Vorgeschichte
Inzwischen habe ich einige Stellen in der US-Literatur nachgeschlagen:
Kawamura, Noriko: Turbulence in the pacific - japanese-US relations during World War I
Peattie, Mark R.: Nan'yo - The Rise and Fall of the Japanese in Micronesia 1885-1945
Braisted, William R.: The United States Navy in the Pacific 1909-1922 (Band II der Serie)
Der japanischen Expansion nach Mikronesien ging etwa ab 1905/07 eine zunehmende gedankliche Konfrontation mit den USA voraus. Wendepunkt war Tsushima, der russisch-japanische Krieg 1904/05 und der japanische Seesieg. Perspektivisch beschäftigten sich beiden Staaten danach mit der Möglichkeit einer Konfrontation quer über den Pazifik. Auf beiden Seiten spielte dabei der amerikanische "Vorposten" auf den Philippinen eine Rolle, der auf dem Weg nach China lag. Ebenfalls auf der Route von der amerikanischen Westküste nach Fernost/China lag die neue "naval station" Hawaii, die zunehmende Bedeutung durch die Frequentierung mit Kriegsschiffen und 1908 eine Werft bekam.
Mikronesien war zu der Zeit eine deutsche Kolonie. Beide Seiten interessierten sich strategisch vor dem Ersten Weltkrieg wenig für diese Inselgruppen (Marschall-, Karolinen-, Marianen-Inseln sowie Palau und Yap), was an der maritimen schwachen deutschen Präsenz lag: die Inseln störten nicht die beiderseitigen Planungen, man behandelte sich sozusagen als neutral. Auf US-Seite sahen diese Pläne (Vorläufer der Kriegspläne "
Orange") einen Vorstoss der Flotte zu den Philippinen vor, um diese Basis zu sichern. Die japanischen Überlegungen beschäftigten sich mit Flankenangriffen kleinerer Einheiten gegen die erwartete US-Flotte, bis diese für eine Entscheidungsschlacht ausreichend reduziert erschien.
In Japan bildeten sich 1890/1914 auch in der Öffentlichkeit imperialistische Ziele heraus, die einen "Vormarsch nach Süden" ("southern advance") forderten. Das Schlagwort: "wem die Äquatorzonen gehören, dem gehört die Welt", war breit akzeptiert, und stellte für Japan eine Alternative zur und Absicherung der Expansion in China und der Mandschurei dar.
Konsequent und unmittelbar nach Kriegsausbruch 1914 besetzten zwei sehr schnell zusammengestellte japanische Expeditionskorps (Antreiber war logischerweise die Kaiserliche Japanische Marine) die deutschen Kolonien nördlich der Äquatoriallinie und brachen sie sofort unter japanische Kontrolle.
Zeitgleich, ahnungslos und viel langsamer, gingen Neuseeland und Australien "von der anderen Seite des Äquators" gegen die deutschen Kolonien südlich des Äquators vor (dabei wurden durch australische Schiffe sogar Besetzungen verpasst, die Tage später die Japanische Flotte durchführte). Die große Geschwindigkeit des japanischen Vormarsches verblüffte die Commonwealth-Länder und schuf dort Mißtrauen und Befürchtungen über die weiteren japanischen Expansionsziele. Zu diesem Zeitpunkt war die Schutzmacht Großbritannien inkl. Flotte voll im Ersten Weltkrieg in Europa engagiert.
Japan ging zügig daran, die Kolonien zu sichern und der Weltöffentlichkeit zu erstrangigen Kriegszielen zu erklären. 1915/17 fühlte man bei allen Mächten vor, zudem wurden umfangreiche wissenschaftliche und wirtschaftliche Expeditionen zu den ehemaligen deutschen Kolonien geschickt, um die Erwerbungen politisch zu sichern und Fakten zu schaffen. Deutsche Friedensfühler, die pazifischen Inseln gegen einen Kriegsaustritt Japans zu tauschen, wurden nicht beachtet.
Die günstige Gelegenheit kam dann zu Beginn des Jahres 1917: im Zuge des deutschen U-Boot-Krieges fragte Großbritannien japanische Seeunterstützung für den europäischen Kriegsschauplatz an und erhielt diese umgehend gegen die geheime Zusage, die ehemals deutschen Kolonien nach dem Krieg als japanische Kriegsbeute behalten zu dürfen. "Keine japanische Regierung würde deren Herausgabe überleben", "der Schrei des japanischen Volkes" richte sich laut der diplomatischen Noten auf dieses Kriegsziel. Dem ansonsten geheimen Abkommen JAP/GB erteilten die Allierten Frankreich, Italien und Russland diplomatisch und schnell ihr Einverständnis.
In den USA war das Thema zwar angesprochen worden, die Politik nahm aber kaum Kenntnis und äußerte sich zunächst nicht zu dem japanischen Vorstoss 1914, der auch erst verspätet bemerkt worden war. Im Kriegsverlauf interessierten Wilson und die amerikanische Öffentlichkeit auch weit mehr die Entwicklungen in China, die "
21 Forderungen" Japans, und das
Lansing-Ishii-Abkommen.
Allein die US-Marine äußerte starke Besorgnis über die japanische Präsenz in Mikronesien, insbesondere auch über die internationale Kabel-Linie über Yap, die alle bisherigen strategischen Überlegungen für einen US-japanischen Kriegsfall über den Haufen werfen würde. Insbesondere die Marianen lagen nun (mit Ausnahme des amerikanischen Stützpunktes in Guam) quer vor der maritimen Verbindungslinie US-Westküste - Philippinen. Die USA waren nun bereits durch die japanischen Aktivitäten während des Weltkrieges weitgehend isoliert, und durch die genannten "größeren" Probleme in China politisch gebunden. Besorgt zeigten sich auch Australien und Neuseeland, die die Situation als gefährlich und bedenklich in London vortrugen.
Mit dieser politisch-strategischen Lage ging der Erste Weltkrieg 1918 zu Ende. Es folgten die Friedensverhandlungen, die auch die deutschen Kolonien im Pazifik betreffen sollten, auf denen 1919 nun schon fast 5 Jahre eine japanische Herrschaft installiert worden war.