Varus-Kontingente: Stärke und Zusammensetzung

wobei die bisher aufgefundenen Gegenstempel aus Augsburg-Oberhausen eher weniger für die Veteranen vom Niederrhein sprechen.
Ich spreche ja eigentlich nicht von Augsburg-Oberhausen, sondern von dem später erbauten Lager auf der Hochterrasse.

Diese gibt es jedoch in größerer Anzahl in Vindonissa.

An Vindonissa hatte ich zunächst auch gedacht. Allerdings lag Vindonissa nicht in Rätien. Zumindest habe ich keinen Anhaltspunkt, dass Vindonissa jemals zu Rätien gerechnet wurde.
 
Und mit welcher Hilfshypothese willst Du diese Veteranen dann bitte welcher Legion in Rätien zuschustern ?:S

Hätte ich die These aufgestellt, dass die Veteranen einer Legion in Rätien zugeordnet wurden, dann bräuchte ich jetzt wohl eine Hilfshypothese.

Für die These, dass in Rätien militärische Einheiten stationiert waren, brauche ich keine Hilfshypothese.
Wenn man die Veteranen nun nach Rätien geschickt hat, dann wird man sie wohl zu den vorhandenen Stützpunkten geschickt haben. Dahin, wo keine Schanzarbeiten mehr nötig waren. :)


Da aber bei Tacitus steht, dass sie separat stationiert wurden, und das wurden sie auf jeden Fall
... und zwar in Rätien. Als direkte Reaktion auf die Meuterei.

Keine Ahnung was da so schwer zu verstehen ist.

Ich möchte gerne nachfragen, ob an diesem Text etwas unklar oder unrichtig formuliert ist:

Es handelt sich um ein und dieselbe Gruppe von Veteranen. Bei der ersten Stelle sind sie noch zusammen mit den Legionen in Ara Ubiorum stationiert, bei der zweiten Stelle werden sie von den Legionen separiert und in Rätien stationiert.

Dass diese Gruppe von Anfang an, schon im Lager von Ara Ubiorum, "von der Legion separiert" gewesen sein soll, davon steht bei Tacitus nichts. Und das ist auch dem Kontext nicht zu entnehmen.
 
Und, jchatt, es ist eine Besonderheit. Dass sie dann zur Regel wurde, muss erst mal erwiesen werden.

Und was hat das mit der früheren Varusschlacht zu tun?
 
Es handelt sich um ein und dieselbe Gruppe von Veteranen. Bei der ersten Stelle sind sie noch zusammen mit den Legionen in Ara Ubiorum stationiert, bei der zweiten Stelle werden sie von den Legionen separiert und in Rätien stationiert.

Dass diese Gruppe von Anfang an, schon im Lager von Ara Ubiorum, "von der Legion separiert" gewesen sein soll, davon steht bei Tacitus nichts. Und das ist auch dem Kontext nicht zu entnehmen.

Die Stelle bei Tacitus Annales 1,39
duae ibi legiones, prima atque vicesima, veteranique nuper missi sub vexillo hiemabant.
Überstzung Gottwein:
Dort überwinterten zwei Legionen, die erste und die zwanzigste, samt den eben erst als Reserve ausgemusterten Veteranen.
Tacitus beschreibt hier den Vorgang der honesta missio.
Und ich zitiere dazu Speidel in Heer und Herrschaft 2009 S.319
Die ehrenhafte Entlassung aus dem römischen Heer bedeutet für den einzelnen Soldaten den Übertritt vom Rechtsstatus des unter Fahneneid stehenden, aktiven Soldaten in jenen des mit bestimmten Privilegien beschenkten Veteranen[...] Im Gegensatz zur Rekrutierung, die an mehreren und anscheinend beliebigen Tagen das ganze Jahr hindurch geschehen konnte, scheint der Termin für die honesta missio im allgemeinen festeren Regeln unterworfen gewesen zu sein. Denn ehrenhaft entlassen wurde nicht jeder Soldat einzeln nachdem er die geforderte Dienstzeit abgeleistet hatte, sondern üblicherweise pro Truppe und jeweils mindestens ein ganzer Rekrutierungsjahrgang. Die erhaltenen Zeugnisse, vor allem Weihungen und Entlassungsurkunden, zeigen, dass das Ereignis zwar an unterschiedlichen Tagen aber offenbar hauptsächlich im Dezember oder im Januar stattfand, wobei für die Hilfstruppen und Legionen der 13. Dezember mehrfach überliefert ist.
was zu dieser Zeit nach der missio geschah beschreibt Speidel ebenfalls S.325:
Bekannt ist die weitere Verpflichtung von Veteranen aber vor allem aus dem ersten Jahrhundert, ale entlassene Legionssoldaten auf Befehl des Kaisers weiterhin sub vexillo dienen mussten, Wie Tacitus berichtet, wurden auf diese Weise auch veterani nuper missi zum weiteren Kriegsdienst apud vexillum zurückgehalten. Die länge dieser zusätzlichen Verpflichtung war im Dienstvertrag der Legionäre offenbar nicht festgeschrieben und konnte in der Praxis unter den ersten Kaisern viele Jahre dauern.[...]Gleichzeitig war der Veteranendienst aber auch ein Mittel, um bei mangelndem Rekrutennachschub den Manschaftsbestand der Grenztruppen zu sichern.
Natürlich waren die genannten Veteranen von der Legion getrennt. Denn dadurch, dass ihre Dienstzeit formal abgelaufen war, unterlagen sie einer ganz anderen Verpflichtung.
Und dass ihre Lager möglicherweise unstrukturierter aussahen als die der Legionen ist wahrscheinlicher als extrem disziplinierte Legionen in einem Kraut und Rüben-Lager zu vermuten.


Und um noch einmal klarzustellen um welche Quantitäten es sich bei den Veteranenverbänden zur fraglichen Zeit handelte, nenne ich die aktuellen Einschätzungen der Historiker:

Speidel, Wierschowski(S.209f) gehen von ca 7000 Veteranen pro Jahr aus. Wierschowski unterstellt dabei 250 Entlassene pro Legion.
Campbell kommt für die gesamten Entlassungsprämien auf 48 Millionen Sesterzen. Wesch-Klein und Scheidel kommen bei 20 Dienstjahren auf 48,5-59,7 Millionen Sesterzen. Wierschowski berechnet dabei aber nur die Entlassungen der einfachen Legionäre. (12.000 Sesterzen pro Soldat)

Wenn wir die zwölf Legionen des Marbod-Feldzuges als obere Grenze der in Germanien aktiven Legionen nehmen und die 5 Varus Legionen als untere Grenze, dann bekommen wir zwischen 1200(min) und 2880(max) Veteranen pro Jahr.
Die vier/fünf Jahre Mindestdienstzeit, die die Meuterer 14 n.Chr. einfordern, stellen wahrscheinlich die untere Grenze der zusätzlichen Dienstzeit dar. Die 30+ mitgemachten Feldzüge der sich beklagenden zahnlosen Veteranen lassen vage das ungefähre Maximum dieser Praxis erahnen.
Es waren also zwischen 4.800 bis 28.800 Veteranen in Germanien zusätzlich zu den Legionen unterwegs.

Das sind die Fakten. Und die sagen ausdrücklich, dass definitiv mehr Soldaten als der Sollbestand der Legionen in Germanien waren. Die durch die Entlassungen im Winter gerissenen Personallöcher in den Varuslegionen wurden im Laufe des Jahres durch neue Rekruten ersetzt. Davon gehen jedenfalls die oben zitierten Militärhistoriker aus.
Man war sicherlich bestrebt die frischen Rekruten noch vor der Feldzugsaison den Legionen zuzuführen. Die Varuslegionen werden zum Zeitpunkt des Unterganges und nicht weit vor der nächsten Entlassung nahezu komplett gewesen sein.

Gruss
jchatt
 
Die Stelle bei Tacitus Annales 1,39 Überstzung Gottwein:
Vielleicht noch den Satz davor:

Inzwischen kam Germanicus zurück, und die Abgeordneten des Senats trafen ihn in Ara Ubiorum. Dort überwinterten zwei Legionen, die erste und die zwanzigste, samt den eben erst als Reserve ausgemusterten Veteranen.

Also in Ara Ubiorum waren zwei Legionen samt den Veteranen stationiert.
Daraus kann man entnehmen, dass die Veteranen am selben Ort stationiert waren wie die zwei Legionen, nämlich in Ara Ubiorum.

Mehr nicht.

Wie man daraus auf "unstrukturierte Lager" schließen kann, bleibt mir unerfindlich.

Entweder wohnten die Veteranen im Lager (und das war selbstverständlich strukturiert), oder sie wohnten nicht im Lager - dann eben außerhalb, in der Zivilsiedlung.
 
Nette Übersetzung.
'unter die Fahne geschickt' wird zu 'als Reserve ausgemustert'! Da wäre ja sogar die Übersetzung 'zur Landwehr versetzt' besser.
Will man das Bild verständlicher übersetzen müsste man sagen 'zur Veteraneneinheit abgeordnet'. Reserve und Landwehr sind Anachronismen.
 
Die Stelle bei Tacitus Annales 1,39 Überstzung Gottwein:
Tacitus beschreibt hier den Vorgang der honesta missio.

Nein, genau das beschreibt er nicht. Annalen, I,36:

"Entlassung werde allen denen bewilligt, die 20 Dienstjahre hinter sich hätten; Überführung in die Reserve denen, die 16 Dienstjahre hätten. Diese verblieben zwar noch unter der Fahne, seien aber von allen Dienstleistungen entbunden außer von der Abwehr des Feindes."

Es ist auf Latein ausdrücklich von missio, Abschied die Rede. Und die 'Überführung in die Reserve' 'retineri sub vexillo'.

Also bitte keinen Blödsinn, a la die Veteranen waren keine Legionäre mehr. Und ihre Befreiung von den alltäglichen Dienstpflichten, bedeutet nicht ht, dass man sie in Militärslums unterbrachte.

Nett wäre, wenn Du die Rechnungen Deiner Autoritäten überprüfen würdest. 250 Veteranen im Jahr, macht 5000 Legionäre pro Legion. Besser ausgedrückt: Man hat eine Sollstärke angenommen. Und zwar eine falsche. Petrokovits kommt auf 6400. Das ist zu hoch gegriffen. Er hat z.B. nicht berücksichtigt, dass die zu den Legionsreitern abgestellten Legionäre weiter in ihren Zenturien enrolliert blieben. Und diese Zenturien waren auf eine Kampfstärke von 80 berechnet, weil man abgestellte und fehlende Legionäre schon abzog. Enrolliert waren 100. Es gab aber auch bei anderen Stellen geführte Legionäre. Damit Betrug die Sollstärke zwischen 6000 und etwa 6300. Genau ist es nicht mehr zu fassen. Und der Tross ist im Gegensatz zur Zeit vor Marius nicht berücksichtigt. Da werden nochmal 400-600 geschätzt. Aber das waren ja keine Legionäre. (Sie mussten aber - mit unterschiedlichem Erfolg - als Kombattanten agieren.)

Gut, es wird hier von 5000 ausgegangen. 250 Veteranen pro Jahrgang bedeutete, dass die Legion immer Sollstärke hatte, niemand viel und keiner durch Krankheit oder Unfall starb. Setzen wir die Verluste niedrig an. 3 Monate Feldzug ohne Schlacht gibt rasch Verluste von 20 % durch Krankheit. Nicht alle Sterben, aber 10% für ein Kriegsjahr sind nicht zu hoch gegriffen. Sagen wir 30% für 1,5 Schlachten pro Legionäre. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass die Hälfte die Veteranenzeit nicht erlebte.

Dann hat die Vexillation der Veteranen einer Legion in etwa die Stärke einer Kohorte.

Nach Fischer dominieren bis in die neronische Zeit übrigens die 'polyedrischen Anlagen' unter den Befestigungen. Das waren keine Ausnahmen.

In Haltern wissen wir, dass das Lager zu klein war. Wir wissen auch, dass die Römer, wenn nötig Zivilsiedlungen niederlegten. Also gab es einen Grund, warum das Lager nicht anders angelegt wurde. Laut LWL, Römerlager in Westfalen, Bd. 5 zu Haltern (Autor: Rudolf Aßkamp) lag das Lager auf einer Anhöhe, die einen guten Blick ins Umland bot. Schon die Verlegung der Porta decumana zum höchsten Punkt, zeigt, dass hier nicht von einem flachen Gelände ausgegangen werden kann. Dann gab es im Lager Produktionsstätten, Lager, nur für das Lager zu große Verwaltungsbereich und Luxusunterkünfte. Sogar ein Tempel wird vermutet. Nun kann man den Umfang eines Lagers nicht beliebig vergrößern, ohne zusätzliche Truppen hineinzulegen. Das gibt schon 2 Gründe für ein vollgestopftes Lager.

Via praetoria und via decumana sind entsprechend dem verschobenen Tor verschoben. Die via quintana entspricht der Nordmauer. 1 Wohnhaus und 2 Gebäudereste sind auf Straßen gesetzt worden. Offensichtlich musste das Lager irgendwann mehr Einrichtungen unterbringen, ohne dass es beliebig vergrößern werden könnte. Das erkennt man auch an der Erweiterung. Das Lagerhaus läßt Fragen, ob der erhöhte Platzbedarf in Zusammenhang mit der Auflösung von Anreppen stand, dass ja planmäßig geräumt wurde. (Und diese Frage haben schon andere gestellt.)

Dann die Frage, ob ein regelmäßiges Lager in Spielkartenformat überhaupt die Regel war. Das erste soll das Lager von Obrezje in Slowenien sein. (Fischer, S. 254) Aus augusteischer Zeit.

Also:
Die Mehrheit der Lager sind unregelmäßigen Grundrisses.
Das Spielkartenformat ist neu und setzt sich erst nach dem Tod des Augustus durch.
Die Unregelmäßigkeiten Halterns sind zum einen dem Gelände geschuldet. (Nordtor, Nordmauer)
Die bedrängte Bebauung verdankt sich der Vielzahl an Funktionen, die das Lager erfüllen sollte.

Für die Frage, warum das Lager nicht erweitert wurde, gibt es mehrere Möglichkeiten. (mangelnde Truppenzahl, Gelände, mangelnde Zeit wegen der Feldzügen, die Erwartung, dass die Situation vorübergehend ist,...)

Die Annahme eines speziellen Veteranenlagers, obwohl Tacitus berichtet, dass die Veteranen bei den Legionen lagen, ist nicht nötig. Und durch nichts begründet.

Der 2. Teil des Posts ist in den letzten Tagen entstanden. Ich hoffe, die Diskussion ist nicht darüber hinweg gegangen.
 
Ohne das Buch zu kennen, würde ich sagen, dass diese Systematik aus einem Mix der bisherigen archäologischen Einschätzungen angereichert mit statistischen Berechnungen der Truppenzahl anhand der bekannten Lagergrössen besteht.
Eine zwingende Systematik sehe ich da aber nicht. Es wird zwar meist auf die antiken Lagerbeschreibungen verwiesen, eine Auseinandersetzung mit einem römischen Regelwerk und deren Anwendung im konkreten Fall findet nicht statt.


Wie inkonsequent diese Einteilung ist zeigt die Ansprache von Oberaden und Marktbreit als Doppellegionslager und dagegen Haltern nur als Vexillationslager .

Wie ich oben schon schrieb, besitzen Haltern und Marktbreit untereinander mehr baulich gleiche Merkmale als jeweils im Vergleich zu Oberaden. (Form,Wachstum, keine orthogonale Struktur, Zentralgebäude)

Das Oberaden baulich aus den augusteischen Lagern heraussticht hat schon Kühlborn geschrieben.
Da ich die Konstruktionsregeln von Oberaden bei mittlerweile sechs augusteischen Lagern nachweisen kann, tendiert das Ganze also jetzt eher in Richtung entwicklungsgeschichtlich bedeutsamer Variante. Topographische Anpassungen sind dabei nirgends zu sehen. Warum auch ? Wenn die Römer die Absicht hatten ein strukturiertes Lager, eine Strasse oder eine Stadt in unwegigem Gelände zu errichten, dann haben sie das einfach getan - Schnurgerade und rechtwinklig, egal wo...
Damit wird aber auch aus Gründen der Kausalität eine Erklärung für die zeitgleichen Lager notwendig, die keinerlei Anzeichen für dieses Regelwerk aufweisen. Insbesondere dann, wenn gar keine expliziten Hinweise auf ein Legionslager existieren und der archäologische Befund ohnehin zwielichtig ist.
Die bei Tacitus länger dienenden Veteranen (bis zu 30 Jahre!), die wahrscheinlich aufgrund der Bedrohungslage und/oder zum Hinauszögern der Auszahlung von Entlassungsgeldern sub vexillio gehalten wurden, sind dabei unbedingt zu berücksichtigen, da sie, wie schon erwähnt, getrennt von den Legionen stationiert wurden.

Um zu einer möglichst präzisen Abschätzung der Truppenstärke des Varus zu gelangen, ist es nun einmal erforderlich genau zu spezifizieren welche Art Truppen wo und wann gelagert haben, und welche Art von Lagern sie bezogen.

Alles andere ist doch wieder nur ein grosser Schluck aus der Varus-Pulle :autsch:

Gruß
jchatt

Die Truppenzahl eines ergrabenen Lagers ergibt sich nun einmal aus der Bebauung und der Lagergröße. Wie schon erwähnt, geben die Römischen Militärschriftsteller sogar Formeln an. Fischer zählt Beispiele auf, die er für wichtig hält. Wenn einige anders eingeordnet werden, kratzt das nicht an der Systematik, die man so ähnlich schon vor 30 Jahren beschrieb. Mal wieder ignorierst Du die bisherige Forschung.

Du sprichst von einem Römischen Regelwerk. Ich bin überrascht. Überliefert ist keine einzige römische ZDV. Wir wissen, dass es sie gab und, dass ihre Umsetzung bei Manövern kontrolliert wurden. Aber keine ist erhalten.

Wir haben nur Militärschriftsteller. Deren Quellenwert ist mitunter durchwachsen. Für Lager gibt es zum einen Polybios. Ein Marschlager, entweder des 2. Punischen Krieges oder der ersten Hälfte des 2. Jh. vor Chr.. Für unser Thema kaum ergiebig. Dann ist da Pseudo-Hygin, um 100 n. Chr.. "Es handelt sich um ein ausführliches Werk, das eine neue Methode der Organisation von Marschlager erläutert und einige Informationen zur Lage und den Verteidigungsanlagen eines Lagers enthält."(Kate Billiger, Auf dem Weg zum Imperium, Stuttgart 2003, S.202). Haltern wurde früher erbaut. Auch hier sind nur sehr bedingt Schlüsse zu übertragen.

Wo kein Regelwerk, da kann man sich damit nicht auseinandersetzen. Man kann allenfalls versuchen, es zu rekonstruierten. Dazu nimmt man die Befunde römischer Militäranlagen. Also die "Anwendung im konkreten Fall". Und das ergibt Größe und Bauten.

Wenn Du andere Quellen gefunden hast, nenne sie. Bisher wiederholst Du, wenn Belege gefordert werden, nur Deine Behauptungen.

Inkonsequent? Oberaden 56 ha, Marktbreit 37 ha, Haltern 16,7, nach der Erweiterung 18,3.
Oberaden ist ungewöhnlich groß, Marktbreit wurde evt.nie bezogen, Haltern hatte weitere Funktionen zu versehen. Da hast Du also gezielt die Lager herausgesucht, die Extreme Besonderheiten aufweisen. Nun, hier geht es um Haltern. Und dort ist der für Kasernen zur Verfügung stehende Raum zu klein für eine ganze Legion, weil verschiedene Auxilia -z.F. und beritten- im Befund belegt sind.

Wenn Du die Einteilung -jenseits von Kleinigkeiten- angreifen willst, solltest Du auf den bekannten Mängel eingehen: Seit langem geht man davon aus, dass Lager und Kastelle hauptsächlich befestigte Kasernen waren. Früher meinte man, im Regelfall seien sie für eine Einheit gebaut. Dieser Punkt ist widerlegt und Fischer berücksichtigt das auch. Doch steht die Kasernenfunktion im Vordergrund, wenn es nicht geradezu lächerlich wird, nur darauf abstellen zu wollen, wie bei Anreppen und Rödgen.

Es muss also analysiert werden, welche weitere Funktionen in den einzelnen Lagern/Kastelle festzustellen sind und welchen Einfluss diese auf das Lager haben.

Ich hoffe, dass das verständlich geschrieben ist, mir geht es nicht so gut. Darum sage ich jetzt auch nichts mehr zu den Notwendigkeiten eines -bisher nur als Spekulation bestehenden- Veteranenlagers.

Da es nicht mehr als Regel gelten kann, dass Legionen an nur einem Ort untergebracht waren, können wir für Varus nur von den Truppenangaben ausgehen.

Und von Beleidigungen bitte ich zukünftig Abstand zu nehmen. Das hat mich so aufgewühlt, dass der Post, indem ich Dir Ironie vorwerfe, reichlich unverständlich geraten ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wierschowski unterstellt dabei 250 Entlassene pro Legion.

Lawrence Keppie, Legions and Veterans, Stuttgart 2000, S. 240, kommt auf durchschnittlich 100 Entlassene pro Legion und Jahr.

Das sind die Fakten.
Von "Fakten" zu sprechen, ist ein wenig übertrieben. Du präsentierst Rechnungen, die auf Zahlen basieren, die auf Schätzungen basieren.

Und mit all den Rechnungen lässt sich noch nicht einmal beweisen, dass auch nur ein einziger Veteran mit Varus unterwegs war.
 
Guten Morgen,

auch wenn für Varus 3 Legionen, 6 Cohorten und 3 Alen angegeben werden, so kennen wir ihre tatsächliche Stärke nicht. Wir wissen nur das diese unterbesetzt und nicht voll waren (vacuas= in den alten Schriften).
 
Wir wissen nur das diese unterbesetzt und nicht voll waren (vacuas= in den alten Schriften).

Danke für den Hinweis. Aber wir können aus den "vacuas legiones" nicht zwingend schließen, dass die Legionen unterbesetzt waren.

Velleius spricht gelegentlich von "halbvollen Legionen", z. B. II,80, wo Lepidus "mit 12 halbvollen Legionen" ("cum XII semiplenis legionibus") sich an Octavians Krieg gegen Pompeius Sextus beteiligt.

"Vacuas" dagegen heißt nicht nur "nicht voll", sondern wörtlich genommen sogar "leer". Dann wären die "leeren Legion" dramatisch unterbesetzt?
Weitere Übersetzungsmöglichkeiten wären: "unbeschäftigt" oder "sorglos".

Mit den "unbeschäftigten" Legionen kann man schöne Hypothesen aufstellen. Tatsächlich kann "vacuus" im Zusammenhang mit einer militärischen Einheit soviel wie "vom Dienst befreit" bedeuten. Dann könnten wir Jchatts Veteranenthese ausbauen und behaupten, alle drei Legionen hätten aus Veteranen bestanden, die von den normalen Dienstpflichten befreit waren. Oder aber wir nehmen an, dass die drei Legionen alle Urlaub hatten - vielleicht befanden sie sich ja nur zufällig zur Sommerfrische in Germanien.
 
Und diese Zenturien waren auf eine Kampfstärke von 80 berechnet, weil man abgestellte und fehlende Legionäre schon abzog. Enrolliert waren 100. Es gab aber auch bei anderen Stellen geführte Legionäre.

Auch wenn du das sehr überzeugend vorgetragen hast, ist mein Kenntnisstand, daß wir gerade dies nicht wissen!
Die wenigen Tagesberichte, die ich kenne sprechen, sogar eher dagegen, daß Abkommandierte Mannschaften und Unteroffiziere Supernumerarii waren.

Und welche Legionäre meinst du waren nicht auf der Liste einer Zenturie? Auch da fällt mir außer den Kohorten in Rom kein zweifelsfrei belegter Fall ein.

Ich gehe davon aus, daß die Sollstärke einer Zenturie 80 Mann nicht überstiegen hat. Ausgenommen Centuriones Supernumerarii und Calones.
 
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@ tres vacuas legionis:

Die Spottrede des Marbod ist nun alles andere als eine glaubwürdige Quelle. Umso mehr, als Reden in der antiken Historiographie mit wenigen Ausnahmen vom Geschichtsschreiber stammen.

Vacua als sorglos passte zum sorglosen Feldherrn. Auch dienstfrei passte, wenn man interpretiert, dass die Legionen wie im eigenen Land, ohne ausreichende Sicherung, ohne Vorsicht, marschierten.

Und ein spottender Marbod könnte auch leere Legionen erwähnen. Doch passt dieser ungelenke Ausdruck nicht zu Tacitus.

Tacitus kann hier auch absichtlich dunkel formulieren. Die uns bekannten frühen Schriftsteller machen ja ein Geheimnis aus den eigentlichen Vorkomnissen, was Plinius schrieb wissen wir nicht.

Jedenfalls ist die Stelle ungeeignet Dios Bericht über die Verzettelung zu stützen.

Man kann eben nicht sagen, was gemeint ist. Und man kann nicht sagen, wie sehr Tacitus Marbod von der Wahrheit abweichen lässt. Das ist dann schon eine doppelte Unsicherheit. Daher fehlt die Stelle auch in einigen Zusammenstellungen zum Thema, z.B. im Reclam-Bändchen Lutz Walther (Hg.)Varus! Varus! Antike Texte zur Schlacht im Teutoburger Wald, Stuttgart, 2008.

Ich musste die genaue Stelle selbst erst suchen: Annalen II, 46.

Es gibt eine Variante: vagas, umherschweifend, ziel- und planlos, nach allen Seiten sich ergehen. (Georges) Das führt also auch nicht weiter.
 
Die Spottrede des Marbod ist nun alles andere als eine glaubwürdige Quelle. Umso mehr, als Reden in der antiken Historiographie mit wenigen Ausnahmen vom Geschichtsschreiber stammen.
Das Argument ist halb richtig und halb falsch.

Richtig ist: Die Rede ist eine Rekonstruktion einer Rede, wie sie Marbod aus Tacitus' Sicht vor der Schlacht gehalten haben könnte, ohne dass sich Tacitus die Illusion machte, dass einer seiner Leser das anders verstehen würde. Den Lesern war ja auch klar, dass kein römischer Protokollant anwesend war. Tacitus unterstellt also, dass Marbod eine Rede gehalten hat und er imaginiert, wie diese gelautet haben könnte.

Was muss eine solche Rede leisten? Sie soll den Hörern des eigenen Lagers Mut machen und die Hörer des feindlichen Lagers - insofern die Rede überhaupt in einem Gelände gehalten wurde, dessen Akustik so beschaffen war, dass die Hörer des feindlichen Lagers sie hören konnten - einschüchtern.

Die römischen Legionen waren zur damaligen Zeit quasi unbesiegbar, Marbod war vor den Römern ausgewichten, Arminius hatte drei Legionen besiegt, nun stehen der vor den Römern Geflüchtete und der Römerbesieger sich gegenüber. Das ist für Marbod ein Problem und er muss gegenüber seinen Kriegern rechtfertigen, warum sie Arminius besiegen können und Arminius Krieger bestenfalls noch einschüchtern. Also bagatellisiert er (in der Imagination seiner Rede durch Tacitus) den Sieg des Arminius, indem er den Legionen das Attribut vacuas zuordnet. Daraus den Schluss zu ziehen, Varus' Legionen wären tatsächlich entleert gewesen, wäre grob falsch, würde dem Kontext (Rede des Marbod vor einer Schlacht gegen Arminius) nicht entsprechen. Es ist unsinnig, Quellenstellen aus ihrem Kontext zu isolieren.

(Die fetten Markierungen kommen nicht von ungefähr.)
 
Richtig ist: Die Rede ist eine Rekonstruktion einer Rede, wie sie Marbod aus Tacitus' Sicht vor der Schlacht gehalten haben könnte...
Ich würde hier auch noch die Worte "aus Tacitus' Sicht" fett markieren.

Arminius erinnert in seiner Prahlrede an Quinctilius Varus, Marbod an die zwölf Legionen des Tiberius. Der Namen Germanicus kommt nicht vor, obwohl dieser mit immerhin acht Legionen - letztlich erfolglos - Arminius angegriffen hatte. (Germanicus und seine acht Legionen scheinen Tacitus hier aber nicht ins Konzept zu passen, schließlich stand aus Tacitus' Sicht Germanicus kurz vor dem "Endsieg"...)

Sind eigentlich die zwölf Legionen des Tiberius-Feldzugs auch nur geprahlt?
 
El Quijote, ich verstehe nicht, was an meinem Post falsch sein soll. Ich Sage im Prinzip dasselbe wie Du.

Insbesondere habe ich angezweifelt, dass ein Schluss auf die Stärkere des Varusheeres aufgrund der Stelle möglich ist.
 
Der Widerspruch zu dir bestand in einem Minidetail. Mir war die Reduktion auf der Rede auf die Hand des Geschichtsschreibers zu verkürzt. In der Sache an sich ist das richtig, aber nach der antiken Historiographie in der Tradition des Thukydides, in der auch Tacitus stand, waren Reden mehr als nur ein Stilmittel um den Text interessanter zu gestalten (das waren sie wohl vor allen Dingen). Diese Reden waren so gestaltet, dass sie tatsächlich so hätten gehalten werden können, wie die Geschichtsschreiber sie imaginierten oder es ggf. sogar wahrscheinlich war, dass sie so - nicht dem Wortlaut aber dem Inhalt nach - gehalten wurden.
 
Äh - das hatte ich vorausgesetzt. Nur bringt es hier nicht weiter, da die Stelle, wenn man die Übertreibungen beiseite lässt, nichts neues bietet.

Mitunter wird durch solche Reden auch die Sichtweise der Autoren klar. Er kann den Protagonisten ja nur auf Basis dessen sprechen lassen, was er als Fakten ansieht. Das ist bei diesem Stück wegen der Kürze und dem Charakter als Spott-,bzw.Motivationsrede nicht der Fall. Anderes wollte ich nicht ausdrücken.

Natürlich ganz davon abgesehen, dass der Autor selbst nicht genügend informiert sein muss und daher mit der Rede daneben liegt, oder er einfach zu einer anderen Argumentation kommt, wie Tacitus bei der aufgefundenen Rede des Claudius.

Nun, ich sehe, ich kann mich immer noch nicht wieder klar ausdrücken, obwohl mir das Schreiben wieder leichter fällt.

Bei Tacitus ist interessant, dass er das Verfahren bei Entscheidungen mitunter auf die Gedanken der Akteure ausdehnt, z.B. bei dem zwischen Liebe und Pflicht hin- und hergerissenen Titus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch dienstfrei passte, wenn man interpretiert, dass die Legionen wie im eigenen Land, ohne ausreichende Sicherung, ohne Vorsicht, marschierten.
Da muss man am "dienstfrei" aber schon heftig heruminterpretieren. Eine marschierende Truppe, die mit dem Auftrag unterwegs ist, einen Lebensmitteltransport zu geleiten (oder gar einen Aufstand niederzuschlagen), ist ja nicht unbeschäftigt.


Mitunter wird durch solche Reden auch die Sichtweise der Autoren klar. Er kann den Protagonisten ja nur auf Basis dessen sprechen lassen, was er als Fakten ansieht. Das ist bei diesem Stück wegen der Kürze und dem Charakter als Spott-,bzw.Motivationsrede nicht der Fall.

Aber sicher verwendet Tacitus die ihm bekannten Fakten als Basis für die Motivationsreden.
Tacitus wählt die Fakten aus, die sich (seiner Ansicht nach) die Kriegsgegner besonders wirkungsvoll gegenseitig unter die Nase reiben konnten.
So hält in seiner Darstellung Marbod dem Arminius die "schändliche" Gefangenschaft Thusneldas und Thumelicus' vor. Die Gefangenschaft ist Fakt, die hat Tacitus nicht erfunden. Mit erfundenem Gefasel teilt man keine Hiebe aus, die sitzen.

Mangelnde Faktenbasis können wir Tacitus nicht unterstellen. Propagandistische Übertreibungen dagegen schon. Die Legionen, die nicht in voller Kampfstärke unterwegs sind, zu "leeren Legionen" herunterzureden, könnte schon in diese Richtung gehen.

Mehr als ein "könnte" ist aber nicht drin: Das Wörtchen "vacuas" halte ich vor allem für fragwürdig, keineswegs für beweiskräftig.
 
Guten Morgen,

die Bezeichnung "vacuas" ist nicht von der Hand zu weisen, da sie in den alten Schriften nun mal so drin steht. Schon Friedrich Knoke merkt 1889 an:

"Die Handschrift hat hier freilich tres vacuas legiones , während vagas eine Verbesserung Drägers ist."

Quelle: Die Kriegszüge des Germanicus in Deutschland

Eine maßlose Übertreibung des Tacitus in der Marbod-Rede würde ich ausschließen. Schließlich legt er dem Germanicus ja auch die Worte in den Mund, dass man (die Römer) der Elbe näher ist als dem Rhein. Die archäologischen Funde und numismatischen Zeugnisse bestätigen das - zumindest für Germanicus. "Dienstfrei" kann auch ausgeschlossen werden wie Sepiola schon angemerkt hat. Eine Armee in einem besetzten Land hat nie dienstfrei. Man darf nicht vergessen das zu jener Zeit der Krieg in Pannonien noch voll im Gange war. Das Varus evtl. chronisch unterbesetzt war zeigt die Mitteilung des Cassius Dio. Arminius sollte vor der Bekämpfung des (fingierten?) Aufstandes noch Hilfskräfte anwerben und dann zu Varus stoßen. Warum sollte also Tacitus bei der Marbod-Rede übertreiben ?
 
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