Suche dringend Zeitzeugen

CountDracula

Mitglied
Hallo,


ich arbeite im Moment an einer Projektarbeit zum Thema "Massenkontrolle im Verlauf der Geschichte" und suche einen Zeitzeugen, der die Zeit von ca. 1933-1945 bewusst miterlebt hat, zu der Zeit in Deutschland gelebt hat und bereit ist, mir etwas darüber zu berichten. Die Person sollte aus Gifhorn, Wolfsburg oder Braunschweig und Umgebung kommen. Könnt ihr euch bitte bei mir melden, wenn ihr so eine Person kennt oder euch vielleicht sogar selbst zu dieser Personengruppe zählen könnt (es soll ja auch über 80jährige geben, die im Internet sind)?


Bitte keine Antworten wie "frag im Altersheim"; hier gibt es so viele Altersheime, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.


Liebe Grüße,


CountDracula
 
Hast du dir gut überlegt, was du die Zeitzeugen fragen möchtest? Ich frage, weil die Massenkontrolle ja nicht unbedingt von den kontrollierten Massen bemerkt wird/werden soll. Dieses Thema per Zeitzeugenbefragung zu bearbeiten, dürfte recht schwierig sein.

Hinzu kommt der Umstand, dass diejenigen, welche 1945 geboren wurden, mittlerweile 70 sind, diejenigen von 1935 mittlerweile 80 (also über der durchschnittlichen Lebenserwartung), da wird es dann mit Personen, die sich tatsächlich an die Zeit erinnern können - und zwar, weil sie einerseits alt genug und andererseits noch nicht dement sind - richtig dünn. Ideal wären sicher Leute, die zwischen 1915 und 1920 geboren sind, also Leute im Alter von 95 bis 100 Jahren.
 
@El Quijote Ein paar Fragen habe ich mir schon überlegt. Ob ihnen im Nachhinein etwas aufgefallen ist und wenn ja, was, zum Beispiel.
 
Bezugnehmend auf El Quijotes Hinweis: Was hältst Du davon, auch die Kinder Deiner Zielgruppe zu befragen? Sprich die Jugend der 1940er und 1950er Jahre. Das könnte Dir die Suche erleichtern.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese in vielen Fällen ebenfalls durch Erzählungen viel über die letzte Vorkriegsgeneration (Ihre Eltern) zu berichten haben, und Informationen besitzen, die Dir bei Deiner Recherche dienlich sein könnten.
 
@El Quijote Ein paar Fragen habe ich mir schon überlegt. Ob ihnen im Nachhinein etwas aufgefallen ist und wenn ja, was, zum Beispiel.

Und damit geraten wir voll an das Problem der Methode der Zeitzeugenbefragung. Es ist ja nicht so, dass unser Gedächtnis eingefroren wird. Erinnerungen aus verschiedenen Situationen vermischen sich miteinander und mit Dingen, die wir gelesen oder im Fernsehen gesehen haben. Es gibt da das bekannte Beispiel von Auschwitzhäftlingen, die im Stammlager eingesperrt waren, die aber in ihren Erinnerungen das Bild vom Lagertor von Birkenau zeichnen. Das kommt daher, dass die mediale Überlieferung - das Lagertor von Birkenau ist das Symbol für Auschwitz, das jeder wiedererkennt - die eigene Erinnerung überlagert. Sprich: Deine Fragestellung würde nicht Erinnerungen abrufen sondern theoretisch gelesenes. Man hat das immer wieder in Zeitzeugenbefragungen, dass Zeitzeugen persönlich Erlebtes und Geschichtswissen miteinander verweben. Deine hier skizzierte Fragestellung würde genau das, was man ja als Historiker eigentlich vermeiden möchte, provozieren.
 
[FONT=&quot]Na, ich weiß nicht. Meine 92jährige Tante ist letztes Jahr gestorben. Ich habe von ihr zum Thema 3.Reich immer nur Erinnerungen an die tolle Zeit beim BDM Arbeitsdienst gehört. "Da haben wir Fahrten gemacht, Gaudi g'habt etc."

Klar hat das was mit verdrängen, nicht erinnern wollen zu tun. (Wenn sie meine Oma besuchen wollte, musste sie an einer Außenstelle des KZ Flossenbürg vorbei.)

Nur denke ich, dass sie gerade den BDM (und ähnliches was sie von Zuhause raus brachte) wirklich als Freiheit erlebte. Als der Krieg aus war, ließ sich meine immerhin schon 23jährige Tante von ihrem ersten Mann scheiden. Ihr Vater schämte sich dafür so, dass er sie über mehrere Wochen in ihrem Zimmer einsperrte.

Ich glaube nicht, dass sie unter diesen familiären Umständen irgendein Empfinden für staatliche Kontrolle/Repressalien ihr gegenüber gehabt hat. Und junge Mädchen/Frauen aus konservativem Milieu, deren persönlicher Freiraum so beschränkt war, gab es damals zu hauf.

Und bei den noch jüngeren, die bei Kriegsende noch nicht einmal in der Pubertät waren, (und heute um die 80 sind) dürften dafür erst recht kein Empfinden gehabt haben.
Die Erziehung war in den meisten Familien repressiv und die Nazis wussten wie sie Kinder und Jugendliche ködern konnten. Fahrten, Pfadfinderspiele, die unmerklich in paramilitärische Ausbildung übergingen, Heimabende mit Geschichten, Basteln und musizieren, dazu die Aussicht selbst in der Hierarchie aufzusteigen und Andere kommandieren zu dürfen. Das einzige was dem Durchschnittspimpf nicht geschmeckt haben dürfte, waren die öden ideologischen Schulungen.

80ig jährige, die schon damals ein Empfinden dafür hatten, dass sie staatlich kontrolliert und manipuliert wurden, dürfte es nur unter 3 Gruppen geben. Einerseits die unter den generellen Einzelgängern, die den Gruppenzwang per se fürchterlich fanden, andererseits bei denen, die in ihren Elternhäusern etwas anderes vorgelebt bekamen. (Und zum 3. natürlich die, die in den Augen des NS-Staates irgendeinen Makel hatten.)

Und sich später mit dieser Zeit auseinandersetzen und sich der Kontrolle und der Repressalien bewusst werden? Das fand eigentlich immer nur auf der Ebene statt, dass die "Sache mit den Juden fürchterlich" gewesen wäre. Die eigenen Erinnerungen an das typische Jugendleben dieser Zeit gerade in Hinblick auf die Parteiorganisationen blieben positiv. Das Bewusstsein gerade in und durch diese staatlichen Organisationen kontrolliert und manipuliert worden zu sein, stellte sich nicht ein.

Ausgenommen von dieser Haltung waren in meiner Umgebung nur Leute, die schließlich wirklich den Preis für ihre Blindheit bezahlen mussten. Etwa mein Deutschlehrer (geb. etwa 1925), der sich voller Enthusiasmus freiwillig meldete und schwerverwundet in Gefangenschaft geriet. [/FONT]
 
Zuerst einmal finde ich die Hinweise zur Vorsicht wichtig. Menschliches Erinnern ist wirklich ein erstaunliches Gemenge von Erinnerungen, wo es im Laufe der Zeit immer schwerer fällt, den einen Vorfall vom anderen zu trennen. Um das zu beleuchten, nehme ich gern das Beispiel, dass ich oft nicht weiß, wo ich mein Auto geparkt habe. Es ist einfach immer wieder dasselbe: Mehrfach um dieselben Blocks fahren, irgendwann Glück haben. Nur hatte ich das Glück dann schon oft. Und Welches war nun das von heute morgen oder gestern abend?

Im Altersheim zu fragen finde ich übrigens mehr als naheliegend. Dass es davon zu viele gibt, sollte dich nicht abschrecken. Das macht die Sache ja einfacher. Wenn du erstmal das Vertrauen der Heimleitung hast, wirst du dann von einer Oma zur nächsten weiter gereicht und wirst vermutlich ausreichend Gesprächspartner finden.

Die Frage ist natürlich in der Tat, was dir Otto-Normalverbraucher über dein Thema sagen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bringen wir es auf den Punkt: Die Methode ist für das Thema ungeeignet!
Du solltest dich entscheiden, was dir wichtiger ist: Thema oder Methode.
 
Du wirst keine Zeitzeugen mehr finden in dem Raum. Die Mehrzahl oder fast alle der Eingeborenen ist an den üblichen Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt gestorben. Ich bin jetzt 63 und kenne keinen, der die Zeit von 1933-1945 miterlebt hat. Und auch die Verstorbenen hatten anderes zu tun, als darüber nachzudenken
 
Du wirst keine Zeitzeugen mehr finden in dem Raum. Die Mehrzahl oder fast alle der Eingeborenen ist an den üblichen Krankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt gestorben. Ich bin jetzt 63 und kenne keinen, der die Zeit von 1933-1945 miterlebt hat. Und auch die Verstorbenen hatten anderes zu tun, als darüber nachzudenken

:confused::confused:

Wo lebst Du denn, dass die Lebenserwartung so weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt? Solltest erwägen, schleunigst umzuziehen.

Ich bin ein gutes Stück jünger und kenne noch eine Menge Leute, die das miterlebt haben und darüber stundenlang reden können.

In Berlin-Schöneberg wurden letztes oder vorletztes Jahr im Rahmen eines Projektes die über-hundertjährigen des Beziks befragt. Das waren erstaunlich viele und die Ergebnisse in einer hoch interessanten Ausstellung im Rathaus veröffentlicht. Das ging nicht nur um das dritte Reich sondern um deren Leben im allgemeinen, diese historische Phase hatte jedoch natürlich ein großes Gewicht in den Erzählungen.

Ich denke tatsächlich dass die Altersheime die erste Anlaufstelle sein könnten.
 
Im oben nachgefragten Raum ...
Aus welchen Gründen auch immer haben die Ärzte hier deutlich eher den Verdacht auf Schlaganfall und Herzinfarkt
 
Also ich war vor wenigen Monaten auf dem 100. Geburtstag eines Freundes, der aber erst in den 50er Jahren von Holland nach Deutschland übersiedelt ist. Er kann dir leider zu deinem Forschungsgegenstand nichts sagen. Es gibt aber eine Menge 100jährige. Er ist z.B. mit ca. 95 bis 97 in eine Altenresidenz umgezogen, weil dritter Stock ohne Fharstuhl irgendwann doch arg mühselig wird. Es gibt viele 100jährige. Nur keine Scheu: Frag in Altenheimen!
 
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