US-Kriegsgefangene nach Ende d. Vietnamkrieges

O

oliver

Gast
Hallo zusammen,

als ich letztes Jahr in Vietnam war, habe ich den Roman "Die Tränen des Tigers" von Christie Dickason gelesen. Es ist ein recht unbekanntes Buch, in dem es u.a. um amerikanische Kriegsgefangene in Vietnam, zum Teil aber auch in Laos und Kambodscha geht, die selbst nach dem Ende des Vietnamkrieges noch fest gehalten wurden. Wenn ich an die Geografie dieser Länder denke, halte ich es durchaus für realistisch, dass amerikanische Soldaten bspw. in den Bergen von verschiedensten Gruppen auch noch nach dem Krieg festgehalten wurden.

Leider habe ich zu dem Thema auf Anhieb im Internet nicht viel gefunden und wende mich aus diesem Grund an euch. Kennt sich jemand von euch ein bisschen mit dieser Thematik aus oder weiß vielleicht ein Buch, in dem das Thema wenigstens am Rande behandelt wird? Kann auch in englisch sein, das stellt kein Problem dar.
 
Ich habe relativ viel über den Vietnamkrieg gelesen, aber was mit den Kriegsgefangen genau passiert ist nach dem Krieg steht nirgends.
Sie wurden eigentlich alle zurückgegeben. Zumindest Hanoi Hilton wurde gleich danach für Südvietnamesische Politiker verwendet da war kein GI mehr drinnen nach dem Krieg.

Und der Vietnam Krieg war auch in Laos und Kambodscha. Die NVA und der VC hielt sich nicht an die Grenzen des eigenen Landes, die Amis irgendwann auch nicht mehr ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
... habe ich den Roman "Die Tränen des Tigers" von Christie Dickason gelesen...

Die Tage war Richard Slotkin in Berlin und hat ein-zwei Vorträge gehalten, in denen auch das Thema übriggebliebene Kriegsgefangene in Vietnam lang und breit vorkam. Die historische Interpretation von Kriegsfiktionalisierungen in den USA, speziell der Platoon Movie, scheinen so sein neustes Projekt zu sein. Da hat er seine Recherche vorgestellt, das hier scheint also weitgehend neuster Forschungsstand zu sein.

Laut Slotkin sind diese zurückgebliebenen Kriegsgefangenen ein mittlerweile praktisch vollständig widerlegter Mythos, der allerdings in fiktionalen Aufbereitungen (wie in deinem Roman da) immer wieder aufgerührt wird. Der Grund ist wohl recht simpel der, dass man in den entsprechenden Romanen oder Filmen meistens eine Gruppe hat, die dickhosig "da reingeht" und dafür einen Anlass braucht. Die eigenen Leute da wieder rauszuholen ist ein legitimer Grund, vermutlich einer der wenigen, die man sich im Krieg und vor allem in Vietnam griffig denken kann. Zumal wenn man eh immer noch händeringend nach rückblickenden Legitimationen sucht.
 
lol schockierend, ich weiß.

Nein, ich dachte ich bringe es mal ein, weil das scheinbar neulich nochmal grundsätzlich neu untersucht worden ist. Es gab da wohl mal wieder ne Archivöffnungswelle oder so.

Ergebnis: dasselbe.

Nur eben mit einer tiefgehenden Analyse der Narrative, die - und das ist das historisch Interessante - während dieser Zeit den Mythos am Leben erhalten haben und die durchaus über Rambo II-Niveau hinausgehen. Und das war schon ganz interessant. Slotkin meint, da kommt demnächst ein Artikel von ihm raus zu dem Thema. Wen's interessiert, der wird bestimmt sehr spannend.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Suchen nach Vermissten sollte man auch für diesen speziellen Fall im Kontext eines tradierten Verhaltens in den US-Streitkräften sehen: alle für einen, keiner wird zurückgelassen. So werden hunderte Flugzeuge von ein paar Flugzeugträgern im pazifischen Trägerkrieg in die Luft geschickt, um einzelne vermisste Piloten zu lokalisieren. Das bezog sich nicht nur auf "wertvolle" Piloten. Auch Bataillione suchen Angehörige, ob John Rambo oder James Ryan. Die deutsche Verhaltensweise in den totalen Kriegen des 20. Jhdt. folgte bis 1945 eher dem üblichen Lage-Auftrag-Durchführung-Schema. Wenn Lage und Auftrag Zeit ließen, kümmerte man sich auch um die Klärung von Vermissten (Piloten sind natürlich wertvolle Ausnahmen).

Vielleicht ist das das amerikanische Verständnis von: die Nation braucht dich - und zur Kompensation des persönlichen Opfers: sie verläßt dich dann nicht (bei den Piloten über den Wasserwüsten des Pazifik war das die amerikanische Variante von Motivation, die japanische kam mit ihrem spezifischen Kodex aus).

Kriege bringen nun massenhaft Vermisste (häufig Tote, die der Erfassung abhanden kommen). Der US-Kult nach Waffenstillstand folgt hier eigentlich dem Verhalten schon unter Kampfbedingungen. Dann wird jeder ungeklärte Fall zum perfide versteckten Kriegsgefangenen. Die Japaner nutzten in den Inselschlachten diese amerikanische Sensibilität in schlimmer Weise aus: so werden nächtliche Folterungen in Hörweite der US-Linien berichtet, um zu demoralisieren.

Der Kult um vermisste POWs nach dem Vietnam-Krieg kann eigentlich nicht überraschen.
 
Das Suchen nach Vermissten sollte man auch für diesen speziellen Fall im Kontext eines tradierten Verhaltens in den US-Streitkräften sehen: alle für einen, keiner wird zurückgelassen.

Das ist eine unglaublich wichtige Ergänzung, danke Silesia!

Vielleicht ist das das amerikanische Verständnis von: die Nation braucht dich - und zur Kompensation des persönlichen Opfers.

(...)

Kriege bringen nun massenhaft Vermisste (häufig Tote, die der Erfassung abhanden kommen). Der US-Kult nach Waffenstillstand folgt hier eigentlich dem Verhalten schon unter Kampfbedingungen. Dann wird jeder ungeklärte Fall zum perfide versteckten Kriegsgefangenen. Die Japaner nutzten in den Inselschlachten diese amerikanische Sensibilität in schlimmer Weise aus: so werden nächtliche Folterungen in Hörweite der US-Linien berichtet, um zu demoralisieren.

Alternativ kann man auch spekulieren, ob es nicht auch mit dem Kult der Eindeutigkeit zu tun hat, der in Amerika herrscht und es verbietet, die Ambiguität und die Leerstellen des Vermisstenstatus hinzunehmen. Ich lese gerade ein bisschen über die Genese der Empirie in den USA, die lustigerweise stark mit dem flächendeckenden Aufkommen der Psychoanalyse (also Tiefenpsychologie jetzt) zusammengeht. Wo die Empirie immer neue interpretierbare Realitäten liefert und immer mehr Aspekte des Lebens im wahsten Sinne des Wortes berechenbar macht, hat die Tiefenpsychologie das Moment des "Aufdeckens", "Enthüllens" und "die Wahrheit entdecken" als zentral für den Prozess des psychischen Gesundens (hier: der Hinterbliebenen) festgeschrieben.

Es scheint mir, als dass das Eindeutig-Wissen im amerikanischen Zusammenhang eine ganz extreme Priorität hat, weil es ein zupackendes Eindeutig-lösen erlaubt - hingegen ist das Nichtwissen-aushalten (oder auch: innere-Widersprüche-erdulden) in diesem Kulturkreis sehr pathologisiert worden.
 
Zurück
Oben