Synagogen-Architektur

Ich bin heute, bei anderweitigen Recherchen, zufällig auch auf zwei Synagogen gestoßen: die große Synagoge von Nürnberg, ein neomudejarer Kuppelbau (man muss dazu allerdings auch wissen, dass Kuppeln, die ja eigentlich nicht zum maghribinisch-andalusischen Stil gehören im frühen 20. Jahrhundert als orientalisierendes Elemente selbst in der Alhambra, beim Patio de Leones verbaut wurden, weil man das in der damaligen Rekonstruktion für angemessen hielt) und auf die Synagoge in Ansbach, die sich knapp 100 Jahre vor dem Historismus architektonisch kaum von sonstigen spätbarocken Bauwerken unterscheidet.
Also eine Art Eklektizismus selbst in Spanien, beim Rückgriff auf die eigene Baugeschichte.

Aber hei, danke, Du bist gut! Dank Deiner Erwähnung der Synagoge in Nürnberg bin ich endlich auf eine konkrete Referenz eines Ornaments aus dem 19. Jh. gestoßen. Vergleiche:
Rosettenfenster an der Nürnberger Synagoge
mit diesem
Muster an der Synagoge in der Judería, Córdoba
 
Nun vielleicht kann ich was zu dem Thema im Hinblick auf die Mainzer Hauptsynagoge beisteuern
1093 wird eine erste Synagoge im Bereich der nach 1288 erbauten St. Quintinskirche genannt. Sie wurde im Zusammenhang mit der Judenverfolgung beim 1. Kreuzzug am 29. Mai 1096 durch den jüdischen Gemeindevorsteher angezündet.
Seither gab es regelmäßig Synagogen ,von denen jedoch keine Bilder erhalten sind-Sie durften ähnlich wie die in Speyer und Worms ausgesehen haben,z.T. waren es umgewidmete und umgebaute Privathäuser z.B. der Familie Kalymnos. Sie dürften dem jeweiligen mitteleuropäischen Baustil ihrer Epochen entsprochen haben.
Im Jahre 1853 wurde als Ersatz für ihren 1673 errichteten und 1715/17 erweiterten Vorgängerbau diese Hauptsynagoge neu erbaut und eingeweiht:
-Bild 1-]
Architekt war der Regierungs- und Mainzer Dombaumeister Ignaz Opfermann. der die Synagoge im maurischen (neu-islamischen) Stil baute.In der Mitte der oberen Galerie im zweiten Stockwerke befand sich,eine Orgel - die erste in einer großen deutschen Synagoge, welche den ganzen Gottesdienst begleitete (ind Proteste der Ultraorthodoxen nach sich zog )

Die Hauptsynagoge war um 1900 zu klein geworden und um 1910 sollte ein Neubau in der Mainzer Neustadt entstehen. Beim Architektenwettbewerb 1910 gingen 131 Bewerbungen ein und der Stuttgarter Architekt Willy Graf bekam letztlich den Auftrag. Ähnlichkeiten mit den Kurbauten von Wiesbaden und Baden-Baden sind rein zufällig
-Bild 2-

Das braune Lumpenpack hat in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 diesen schönen Bau angezündet und die Reste einige Tage später gesprengt.

Seit dem 3-09.2010 hat Mainz übreigens wieder eine nach den Plänen von Manuel Herz erbaute sehr sehenswerte neue Synagoge.
 

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Vielen Dank zaphodB. für das Beispiel! Die Geschichte der Mainzer Hauptsynagoge ist typisch für jüdische Sakralbauten in Deutschland. Man liest fast durchgehend das Gleiche: erste Bauten im MA, mehrfach zerstört, bis Mitte des 19. Jh. endlich etwas größer, um 1937 zerstört (die Zerstörung der jüdischen Gemeinde in Rechnung gestellt), nach dem Krieg Gedenkstein, oder moderne, grabsteinartige Synagoge gebaut.(Die neue Synagoge in Mainz scheint genau diesem Problem aus dem Weg gehen zu wollen.) Taucht man etwas tiefer in die Geschichte des Synagogenbaus, wird es ziemlich düster. Interessant ist sie aber auf jeden Fall. So hab ich bereits einiges über das Judentum in Europa und über den Orientalismus in der Architektur dazugelernt.

Hab für mich eine kleine Liste stilistisch wichtiger Synagogen aufgestellt. Hier ein paar davon, die der Mainzer Hauptsynagoge aus 1853 sehr ähnlich sind, chronologisch gelistet (verlinkt sind nur Abbildungen):

• als Auftakt die Altschul-Synagoge in Fürth aus 1617 (konnte bisher nichts wirklich Zuverlässiges zur Baugeschichte eruieren), die mit ihren Tourellen und Zinnen bei deutschen Synagogen als Referenz gedient haben muss.

Synagoge in Leopoldstadt in Wien, 1854–1858
Architekt: Ludwig Förster aus Bayreuth

Große Synagoge in Budapest, 1854–1859
Architekt: Ludwig Förster

Hauptsynagoge in Frankfurt am Main, 1855–1860
Architekt: Johann Georg Kayser aus Frankfurt am Main

Synagoge Glockengasse in Köln, 1857-1861
Architekt: Ernst Friedrich Zwirner aus Jakobswalde, Oberschlesien

Choral Tempel in Bucharest, 1864–1866
Architekten: I. Enderle und Gustav Freiwald

Isaac M. Wise Temple, Cincinnati, Ohio, 1865
Architekt: der österreicher Isaac Mayer Wise aus Mähren (1846 emigriert)

Synagoge in Zagreb, 1866–1867
Architekt: der in Wien geborene Franjo Klein

Synagoge Eulerstrasse/Leimenstrasse in Basel, 1867–1868
Architekt: Herrmann Rudolf Gauss aus Heilbronn

Synagoge in Vercelli, Piemont, 1878
Architekt: Marco Treves aus Vercelli

Große Synagoge in Erfurt, 1882–1884
Architekt: Siegfried Kusnitzky aus Frankfurt


Man könnte die Synagogen des 19. Jhs. in Europa stilistisch in nur wenige Gruppen einteilen, um die ganze Stil-Palette abzudecken. Mehrere davon wären dem Orientalismus zuzuordnen (also nicht nur die obigen Beispiele mit Tourellen, von denen es aber auch welche ohne orientalisierende Elemente gab, v.a. im frühen 19. Jahrhundert).
 
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Sicher nur ein Tippfehler, trotzdem der Hinweis: I.d.R. ja wohl zwischen dem 8. und 11. November 1938 mit Schwerpunkt auf der Nacht vom 9. auf den 10.11.
Hm, ja, Du hast recht! War aber kein Tippfehler. Soweit ich mich erinnere wurden einige Synagogen bereits 1936 zerstört… (werde dem nachgehen)
 
Hab jetzt etwas genauer hingeschaut, wann die Synagogen zerstört wurden (bislang hab ich mich nur mit ihrer Entstehung befasst). El Quijote hat völlig recht mit dem Novemberpogrom. Wahrscheinlich hatte ich mit 1936 ein paar Aufgaben von Synagogen im Kopf. Nicht wenige Synagogen wurden ja kurz vor 1938 verkauft.

Habe nun zwar keine vollständige Zerstörung einer Synagoge aus 1936 gefunden, aber teilweise Zerstörungen gab es. So wurde z.B. die Synagoge in Konstanz am 1. November 1936 angezündet.
Zur Synagoge in Flonheim schreibt die Alemannia Judaica:
In der NS-Zeit wurde die Synagoge bereits 1936 schwer geschändet. Die Inneneinrichtung wurde dabei durch Brandstiftung vollkommen zerstört.
Die selbe Web-Site zum jüdischen Friedhof in Trendelburg: Bereits 1936 waren fast alle Grabsteine umgeworfen, zerschlagen und die Reste mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Wenig später wurde der Friedhof fast vollständig abgeräumt.
 
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