USA die erste Demokratie?

Interessant für mich wäre z.B. inwieweit man in der Frühen Neuzeit der Schweiz als Demokratie einen Vorbildstatus zubilligte. Voltaire lebte ja als eine der Geistesgrößen der Aufklärung dort und zog andere große (und kleine =) ) Geister an. Bei diesen Personen dürften doch aufschlussreiche Ansichten darüber zu finden sein.

Das Klein überlese ich mal =)

Ich zitiere mal aus dem Historischen Lexikon der Schweiz:

Begriff und Inhalte
Der Begriff D. war in der polit.-sozialen Sprache der frühen Neuzeit durchaus bekannt, gerade auch im Kontext der Alten Eidgenossenschaft und der Zugewandten Orte . So verwendete der franz. Staatstheoretiker Jean Bodin diesen Begriff zur Charakterisierung der Verfassungen Graubündens und der eidg. Landsgemeindeorte (Länderorte ). Diese bezeichnete der Schaffhauser Bürgermeister Johann Jakob Ziegler 1653 als Staaten, in denen man - im Unterschied zu den Städteorten - die "democrat. Formen sehr liebt". In einer bündnerischen Quelle aus dem Jahr 1618 wird die eigene Staatsform auf folgende lapidare Formel gebracht: "Die Form unseres Regiments ist democratisch". An derselben Stelle, die für die Verhältnisse in den Landsgemeindeorten ebenfalls zutrifft, wird der Begriff D. auch inhaltlich bestimmt: D. erscheint hier als ein Gegenbegriff zu Monarchie und Aristokratie. Im Unterschied zu diesen Staatsformen, in welchen die staatl. Souveränität durch den König bzw. eine geburtsständisch abgeschlossene Gruppe adliger oder patriz. Herren ausgeübt wird, liegt die höchste Gewalt in der D. beim gemeinen Mann, d.h. der Versammlung der waffenfähigen Männer, von der die Frauen ausgeschlossen sind. Diese regelmässig durchgeführten Versammlungen, in den Quellen Landsgemeinde oder einfach Gemeinde (Gemeindeversammlungen ) genannt, entschieden in offener Abstimmung über alle Angelegenheiten und Fragen, die in ihrer Summe nach zeitgenössischen wie teilweise auch nach heutigem Verständnis die staatl. Souveränität ausmachen: Wahl und Abwahl der Regierungs- und Verwaltungsleute, die Wahl und Abwahl der Richter und militär. Befehlshaber, Erlass und Aufhebung von Gesetzen, Abschluss von Verträgen mit ausländ. Mächten, Erklärung von Krieg und Frieden sowie die Festsetzung von Steuern.

Wer mehr lesen möchte kann das hier tun:

Demokratie, 1.2 - Verbreitung und historische Genese


In diesem Zusammenhang kann ich diese beiden Bücher empfehlen:

Peter Massing
Demokratie-Theorien
von der Anitke bis zur Gegenwart

Demokratie-Theorien - Schriftenreihe (Bd. 424)

Manfred Brocker
Geschichte des politischen Denkens
Ein Handbuch

Voltaire kommt leider nicht vor.
 
...inwieweit man in der Frühen Neuzeit der Schweiz als Demokratie einen Vorbildstatus zubilligte...
Grüezi

Kann man dann soweit gehen und die "Landsgemeinden" und "Allmenden" einiger Kantone als frühe Formen der Demokratie zu bezeichnen? :grübel:

Gruss Pelzer

.
 
Grüezi

Kann man dann soweit gehen und die "Landsgemeinden" und "Allmenden" einiger Kantone als frühe Formen der Demokratie zu bezeichnen? :grübel:

Gruss Pelzer

.

Siehe hier: Landsgmeinden

Würde schon sagen, dass dies eine frühe Form war. Wenn auch nur die ehr- und wehrfähigen Landleute männlichen Geschlechts, also alle im Landrecht Stehenden bzw. jene, die das Landrecht erworben hatten wählen durften.

Steht alles in dem Link

Was verstehst du den unter Allemden? Ich verstehe das als Wald, Weide und Ödlandflächen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was verstehst du den unter Allemden?
Grüezi Ursi

Mit Allmend meinte ich die Korporationen, Bürgergemeinden, usw. Also die Körperschaften, die den Gemeinbesitz verwalten: Felder, Wälder, Alpen usw.
„Meine“ Korporation heisst „teil kilchehalb“, sie wurde 1429 gebildet und ist etwas mehr 40km2 gross. Ich erhalte wie meine Vorfahren jährlich einen Anteil vom erwirtschafteten Ertrag, den Bürgernutzen...

Gruss Pelzer

.
 
Grüezi Ursi

Mit Allmend meinte ich die Korporationen, Bürgergemeinden, usw. Also die Körperschaften, die den Gemeinbesitz verwalten: Felder, Wälder, Alpen usw.
„Meine“ Korporation heisst „teil kilchehalb“, sie wurde 1429 gebildet und ist etwas mehr 40km2 gross. Ich erhalte wie meine Vorfahren jährlich einen Anteil vom erwirtschafteten Ertrag, den Bürgernutzen...

Gruss Pelzer

.

Dann meinen wir das Selbe:

Hier findest du wie die Gemeinden das geregelt haben:

Allmend, 2 - Veränderungen in der frühen Neuzeit und Auflösung
 
Cromwell war ja bekanntlich kein Demokrat
Ups, da hast Du natürlich völlig recht.
Ich hatte nur "Parlament vor Monarch" im Kopf - aber das alleine macht natürlich noch keine Demokratie, auch nicht nach früheren Standards.

Ich würde daher mit der Glorious Revolution und den Bill of Rights den Beginn der endgültigen Zurücksetzung der Macht des Königs hinter die Entscheidungen des Parlamentes ansehen.
Zustimmung.
 
Es geht um Demokratie.
Nein, ums Strafprozeßrecht.

Tja, das kommt davon, wenn man hier mit Schlagworten umherwirft. (Ich wies schon mehrfach in der Vergangenheit darauf hin, daß dies nix bringt.)
Mag sich ja ganz gut anhören, in jedem zweiten Satz Demokratie zu erwähnen, ist aber nicht unbedingt fruchtbar für eine Diskussion, wenn letztlich jeder was anderes darunter versteht. Oder verstehen will. :fs:
 
Solche Formen von lokaler Selbstverwaltung (letztlich auf germanischen Grundlagen) gab es viele. Vom Thing in Island bis zu den Stadtrepubliken.
Aber alle diese Mini-Demokratien waren letztlich wieder einem Fürsten unterstellt, der Vergleich mit selbständigen Staaten paßt da nicht.

Also in Dithmarschen gab es definitiv keine Fürsten oder ähnliches.
Zwar gab es teils Lehnsrechte, diese galten ausschliesslich nur formal und wurden nicht umgesetzt. Zweck war mögliche Lehensansprüche anderer die Grundlage zu entziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also – welche war die erste Demokratie, wo alle Bürger die vollen Rechte (nicht bloss auf dem Papier) hatten?

Du meinst die Republik Utopistan, die beim nächsten Pflaumenpfingsten ausgerufen wird?

Die älteste Demokratie der Neuzeit sind die USA, das würde ich auch so sehen; die Tatsache, dass nicht alle Bewohner das Bürgerrecht hatten (Sklaven, Frauen) ist zwar kein Ruhmesblatt, aber auch nicht notwendig für den Begriff "Demokratie".
 
Noch was zur Schweiz:

(...)
Im 13.-14. Jh. bildete sich in der Urschweiz eine besondere Verfassungsform heran, die "Landsgemeindedemokratie" (Demokratie ) oder, wie in der neueren Geschichtsschreibung vorgeschlagen, der "kommunale Parlamentarismus" mit den Institutionen der Landsgemeinde , dem Landammann , dem Rat und dem Gericht. Ländl. Kommunen mit landsgemeindeähnl. Institutionen waren an sich weit verbreitet. Das Besondere der Urschweizer Talgemeinden war nebst ihrer Dauerhaftigkeit die Tatsache, dass sie nicht nur Gerichts-, sondern auch Rechtsetzungskompetenzen wahrnahmen. Deshalb wurde die Landsgemeinde in der Neuzeit auch als die "souveräne Gewalt" bezeichnet. Unter dem Einfluss der Urschweiz, besonders von Schwyz, setzte sich die Landsgemeindedemokratie auch in Zug (1376), Glarus (nach 1386) und Appenzell (1403) durch. In formaler Hinsicht ähnelten die Verfassungen der L. denjenigen der Städteorte: Bürgerversammlung, Bürgermeister bzw. Schultheiss, Gr. und Kl. Rat hatten ihre Entsprechungen in den L.n. Doch die Verlagerung der polit. Kompetenzen auf die Ebene der vollberechtigten männl. Einwohner (Landleute bzw. Bürger) erfolgte in den L.n früher; die Landsgemeinden blieben regelmässige, jährlich stattfindende Versammlungen und der Verfassung nach "oberste Gewalt", während die Bürgerversammlungen der Städteorte später in Erscheinung traten und in der Neuzeit Regelmässigkeit und ursprüngliche verfassungsmässige Bedeutung einbüssten.

Die polit. Führung der L. lag im 13.-14. Jh. hauptsächlich bei adeligen oder ministerialadeligen Familien. Daneben gab es auch eine bäuerl. Führungsschicht, welche in Schwyz den grössten Einfluss hatte. Im Verlauf des 14. und frühen 15. Jh. wurden Adel und Ministerialadel gestürzt oder abgelöst. Damit einher ging die Entfeudalisierung des Bodens und der Kirchen zugunsten der Bauern und der Kirchengenossen. Aus der nun v.a. aus dem Kreis der Grossbauern gebildeten Führungsschicht trat eine Gruppe von Häupterfamilien hervor, welche ihre Herrschaft in der Neuzeit durch die Teilnahme am Solddienst, durch Kapital- und Grundbesitz, teils auch durch Industrie- und Handelsgeschäfte (Appenzell Ausserrhoden, Glarus) festigten. Sie konnten die einflussreichen Landesämter weitgehend für sich beanspruchen. Das Regiment der L. glich darin demjenigen der Städte, sein demokrat. Gehalt muss kritisch hinterfragt werden; schliesslich darf nicht vergessen werden, dass auch die L. minderberechtigte Hintersassen und sogar Untertanengebiete hatten. Doch die soziale Durchlässigkeit und die Möglichkeit, in die wichtigen Ämter aufzusteigen, waren in den L.n auch im Ancien Régime grösser als in den Städten, wo die Aristokratisierung der Politik konsequenter erfolgte.
(...)

Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz
 
An der Stelle noch einmal ein kurzer Zwischenruf :winke:
Anm.: Der Ruf geht allgemein in die Runde!

Könntet Ihr bitte zum ursprünglichen Thema bzgl. Demokratie zurückkehren?

Vielen Dank und beste Grüße

Timotheus
Moderator
 
Bei der Diskussion um die älteste Demokratie verdient allerdings auch die Republik der Vereinigten Niederlande erwähnt zu werden, die sich 1581 von den Spanischen Niederlanden trennten Friesland, Holland, Seeland, Geldern, Utrecht und Overijssel bildeten die 7 Generalstaaten dazu kam die Provinz Drente, die allerdings nicht stimmberechtigt war. Dazu verfügte die Grafschaft Holland mit den Metropolen Amsterdam und Rotterdam über sehr großen Einfluß, so daß bis heute Holland oft als Synonym für die gesamten Niederlande verwendet wird. DieNiederlande zeichneten sich durch ein recht hohes Maß an Toleranz und sehr freie Pressegesetze aus, so daß viele Literaten in Amsterdam publizierten. Im "goldenen Zeitalter" blickten viele Monarchen auf die Niederlade als Erfolgsmodell eines erfolgreichen Merkantilstaates.


Ich möchte eine ganz interessante Hypothese in die Diskussion werfen, die Heinz Schilling in "Höfe und Allianzen" spinnt. Er geht auf die These Aristoteles ein, dass Seemächte besonders prädestiniert für republikanisch- demokratische Traditionen sind.
Schilling macht dafür unter anderem die ganz andere Form der Sozialdisziplinierung in maritimen Strukturen verantwortlich-im Gegensatz zu den bis zum Exzess zu Automaten gedrillten Musketieren der absolutistischen Armeen. Schilling spinnt an der Stelle den gedanken, wie unterschiedlich vielleicht die preussische Geschichte verlaufen wäre, wenn Preussen bereits im 17. Jahrhundert die ostfrisisischen Häfen besessen hätte und sich nicht nur als kontinentale sondern semi-maritime Macht entwickelt hätte.
 
Bei der Diskussion um die älteste Demokratie verdient allerdings auch die Republik der Vereinigten Niederlande erwähnt zu werden
Das ist wohl richtig. Da haben wir eigentlich auch alle Merkmale, die wir (natürlich vor dem historischen Hintergrund) für eine Demokratie brauchen.

Schilling macht dafür unter anderem die ganz andere Form der Sozialdisziplinierung in maritimen Strukturen verantwortlich
Das halte ich doch eher für Quark.
Nehmen wir doch mal die Schweizer: sehr demokratisch, SEHR harter militärischer Drill in dieser Zeit - aber nun wirklich nicht maritim.

Und wenn ich nun die harte Disziplin britischer Kriegsschiffe anschaue, die strenge Hierarchie allgemein auf See, ich weiß wirklich nicht wie man da auf eine demokratieförderliche "Sozialdisziplinierung" kommen will.

Aber das ist jetzt nur ein spontaner Eindruck, solche Thesen muß man natürlich anhand des Originaltexts beurteilen.
 
Das halte ich doch eher für Quark.
Nehmen wir doch mal die Schweizer: sehr demokratisch, SEHR harter militärischer Drill in dieser Zeit - aber nun wirklich nicht maritim.

Und wenn ich nun die harte Disziplin britischer Kriegsschiffe anschaue, die strenge Hierarchie allgemein auf See, ich weiß wirklich nicht wie man da auf eine demokratieförderliche "Sozialdisziplinierung" kommen will.

Aber das ist jetzt nur ein spontaner Eindruck, solche Thesen muß man natürlich anhand des Originaltexts beurteilen.

Das sehe ich ganz genauso, zumal die Rekrutierungspraktiken der "Seelenverkäufer" der Oost- oder Westindienkompagnie oder die Gepflogenheiten britischer "press gangs" zum Übelsten gehörten, was in dieser Hinsicht überhaupt möglich war.
 
Zurück
Oben