Tach, oder besser Nabend Wthurner,
dass, was Du angemerkt hast, kann ich in jedem Fall unterschreiben.
Was mir in meinem Beitrag unterlaufen ist - auch da hast du recht - ist die Vermischung zweiter sachverhalte. Auf der einen Seite habe ich versucht, zu begründen, dass die Formierung einer eigenständigen bosnischen Nationalität nach heutigen Maßstäben gemessen, vollkommen gerechtfertigt ist.
Dass die Bosnier - egal, ob muslimischer, katholischer oder Orthodoxer Konfession - auch heute noch massiven nationalradikalen politischen Einflüssen aller Seiten unterliegen, ist leider auch eine Tatsache.
Fanal dieser national-sezessionistischen Politik ist die Sprache.
Kleiner Exkurs:
In BiH wurde in Jugoslawien die sogenannte ije-kavische Variante der serbo-kroatischen Sprache gesprochen. Am weitesten verbeitet war die sprachliche Grundform der sto-kavstina (Benannt nach dem Fragepronomen sto?/was, bzw. warum). Um Zagreb herum sprachen damals einige Leute kajkavstina (kaj?/was?), in Serbien und an Serbien grenzenden Teilen Bosniens "stakavstina" (Sta?/ auch: was?).
Milch hieß "mlijeko" (wird so ausgesprochen, wie es geschrieben wird).
In Serbien dominierte die e-kavische Ausprägung, also "mleko".
Nur noch in Dalmatien, und selbst dort nur lückenhaft, war die i-kavische Ausprägung der sto-kavstina verbreitet. Milch gleich "mliko".
Was während und nach dem Krieg passierte, war Politik mit linguistischem Anstrich.
Klar, die Kroaten bestehen darauf, dass sie Kroatisch sprechen, die Serben darauf, dass sie Serbisch sprechen und die bosnische Politikelite führt die Bosnische Sprache ein. Eine Komikertruppe aus Sarajevo hat damals mit Recht darauf hingewiesen, dass man in Montenegro dringend zwischen Montisch und Negrinisch unterscheiden sollte...
Jedenfalls sind auf allen drei Seiten durchgeknallte Sprachenforscher dabei, diese Sprachen, die im Ursprung Dialekte derselben Sprache sind, radikal umzustrukturieren. darüber kann ich ein Lied singen, ich muss nämlich jeden Tag Texte in (neu-)kroatisch verfassen.
In Bosnien werden immer mehr türkische Wörter in den Sprachschatz eingefügt und in Kroatien heißt das Telefon, das immer Telefon hieß, jetzt brzoglas (schnelle Stimme - na bravo...).
Was Tito angeht - meine persönliche Meinung ist, dass jedes System - nenne es sich demokratisch oder sozialistisch - gut daran tut, gegen radikale Nationalisten mit unbarmherziger Härte vorzugehen. Man muss sich aber klar machen, dass solch' hartes Vorgehen auch Willkür und persönlichen Rachegelüsten Tür und Tor öffnet.
Was die Massenerschießungen von kroatischen Domobranenoffizieren (so 'ne Art Wehrmacht) und Ustascha-Anhängern nach dem Zweiten Weltkrieg angeht, ist es so, wie Milovan Djilas (erst ein enger Vertrauter und Kampfgefährte Titos, dann unbarmherziger Kritiker des Systems) es damals schrieb. Ich kann es nur sinngemäß wiedergeben:
"Verräter und Aufrührer erwartet im Kriege überall dasselbe Schicksal. Auf dem Balkan gibt es leider mehr davon, als anderswo."