Überfall auf Polen 1939

Arne schrieb:
Polen wurde bereits im Friedensvertrag von Brest-Litowsk (Dezember 1917) wiederhergestellt. Hintergrund war die beabsichtigte Schwächung Rußlands durch Ausgliederung verschiedener Gebiete (Polen, Ukraine, Finnland und die baltischen Staaten) aus dem Herschaftsbereich.
Insofern hat also Polen seine Auferstehung als selbstständiger Staat den Mittelmächten zu verdanken - auch wenn das vermutlich weniger aus Liebe zum polnischen Volk geschah. ;)

Möchte jetzt nicht kleinlich sein, nach meinen Unterlagen wird Polen seit dem 11.11.1918 als unabhängiger Staat geführt. Nach meine Wissen, verloren die Russen in Polen das Hoheitsrecht und die Zukunft sollte im Einvernehmen mit dem Deutschen Reich und den dortigen Völkern nach dem Selbstbestimmungsrecht geregelt werden. Von einem eigenen Staat ist da noch nicht die Rede. Das geschah erst nachdem Ende des ersten Weltkrieges.
 
ursi schrieb:
Möchte jetzt nicht kleinlich sein, nach meinen Unterlagen wird Polen seit dem 11.11.1918 als unabhängiger Staat geführt. Nach meine Wissen, verloren die Russen in Polen das Hoheitsrecht und die Zukunft sollte im Einvernehmen mit dem Deutschen Reich und den dortigen Völkern nach dem Selbstbestimmungsrecht geregelt werden. Von einem eigenen Staat ist da noch nicht die Rede. Das geschah erst nachdem Ende des ersten Weltkrieges.

Du bist nicht kleinlich, nur exakt :) - und hast Recht. In der kurzen Zeit nach der Besetzung der Gebiete durch die Mittelmächte und der Unterzeichnung des Vertrages im März 1918 bis zum November 1918 war wohl überhaupt keine Zeit die neuen Staaten organisatorisch auf die Beine zu stellen. Die Richtung war aber vorgegeben und in Versailles nahm man den Polen ihre Hoffnung auch nicht wieder weg. Warum auch? Es war ja auch im Sinn der Alleierten, wie du richtig dargestellt hast.
(Die Ukraine hatte allerdings nicht dieses Glück...)

Aber ich denke, man kann schon sagen, daß die Initialgebung zum Wiederentstehen Polens aus deutscher Richtung im Herbst 1917 kam.
 
hyokkose schrieb:
Der Vertrag von Brest-Litowsk datiert vom 3. März 1918. Die Wiederherstellung Polens war nicht Vertragsgegenstand:

http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/brest/index.html

Das ergibt sich aus §3, letzter Satz.

Wie der zu verstehen ist, schreibt das dhm auf der Vorseite so:
"Der am 3. März unterzeichnete Friedensvertrag zwischen Rußland und dem Deutschen Reich sah die Bildung deutsch kontrollierter Satellitenstaaten von der Ukraine bis zum Baltikum vor"

Oder bei wikipedia:

"Sowjetrussland verzichtete auf seine Hoheitsrechte in Polen, Litauen und Kurland. Die Zukunft dieser Gebiete sollte mit dem Deutschen Reich im Einvernehmen mit den dortigen Völkern nach dem Selbstbestimmungsrecht geregelt werden."

Wichtig: Selbstbestimmungsrecht der Völker.
 
Finde übrigens gerade einen Hinweis im DTV-Geschichtsatlas:

1916: Proklamtation eines selbständigen Königreich Polens durch die Mittelmächte (ohne Posen und Galizien) Deutschland fördert die Revolutionierung Rußlands und erhofft dadurch der Errichtung von Pufferstaaten vom Kaukasus bis Finnland.
August 1917 Gründung des "polnischen Nationalkomitees" in Paris.
1917 Einsetzung eines "Regentschaftsrates" als polnische Regierung unter deutscher Kontrolle.
3.11.1918 Proklamation der poln. Republik und Rücktritt des Regentschaftsrates und seines Vorsitzenden Pilsudski.

Also schon 1916 Bestrebungen zur Wiedererichtung eines polnischen Staates von deutscher Initiative. Dann in Paris eine Gegeninitiavie republikanischer Natur zum geplanten Königreich.


Nachsatz: Hier findet sich bei Wikipedia auch noch ein Bericht, der die Absicht zur Wiederherrichtung Polens im Vertrag von Brest-Litowsk ganz klar werden lässt:
"Dementsprechend wurde Trotzki nicht müde, lange Propagandareden zu halten und die Geduld besonders der Deutschen zu strapazieren. General Hoffmann, der die Oberste Heeresleitung vertrat, wurde dieses Gerede schließlich zuviel. Er wies Trotzki am 18. Januar 1918 zurecht: „Die russische Delegation spricht mit uns, als ob sie siegreich in unserem Lande stünde und uns Bedingungen diktieren könnte. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Tatsachen entgegengesetzt sind ... Ich möchte dann feststellen, dass die russische Delegation für die besetzten Gebiete die Anwendung eines Selbstbestimmungsrechtes der Völker in einer Weise und einem Umfang fordert, wie es ihre Regierung im eigenen Lande nicht anwendet. Ihre Regierung ist begründet lediglich auf Macht, und zwar auf Macht, die rückhaltlos mit Gewalt jeden Andersdenkenden unterdrückt. Jeder Andersdenkende wird einfach als Gegenrevolutionär und Bourgeois für vogelfrei erklärt ...“ Hoffmann stellte erneut mit Nachdruck die deutschen Forderungen für einen Friedensvertrag: Unabhängigkeit für Polen und die baltischen Staaten Litauen und Livland (Lettland). Trotzki bat um eine Verhandlungspause, die ihm gewährt wurde und kehrte noch am 18. Januar nach St. Petersburg zurück."
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Brest-Litowsk
 
Zuletzt bearbeitet:
Arne schrieb:
Finde übrigens gerade einen Hinweis im DTV-Geschichtsatlas:

1916: Proklamtation eines selbständigen Königreich Polens durch die Mittelmächte (ohne Posen und Galizien) Deutschland fördert die Revolutionierung Rußlands und erhofft dadurch der Errichtung von Pufferstaaten vom Kaukasus bis Finnland.
August 1917 Gründung des "polnischen Nationalkomitees" in Paris.
1917 Einsetzung eines "Regentschaftsrates" als polnische Regierung unter deutscher Kontrolle.
3.11.1918 Proklamation der poln. Republik und Rücktritt des Regentschaftsrates und seines Vorsitzenden Pilsudski.

Also schon 1916 Bestrebungen zur Wiedererichtung eines polnischen Staates von deutscher Initiative. Dann in Paris eine Gegeninitiavie republikanischer Natur zum geplanten Königreich.


Nachsatz: Hier findet sich bei Wikipedia auch noch ein Bericht, der die Absicht zur Wiederherrichtung Polens im Vertrag von Brest-Litowsk ganz klar werden lässt:
"Dementsprechend wurde Trotzki nicht müde, lange Propagandareden zu halten und die Geduld besonders der Deutschen zu strapazieren. General Hoffmann, der die Oberste Heeresleitung vertrat, wurde dieses Gerede schließlich zuviel. Er wies Trotzki am 18. Januar 1918 zurecht: „Die russische Delegation spricht mit uns, als ob sie siegreich in unserem Lande stünde und uns Bedingungen diktieren könnte. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Tatsachen entgegengesetzt sind ... Ich möchte dann feststellen, dass die russische Delegation für die besetzten Gebiete die Anwendung eines Selbstbestimmungsrechtes der Völker in einer Weise und einem Umfang fordert, wie es ihre Regierung im eigenen Lande nicht anwendet. Ihre Regierung ist begründet lediglich auf Macht, und zwar auf Macht, die rückhaltlos mit Gewalt jeden Andersdenkenden unterdrückt. Jeder Andersdenkende wird einfach als Gegenrevolutionär und Bourgeois für vogelfrei erklärt ...“ Hoffmann stellte erneut mit Nachdruck die deutschen Forderungen für einen Friedensvertrag: Unabhängigkeit für Polen und die baltischen Staaten Litauen und Livland (Lettland). Trotzki bat um eine Verhandlungspause, die ihm gewährt wurde und kehrte noch am 18. Januar nach St. Petersburg zurück."
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Brest-Litowsk


Pilsudski hat mit seiner "Polnischen Legion" auf Seiten ÖU´s gekämpft. Die Widererrichtung des Polnischen Staats war etwas schwammig, da man sich auch bei den Mittelmächten z. b. nicht auf Grenzen einigen konnte. In Wien wurde ein Habsburger Erzherzog als Polnischer König favorisiert. Insbesondere hoffte man bei den mittelmächten auf große polnische Freiwilligenverbände die mit gegen Rußland hätten kämpfen sollen. Es wurden aber wohl nur ein paar Tausend. Hindenburg beklagt sich jedenfalls darüber in seinen Memoiren, dass durch die Proklamation des Polnischen Staats andererseits jede Hoffnung auf einen Separatfrieden mit dem zaristischen Rußland dahin gewesen sei, und die Zahl der polnischen Freiwilligen nicht ins Gewicht gefallen sei.

OT: König von Litauen hätte der Graf von Württemberg & Herzog von Teck werden sollen. (Der vom Lichtenstein bei Reutlingen)

Grüße Repo
 
Repo hat in diesem Strang zwei Thesen vertreten, die Kritik verdienen:
- die polnische Führung soll von derselben Krankheit wie Hitler befallen gewesen sein;
- Polen soll im September 1939 kein „friedliches Land" gewesen sein.

Repo am 25.9.2005 um 6.14 Uhr:
„Mit Krankheit meinte ich Selbstüberschätzung und den Versuch mit "Säbelrasseln" den potentiellen Gegner ins Bockshorn zu jagen. Was im Falle der Polen leider nur bei ihren Verbündeten gewirkt hat.“

Was soll nun diese Klarstellung eigentlich bedeuten? War Hitler, der laut Repo an derselben Krankheit gelitten haben soll, nur ein Säbelrassler, der seine potentielle Gegner ins Bockshorn jagte? Mit diesem Versuch die Krankheits-These zu entschärfen wird eigentlich nur der Charakter von Hitler verharmlost.:mad:
Repo am 28.09.2005 um 16:46 Uhr:
„Polen hat sich ja auch gar nicht aggressiv verhalten. (Den Gefallen haben sie Hitler nicht gemacht) Nur in Worten.“

Ursi hat in Ihrem Beitrag vom 28.9.2005 - 19:07 Uhr – schon darauf hingewiesen, dass Repo mit dieser Aussage klar seiner These vom unfriedlichen Land widersprochen hat. In seiner Antwort vom 29.9.2005 - 9:01 Uhr – teilte Repo mit, sich „erst am Wochenende wieder mehr damit befassen (zu) können.“ Nun, das Wochenende ist rum…:rolleyes:
 
Kennt einer der Forumsteilnehmer den Wortlaut des polnisch-britischen Beistandspakts und könnte ihn hier einstellen? Hintergrund der Bitte ist folgender: Scheil behauptet in"Fünf plus Zwei", dieser Beistandspakt sei als Defensiv- und Offensivbündnis zu verstehen, weil der Bündnisfall bereits gegeben sein soll, wenn einer der Partner in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt werde. Dieser Behauptung fügt Scheil einige Zitatzeilen an, die er als authentische Vertragstext bezeichnet.

Nun kommt Scheil aber durchgehend zum Ergebnis, daß 1939 und 1940 Deutschland weniger als alle anderen zum Entstehen und zur Eskalation des Krieges beigetragen habe, und im NFH-Forum wird er von den dortigen Moderatoren als unglaubwürdiger Revisionist angesehen. Diese Historikerzwistigkeiten kann ich als Laie nicht entwirren, mir geht es nur um belegbare Tatsachen. Daher meine Frage nach dem Vertragstext.
 
Kennt einer der Forumsteilnehmer den Wortlaut des polnisch-britischen Beistandspakts und könnte ihn hier einstellen? Hintergrund der Bitte ist folgender: Scheil behauptet in"Fünf plus Zwei", dieser Beistandspakt sei als Defensiv- und Offensivbündnis zu verstehen, weil der Bündnisfall bereits gegeben sein soll, wenn einer der Partner in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt werde. Dieser Behauptung fügt Scheil einige Zitatzeilen an, die er als authentische Vertragstext bezeichnet.

Nun kommt Scheil aber durchgehend zum Ergebnis, daß 1939 und 1940 Deutschland weniger als alle anderen zum Entstehen und zur Eskalation des Krieges beigetragen habe, und im NFH-Forum wird er von den dortigen Moderatoren als unglaubwürdiger Revisionist angesehen. Diese Historikerzwistigkeiten kann ich als Laie nicht entwirren, mir geht es nur um belegbare Tatsachen. Daher meine Frage nach dem Vertragstext.

Ich habe den Text auch irgendwo zu Hause auf deutsch und/oder polnisch gehabt, aber der ist momentan verschollen. So habe ich nur diese englische Version as dem Internet für dich, was aber quellenhistorisch ja durhaus von Vorteil ist:


"THE BRITISH WAR BLUE BOOK
ANGLO-POLISH AGREEMENT

Agreement of Mutual Assistance between the United Kingdom and Poland. London, August 25, 1939.

THE Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Polish Government:
Desiring to place on a permanent basis the collaboration between their respective countries resulting from the assurances of mutual assistance of a defensive character which they have already exchanged:
Have resolved to conclude an Agreement for that purpose and have appointed as their Plenipotentiaries: The Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland: The Rt. Hon. Viscount Halifax, K.G., G.C.S.I., G.C.I.E., Principal Secretary of State for Foreign Affairs;
The Polish Government: His Excellency Count Edward Raczynski, Ambassador Extraordinary and Plenipotentiary of the Polish Republic in London;
Who, having exchanged their Full Powers, found in good and due form, have agreed following provisions:-
ARTICLE I.
Should one of the Contracting Parties become engaged in hostilities with a European Power in consequence of aggression by the latter against that Contracting Party, the other Contracting Party will at once give the Contracting Party engaged in hostilities all the support and assistance in its power.
ARTICLE 2.
(1) The provisions of Article I will also apply in the event of any action by a European Power which clearly threatened, directly or indirectly, the independence of one of the Contracting Parties, and was of such a nature that the Party in question considered it vital to resist it with its armed forces.
(2) Should one of the Contracting Parties become engaged in hostilities with a European Power in consequence of action by that Power which threatened the independence or neutrality of another European State in such a way as to constitute a clear menace to the security of that Contracting Party, the provisions of Article I will apply, without prejudice, however, to the rights of the other European State concerned.
ARTICLE 3.
Should a European Power attempt to undermine the independence of one of the Contracting Parties by processes of economic penetration or in any other way, the Contracting Parties will support each other in resistance to such attempts. Should the European Power concerned thereupon embark on hostilities against one of the Contracting Parties, the provisions of Article I will apply.
ARTICLE 4.
The methods of applying the undertakings of mutual assistance provided for by the present Agreement are established between the competent naval, military and air authorities of the Contracting Parties.
ARTICLE 5.
Without prejudice to the foregoing undertakings of the Contracting Parties to give each other mutual support and assistance immediately on the outbreak of hostilities, they will exchange complete and speedy information concerning any development which might threaten their independence and, in particular, concerning any development which threatened to call the said undertakings into operation.
ARTICLE 6.
(1) The Contracting Parties will communicate to each other the terms of any undertakings of assistance against aggression which they have already given or may in future give to other States.
(2) Should either of the Contracting Parties intend to give such an undertaking after the coming into force of the present Agreement, the other Contracting Party shall, in order to ensure the proper functioning of the Agreement, be informed thereof.
(3) Any new undertaking which the Contracting Parties may enter into in future shall neither limit their obligations under the present Agreement nor indirectly create new obligations between the Contracting Party not participating in these undertakings and the third State concerned.
ARTICLE 7.
Should the Contracting Parties be engaged in hostilities in consequence of the application of the present Agreement, they will not conclude an armistice or treaty of peace except by mutual agreement.
ARTICLE 8.
(1) The present Agreement shall remain in force for a period of five years.
(2) Unless denounced six months before the expiry of this period it shall continue in force, each Contracting Party having thereafter the right to denounce it at any time by giving six months' notice to that effect.
(3) The present Agreement shall come into force on signature.
In faith whereof the above-named Plenipotentiaries have signed the present Agreement and have affixed thereto their seals.
Done in English in duplicate, at London, the 15th August, 1939. A Polish text shall subsequently be agreed upon between the Contracting Parties and both texts will then be authentic.
(L.S.) HALIFAX. (L.S.) EDWARD RACZYNSKI"
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Martas, zunächst einmal herzlichen Dank für die prompte Einstellung des Vertragstextes! Vielleicht komme ich am Wochenende dazu, den Text mit den Scheil'schen Zitaten und Schlüssen zu vergleichen. Falls das Ergebnis eine Stellungnahme wert scheint, werde ich es posten.
 
Kennt einer der Forumsteilnehmer den Wortlaut des polnisch-britischen Beistandspakts und könnte ihn hier einstellen? Hintergrund der Bitte ist folgender: Scheil behauptet in"Fünf plus Zwei", dieser Beistandspakt sei als Defensiv- und Offensivbündnis zu verstehen, weil der Bündnisfall bereits gegeben sein soll, wenn einer der Partner in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt werde. Dieser Behauptung fügt Scheil einige Zitatzeilen an, die er als authentische Vertragstext bezeichnet.

Hallo

der Vertragstext ist auf Deutsch im britischen Blaubuch zum Kriegsausbruch enthalten sowie bei Hofer, Entfesselung, abgedruckt. Wie auch schon im oben geposteten Originaltext ersichtlich (Unterzeichnung 25.8.1939, nicht 24.8.1939, wie bei Scheil auf S. 48, auf S. 95 dagegen richtig) stimmen die Auszüge von Scheil. Die Unterzeichnung war im Sommer herausgezögert worden, wegen der laufenden britisch-französischen Verhandlungen mit der SU, und wurde nun als direkte Replik zur Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Vertrages vorgenommen.

Der bei Scheil enthaltene rechtliche Auslegungsversuch (ein "Drohbrief" Deutschlands würde reichen) ist m.E. falsch. Der Vertrag enthält klare Eskalationsstufen:

Artikel 1: Angriff
Artikel 2 Absatz 1: Bedrohung der Unabhängigkeit mit lebenswichtiger Bedeutung (bezieht sich nur auf Danzig)
Artikel 2 Absatz 2: Bedrohung eines dritten Staates, so dass eine Bedrohung der Sicherheit eines Unterzeichnerstaates vorliegt (bezieht sich auf Belgien, Niederlande etc).
Artikel 3: Hilfeleistung bei wirtschaftlichen Druck, mit Beistand bei nachfolgender Eröffnung der Feindseligkeiten.

Die Folgerung, "Polen sei zum Richter eines Krieges zwischen England und Detuschland geworden" (Scheil, S. 96), ist juristisch absurd. Artikel 2 bezieht sich nach dem geheimen Zusatzabkommen räumlich auf Danzig (Abs. 1), Belgien, Holland und Litauen (Abs. 2). Die Klarstellung im geheimen Zusatzprotokoll kann in diesem Zusammenhang m.E. nur so interpretiert werden, dass Artikel 2 ANGRIFFE auf Drittgebiete, also indirekte Bedrohungen Großbritanniens oder Polens, umfaßt. Die "hypothetischen Fälle deutscher Aktionen" laut Zusatzabkommen sollten im übrigen von Fall zu Fall noch später abgestimmt werden.

Ansonsten ist der Bündnisfall feststellungsbedürftig:
Wieso sollte Großbritannien auf die Feststellung verzichten, ob der Beistandsfall vorliegt, also z. B. auf die Feststellung eines "Angriffs" oder einer existenzgefährdenden Bedrohung?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo

der Vertragstext ist auf Deutsch im britischen Blaubuch zum Kriegsausbruch enthalten sowie bei Hofer, Entfesselung, abgedruckt. Wie auch schon im oben geposteten Originaltext ersichtlich (Unterzeichnung 25.8.1939, nicht 24.8.1939, wie bei Scheil auf S. 48, auf S. 95 dagegen richtig) stimmen die Auszüge von Scheil. Die Unterzeichnung war im Sommer herausgezögert worden, wegen der laufenden britisch-französischen Verhandlungen mit der SU, und wurde nun als direkte Replik zur Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Vertrages vorgenommen.

Der bei Scheil enthaltene rechtliche Auslegungsversuch (ein "Drohbrief" Deutschlands würde reichen) ist m.E. falsch. Der Vertrag enthält klare Eskalationsstufen:

Artikel 1: Angriff
Artikel 2 Absatz 1: Bedrohung der Unabhängigkeit mit lebenswichtiger Bedeutung (bezieht sich nur auf Danzig)
Artikel 2 Absatz 2: Bedrohung eines dritten Staates, so dass eine Bedrohung der Sicherheit eines Unterzeichnerstaates vorliegt (bezieht sich auf Belgien, Niederlande etc).
Artikel 3: Hilfeleistung bei wirtschaftlichen Druck, mit Beistand bei nachfolgender Eröffnung der Feindseligkeiten.

Die Folgerung, "Polen sei zum Richter eines Krieges zwischen England und Detuschland geworden" (Scheil, S. 96), ist juristisch absurd. Artikel 2 bezieht sich nach dem geheimen Zusatzabkommen räumlich auf Danzig (Abs. 1), Belgien, Holland und Litauen (Abs. 2). Die Klarstellung im geheimen Zusatzprotokoll kann in diesem Zusammenhang m.E. nur so interpretiert werden, dass Artikel 2 ANGRIFFE auf Drittgebiete, also indirekte Bedrohungen Großbritanniens oder Polens, umfaßt. Die "hypothetischen Fälle deutscher Aktionen" laut Zusatzabkommen sollten im übrigen von Fall zu Fall noch später abgestimmt werden.

Ansonsten ist der Bündnisfall feststellungsbedürftig:
Wieso sollte Großbritannien auf die Feststellung verzichten, ob der Beistandsfall vorliegt, also z. B. auf die Feststellung eines "Angriffs" oder einer existenzgefährdenden Bedrohung?

Grüße
Thomas

Nach dieser Argumentation (und längst liegen nicht alle Akten und Fakten auf den Tisch) hätte das Vereinigte Königreich frühstens am 19.9 und spätestens am 21.9.39 der UdSSR den Krieg erklären müssen, da alle Feststellungkritierien erfüllt waren. Ist das Vereinigte Königreich Vertragsbrüchig geworden oder hatte etwa Hitler recht, das dieser Vertrag aggressiv und nur gegen Deutschland gerichtet war?
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Hallo logo,

GB ist deshalb nicht vertragsbrüchig geworden, weil im Zusatzprotokoll zum Garantievertrag mit Polen ausdrücklich klargestellt ist, dass dieser Vertrag sich nur auf einen Angriff Deutschlands bezieht.

Grüße
Thomas
 
Tja, dann war das ein Blankoscheck für Polen mit Danzig, und den ansässigen Deutschen in den zugesprochenen Gebieten zu machen was sie wollten. Dann hätte Hitler mit seinen Ausführungen ja eigentlich völlig recht, das dieser Vertrag eine Fortsetzung von Versailles wäre.
Wenn das Vereinigte Königreich einen einseitigen Vertrag schließt gegen ein anderes Land (Deutschland) ist es deshalb scheinheilig, da ja die Ansprüche Moskaus der brit. Regierung ja auch bekannt waren, das dieser Vertrag dem brit. Volk (Zeitungen) und dem Unterhaus als "Schutz für Polen gegen seine aggessiven Nachbarn" dargestellt wurde.
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Hallo logo,

insofern hast Du Recht, als man den Vertrag auch in GB als außenpolitischen Fehler und Blankocheck angesehen hat. Da Polen eine Veränderung des status quo in Danzig als casus belli deklariert hat (Beck an Ribbentriop 28.3.1939), war da auch wenig Spielraum zu hoffen.

Dennoch - der Versuch ist von britischer Seite gemacht worden.

Zudem darf man die Umstände nicht verkennen. Danzig als "Restfrage" mit "Versailles" gleichzusetzen, wie von Hitler erfolgt, ist Unsinn. Zudem waren ja wohl die "letzten territorialen Ansprüche" bereits gestellt und "Danzig nicht das Objekt, um das es geht". So what?

Die britische Reaktion muss man aus der Besetzung von Prag heraus erklären, aus der Empörung über den Bruch der Absprachen und die Hilflosigkeit der Demokratien gegen jeden neuen Coup des Diktators. Ende März 1939 schien Polen auf Höchste gefährdet (sowie Rumänien), die Garantie sollte abschreckend wirken.

Im übrigen: Die Garantie wurde in einem Zeitpunkt gewährt, als von russischen Ansprüchen an Polen nichts in der Welt war, im Gegenteil: man verhandelte mit der SU über eine Kooperation gegen Deutschland (und hierfür hatte die SU im März den Vorschlag unterbreitet.

Was Zeitungen berichten, kann falsch sein, sieht man ja noch heute... Das Zusatzprotokoll war jedenfalls nicht bekannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist mir alles schon klar !
Hitler hat mit der "Okkupation" der Resttschechei alle Vereinbarungen gebrochen und damit kein Verhandlungspartner mehr, also verbrannt.
Nicht richtig ist das Gb nichts von der geplanten Expansion der UdSSR in allen Richtungen wußte. Bei den Verhandlungen im März mit der UdSSR hat Moskau seine Richtung seiner Einflußpshären genau so definiert, wie später gegenüber Hitler. GB wußte also was die UdSSR vor hatte und hat damit Polen ins offene Messer laufen lassen.
Danzig allein war auch nicht die Restfrage, sondern auch der Korridor und seine zukünftige Bestimmung.
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Ist mir alles schon klar !
Hitler hat mit der "Okkupation" der Resttschechei alle Vereinbarungen gebrochen und damit kein Verhandlungspartner mehr, also verbrannt.
Nicht richtig ist das Gb nichts von der geplanten Expansion der UdSSR in allen Richtungen wußte. Bei den Verhandlungen im März mit der UdSSR hat Moskau seine Richtung seiner Einflußpshären genau so definiert, wie später gegenüber Hitler. GB wußte also was die UdSSR vor hatte und hat damit Polen ins offene Messer laufen lassen.
Danzig allein war auch nicht die Restfrage, sondern auch der Korridor und seine zukünftige Bestimmung.
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Ganz interessant wären ja ein paar Belege, die z.B. die Aussage stützen, die UdSSR hätte Großbritannien von den geplanten Expansionen in "alle[n] Richtungen" erzählt. Vor allem das Einflußgebiet (d.h. nicht gleich Staatsgebiet), das der Deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt für den Fall Polen mit den Grenzflüssen Narew, Weichsel und San benennt.

Nichtangriffpakt: Geh. Zusatzprotokoll schrieb:
1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung in den zu den baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland und Litauen) gehörenden Gebieten bildet die
nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der Interessensphäre Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird das Interesse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits anerkannt.

2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung der zum polnischen Staat gehörenden Gebiete werden die Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Pissa, Narew, Weichsel und San
abgegrenzt. Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht eirscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre, kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden. In jedem Falle werden beide Regierungen diese Frage im Wege einer freundschaftlichen Verständigung lösen.


Kannst du bitte noch diesen Abschnitt deines Beitrags erläutern:
Hitler hat mit der "Okkupation" der Resttschechei alle Vereinbarungen gebrochen und damit kein Verhandlungspartner mehr, also verbrannt.


Die Stelle mit dem "verbrannt" ist mir nicht klar, ich hoffe, es ist ein Tippfehler.:S
Kannst du auch bitte das erläutern, was du mit der "Restfrage" zu Danzig und dem Korridor meinst? Silesias Ausführungen dazu (und auch so) finde ich sehr schön und präzise und ich verstehe nicht ganz was jetzt dein Problem ist?
 
Bei den Verhandlungen im März mit der UdSSR hat Moskau seine Richtung seiner Einflußpshären genau so definiert, wie später gegenüber Hitler. GB wußte also was die UdSSR vor hatte und hat damit Polen ins offene Messer laufen lassen. ...(1)

Danzig allein war auch nicht die Restfrage, sondern auch der Korridor und seine zukünftige Bestimmung. ...(2)
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Hallo logo,

zu (1): Wäre mir neu. Hast Du dazu eine britische oder russische Quelle?
zu (2): Danzig/Korridor bei Hitler zu differenzieren, legt wohl ein zu kleines Skalpell an. Richtig ist, dass aus taktischen Gründen die Vorschläge und Bezugspunkte wechselten. Legen wir mal für einen Moment die Worte auf die Goldwaage: als der Spruch kam (Danzig ist nicht das Objekt ...) war an nur die "Korridorlösung" eine aktuelle Forderung. Demnach würde die Passage aus dem Schmundt-Protokoll vom 23.5.1939 die Doppelbödigkeit der deutschen Außenpolitik geradezu herausarbeiten. Ich würde aber eher meinen, dass Danzig/Korridor von Hitler als Einheit angesprochen war.
 
Zuletzt bearbeitet:
@silesia,
zu1.Rußlands Ansprüche auf die Baltenstaaten,Rassinier, Seite 261 und Benoist-Mechin , Band 7, Seiten231ff
Chuchill- Memorien, Seiten 454f man darf weiter annehmen, das entsprechende "andere" Dinge folglich auch geregelt hätten werden können bzw. Forderungsinhalt auch mündlich gewesen sind, wenn man das Vertragsverhalten gegenüber dem Reich in Berücksichtigung bringt. Der Durchmarsch durch Polen hätte sowieso stattgefunden, also wäre eine Annexion Ostpolens eine akzeptierte Lösung gewesen, wie ja auch GB später die Annexion genauso akzeptierte.
zu2. sehe ich auch so.

@Martas, mit verbrannt meine ich, das Hitler als Verhandlungspartner für die Westmächte überhaupt nicht mehr tragbar war.
Die Restfrage ist für mich, wenn Polen auf das Angebot vom 30.08.39 eingegangen wäre , ob dann der Krieg verhindert worden wäre ?
Ich glaube das es auf jeden Fall 1939 zu keinen Kriegsausbruch gekommen wäre, aber auch Polen hätte wie zuvor überall,die Volksabstimmung im Korridor verloren. Diese Konsequenz war sich Polen völlig bewußt, deshalb lehnten sie das Verhandlungsangebot rigeros ab.
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Hallo logo,

Rußlands Revisionsansprüche nach dem WK I sind schon bekannt, sie wurden während der März-Gespräche 1939 nicht vorgebracht. Das war zu kein Thema.

Das Churchill-Zitat (die Quelle würde ich im übrigen nur sehr vorsichtig benutzen) bezieht sich auf die Juli-Gespräche? Den Durchmarsch hatte Polen abgelehnt, ein wesentlicher Grund für das Scheitern.

Die Ernsthaftigkeit des Kompromißangebotes würde ich unter zwei Aspekten beurteilen:
1. War der Angriff bereits für den 26.8. angesagt, dann abgesagt, als Mussolini zurückzog und GB die Garantie mit Polen unterzeichnete. Ob Hitlers Forderungen also erfüllbar waren, spielte im Ablauf keinerlei Rolle.
2. Hatte er gegenüber Ciano in den diplomatischen Gesprächen vom 11.-12.8.39 erwähnt, dass der Feldzug unbedingt vor dem Oktober 1939 stattfinden würde, da es ansonsten witterungstechnische Schwierigkeiten gäbe. Dann sei bis zum Frühjahr nichts mehr drin. Letzte Voraussetzung sei die Verständigung mit den Russen. Die Westmächte könnten und würden nicht eingreifen.
3. Die Tatsache, das ein solches Angebot der britischen Vermittlung vorgelesen und nicht ausgehändigt wird, läßt hinsichtlich der diplomatischen Ernsthaftigkeit tief blicken (auch wenn die diplomatische Spitze des Deutschen Reiches mit Reichskanzler und Außenminister für ihre diplomatischen Stillosigkeiten, Arroganz und Pöbeleinen allgemein bekannt war). Der Angriffsbefehl war zu diesem Zeitpunkt ein zweitesmal gegeben.
 
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