Verarmter Adel in Wien um 1750

Im 19. Jh. sollen Vorfahren von mir ihren Adel verkauft haben. Aus "von Pornhagen" dann "Pornhagen". Ja, ging das so einfach?

Was lese ich denn da! :nono:

Also diese Geschichten sind in aller Regel obskure Familienlegenden! Meine Vorsicht verbietet eine noch weitergehende Generalisierung, obwohl mir tatsächlich noch nicht ein einziger Fall untergekommen ist, bei dem mal eine solche Geschichte bestätigt worden wäre.

Am Rande sei noch bemerkt, daß ein "von" nicht unbedingt Adel bedeuten muß. Also immer schön Augen auf beim Eierkauf und sorgfältig (!) Ahnenenforschung betreiben. ;)
 
An irgendwelche Neureichen. Unterlagen habe ich nicht.
Und was sollten die mit dem "von", man kann einen Adelstitel zwar kaufen, aber das bedeutete, wir sprechen hier vom 18.Jh., dass man sich durch Bestechungen an bestimmten Stellen, z.B. wäre wie gesagt hier die landständische Regierung im 18.Jh. in Österreich der Anlaufpunkt gewesen, diese Würde beim Landesherren unterstützen ließ. Normal lag eine solche Erhebung natürlich völlig in der Authorität des Landesherren, Fürsten, Herzogs oder Königs bzw. bei Reichsunmittelbaren des Kaisers. Wenn ich mich recht entsinne war das bis ins 19.Jh. so.
Wenn also ein Adelstitel weitergegeben wurde, dann kam das in der Regel daher, weil eine Familie oder die Erbberechtigten derselben ausgestorben war. Dann wurde, ein berühmteres Beispiel ist das der Mme. de Pompadour, z.B. ein Marquisat "frei", welches dann vom Landesherren weiter vergeben werden konnte.
 
Nagut @Tekker, Adel vielleicht nicht. Dann haben sie einfach ihr "von" verscherbelt, ohne weiteren Titel?

Höchstwahrscheinlich ebensowenig. Ich sehe da zwei realistische Möglichkeiten:
  1. Ein "von" hat es bei dieser Linie tatsächlich nicht gegeben, oder
  2. ein ggf. vorhandenes "von" ist schlicht irgendwann weggefallen.
Ersteres imho wahrscheinlicher, das zweite nicht ungewöhnlich.
Quelle: Erfahrungswerte. ;)
 
Na was wohl. In unseren Tagen sind "erkaufte Titel" (Dr., Konsul) ja auch noch ein Thema.

Sicher gab es schon immer Vögel, die sich mit fremden Federkleid zu schmücken beliebten. Da nützt ein "erkaufter Konsul" aber herzlich wenig! Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe setzt nicht zuletzt die Akzeptanz bei dieser voraus, woran es in solchen Fällen mangelt. Derartige bauernfängerische Augenwischerei taugt allenfalls dazu, Unbedarfte und Nichtwissende zu blenden. :winke:
 
  1. ein ggf. vorhandenes "von" ist schlicht irgendwann weggefallen.
Ersteres imho wahrscheinlicher, das zweite nicht ungewöhnlich.
Quelle: Erfahrungswerte.
Wie kam es denn zu einem Wegfallen? :grübel:

Ich meine Europa war lange Zeit noch ständisch geprägt. Außer in den wenigen Republiken wie den Vereinigten Niederlanden, der Schweiz oder in den italienienischen Stadtrepubliken, wobei gerade in Venedig die alten "guten" Familien enormes Prestige genossen, war der Adelstitel nur von großem Vorteil. Selbst in den Niederlanden, wo der Hof im 18.Jh. mit den Grafen von Nassau-Diez als Statthalter anhob, mit den anderen europäischen Höfen zu konkurrieren, war die adelige Abkunft von Vorteil. Darüber hinaus darf man eine gewisse Solidarität unter den Adeligen nicht unterschätzen, auch wenn meine Erfahrungen dazu, eher auf Frankreich begrenzt sind.
 
Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe setzt nicht zuletzt die Akzeptanz bei dieser voraus, woran es in solchen Fällen mangelt. Derartige bauernfängerische Augenwischerei taugt allenfalls dazu, Unbedarfte und Nichtwissende zu blenden.
Natürlich kenne ich das nur aus Vorderösterreich, aber dort bemühten sich die hinzu ziehenden Adeligen aus anderen Teilen Österreichs immer als Erstes um eine gute Meinung beim bereits seit Jahrhunderten etablierten Adel, welcher sich in Freiburg nahe dem Münster regelmäßig im 18.Jh. noch traf.
 
So wie auch bei anderen FN die Schreibweise wechselte. Ist in diesem Fall allerdings nur eine Vermutung, die ich der Vollständigkeit halber hinzugenommen hatte.
Der gegenteilige Fall ist eben geläufiger, also dasss man das "von" einfach hinzu schrieb, indem man hoffte, dass die Verwandschaft zu irgendwelchen wirklichen uradeligen Geschlechtern nicht ganz von der hand zu weisen sei. Um so älter die Geschichte der Verwandtschaft desto besser, war wohl das Motto.

Gut z.B. Mozart schrieb sein "von", ich erwähnte es schon an anderer Stelle, nicht hinzu und auch bei seiner Frau kenne ich keine Belege, dass sie das "von Mozart" geführt hätte. Aber dies dürfte nichts mit einem unstandesgemäßen Leben zu tun gehabt haben. Als er Ritter vom goldenen Sporn wurde, entsprachen seine Verhältnisse auch nicht dem, was man sich unter adelig gemeinhin vorstellt. Später stiegt sein Vermögen sogar eher noch.

Interessant sind eben die extrem seltenen Fälle im 18.Jh., in welchen das Adelsprädikat verloren ging. Dabei gab es juristische Fälle. Vielleicht habe ich hier sogar mal einen gepostet. Ein solcher Verlust, dann vielleicht auch noch aus eigenem Verschulden, gibt natürlich ungern eine Familie zu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im 19. Jh. sollen Vorfahren von mir ihren Adel verkauft haben. Aus "von Pornhagen" dann "Pornhagen". Ja, ging das so einfach?


Hallo Ihr,

also ich weiß nur von Fällen, in welchen versucht wurde, einen Adelstitel zu kaufen oder jemand durch Adoption zu veradeln, aber nicht dass einer verkauft wurde.

Meiner Meinung nach geht ein Verkauf auch nicht so ohne weiteres, zumindest damals nicht, denn der Titel war ja in der Regel vom Kaiser oder König verliehen worden und konnte wohl nicht einfach verkauft werden, dann schon eher aberkannt.

Allerdings weiß ich von der angesprochenen Praxis in Preußen, dass der Titel wegen Schulden zurückgegeben werden mußte, nichts - aber das will ja nicht unbedingt was heißen.

Und @ brissotin, für den Fall, dass keine Erben vorhanden sind, meine ich zu wissen, dass in diesem Fall der der Titel samt Dotationen, denn die Einkünfte und dazugehörigen Güter waren ja eigentlich wichtiger als der Titel, eingezogen wird oder den Verleiher zurückfällt und eventuell später an andere Verdiente neu verliehen wird.

Die Fälle, die ich kenne, die zum Titelverlust führen, sind die, wenn unstandesgemäß geheiratet wird.

Hallo @ Brissotin, nur noch kurz was zu Anhalt-Zerbst, ich weiß schon, dass der Vater General und souveräner Fürst war, aber trotzdem war ich der Meinung, dass sie nicht viel Geld hatten und dass gerade deshalb Friedrich II. für die Heirat mit dem russischen Thronfolger war - weil er dachte, diese könne er einfacher beeinflussen, auf jeden Fall ist das so bei mir angekommen - aus Biografien und Filmen - , vielleicht habe auch ich da was falsch verstanden oder reininterpretiert. :rotwerd:

Gruß....
 
Hallo @ Brissotin, nur noch kurz was zu Anhalt-Zerbst, ich weiß schon, dass der Vater General und souveräner Fürst war, aber trotzdem war ich der Meinung, dass sie nicht viel Geld hatten und dass gerade deshalb Friedrich II. für die Heirat mit dem russischen Thronfolger war - weil er dachte, diese könne er einfacher beeinflussen, auf jeden Fall ist das so bei mir angekommen - aus Biografien und Filmen - , vielleicht habe auch ich da was falsch verstanden oder reininterpretiert.
Ich denke, der Hof von Anhalt-Zerbst war sicherlich durch die enge Bindung allein durch die Kommandostelle des Fürsten in der preußischen Armee, dicht an Preußen gebunden wie es ja auch bei Anhalt-Dessau der Fall war. Überdies glaube ich, dass eben Friedrich II. in Preußen einfach der mächtigste Herrscher in Norddeutschland war und daher die meisten kleineren Staaten, außer Mecklenburg-Strelitz, sich an Preußen orientierten und deren Politik sozusagen im Fahrwasser des großen Nachbarn lief. Ähnlich würde ich auch die ständigen Aufenthalte der Prinzen solcher Staaten am preußischen Hof werten. Da der eigene Hof den Glanz und die Beudeutung eines großen Hofes wie des Berliners entbehrte, versuchte man dort etwas zu erreichen.

Leider weiß ich nicht, wie die ökonomische und finanzielle Situation in Anhalt-Zerbst während der fünfjährigen Regierungszeit Christian Augusts aussah. Da es hier im Threat vornehmlich um österreichischen Adelige gehen soll, würde dies vielleicht hier zu weit führen. Du, Josephine, kannst aber gern einen Thread dazu aufmachen, worin wir auch schön die Abhängigkeiten der preußischen Sattelitenstaaten oder dauerhaften "Verbündeten" untersuchen können.:winke:

Ich will auch nicht diesen Thread zu weit abdriften lassen, indem ich mich über theoretische Probleme des Adels in anderen Staaten auslasse. Leider habe ich, wie gesagt, eher Quellen zum preußischen Adel vorliegen und es wäre völlig unsinnig dortiges Vorgehen, wenn es nicht mit dem Kaiser selbst in Verbindung zu bringen ist, auf die Praktiken mit dem österreichischen Adel zu übertragen. Denn der Adel hatte in seiner Ausformung und Selbstauffassung regional extreme Unterschiede, welche natürlich daher u.a. kamen, welchen Einfluss sich der Adel in der Historie auf die Politik des Landes gesichert hatte. Bis in die zweite Hälfte des 18.Jh. war nämlich derselbe in Österreich ganz enorm, während die Adeligen in Preußen schon unter Friedrich Wilhelm I. erheblich an ihrem Gepränge eingebüßt hatten. Dieser Bedeutungsverfall für die Landespolitik setzte hingegen in Österreich erst in der Zeit des besagten Chotek, also in den 1740ern ein und wurde durch der Schaffung eines von den Landständen unabhängigen Behördenapperats ab den 1750ern noch vertieft.
 
Hallo Brissotin,

ich wollte das mit dem Anhalt-Zerbst nur noch kurz klarstellen, ansonsten denke ich auch, wir sollten uns, wie gewünscht, um den österreichischen Adel anno 1740 kümmern.

Vielleicht sollte man einmal klarstellen, welche Zeit dies war.
Im Oktober 1740 starben mit Karl VI., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, die Habsburger im Mannesstamm aus. Er erließ die Pragmatische Sanktion, so dass seine Tochter Maria Theresia sein Erbe antreten konnte. Sie war Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und von Böhmen, Kaiserin wurde sie erst aufgrund der Tatsache, dass ihr Ehemann Franz Stephan von Lothringen zum Kaiser gewählt worden ist.
Es gab zu dieser Zeit ind ungarischen Magnaten und die böhmische, die meines Wissens sehr mächtig und auch reich waren.

Tja und jetzt, wo waren die österreichischen Adligen, gab es die überhaupt schon.
Die Adligen, die mir dabei einfallen, waren sehr begütert und unabhängig, und wenn ich an die entsprechenden Paläste in Wien denke, dann kann ich mir so verarmte österreichische Adlige nicht so recht vorstellen.

Gruß.....
 
1. Tja und jetzt, wo waren die österreichischen Adligen, gab es die überhaupt schon.
2. Die Adligen, die mir dabei einfallen, waren sehr begütert und unabhängig, und wenn ich an die entsprechenden Paläste in Wien denke, dann kann ich mir so verarmte österreichische Adlige nicht so recht vorstellen.
1. Klar gab es die nach wie vor. Sie werden ja nicht verschwunden sein. Ein österreichisches Adelsgeschlecht, aber schon eines in recht hohen Würden, führte ich bereits an.
2. Du meinst dann aber vermutlich die Schwarzenbergs (böhm. u. fränk. Adelsgeschlecht), Liechtensteins (österr. Adelsgeschlecht), Kaunitz (böhm. Adel) die ihre Stadtpalais hatten und natürlich die Creme des Adels ausmachten. Diese waren reich und hatten wichtige Posten im Staat. Aber ich glaube, um diese Mächtigen soll es hier nicht gehen.

Zur finanziellen Lage des Adels um 1750 wäre natürlich interessant wie die Kriegsschäden des Österreichischen Erbfolgekrieges kompensiert wurden. Linz wurde von der französisch-bayerischen Allianz am Beginn des Krieges immerhin eingenommen. Doch wurden die französisch-bayerischen Kräfte seit den geheimen Abmachungen zwischen Friedrich II. und Maria Theresia zusehends zurück geworfen und die besetzten böhmischen und niederösterreichischen Gebiete mussten von den Angreifern geräumt werden, woraufhin Khevenmüllers Österreicher ihrerseits in Bayern einfielen.
 
Hier zwei Links zu gerade neuen Beiträgen:
Der eine verdeutlicht die Möglichkeit, allerdings in Frankreich, durchaus seines Titels verlustig zu gehen.
http://www.geschichtsforum.de/308492-post20.html

Der andere, aus Preußen, zeigt wie weit es mit einer adeligen Familie kommen konnte, aber auch, dass solche Probleme von der adeligen Gesellschaft selbst aufgefangen wurden.
http://www.geschichtsforum.de/308494-post21.html


Hallo Brissotin,

Dein erstes Beispiel über den Chevalier d'Arcq finde ich hochinteressant, aber dieser Adelige ging seines Titels bestimmt nicht nur deshalb verlustig, weil er verarmt war, sondern bestimmt auch, weil er "krumme Geschäfte" machte.

Dein Beispiel der verarmten preußischen Adligen zeigt, dass ihnen von den Standesgenossen oder sogar der Königin geholfen worden ist.
Also die französischen Bourbonen ins Exil gingen, wurden sie auch vom österreichischen Kaiser quasi durchgefüttert, na ja, das ist jetzt etwas OT, aber paßt zum preußischen verarmten Adligen.

Und im übrigen hast Du natürlich recht mit den Schwarzenbergs, Kaunitzens und so weiter, aber die anderen österreichischen Adligen sind mir weniger geläufig.
Vielleicht sollte unsere liebe Fragestellerin uns den Fall genauer schildern, so proforma und allgemein ist eine Frage immer schlecht zu beantworten, vielleicht erklärt sie uns, wozu sie diese Frage (oder Antworten) benötigt.

Gruß.....
 
Ich hab ein Beispiel aus Bayern vom Anfang des 19. Jahrhunderts zu bieten.
Da verlor ein gewisser Karl von Hagn seinen Adelstitel, weil ihm aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nichts anderes übrig blieb als einen Kramladen aufzumachen, um seine Familie durch zu bringen.

Für Karls Tochter Charlotte war dieses Unglück aber letztendlich ein Glück. Als Bürgerliche durfte/konnte sie den Beruf der Schauspielerin ergreifen. Sie war nicht nur beruflich, sondern auch gesellschaftlich (falls das richtige Ausdruck ist) sehr erfolgreich und hatte Liebesaffären mit Franz Liszt und Ludwig I von Bayern. Letzterer ließ sie nicht nur für seine berühmte Schönheitengalerie porträtieren, er verlieh ihr auch wieder einen Adelstitel.

So wird Charlotte von Hagns Geschichte jedenfalls in dem Buch "Des Königs schönste Damen" von Prinz Konstantin von Bayern dargestellt.
http://www.amazon.de/Königs-schönste-Damen-Schönheitengalerie-Ludwigs/dp/3799160876

Der Wikipedia-Artikel Charlottes weiß von dem Adelsverlust nichts und bezeichnet deren Vater allgemein als Kaufmann. Wenn man allerdings weiß, wie der Beruf der Schauspielerin damals angesehen war -kurz vor der Prostituierten - kann man sich kaum vorstellen, dass eine "normale" und gut situierte Adelsfamilie ihrer Tochter, und sei sie noch so begabt gewesen, gestattet hätte diesen Beruf zu ergreifen.
Charlotte von Hagn ? Wikipedia
 
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