Behncke daraufhin entwickelte erheblich umfassendere und zum Eingehen größerer Risiken bereite Operationsplan fand jedoch nicht die Zustimmung des Admiralstabschefs, Pohl. Daraufhin gab es erhebliche Auseinandersetzungen zwischen Tirpitz und Pohl (vgl. Epkenhans in Skagerrakschlacht, S. 119 Fn. 32). Weiß jemand Näheres über den Plan von Behncke?

Weiterhin schlug Hipper am 08.11.1914, 5 Tage nach dem Raid gegen Yarmouth am 03.11.1914, einen Angriff auf englische Handelsschiffe im Skagerrak vor. Er ging davon aus, dass nach dem Yarmouth Raid die englischen Schlachtkreuzer nunmehr weiter südlich lagen. Den Handelsschiffen zu Hilfe kommende Flottenteile sollten von vor Firth of Forth, Cromarty und Scapa Flow liegende U-Boote abgefangen werden. Ingenohl lehnte den Vorschlag ab (Massie, Castles of Steel, S. 327).

Der grundsätzliche Gedanke war Mannschaften und Material der Engländer starken Belastungen auszusetzen (zusätzlich zum ohnehin anstrengenden, aber weitgehend passiven Blockadedienst, der bei den Engländern ähnliche Probleme wie bei den Deutschen hervorrief). Und dann aus eigener Initiative zuzuschlagen. Das war die Idee des Scarborough Raids am 16.12.1914, der nicht folgerichtig ausgeführt wurde.

Militärische Gründe für das Abweichen vom eigentlichen Konzept der Hochseeflotte lagen nicht vor.
 
Zur Strategie des Handelskrieges ging man Ende 1917 dazu über, diesen direkt mit Überwasserkriegsschiffen gegen England und seinen Skandinavienkonvois zu führen.

So erfolgte vom 16.-18.10.1917 ein Vorstoß der beiden kleinen Kreuzer Brummer und Bremse gegen den Handelsverkehr zwischen Schottland und Mittel-Norwegen. Dabei gelang innerhalb einer Stunde die Versenkung von 8 Dampfern und 1 Zerstörer, sowie ein weiter Zerstörer schwer beschädigt wurde.

Bei einem Einsatz am 11.-12-12.1917 hatte die II. Torpedobootsflottille den Auftrag, ein geteiltes Unternehmen durchzuführen. Der eine Teil, die IV. Halbflottille, ging an der englischen Ostküste gegen Handelschiffe vor und verfehlte ihren Konvoi vor Newcastle, der andere Teil, die III. Halbflottille, griff vor der norwegischen Küste auf der Konvoiroute Bergen-Shetland einen Geleitzug an und vernichtete ihn. Dabei wurden 6 Handelschiffe und 1 Zerstörer versenkt, sowie ein Zerstörer schwer beschädigt.
Als Rückhalt für die Unternehmung stand der kleine Kreuzer Emden und die II. Halbflottille bei Hornsriff bereit.

Die nächste Größere Aktion führte am 10.3.1918 in das Skagerrak und Kattegat. Beteiligt waren 3 kleine Kreuzer sowie VI. und IX. Torpedobootsflottille. Das Ergebnis des Unternehmens war mager, lediglich 5 kleinere Schiffe konnten aufgebracht werden.

Letzt Große Aktion der Hochseeflotte fand 23.-24.4.1918 statt, bei der der Flottenchef Scheer vorhatte, einen der großen, von britischen Zerstörern, mitunter auch von Schlachtkreuzern gesicherten Skandinavien-Geleitzüge der Alliierten abzufangen. Hierzu wagte er sich mit der Hochseeflotte weiter hinaus als je zuvor: bis vor Südnorwegen, der Kreuzerführer Hipper sogar bis Höhe von Bergen. Die gut vorbereitete Unternehmung wäre wohl auch erfolgreich gewesen, hätte sich nicht der Flottenstab im Fahrplan der Geleitzüge vertan. Die fuhren Dienstags und Donnerstags, nicht Mittwochs, also am 24., den sich der Flottenstab ausgerechnet und für die Aufwartung der Flotte vorgemerkt hatte.:rofl:

Quellen:
Das Kriegstagebuch eines kaiserlichen Seeoffiziers (1914-1918); Hermann Graf von Schweinitz
Hildebrand/Röhr/Steinmetz, Die deutschen Kriegsschiffe, Band 1 - 7
 
Der von Konteradmiral Behncke daraufhin entwickelte erheblich umfassendere und zum Eingehen größerer Risiken bereite Operationsplan fand jedoch nicht die Zustimmung des Admiralstabschefs, Pohl. Daraufhin gab es erhebliche Auseinandersetzungen zwischen Tirpitz und Pohl (vgl. Epkenhans in Skagerrakschlacht, S. 119 Fn. 32). Weiß jemand Näheres über den Plan von Behncke?

Der Behncke-Plan und die Diskussion darüber sind ausführlicher beschrieben im Seekriegswerk des Marine-Archivs: Der Krieg in der Nordsee, Bd. 2 (bearb. v. O. Groos), S. 66-76. B. wollte neben 3 Schlachtkreuzern auch die Schlachtschiffe der "Kaiser"-Klasse einsetzen. Pohls Antwort: Wer viel einsetze, könne auch viel verlieren... - Kernsatz: "Der Bestand der eigentlichen Flotte ist für die Weiterführung des Krieges von höchster Wichtigkeit und entspricht ihre Erhaltung auch den Weisungen seiner Majestät" (S. 70) - Randbemerkungen B. (in einem verwandten Fall): "Dann müssen wir unsere Flotte an den Pfahl binden" (ebd.)
 
Graf Baudissin Strategie erscheint mir in mehrfacher Hinsicht ein Novum zu sein (anders offensichtlich William Michaelis, Tirpitz‘ strategisches Wirken, abgedruckt bei Rahn, Deutsche Marinen im Wandel, S. 411; Michaelis schreibt, Tirpitz sei gegen den Plan gewesen, Tirpitz, Erinnerungen, S. 307 gibt eine diametral entgegengesetzte Schilderung).

Baudissin scheint mir auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Flotte verzichten zu wollen (im Sinne einer permanenten Zurückdrängung der Engländer). Mir ist nachvollziehbar, dass dies mit dem langfristig angelegten Flottengesetz kollidieren muss (ich wäre aber dankbar, wenn jemand den Satzteil von Michaelis „….Erhöhung der Bereitschaft der Linienschiffsreservedivisionen durch Verstärkung der Besatzungsstämme nach Muster der englischen Reserveformationen“ erläutern könnte). Die Schlacht soll nicht mehr in deutschen, sondern in englischen Küstengewässern geschlagen werden, und zwar nicht irgendwann in Zukunft, sondern jetzt oder doch sehr zeitnah. Nägler schreibt nichts von einem Überraschungsschlag vor oder zeitgleich mit der Kriegserklärung, aber angesichts der evidenten Unterlegenheit der deutschen Flotte in englischen Gewässern muss es ein Korrektiv (hier: die Überraschung) geben. Das erinnert an Japan, an Port Artur 1904, und nimmt – möglicherweise – Pearl Harbour 1941 vorwegnehmen. Die aktiven Geschwader waren m.W. 1908 in Portland und Firth of Forth, 1914 in Portsmouth. Ich habe mir Schwierigkeiten vorzustellen, wie die deutsche Flotte unbemerkt Dover passieren will (insb. Wenn die Engländer die Entscheidung treffen, ihre Flotte im Kanal zu stationieren, was ihnen unbenommen ist. Auch braucht man wohl spezielle Waffen (z.B. weitreichende Torpedoboote).

Der Gedanke an eine frühe Seeschlacht im Weltkrieg dürfte hier seinen Vorläufer haben. Da der Gedanke aber nicht weiterverfolgt wurde, war eine frühe Seeschlacht vermutlich nicht wirklich geplant.
 
Mir ist nachvollziehbar, dass dies mit dem langfristig angelegten Flottengesetz kollidieren muss (ich wäre aber dankbar, wenn jemand den Satzteil von Michaelis „….Erhöhung der Bereitschaft der Linienschiffsreservedivisionen durch Verstärkung der Besatzungsstämme nach Muster der englischen Reserveformationen“ erläutern könnte).

Hierzu solltest Du den Aufbau der Flotte mit seinen Geschwadern und Divisionen betrachten.
Im Flottengesetz von 1900 war geplant 4 Geschwader mit je 8 Schiffen sowie ein Reservegeschwader aufzubauen. So der Plan.

In der tatsächlichen Struktur der Marine gab es immer ein aktives Geschwader, mit den Bezeichnungen Manöverflotte über aktive Schlachtflotte bis ab 1907 oder 09 die Hochseeflotte als aktiver Kern bezeichnet wurde.

Das bedeutet, das die Schiffe, die zu diesen Geschwadern innerhalb der kaiserlichen Flotte gehören, immer Einsatzbereit sind, während andere Schiffe in einem so genannten Reserveverhältnis stehen, indem die Besatzung so reduziert ist, um das Schiff In Betrieb zu halten, bis hin zur zeitweiligen außer Dienststellung von Schiffen.

In Friedenszeiten wurden die Schiffe nur um den Kreis von Stammgeschwadern für Übungszwecke in Dienst gehalten, a.) wegen des Personalbedarfes und b.) um die Unterhaltungskosten zu senken.
Würde man jetzt aber mehr Schiffe in den aktiven Dienst einbeziehen, ist die Flotte schneller bereit, um auch ggf. als erster Offensiv gegen einen Gegner vorzugehen.
 
Also die Sache müsste in irgendeiner Form vor den Reichstag, da die Kosten hierfür in den Flottengesetzen nicht enthalten sind.
 
Also die Sache müsste in irgendeiner Form vor den Reichstag, da die Kosten hierfür in den Flottengesetzen nicht enthalten sind.

Die Kosten für die Unterhaltung der Schiffe sind m.E. schon im Budget der Gesetzvorlage enthalten.
Dies müsste dann mehr betrachtet werden, wie ein zusätzlicher Neubau ausserhalb der Planung nach der Gesetzesvorlage und der freigegebenen Mittel, da hier die Ausgaben über das zur Verfügung stehende Budget hinausgehen würden.
 
die ursprüngliche frage konzentrierte sich auf die strategie der kaiserlichen marine.

unter berücksichtung von mahan möchte ich die these aufstellen, dass die flotte vordergründig sicherlich auch für den direkten kampf gebaut wurde, aber substantiell, um die geltung deutscher imperialer ansprüche in der welt geltung zu verschaffen.

mahan auch deswegen, weil ihm der entscheidende einfluss auf die ideologische begründung für den aufbau der deutschen flotte zugesprochen ist, soweit ich mich erinnere.

sie war ein instrument der diplomatie und der durchsetzung wirtschaftlicher interessen.

das erklärt zumindest teilweise, warum die flotte so versichtige eingesetzt wurde. sie wurde einfach für die - antizipierte - zeit nach dem ww1 für die "powerprojektion" benötigt.
 
Die Hochseeflotte hatte unter Tirpitz eine politische und eine militärische Funktion.
Politisch sollte sie als Risikoflotte Großbritannien als Bündnispartner für Deutschland gewinnen. Sollte sich das als nicht möglich erweisen, sollte zumindest eine Neutralität der Engländer in einem Konflikt zwischen Deutschland und anderen Mächten (Frankreich) bewirkt werden. Dieser Zielsetzung lag die Überlegung zugrunde, dass das Deutsche Reich von den Engländern als Bündnisspartner umworben würde, wenn es über eine Schlachtflotte verfügen würde, die zu stark wäre, um mit Aussicht auf Erfolg besiegt zu werden.
Militärisch wurde dieser Gedanke der Risikoflotte dahin gehend verstanden, dass die deutsche Schlachtflotte so stark sein müsse, dass der Kampf gegen sie für die stärkste Marine der Welt (Royal Navy) ein unkalkulierbares Risiko wäre. Die deutsche Flotte bräuchte also nicht so stark wie die englische Grand Fleet zu sein, um zum unkalkulierbaren Risiko zu werden. Tirpitz nahm an, dass die Briten aufgrund ihrer weltweiten Verpflichtungen auch gar nicht in der Lage wären, ihre gesamte Schlachtflotte in heimatlichen Gewässern zu konzentrieren. Seiner Meinung nach wäre daher ein Verhältnis der Schlachtflotten zueinander von 2:3 ausreichend. In der Tat war ein weiterer Gedanke hinter dieser Überlegung der, dass die deutsche Schlachtflotte Teile der englischen Blockadeflotte unter günstigen Bedingungen stellen und vernichten könnte. Auf diese Weise wäre das Stärkeverhältnis in der Nordsee bald ausgeglichen gewesen. "Kleinkampfmittel" wie U-Boote, Minen und Torpedoboote sollten hier ebenfalls einen Beitrag zur Abnutzung des Gegners leisten. Eine Voraussetzung bei all diesen Überlegungen war allerdings stets, dass die Royal Navy eine enge Nahblockade der deutschen Küste praktizieren würde. Nur so konnten die Kleinkampfmittel wirken. Nur unter diesen Bedingungen bestand auch eine gewisse Aussicht darauf, nur einen Teil der britischen Schlachtflotte zu Kampf stellen zu können. Bei der tatsächlich dann im Ersten Weltkrieg praktizierten Fernblockade konnten diese Überlegungen nicht greifen. Gerade die Skagerakschlacht bewies dem Befehlshaber der Hochseeflotte, Admiral Scheer, dass der Versuch, die britische Grand Fleet zum Kampf zu stellen, mit der viel zu hohen Gefahr der Abschneidung und Vernichtung der deutschen Hochseeflotte verbunden war.
 
sie war ein instrument der diplomatie und der durchsetzung wirtschaftlicher interessen.
das erklärt zumindest teilweise, warum die flotte so versichtige eingesetzt wurde. sie wurde einfach für die - antizipierte - zeit nach dem ww1 für die "powerprojektion" benötigt.

Denkwürdig ist, dass der Risikogedanke dann diese Reflexion hinsichtlich des Flotteneinsatzes erfuhr.

- der politische Faktor legte dem militärischen Ansatz Fesseln an, natürlich auch unter Beachtung der Unterlegenheit gegenüber der britischen Flotte
- entgegen der (absehbaren) strategischen Niederlage am Skaggerak wird während und nach dem Krieg auch die Flotte in die Dolchstoßlegende eingebunden: die Zurückhaltung als politisches Versagen, der "verschenkte Sieg". Gleichzeitig wird der "Erfolg" mythologisiert, was bis heute in manchen Schriften nachhallt (Kreuzergeschwader, Tonnage Skagerrak, U-Boot-Krieg).

Aus Verzweifelungsmanövern am Skagerrak wurde so ein "ran an den Feind" in der Literatur. Als dann die politischen Fesseln fielen, war die alliierte Überlegenheit bereits so erdrückend, dass zur späten Rechtfertigung Selbstmordangriffe erwogen wurden, die man in diesem geplanten Ausmaß nur aus der späteren pazifischen Kriegführung kennt.
 
weiter denken

führt man diesen gedankengang noch einen schritt weiter, dann kan man
beim nachdenken über die logik der seestrategie des kaiserreichs und auch in der folge des dritten reichs drei phasen identifizieren, die eine unterschiedliche logik / rationale begründung aufwiesen:

a. aufbau der flotte
b. vernichtung der feindlichen (englsichen und französichen) flotte
c: ausnutzung des militärischen vorteils aus b.

zu a. und zu b. gab es sehr viele idee und auch genügend umsetzungsversuche (hochseeflotte, z-plan etc.). wenn sie realisiert worden wären, vielleicht hätte man militärsch die rn besiegen können (was ich nicht glaube, wenn man die neugebaute kriegsschiff-tonnage in den dreißiger jahren vergleicht, aber das ist ein anderes thema)

das problem der position von deutschland als landmacht ist die schwierigkeit des zugangs zu den weltmeeren und seinem system von flottenstützpunkten. hätte deutschland beispielsweise auf island, in irland oder in nordspanien oder portugal über entsprechende marinestützpunkte verfügt, dann hätte es die möglichkeit gehabt, die seestraßen für seine wirtschaftlichen bedürfnisse zu nutzen. und darauf zeilte ja die vernichtung der feindlichen flotte ab (dieses manko kann man sehr schön an den russich/japnsichen konflikt 1904, der langen anfahrt der baltischen flotte und ihrer niederlage bei tzuschima erkenne).

da das kaiserreich aber nicht über derartige flottenstützpunkte verfügte, war die seestrategie für die dritte phase, also der ausnutzung der vernichtung der feinlichen flotte, von anfang an zum scheitern verurteilt.
es wurden dementsprechend gelder in eine schlachtflotte investiert, die gb provozierte und die wirtschaftliche position deutschland nicht gefördert hat.

auch wenn dieses eine etwas vereinfachte darstellung ist, wirft sie doch die frage auf, ob das urteil über deutschlands "strategen" und seine geostrategische strategie (vor allem von angelsächsicher seite, glaube auch von liddel-hard), immer in kontinentalen dimensionen befangen war. dass sie die anforderungen an eine globale, maritime strategie nicht verstanden haben.

die geostrategische konsequenz für das kaiserreich wäre eigentlich gewesen, auf eine kreuzerflotte zu setzen (mit langen reichweiten), die relativ unabhängig von flottenstützpunkten gewesen wären und zudem die "homefleet" nicht provoziert hätte.

voila, der ww1 wäre verhindert worden, weil gb nicht der entente beigetreten wäre und deutschland dennoch seine imperialen / imperialistischen ziele, aufgrund seiner überragenden wirtschaftlichen macht, - unterhalb einer kriegerischen auseinandersetzung - hätte durchsetzen können.
 
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