Theoderich

Hallo Dieter,

Ja von den Westgoten ist das bekannt, allerdings halte ich es für etwas gewagt von Westgotsichen Gesetzten aus ostgotische zu schließen...

Gruß
 
Hi Wulfnoth,

ich sagte das deshalb, weil ich in der Sekundärliteratur mehrfach auf die Behauptung gestoßen bin, die Ostgoten hätten ein Heiratsverbot hinsichtlich der romanischen Bevölkerung gehabt (so z.B. Lexikon der Antike, dtv-Ausgabe, Bd. 5, S. 686). Leider hat keiner der Verfasser eine entsprechende Primärquelle ausgewiesen, worauf ich weiter oben schon hingewiesen habe.

Wenn man also Heiratsverbot, getrennte Gerichtsbarkeit und unterschiedliche Konfession beider Bevölkerungsteile berücksichtigt, muss man zu der Auffassung gelangen, dass Theoderich ebenso wie seine westgotischen Vettern KEINE Verschmelzung plante.
 
Dass es so vielleicht gekommen wäre, mag sein. Aber ob die vandalische oder ostgotische Führungsschicht das so wollte, nämlich ein praktisches Aufgehen der Germanen in der romanisierten ansässigen Bevölkerung, ist eine andere Sache.
 
Die Westgoten sind - ob sie es nun wollten oder nicht - nach der Vernichtung ihres Reichs durch die Araber im Jahr 711 mit der alteingesessenen Bevölkerung verschmolzen. Ich habe dazu vor einigen Wochen einen Pfad "Wo blieben die Westgoten" eröffnet, der das Kontinuitätsproblem der Westgoten sehr schön verfolgt.

Ansätze dazu gab es bereits vor 711, nachdem die Westgoten den Arianismus aufgaben. Das Lexikon der Antike, Bd. 5, S. 1372, bemerkt hierzu: "Neben den Gesetzen für die Westgoten (Euricus, Leges Visigothorum) gab es zeitweise eigene Gesetze für die Romanen ... Die Verschmelzung mit den Romanen wurde wesentlich gefördert, als die seit 376 überwiegend christianisierten, jedoch noch arianischen Westgoten gegen 590 katholisch wurden. Es ergaben sich nun enge Verflechtungen zwischen Staat und Kirche..."

Bei den Wandalen ist mir freilich nichts dergleichen bekannt. Die kurze Dauer ihres Reichs erlaubt auch keine Vermutungen, wie sich die Situation zwischen Romanisierten und Germanen entwickelt hätte. Wahrscheinlich wären sie nach 100-200 Jahren ebenso aufgesogen worden wie die Westgoten in Spanien oder schwedischen Waräger in Russland.
 
Quellen

Von Procopius wird im "De Bello Vandalico" erwähnt, dass Vandalen mit Römer verheiratet waren. Laut Augustinus war der römische Heermeister Bonifacius mit einer Gotin verheiratet.
 
Nach all dem, was hier zusammengetragen wurde, lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei entscheiden, was Theoderich hinsichtlich beider Bevölkerungsteile anstrebte. Im "Lexikon zur deutschen Geschichte" (Kröner) wird z.B. geschrieben, dass Theoderich "die Verschmelzung der Ostgoten mit den Römern verhindern wollte", was auch meine Meinung ist. Das "Lexikon der Antike" ist der gleichen Ansicht und schreibt: "Theoderich wollte zwar keine Verschmelzung zwischen seinen rechtlich stets als Ausländer geltenden Goten und Römern (kein conubium, getrennter Gerichtsstand), bemühte sich aber von Anfang an um Ausgleich und Frieden.

Wie dem auch sei, sicher ist jedenfalls: Nach einer gewissen Zeit wäre die dünne Schicht der germanischen Eroberer von der altansässigen Bevölkerung aufgesogen worden, wie sich das bei den Westgoten in Spanien exemplarisch beobachten lässt.

Eine weitere wichtige Frage, die es zu beantworten gilt, ist die kulturelle Tätigkeit Theoderichs und sein Bestreben, kulturelle Traditionen der Antike fortzuführen. Er hat da einiges in die Wege geleitet, was mir aber im Moment nicht präsent (Renovierung antiker Gebäude usw.).
 
Lieber Dieter,
war der Sitz der Ostgoten nicht Ravenna? :confused: Ich kaenne nur das Grabmal des Theoderichs dort und keine antiken Dekmäler, die er renoviert haben soll. :(
Tatsache bleibt, dass ob nun eine Verschmelzung vorgesehen war oder nicht, es zur Verteidigung ihres Herrschaftsbereich nicht gereicht hat. :(
 
Nein Heinz, diese Pflege antiker Bauten ist auch nicht in Ravenna passiert, sondern in Rom, das ja gleichfalls Teil des Ostgotenreichs war, und das Theoderich - wie Quellen belegen - besucht hat.

Überliefert ist, dass er in Rom die Stadtmauer und Aquädukte instandsetzen ließ und den Palast und das Theater des Pompeius restaurierte. In Ravenna erbaute er sich einen Palast, der vielleicht die Villa die des Diokletian in Salona nachahmte, und der auf einem herrlichen Mosaik in der Kirche San Apollinare bei Ravenna dargestellt ist. Ein Teil davon ist als Vorderbau des Klosters San Apollinare erhalten.

Auch die Basilika San Vitale und der kleine Rundbau von San Maria sind sein Werk, letztere von ihm selbst als sein Grabmal aufgeführt, das heute außerhalb der Stadt gelegen ist. Das zerfallene Netz der Handelsstraßen wurde von Theoderich instandgesetzt und er schuf eine stattliche Flotte, welche die überseeischen Verbindungen sicherte. Als Barbarenfürsten wie z.B. Alarich kann man ihn also keinesfalls bezeichnen.
 
Vielen Dank lieber Dieter für Deine Auskunft über die Renovierung antiker Denkmäler durch theodrich. Dann war seine Regierung doch eine segensreiche Tätigkeit für Italien. :)
 
Sagen wir mal so, Heinz. Die romanische Bevölkerung hätte sich am liebsten einen weströmischen Kaiser romanischen Geblüts gewünscht. Da aber das Weströmische Reich soeben zerbrochen war und germanische Völker in ganz Südeuropa unter der Führung halbbarbarischer Könige umherzogen, war ein zivilisierter und in Konstantinopel aufgewachsener Theoderich gewiss die zweitbeste Lösung.

Und in seiner Regierungszeit herrschte immerhin Frieden, die drangsalierte Bevölkerung konnte sich regenerieren, Handel und Wirtschaft erholten sich. Leider ist es Theoderich nicht gelungen, seinen Staat so fest zu zimmern, dass er die Stürme der Zeit überstehen konnte. Das Reich zerbrach in nur wenigen Jahren und es blieb nicht viel übrig von der Gotenherrschaft, die sehr schnell von der viel langlebrigeren Langobardenherrschaft abgelöst wurde. Byzanz, das das Reich der Ostgoten vernichtete, konnte sich dennoch nicht mehr dauerhaft in Italien festsetzen.
 
Also ob sich die romanisierte Bevölkerung nen römischen Kaiser wünschte sei mal dahingestellt, ich glaube grundsätzlich wars der Bevölkerung egal wer "herrschte" solange die Abgaben nicht zu hoch waren oder ihr Leben unerträglich.

Übrigens: die letzte Besitzung des oströmischen/byzantinischen Reichs in Italien gingen erst im 11.Jh verloren, genaue Daten weiss ich grade leider net.
 
Byzanz besaß noch kleine Gebietssplitter in Kalabrien und Apulien, die allesamt im 11. Jh. zunächst an die Normannen und später an die Staufer fielen. die ja das Königreich Sizilien mit Neapel erbten. Von einer dominanten Stellung der Byzantiner konnte man seit dem Ostgotenreich Theoderichs nicht mehr reden. Hegemoniale Mächte in Italien waren vielmehr nach den Ostgoten die Langobarden, danach die Franken und seit dem römischem Kaisertum Ottos I. das Heilige Römische Reich. Den Süden domonierten zu dieser Zeit die Normannen.
 
Dieter schrieb:
Und in seiner Regierungszeit herrschte immerhin Frieden, die drangsalierte Bevölkerung konnte sich regenerieren, Handel und Wirtschaft erholten sich. Leider ist es Theoderich nicht gelungen, seinen Staat so fest zu zimmern, dass er die Stürme der Zeit überstehen konnte. Das Reich zerbrach in nur wenigen Jahren und es blieb nicht viel übrig von der Gotenherrschaft, die sehr schnell von der viel langlebrigeren Langobardenherrschaft abgelöst wurde. Byzanz, das das Reich der Ostgoten vernichtete, konnte sich dennoch nicht mehr dauerhaft in Italien festsetzen.

Lieber Dieter, es ist schon tragisch, dass die Ostgotenherrschaft sowenig gefestigt war. Aber da die germanischen Völker zu wenig Menschen hatten, überstand das römische Volk auch die Herrschaft der langobarden. :(
 
heinz schrieb:
Lieber Dieter, es ist schon tragisch, dass die Ostgotenherrschaft sowenig gefestigt war. Aber da die germanischen Völker zu wenig Menschen hatten, überstand das römische Volk auch die Herrschaft der langobarden. :(
Wiedersprechen sich diese beiden Sätze nicht grundsätzlich?

Aber noch mal zu Dieters Posting. Nach dem Ende des Ostgotenreiches konnte zunächst Kaiser Justinian ganz Italien für das Oströmische Reich zurückgewinnen. Erst unter der Herrschaft des Kaisers Phokas (602-610) konnten dann die Langobarden ihre Stellung in Italien dauerhaft behaupten. Phokas war auch der letzte Kaiser, der auf dem Forum Romanum baute (die Phokas-Säule) und den lateinischen Titel Imperator Augustus (nicht wie danach Basileus) trug. In der Folge ging der byzantinische Einfluss in Italien stetig zurück. Das Exarchat von Ravenna bestand noch bis 751, Venedig blieb bis in die Zeit um 1000 byzantinisch und die letzten Reste in Süditalien durch die Eroberungen der Normannen im 11. Jhd.
 
Hallo Heinz,

diese Thematik hat mich schon oft beschäftigt. Immer wieder kommt eine neue Schicht von Erobereren, schiebt sich über die alte, und wird wieder wieder von einer neuen Invasionswelle abgelöst. Und die alteingesessene Bevölkerung saugt all diese Eroberer auf, die meist samt ihrer alten Identität verschwinden.

In Italien - dem Wirkungsraum dieses Threads - lässt sich das gut beobachten. Da sitzt zunächst eine alte mittelmeerische Urbevölkerung, manche nennen sie Pelasger. Dann kommen indoeuropäisch sprechende Stämme und überschichten die alte Bevölkerung. Es entsteht eine Reihe neuer italischer Stämme, die sich wiederum mischen, und unter der Herrschaft Roms zur "Weltmacht" aufsteigen. Schon zu dieser Zeit strömen aus dem ganzen Römischen Reich Menschen nach Italien und vermengen sich mit den Italikern zu einer romanisierten Mischbevölkerung. Nach dem Zusammenbruch Westroms durchziehen Westgoten Italien, dann gründen Ostgoten ihr Reich, danach die Langobarden, Es folgt die Herrschaft der Franken, dann die des Heiligen Römischen Reichs. Alle hinterlassen mehr oder weniger sichtbare Spuren, Bevölkerungsreste verbleiben, werden eingeschmolzen und integriert.

Solche Entwicklungen haben sich überall vollzogen. Wie da Fanatiker angesichts dieser Völkermühlen noch von "Rasse" oder "reinrassig" sprechen können, ist mir schleierhaft.
 
Andronikos schrieb:
Wiedersprechen sich diese beiden Sätze nicht grundsätzlich?

Aber noch mal zu Dieters Posting. Nach dem Ende des Ostgotenreiches konnte zunächst Kaiser Justinian ganz Italien für das Oströmische Reich zurückgewinnen. Erst unter der Herrschaft des Kaisers Phokas (602-610) konnten dann die Langobarden ihre Stellung in Italien dauerhaft behaupten. Phokas war auch der letzte Kaiser, der auf dem Forum Romanum baute (die Phokas-Säule) und den lateinischen Titel Imperator Augustus (nicht wie danach Basileus) trug. In der Folge ging der byzantinische Einfluss in Italien stetig zurück. Das Exarchat von Ravenna bestand noch bis 751, Venedig blieb bis in die Zeit um 1000 byzantinisch und die letzten Reste in Süditalien durch die Eroberungen der Normannen im 11. Jhd.

Ja, natürlich hast du recht, Andronikos. Ich wollte nur nicht in Handbuchmanier die ganze Landesgeschichte herunterbeten, sondern einige machtpolitische Akzente herausheben. Die kurze Epoche des Justinian nach dem ZUsammenbruch der Ostgoten zählt gewiss dazu und wurde von mir unterschlagen. Sorry !!
 
Dieter schrieb:
In Italien - dem Wirkungsraum dieses Threads - lässt sich das gut beobachten. Da sitzt zunächst eine alte mittelmeerische Urbevölkerung, manche nennen sie Pelasger.

Die Pelasger gehören nach Griechenland. Ob das die seriöseren Autoren sind, die von einem pelasgischen Italien schreiben, möchte ich bezweifeln.
(http://begriffsportal.de/Pelasger)


Dieter schrieb:
Und die alteingesessene Bevölkerung saugt all diese Eroberer auf, die meist samt ihrer alten Identität verschwinden.

Nur die Indoeuropäer, die müssen natürlich aus dem Rahmen fallen. Warum eigentlich?
 
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