Es gibt auch Unsterbliche, die eben, um ihre Angst zu behalten, über ihre Unsterblichkeit einfach nicht aufgeklärt werden. So ergeht es Tantalos (je nach dem, gilt er als ein Sohn des Zeus, was erklärt, weshalb man ihm so manches durchgehen ließ - dass Zeus, dessen negative Haltung gegenüber den Menschen bekannt ist, just den "Bösewicht" Tantalos mochte, ist vielleicht nicht so unverständlich), der in dauernder Angst lebt, dass er von einem Felsbrocken erschlagen wird - von seinen Problemen mit dem Verdursten und Verhungern ganz zu schweigen.
Nun ist Tantalos aber ja eben kein Gott, sondern, wenn auch vielleicht als Halbgott, menschlich und damit dem Tode unterworfen. Bei ihm ist es ja gerade die Strafe für seine Frevel, daß er eben nicht sterben darf, sondern als Lebender im Hades eben die Quelen erleiden muß, zu hungern und zu dürsten und Angst vor dem Erschlagenwerden zu haben.
Ich denke, bei dem Tod von Göttern muß man eine andere Deutung versuchen. Zunächst ist es ja so, daß man zwischen dem Tod und dem Sterben unterschieden muß. Das Sterben ist ein Prozeß und ein Durchgang, der Tod ist ein Zustand. Wenn man aber den Tod nicht als vollkommenes Nichts betrachtet, ist der Tod nur ein Zustand, der nicht in der Welt der Lebenden stattfindet, sondern in einem davon abgetrennten Bereich. da Götter ja Grenzen überschreiten, die Menschen normalerweise verwehrt sind, können sie den Tod erleiden, aber auch leicht zurückkommen.
Grundsätzlich gesehen sind Götter ja zunächst mal Symbole. Sie stehen metaphorisch als Stellvertreter und Projektionsfläche für menschliche Ängste und Nöte und Sorgen, aber auch Hoffnungen, Träume und Ideale.
Da nun einmal der Tod das Leben eines jeden Menschen betrifft, ist es klar, daß in diesem Rahmen auch die Götter mit dem Tod konfrontiert werden, allerdings auf unterschiedlichste Weise. Sie können als Herrscher der Totenwelt regieren, wo sie sowohl wachen, daß die Toten nicht zurückkehren, als auch richten über die Taten, die zu Lebzeiten vollbracht wurden, sie können die Toten geleiten und über die Grenze bringen, wie Hermes, sie können den Tod (in dem Fall besser das Sterben) symbolisieren wie Thanatos, sie können den Tod anordnen wie die Moiren oder auch den Tod überwinden wie Herakles oder Sisyphos oder ihn eben auch erleiden. Das heißt, man erzählte sich alle möglichen Aspekte des Todes und Sterbens und verflocht dies mit den Göttern.
Es gibt übrigens überall Götter, die sterben, ich gehe hier noch nicht einmal in die nordische Götterwelt, in der ich mich nicht so gut auskenne, ich verweise nur auf Osiris, Herakles, auch Jesus Christus ist in eine solche antike denktradition einzuordnen, wobei die Parallele zu Herakles frappant ist, und in Delphi verehrte man auch ein Grab des Dionysos, der ja streng genommen auch ein Halbgott war.
Nun stirbt ja aber nicht nur der Mensch, sondern die ganze Natur, und zwar vielfach in kürzeren Zyklen, was wir dann den jährlichen Wechsel der Jahreszeiten nennen. Insofern ist es sogar ein Charakteristikum von Vegetations- und Fruchtbarkeitsgöttern, daß sie sterben und wieder auferstehen, das gibt es im Orient und in Ägypten und auch in Griechenland. Die Sage von Persephone, die ein Drittel des Jahres bei ihrem Gatten Hades verbringen muß, bevor sie wieder zurück zu ihrer Mutter Demeter darf, kann getrost auch als Sterberitual aufgefaßt werden und ist natürlich sinnbildlich mit dem Winter als Absterben der Vegetation zu verbinden.
Insofern ist dem Satz von Brissotin natürlich zuzustimmen:
Die ganze Mythologie ist natürlich biologisch bisweilen fragwürdig, aber eben auch in sich nicht ganz logisch. So können ja diejenigen, die ewigen Strafen unterworfen sind, auch offensichtlich nicht zu den für die Götter so wichtigen Äpfeln pilgern, die von Cécile erwähnt wurden.
Biologisch nicht, aber man muß die Mythologie um ihre semantische Komponente erweitern.
Das Ding mit den Äpfeln ist so eine Sache.
Oh doch! Pan starb weil er nicht von den Äpfeln der Hesperiden aß. Atlas hatte ihm zwar den Weg dorthin gezeigt (die olympischen Götter wollten ihn nicht dorhin mitnehmen), aber er entschied sich bewusst dagegen, weil er nicht sein eigenes Vergessenwerden miterleben wollte.
Wenn Plutarch (glaube ich) Pan sterben läßt, dann aber auch in einer Semantik als Vegetationsgottheit. Hier speilt das Problem mit hinein, daß die antike Mythologie keine genormte Religion widerspiegelt, sondern ein Sammelbecken für eine sich stetig verändernde und zum Teil auch widersprüchliche Vorstellungswelt ist.
Das Pan tot sein soll habe ich nicht gewußt, nur das mit der Botschaft des Seemanns (auch bei Wikipedia). Geben die Äpfel nicht nur Jugend, aber nicht Unsterblichkeit? Also der Grund wieso Eo's Geliebter, Tithonos, zwar nicht stirbt aber ewig dahinaltert.
Die Äpfel, das Geschenk Gaias zur Hochzeit von Zeus und Hera, sollen in der Tat Unsterblichkeit verleihen. Das mit der Jugend wäre mir neu, aber es ist nicht unmöglich, daß es irgendwo eine Version gibt, die beides verbindet. Daß Tothonoa aber zwar nicht stirbt, aber altert, liegt eigentlich daran, daß Eos diese Bitte vergessen hat beim großen Kroniden, dem Wolkenerschütterer.
Hesiod berichtet in "Werke und Tage", dass Kronos im Elysium herrscht, in der "Theogonie" hingegen erwähnt er ihn im Tartaros. Bei Homer befindet er sich im Tartaros. Auflösen lässt sich das, wenn man annimmt, dass Kronos zuerst in den Tartaros musste und erst später ins Elysium übersiedeln durfte.
Hier spielen zwei verschiedene Konzepte eine Rolle. Auf der einen Seite ist die Geschichte der genealogischen Entwicklung dadurch geprägt, daß die Kinder die Eltern entmachten. Kronos entmachtet Uranos und wird selbst von seinem Sohn Zeus gestürzt, der ja, weil er Angst vor einem ähnlichen Schicksal hat, die Nymphe Metis verschlingt, weil sie ihm keinen Sohn gebären soll. In diesem System wird Kronos natürlich eingekerkert, er ist ein Gegner und muß vor allem dafür büßen, daß er seine fünf ersten Kinder verschluckte. Unübertroffen übrigens das Bild von Goya.
Das zweite Konzept ist eher der vermeintlichen Entwicklung der Zeitalter geschuldet, bei der ja empirisch festgelegt wird, daß früher alles besser war. In diesem Fall werden die Titanen ja als Herrscher des Goldenen Zeitalters gesehen, und daher ist es klar, daß sie dann im Elysium landen dürfen.