Tote im 30-Jährigen Krieg

Conrad_Guhl

Neues Mitglied
Hallo,

ich habe zu der frage der zahl der toten deutschen im 30-jährigen krieg schon sehr verschiedene zahlen gelesen, ich habe angaben zwischen 75% tote und 75% überlebende gehört. Die schwankungen darin sind mir doch etwas zu hoch...wieviele waren das?

Gibt es dazu irgenteine gute quelle? Promotionsarbeit etc.?

vielen dank im vorraus
 
Die Schwankungsbreite verwundert mich nicht, denn es dürfte so gut wie unmöglich sein, auf diese Frage eine zuverlässige Antwort zu geben.

Damals gab es keine Behörden, die mit Personenstandsangelegenheiten befasst waren. Die einzige Institution, die sich mehr oder wenigier methodisch damit befasst hat, war die Kirche. Doch durch den Krieg sind sehr viele kirchliche Unterlagen (z.B. Kirchenbücher) verloren gegangen.

Die menschlichen Verluste waren zudem uneinheitlich. In manchen Gegenden gab es keine Kriegsopfer, woanders lag die Mortalitätsrate durch Gewalt, Hunger und Krankheiten besonders hoch.

Durch eigene genealogische Forschungen im Raum Franken stieß ich immer wieder auf den Hinweis, wonach in einem Dorf alle Einwohner im Laufe des Krieges "verlustig gegangen" sind. Wenn man das näher untersucht, stellt man fest, dass die Bewohner nicht allesamt umgekommen sind, sondern dass zuweilen ganze Dorfgemeinschaften weggezogen sind, weil sie kriegsbedingt nicht mehr bleiben konnten. Beispielsweise weil in der Nähe eine Straße lag, auf der dauernd Heere durchzogen, die plünderten und mordeten. Oder weil die Ernte zerstört oder geraubt war. Dann suchte man sein Glück in der Fremde.

Kurz und gut - man ist auf regional unterschiedliche Schätzungen angewiesen (Wobei man nicht vergessen sollte, dass es nicht einmal eine hundertprozentig genaue Verlustzahl für den 2. Weltkrieg gibt.)

Gruß

Jacobum
 
Prof. Joshua Goldstein (Max-Planck-Institut für demographische Forschung Rostock) schätzt 2,1 Millionen Tote.
Auf einer Kunst-Internetseite ist von einem Drittel Überlebender in Süddeutschland die Rede.
http://www.kunstb.de/Hoffnung%20Europa.pdf
Dieser Wissenskanon spricht von 3-4 Millionen Toten.
Was @Jacobum hoffentlich vergessen hat sind die Seuchen (Pest), die auch am 30-jährigen Krieg nicht vorbeigegangen sind.

So nebenbei: Schweden erlitt durch den 30-jährigen Krieg einen massiven Bevölkerungsrückgang. Mag man erst nicht glauben, weil dort kein Krieg stattfand. Allerdings gingen dreiviertel der schwedischen Soldaten im Krieg verlustig.
Quelle: Das Museum des Dreißigjährigen Krieges, Wittstock an der Dosse, in der Prignitz, Land Brandenburg.
 
Ich erlaube mir, noch die Angaben nachzureichen, welche in folgendem Buch getroffen werden und verschiedene Abschätzungen reflektieren: http://www.geschichtsforum.de/f198/der-dreissigjaehrige-krieg-4015/
Um 1600 mögen in Deutschland (gerechnet in den Grenzen von 1871) zwischen 15 und 17 Millionen Einwohner gelebt haben, andere Schätzungen sprechen von bis zu 21 Millionen. Die Verluste werden mit 20 bis 45 Prozent des Vorkriegsstandes beziffert: Um 1650 lebten nur noch etwa 10 bis 13 Millionen Menschen in Deutschland.
Mit Günter Franz lassen sich vier Zonen unterscheiden: Verwüstungsgebiete mit über 50, Zerstörungsgebiete mit zwischen 30 bis 50, Übergangsgebiete mit 10 bis 30 Prozent Verlusten und schließlich die wenig betroffenen Randgebiete in Niederdeutschland und in den Alpen mit Einbußen unter 10 Prozent.
Die schwerstbetroffenen Gebiete ziehen sich von Pommern und Mecklenburg im Nordosten über Thüringen sowie Teile Hessens in der Mitte bis zu den kleinräumigen Gebieten im Südwesten. In Mecklenburg waren 1640 noch jede dritte, 1651 nur noch jede achte Bauernstelle besetzt; in Hinterpommern fehlten zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung. Für das Herzogtum Württemberg kommt von Hippel auf einen Bevölkerungsrückgang von durchschnittlich 57 Prozent zwischen 1634 und 1655, wobei dei Zahlen für die einzelnen Ämter zwischen 31 und 77 Prozent schwanken. Selbst dies spiegelt jedoch nicht das gesamte Ausmaß der Katastrophe wider, denn sie brach plötzlich 1634/35 in Gestalt der bei Nördlingen siegreichen Habsburger Heere über das Land herein und verwüstete es fast vollständig.
Die Verluste waren dort am größten, wo die Armeen standen, also an den großen Flüssen, den Durchgangsstraßen und an den strategisch wichtigen Punkten. Darüber hinaus waren sie auf dem Land durchweg höher als in den Städten, deren Mauern Schutz vor der Soldateska, nicht jedoch vor Seuchen und Hungersnöten boten. Die städtische Bevölkerungsbilanz wird durch die Landbevölkerung, die in unruhigen Zeiten in die als sicher geltende Stadt floh, geschönt...
Etwa 30 bis 50 Prozent Bevölkerungsverluste waren in Brandenburg, Magdeburg, Hessen, Franken, Bayern, Schwaben sowie im Elsaß zu beklagen. Sachsen verlor nur zwischen 10 und 20 Prozent - im Städtedreieck Leipzig, Dresden und Chemnitz starben und flohen jedoch bis zu zwei Drittel der Bevölkerung. In den Lausitzen war 1647 ein Drittel aller Bauernstellen unbesetzt, ein Viertel der Bevölkerung tot... Die österreichischen Erblande sowie weite Teile Nordwestdeutschlands blieben sogar von dramatischen Einbrüchen verschont.
Die Bevölkerungsbilanz des Krieges ist dennoch eindeutig, die Verlustrate liegt mit Sicherheit dichter an 40 als an 15 Prozent...

Spezifizierung der Ausgabe des Buches: Georg Schmidt "Der Dreißigjährige Krieg" - C.H. Beck Wissen, 5. akt. Aufl., München 2002
 
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Hallo,

die 75% toten habe ich von Manfred Höfers "Die Kaiser und Könige der Deutschen"

die 75% überlebenden stammen von einem Arbeitsblatt aus unserem Geschichtsunterricht (ich werd versuchen morgen mal meinem lehrer eine genauere quellenangabe zu entlocken)

Danke für die vielen antworten
 
eine genaue anzahl kann hirbei nicht gegeben werden,
sicher ist nur dass die zahl der gefallenen im verhältnis hochgerechnet zur damaligen zeit im 2. weltkrieges viel mehr waren!

die zahl, der toten, die an den folgen starben,
menschen, die an den späteren seuchen zugrunde gingen usw.
war jedenfalls unvorstellbar hoch
 
timotheus: In Mecklenburg waren 1640 noch jede dritte, 1651 nur noch jede achte Bauernstelle besetzt; in Hinterpommern fehlten zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung.

Das ist m.Mn. ein deutlicher Beweis, dass es nicht direkte Kampfhandlungen waren, die das Elend und den Tod bewirkten. In Hinterpommern? Da sind doch, soweit ich weiß, die Kaiserlichen nie gewesen (Pommernland ist abgebrannt...).

Es war vielleicht nicht nur eine entfesselte Soldateska, sondern auch entwurzelte Zivilisten, die sich sich gegenseitig das letzte Hemd und das letzte Huhn nahmen, um zu überleben. Dazu kamen dann noch Seuchen und die Tatsachen, dass man die Felder mangels Saatgut, Arbeitskräften und persönlicher Sicherheit gar nicht mehr bestellen konnte.
 
Das ist m.Mn. ein deutlicher Beweis, dass es nicht direkte Kampfhandlungen waren, die das Elend und den Tod bewirkten. In Hinterpommern? Da sind doch, soweit ich weiß, die Kaiserlichen nie gewesen (Pommernland ist abgebrannt...).
Ganz so war es nicht:
Februar 1627: Wallenstein erobert mit der kaiserlichen Armee Mecklenburg, Pommern und Holstein (Holstein=dänisches Herrschaftsgebiet)
Januar 1628: Wallenstein wird Herzog von Mecklenburg
 
Mercy: Ganz so war es nicht:
Februar 1627: Wallenstein erobert mit der kaiserlichen Armee Mecklenburg, Pommern und Holstein (Holstein=dänisches Herrschaftsgebiet)
Januar 1628: Wallenstein wird Herzog von Mecklenburg

Zwar richtig, dass Wallenstein auch in (Vor)Pommern stand und Stralsund vergeblich belagerte. Hinterpommern, was erst jenseits der Oder beginnt, hat er nie betreten. Ich weiß nicht, wo die exakte Grenze zu Vorpommern verlief. Aber ganz Pommern hat Wallenstein genauso wenig beherrscht wie Caesar im Asterix "ganz Gallien". Wohlklingende Titel sind Schall und Rauch und dürfen uns heute nicht irretieren. Wallenstein ließ sich auch "Admiral des Baltischen Meeres" nennen, was voll an der wahren Sachlage vorbei ging.
 
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Gustav Adolph ist auf Usedom gelandet und danach schnurstraks in Richtung Reich marschiert. Hinterpommern hat auch er nicht direkt berührt.
Was den Hinweis auf den schwedisch-poln. Krieg betrifft: Da muss ich noch rechieren, glaube aber nicht dass das Reich (Pommern zählte dazu), direkt betroffen war.
 
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Nach Meyers Lexikon lebten 1618 ca. 20 Millionen Deutsche. Angeblich sollen 9 Millionen Deutsche in diesem Krieg gestorben sein.
Die Zahl von 20 Millionen Deutsche ist laut Meyers Lexikon erst wieder um 1800 erreicht worden.
Gibt interessantes Buch zum 30-jährigen Krieg:
Der Dreißigjährige Krieg in Augenzeugenberichten, von H. Jennsen (Hrsg.), Düsseldorf, Karl Rauch Verlag 1963

1616
 
Jetzt haben wir alle gelesen, was Bücher und Lexika darüber schreiben. Aber woher haben diese Publikationen diese Daten ? Was nützt es von einer Bandbreite von 25% bis 75% Verlusten zu sprechen. Hat jemals ein Forschungsprojekt sämtliche im 17. Jh. zeitnah erstellten Einwohnerverzeichnisse dokumentiert. Ich glaube nein. Daher ist weder etwas zur Gesamtbevölkerungszahl, noch zu den Verlustzahlen aussagbar. Wer kann denn widerlegen, daß es vor dem 30jährigen Krieg nicht viel weniger Einwohner waren und die Verluste nur gering.
Nach meinen rein regionalen Kenntnissen waren die Pestepedemien Ende des 16. und Anfang des 17. Jh. (soweit man diese anhand von noch vorhandenen Originalakten !!! nachweisen kann) so verlustreich, daß hier in den von mir untersuchten Orten, in denen die Pest wütete 50-60% aller Einwohner starben und das Ende des 16. Jh. und dann von den verbleibenden Prozenten eben noch einmal soviele Anfang des 17. Jh., so daß zu Beginn des 30jährigen Krieges in diesen Orten nur noch ca. 25% der Bevölkerung lebte, wie zur Zeit kurz nach der Reformation. Ich hatte das Glück, daß in diesem Falle die Kirchenbücher 1545 beginnen und lückenlos überliefert sind.
 
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So nebenbei: Schweden erlitt durch den 30-jährigen Krieg einen massiven Bevölkerungsrückgang. Mag man erst nicht glauben, weil dort kein Krieg stattfand. Allerdings gingen dreiviertel der schwedischen Soldaten im Krieg verlustig.
Quelle: Das Museum des Dreißigjährigen Krieges, Wittstock an der Dosse, in der Prignitz, Land Brandenburg.

Wobei nur ein Teil der schwedischen Soldaten auch Schweden waren. Im schwedischen Heer dienten auch größere "deutsche" Kontingente

Für meinen Ort gibt es Daten, die einen Bevölkerungsrückgang von ca 60% ergeben, genau genommen sogar nur einen Rückgang der Hof- bzw. Feuerstellen von ca. 60%. Das Problem ist, daß dies nichts über Todesfälle aussagt, der Schwund könnte rein theoretisch auch durch Fortzug entstanden sein. Zudem sagt die Zahl der Feuerstellen nur bedingt etwas über die Einwohnerzahl aus, so das hier die Möglichkeit besteht, daß die Verluste sowohl größer oder kleiner gewesen sein könnten. Wie dem auch sei, die Auswirkungen des Krieges waren verheerend. Für die Überlebenden waren sie aber auch eine große Chance, z.T. ein großer Segen. Schon lange nicht mehr wurden Arbeitskräfte so dringend benötigt. Schon lange nicht mehr waren Ländereien und Hofstellen in solchem Umfang frei. Diese Auswirkungen werden oft vergessen.
 
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Zu diesem Thema gibt es auch eine Karte, die die Bevölkerungsverluste sehr präzise und anschaulich darstellt:

Großer Atlas zur Weltgeschichte
, S. 107, Karte (2): Bevölkerungsverluste durch Krieg und Seuchen im Reich 1618-1648 (Westermann Verlag)

Pommern, Mecklenburg, Pfalz und Württemberg verzeichneten danach die höchsten Bevölkerungsverluste mit über 60%, Kurmark, Hessen und Bayern etwa 35-über 60%, während Holstein und Nordwestdeutschland weitgehend unbehelligt blieben und Verluste von 0-15% erlitten.
 
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