Umgang mit NS-Erbe - Urheberrechte an "Mein Kampf" werden frei

Sanssouci

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Zum 1. Januar 2016 werden die Urheberrechte an „Mein Kampf“ frei. Das Institut für Zeitgeschichte hatte eine historisch-kritische Ausgabe mit Erläuterungen vorbereitet, die anfangs auch mit Fördermitteln unterstützt wurde. Ein sinnvolles Unternehmen, das einer ohnehin zu erwartenden Druckausgabe von weniger berufener Seite zuvor kommen sollte.
Nun hatte im Dezember 2013 Horst Seehofer plötzlich die Idee, das Projekt zu stoppen. Vollmundig verkündete er, dem Nachdruck mit einer Anzeige wegen Volksverhetzung zu begegnen.
Warum also wird nun ausgerechnet die historisch-kritische Ausgabe des Instituts für Zeitgeschichte torpediert? Damit überlässt man das Feld genau den Falschen.

Das Interesse an der Schrift wird vorhanden sein und eine Anzeige wegen Volksverhetzung auf jeden Fall das falsche Mittel, um dem kruden Gedankengut des Originals heute, im 21. Jahrhundert, zu begegnen. Gefährlicher sind längst die heutigen Varianten von Rassismus und Rechtsextremismus. Hat sich darüber jemand von Euch auch schon Gedanken gemacht? Gibt es andere Beiträge dazu, die ich nur nicht gefunden habe? Wir haben nur noch 14 Monate Zeit...
 
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Spätestens seit I-Net-Zeiten kommt jeder, der Mein Kampf lesen will, problemlos an das Buch. Auch vorher dürfte das kein großes Problem gewesen sein. Viele (ua mein Vater) befanden sich unversehens im Besitz eines Exemplares, als sie beim Auflösen des elterlichen Haushaltes den Dachboden/Keller etwas genauer unter die Lupe nahmen.

Ich begrüße, dass es bald kommentierte Ausgaben geben wird, und auch wenn das ab dann unkommentiert verkauft würde und sich ein paar Ewiggestrige dran aufgeilen werden: Der veraltete Schinken ist (wie du ja auch sagst) heute das geringste Problem, wenn's um rassistische oder neonazistische Texte geht; da gibt es akutelleres.
 
Sollen die Neonazis sich ihre Devotionalie doch kaufen. Vielleicht passiert ja doch mal der Unfall, dass einer tatsächlich reinliest und begreift, was für ein Looser Hitler eigentlich war.
 
Sollen die Neonazis sich ihre Devotionalie doch kaufen. Vielleicht passiert ja doch mal der Unfall, dass einer tatsächlich reinliest und begreift, was für ein Looser Hitler eigentlich war.
Immerhin brachte der Zwangsverkauf damals reichlich Geld in die Privatschatulle des Autors, steuerfrei, soweit ich weiß
 
Sollen die Neonazis sich ihre Devotionalie doch kaufen. Vielleicht passiert ja doch mal der Unfall, dass einer tatsächlich reinliest und begreift, was für ein Looser Hitler eigentlich war.

wenn es mit der alten Schrift ist, dürfte diese Klientel mit dem Lesen Schwierigkeiten haben.
Aber es stand ja schon ab 1925 oftmals "dekorativ" im Regal
 
Also, mir geht es mehr um die Frage, wie sich unser Staat hier und heute auf die drohenden unkritischen Nachdrucke vorbereiten und sich dann verhalten soll.

Ich hätte die historisch-kritische Ausgabe vom IfZ die beste Lösung gefunden, - die allerdings jetzt in Frage steht.
 
Also, mir geht es mehr um die Frage, wie sich unser Staat hier und heute auf die drohenden unkritischen Nachdrucke vorbereiten und sich dann verhalten soll.

Ich hätte die historisch-kritische Ausgabe vom IfZ die beste Lösung gefunden, - die allerdings jetzt in Frage steht.

Sehe ich genau so. Ich denke schon, dass zumindest Textpassagen z.B. für den Schulunterricht und für die Universität sehr wertvoll wären, allerdings wäre hier die Frage, ab welchem Alter man Kinder mit einer solchen Art von Text in Berührung kommen lassen will, sehr groß. Man muss immer darauf achten, dass man mit Aufklärung verhindert, dass man mit der Freigabe dieses Textes wieder bei einigen Begeisterung für diese Ideologie entfacht.
 
Wer vielleicht beruflich damit zu tun hat.
Wer nicht, wie z.B. ich.
Warum sollte ich mir dieses Buch kaufen?
Brauche dieses Buch nicht, auch nicht mit Erläuterungen. Meine Eltern und beide Großeltern haben es auch nicht gebraucht.

Das Ergebnis kenne ich.
· Ca. 50 Millionen Tode.
· Holocaust.
· Fast irreparable Beschädigung der deutschen Nation.

Wenn es dann doch erscheinen sollte denke ich mal so bis zu 20,- € wird es wohl kosten. Da leg ich noch 10,- € dazu und gehe lieber mit meiner Frau essen.
 
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Es gibt seit längerem bereits ein kommentierte gekürzte Ausgabe. Und wie schon mehrfach erwähnt, war es nie ein Problem, an das Buch ranzukommen, besonders für Lehrer nicht.
 
@ Ferrari und Ralf,

ja ich habe beruflich damit zu tun, (daher mein Interesse als Geschichtslehrerin.)

@El Quijote, das IfZ sollte ja auch eine Schulbuchausgabe zeitgleich mit erstellen. Eben das wird jetzt auch verhindert, und diese Schulbuchausgabe hätte schon noch mehr Möglichkeiten geboten, es im Oberstufenunterricht einzusetzen. Dass der Text im Netz steht, weiß ich auch.

@Ingeborg, ich wurde von den Admins aber hier in dieses Fragen-und-Antworten-Forum geschickt, um dieses Thema zu eröffnen.
 
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Diese Buch hat schon damals keine Begeisterung für die Ideologie geweckt jedenfalls , wenn ich den Erzählungen meiner Vorfahren glaube.
 
Erstaunt bin ich schon, nach 60. Jahren gibt es einige die mit den Gedanken spielen, dieses Buch zu verlegen.

Wenn ich es zu entscheiden hätte.

In Anbetracht des Ergebnisses würde ich dieses Buch zu keiner Zeit veröffentlichen!!!

Wer was über den Geist dieses Buches wissen will...
Bitte, ein Besuch in Auschwitz ist da eine gute Lehrstunde und wenn’s erlaubt ist, hier noch ein Bild vom meinen Besuch des Soldatenfriedhof in Königsberg/ehemals Ostpreußen.
Die Frau die da zu sehen ist, ist meine Frau. Die anderen beiden Personen sind vom Gesicht her nicht zu erkennen.

Soldatenfriedhof-Königsberg.jpg
 
"Mein Kampf" wird heute keinen mehr zum überzeugten Nationalsozialisten machen, es ist viel zu umständlich und geschwollen geschrieben, als das es heutige Menschen begeistern könnte. Zudem existieren ungezählte Domains, die es als PDF zum freien Download anbieten - seit vielen Jahren schon. Jetzt so zu tun, als würde durch eine gedruckte Fassung die Büchse der Pandora geöffnet werden, halte ich für etwas scheinheilig.
Was soll's? Wenn die Leute es frei lesen können, wird die Faszination auch bald vorbei sein, weil es dann entzaubert sein wird, denn der einzige Grund, warum an "Mein Kampf" so ein enormes Interesse besteht, ist, dass das Buch bisher verboten ist.
 
"Mein Kampf" wird heute keinen mehr zum überzeugten Nationalsozialisten machen, es ist viel zu umständlich und geschwollen geschrieben, als das es heutige Menschen begeistern könnte. Zudem existieren ungezählte Domains, die es als PDF zum freien Download anbieten - seit vielen Jahren schon. Jetzt so zu tun, als würde durch eine gedruckte Fassung die Büchse der Pandora geöffnet werden, halte ich für etwas scheinheilig.
Was soll's? Wenn die Leute es frei lesen können, wird die Faszination auch bald vorbei sein, weil es dann entzaubert sein wird, denn der einzige Grund, warum an "Mein Kampf" so ein enormes Interesse besteht, ist, dass das Buch bisher verboten ist.



Na ja, wenn ich mir das durchdenke schlussfolgre ich,
da braucht es ja der Staat zur Veröffentlichung nicht mehr freizugeben.
Wenn es der Staat freigibt, so meine Meinung, wird staatlicherseits ein Signal gesetzt.
Welches Signal!?
Ich glaube aber kaum große Teile der Öffentlichkeit finden sich ab mit (Zitat): „Mein Kampf wird heute keinen mehr zum überzeugten Nationalsozialisten machen“.
Aber das ist nun auch wieder so ein Thread wo sich Historie und Gegenwart tangieren.
 
Diese Buch hat schon damals keine Begeisterung für die Ideologie geweckt jedenfalls , wenn ich den Erzählungen meiner Vorfahren glaube.


Dafür war es einfach zu schlecht geschrieben, und vollständig gelesen haben es ohnehin die wenigsten. Verheiratete Paare bekamen es auf dem Standesamt geschenkt, und es stand in unzähligen Bücherregalen. Als 1945 die Amerikaner und Briten kamen, wurde es mit anderen Nazidevotionalien versteckt, aber komischerweise auch nicht weggeworfen. Die Amis waren geradezu versessen auf Nazireliquien. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir meine Oma erzählte. Ihr Schwager, ein knorriger hessischer Bauer bekam als Feldwebel das Ritterkreuz und blieb auch nach 1945 Sympathisant des Verfassers von mein Kampf.
Als die Amis das Dorf besetzten, musste ihnen jemand erzählt haben, dass dort ein "Ritter" wohnte. Sie rückten sehr kriegerisch an, mit MP im Anschlag und gingen wie beschenkte Kinder an Heiligabend beladen mit Nazidevotionalien, Christbaumkugeln mit Hakenkreuzen die Tante K nicht alle im Misthaufen verstecken konnte- denn man wollte ja nicht, dass womöglich der Mann gehenkt wird.

Mein Kampf und eine Büste seines Verfassers haben die Amis vergessen, mitzunehmen und ähnlich war es in vielen Haushalten, fast alle hatten auf dem Speicher eine Ausgabe, gelesen hatte es kaum einer, aber weggeworfen wurde es auch nicht, man sprach nicht gerne darüber, ebensowenig wie man über die Pogromnächte November 1938 sprechen wollte.

Als Schüler habe ich mich sehr dafür interessiert, eine Aura des Geheimnisvollen umgab das Buch, und dann habe ich die Schwarte ganz durchgelesen, und um ehrlich zu sein war ich total enttäuscht.
Viele Passagen klingen unfreiwillig komisch, und der Verfasser kam mir vor wie ein Hanswurst- ein Hanswurst allerdings mit beängstigenden Phantasien und totaler Macht, die Phantasien in die Tat umzusetzen.

Über den Verfasser konnte, wer sein Werk gelesen hatte und wer von 1933-38 Augen zu sehen und Ohren zu hören hatte, sich eigentlich niemand mehr Illusionen machen. Aber um den Verfasser zu entmystifizieren, ist wohl nichts so wirksam wie die Lektüre seines Buchs.
 
Aber um den Verfasser zu entmystifizieren, ist wohl nichts so wirksam wie die Lektüre seines Buchs.


Entschuldigung.
Ich will mich hier nicht unbeliebt machen, aber da bin ich nun mal ganz anderer Meinung.

Die Entmystifizierung erfolgte durch seine Taten, die sind für jedermann klar und deutlich erkennbar.

Wobei mir schon klar ist, derjenige kommt mit diesen Buch klar, der sich sehr kritisch mit diesen unseligen 12 Jahren auseinandergesetzt hat.

Aber ich beobachte auch, nicht alle haben sich kritisch mit diesen 12 Jahren auseinandergesetzt und die erforderlichen Schlussfolgerungen daraus gezogen.
 
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Das ist ja die (Haken)Krux, lieber Ralf: Nicht alle heutigen Nazis sind Holocausleugner. Die Szene ist in dieser Frage uneins. Manche finden das richtig geil. Ob die anders denken würden, wenn sie Mein Kampf mal lesen würden und feststellen würden, was für ein Looser Hitler eigentlich war, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Aber wenn Leute in Mein Kampf reinlesen und schon auf den ersten Seiten feststellen, dass Hitlers Kindheitserinnerungen frisiert sind (ich finde das jedenfalls mehr als offensichtlich), dann spüren diese Leute auch, was sie da für einen Looser als Autor vor sich haben.
Rassismus heilen kann das sicherlich nicht. Aber es kann entzaubern.
 
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