Kaiser, Päpste, Bischöfe und Heermeister kommen und gehen, Gesetze aber bleiben (meistens). Und diese haben Kaiser erlassen – meist auf Betreiben des beratenden Klerus, wie meine Beispiele zeigen.
Du hast nur Beispiele für religionspolitische Gesetze/Maßnahmen gebracht - und auch da habe ich bereits darauf hingewiesen, dass es durchaus auch im Interesse des Kaisers lag, dass in seinem Reich möglichst religiöse Konformität herrscht. Außerdem sollte man den Kaisern zugestehen, dass manche von ihnen auch persönlich gläubig waren, also selbst ein Interesse an der Förderung ihres Glaubens und der ihn vertretenden Kleriker hatten.
Ich warte allerdings immer noch auf Beispiele dafür, wie das Weströmische Reich unterging, weil der Kaiser wegen der Macht des Papstes und der Bischöfe nicht mehr respektiert wurde und weil der Papst und die Bischöfe kaiserliche Anordnungen sabotierten. Also z. B. welcher Barbareneinfall konnte deshalb nicht abgewehrt werden, weil die dazu vom Kaiser abkommandierten Truppen auf Befehl des Papstes stattdessen Heiden und Häretiker verfolgten?
Ich habe darauf bereits geantwortet: Im Osten gab es keinen Bildungsmonopol der Kirche, daher gab es dort genügend Laien, die genauso oder besser ausgebildet waren wie Kleriker, und die daher in der Lage waren, Kaiser zu beraten und im Reich administrativ tätig zu sein. Sie kümmerten sich nur um das Reich, während im Westen die Kleriker im staatlichen Dienst Diener zweier Herren waren. Das konnte nicht gut gehen.
Du verdrehst hier ein bisschen Ursache und Wirkung: Warum gab es im Osten kein "Bildungsmonopol" der Kirche? Die Kirche gab es dort schließlich auch. Wenn man Deiner Theorie (#297) folgt, dass die Kirche im Westen jede nichtkirchliche Bildung(seinrichtung) verboten und unterdrückt hat (d. h. auch, dass sie dazu in der Lage war), warum dann nicht auch im Osten? Und komm' jetzt nicht wieder mit Deinen verschiedenen Patriarchen: Erstens war ab dem späteren 7. Jhdt. in politischer Hinsicht faktisch nur noch der in Konstantinopel relevant, zweitens zogen die Patriarchen, wenn sie alle derselben konfessionellen Richtung angehörten, durchaus an einem Strang, wenn es um kirchliche Interessen ging. Also spätestens ab dem späten 7. Jhdt. hätte Deiner Theorie zufolge auch im Osten jegliche weltliche Bildung beseitigt werden müssen.
Was übrigens das angebliche Bildungsmonopol im Westen anbelangt: Z. B. bestanden die berühmten Rhetorik- und Grammatikschulen Südgalliens noch lange unter der Herrschaft der (katholischen!) Merowinger.
Es gab solche und solche.
Und im Weströmischen Reich gab es Deiner Meinung nach laufend solche, die dem Kaiser ihren Willen diktieren konnten? Beispiele?
Der Bezug des MA zu unserem Zeitabschnitt ist in meinen Augen die Unfreiheit, die sich nicht im 5. oder 6. sondern im 2. Jhdt ausgebreitet hat. Der einzige logische Träger davon ist die Ausbreitung des Christentums mit seinen 2 Köpfen. Mark Aurel nennt die Christen m.W. nur an einer Stelle in seinen Selbstbetrachtungen und doch liest sich dieses Werk wie der Abgesang auf die Freiheit. Er stellt seiner Zeit noch einmal vor Augen, wie gut diese Welt werden könnte, wenn Toleranz und Bescheidenheit regierten. Stattdessen breiteten sich Überzeugungen aus, die keinen Widerspruch duldeten. Und sie konnten sich nur in einem Staat ausbreiten, der abgesehen von "Ausrutschern" nahezu grenzenlos liberal war.
Gibt es eigentlich irgendetwas, woran nicht das Christentum schuld gewesen sein soll?
Also, wie bitte soll im 2. Jhdt. (!) das damals noch relativ schwache, ausgegrenzte und gerade auch unter Mark Aurel regional verfolgte Christentum dafür gesorgt haben, dass im Römischen Reich "Unfreiheit" einkehrte?
Die "Selbstbetrachtungen" sind (abgesehen vom 1. Buch mit seiner Darstellung von Mark Aurels eigenem Bildungswerdegang) in erster Linie eine Sammlung von Lebensmaximen und Selbstreflexionen. Wie man sie als Abgesang auf die von den Christen zerstörte Freiheit lesen kann, ist mir schleierhaft.
(Die Erwähnung der Christen erfolgt im 11. Buch, Kap. 3, wo Mark Aurel lobt, wenn man dem Tod gleichmütig oder aus Überzeugung und ohne effekthaschendes Gehabe entgegengeht, allerdings das Märtyrertum der Christen verurteilt.)