Vision in der Johannesoffenbarung - Fakt oder Fiktion?

Ich berichte das so genau, um die hohe Kompetenz von Allegro als Linguist zu verdeutlichen. Immerhin beruht seine Theorie ja im wesentlichen auf linguistischen Analysen.
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Zur Theorie selbst ist nur schwer etwas zu sagen, da ihr volles Verständnis eine Versiertheit in alten Sprachen voraussetzt, über die außer Allegro kaum ein Mensch jemals verfügt hat. Ich nenne hier nur die wichtigsten: Sumerisch, Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch, Ugaritisch, Semitisch, Sanskrit, Syrisch, Arabisch-Persisch und natürlich Griechisch und Latein. Das Hauptproblem der Theorie ist also, dass es keinen Menschen gibt, der ihre Argumente gründlich genug versteht, um sie verifizieren oder falsifizieren zu können.
...
Allegros Argumentation besagt nun, dass die den Pilzgebrauch betreffenden sumerischen Begriffe ihre Spuren in der frühchristlichen Begrifflichkeit hinterlassen haben. Um einen Eindruck von seiner Argumentation zu geben, zitiere ich zwei Passagen aus seinem Buch. Hier stellt Allegro z.B. eine Verbindung zwischen dem sumerischen ´TAB_BA_LI´ und dem semitischen ´tabbal´ her, ersteres mit der Bedeutung ´Doppelkonus´ an Anspielung auf die Volva eines Pilzes, letzteres mit der Bedeutung ´Täufer´ wie bei ´Johannes der Täufer´.
The Latin tablion, also, denoting the purple fringe of authority, derives also from the Sumerian *TAB_BA_LI, literally “double-cone”, or “cup” being the two halves of the split mushroom volva. ...
Sumerisch, Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch, Ugaritisch, "Semitisch", Sanskrit, Syrisch, "Arabisch-Persisch"* kann ich zwar nicht, mit meinen bescheidenen Lateinkenntnissen fällt mir aber gleich am Anfang auf, dass "tablion" kein lateinisches Wort sein kann. Das Wort "tablion" ist mir nicht geläufig, muss ich also nachschauen:

"... ein viereckiges Stück Zeug aus Gold oder anderem Prachtstoff, womit bei den Byzantinern die Chlamys in der Gegend der Brust besetzt ist."


Archäologisches Wörterbuch...

Das tablion taucht also erst in der Spätantike am byzantinischen Hof auf. Die Farbe ist nicht festgelegt, es werden aber Prunkfarben wie Purpur oder Gold bevorzugt (da fällt mir gerade die Stelle "bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold" ein, so ein Zufall aber auch) gehalten sein.

Das ist in der Tat ein schönes Beispiel für Allegros Arbeitsweise:

Nicht nur die Zuordnung zur Sprache ist falsch, Allegros Übersetzung "Purpursaum" ist auch falsch.
Und der Zusammenhang mit der Farbe des Fliegenpilzes ist an den Haaren herbeigezogen.

Arms and Armour...

Das griechische tablion soll sich vom lateinischen Wort tabula (Tafel) herleiten. Was mir angesichts eines viereckigen Stoffes etwas näherliegender scheint als die Herleitung von einem extra von Allegro konstruierten "sumerischen" Wort *TAB-BA-LI mit der Bedeutung "Doppelkegel" (zu dem ich nichts sagen kann, damit mögen sich dann die Sumerologen befassen).

Bei der Methode Allegro ist aber auch das egal. Auch die lateinische tabula wird an anderer Stelle vom sumerischen "Doppelkegel" hergeleitet.

Denn bei Allegro lässt sich eigentlich so ziemlich alles auf die sumerischen "Pilzwörter" zurückführen, nicht nur die "frühchristliche Begrifflichkeit":
"Das sumerische M von NAM-TAR hat seine übliche Verwandlung zum indoeuropäischen k durchgemacht. Der griechische Nektar war nichts anderes als der Heilige Pilz..."**
Ich könnte mir vorstellen, dass sich bei solchen Aussagen den Fachleuten von der Indoeuropäistik die Zehennägel kräuseln, aber das festzustellen, gehört nicht in meine Kompetenz.
Aber egal. Die Bacchanten lassen sich von der "phallischen Nomenklatur des Pilzes" - sumerisch BALAG - ableiten.
Auch die Giganten kommen von einer sumerischen Umschreibung des Pilzes.
Und nicht zuletzt die schöne Helena hat ihren Namen auch aus dem Sumerischen: ERIN heißt nämlich "Zeder" - und was sprießt aus dem Harz der Zeder? Richtig, der Heilige Pilz.
Nicht nur die Zeder steht für den Pilz, sondern auch die Palme und die Platane. Die Weintraube? Ein Symbol für den Pilz. Das Kamel? Symbolisiert den Pilz. Der Panther? Symbolisiert auch den Pilz. Die Rippe symbolisiert den Pilz. Das Wagenjoch symbolisiert den Pilz. Da versteht es sich von selbst, dass das Palladium, das die Vestalinnen hüteten stellte "in Wahrheit den Heiligen Pilz darstellte".

Zur Theorie selbst ist nur schwer etwas zu sagen, da ihr volles Verständnis eine Versiertheit in alten Sprachen voraussetzt
Zur Theorie lässt sich auch ohne Kenntnis der einzelnen Sprachen etwas sagen, wenn man sich einfach mal die Methode anschaut. Auf eine sprachwissenschaftliche Methodik wird nämlich vollständig verzichtet. Wie wird der Name des Dioskuren Pollux auf das Sumerische zurückgeführt?

Pollux was the strong man. His name is a somewhat jumbled form of the Sumerian phrase LU-GEShPU , "strong man"...

Die Griechen haben also das sumerischen LU-GEShPU ein wenig durcheinandergeschüttelt und daraus den "Pollux" gemacht. Fertig ist der Beweis. Das sumerische *AR-ZAL-DARA wird mühelos zum persischen "Lazhurward". Alles lässt sich mit Buchstabendrehern, Verballhornungen und Wortspielen "erklären". So geht das weiter durch das ganze Buch.

Ach ja: Kastor und Pollux symbolisieren übrigens, wie könnte es anders sein, den heiligen Pilz:
To go back to Pollux: he represents the phallic side of the mushroom figure, the support to the upper half of his brother Castor's "womb".


myth_makers/have simply added to the name the Semitic epithet Tabbal, “the c’ipper” (baptizer), or “dyer”,19 derived ultimately from the same Sumerian *TAB_BA_R/LI, “mushroom”, that gave Accadian its tabarru, “red dye”, and Latin its tablion, “purple fringe”, just mentioned.
Über den “c’ipper” habe ich Deine Kopiervorlage gefunden:

https://archive.org/stream/pdfy-XTE...-mushroom-and-the-cross-john-allegro_djvu.txt

* Dass Allegro in all diesen Sprachen "versiert" war wie außer ihm "kaum je ein Mensch", wage ich zu bezweifeln. Wer behauptet das denn? Nicht einmal Vincent Wattiaux, den Du hier geguttenbergt hast.

** Übersetzung von Peter Marginter aus:
John M. Allegro, Der Geheimkult des Heiligen Pilzes, Wien-München-Zürich 1971
 
Zuletzt bearbeitet:
Schade dass sich Psilocybin nicht als sakrale Droge im Christentum durchgesetzt hat.

Psilos gedeihen ja mehr in gemäßigt feuchtem Klima, und für die Indoorkultivation eignen sich nicht alle Species. Relativ pflegeleicht sind eigentlich nur Stropharia cubensis oder Psilocybe mexicana ohne Autoklav oder Dampfdruckkochtopf und Alkohollösungen ist es so gut wie unmöglich, steril zu arbeiten und Nährböden zu beimpfen. Am besten ist es, lebendes Myzel zu verwenden, statt mit Sporenabdrücken zu arbeiten.

Outdoorkultivation mit Psilocybe Cyanescens oder P azurescens auf Mulch oder Rindenhumus ist relativ einfach, wenn, ...ja wenn man Impfdübel oder Lebendkulturen auf Pappe verwenden kann.

Welche psychoaktiven, halluzinogenen Pilze/Pflanzen wachsen eigentlich in Palästina?

Vielleicht kann Chan Auskunft darüber geben, ob der Spitzkeglige Kahlkopf ( psilocybe semilanceata), der gemeine tschechische Psilo (psilocybe bohemica) oder der äußerst starke psilocybe cyanescens dort gedeihen.
 
@ Sepiola:

In puncto Textverständnis und -interpretation von Bibelstellen, insbesondere in der Johannesoffenbarung, hast du noch viel zu lernen. Du wirfst mir vor, einzelne Begriffe herauszupicken und willkürliche Bezüge zu anderen Textstellen mit dem gleichen Begriff herzustellen. Damit demonstriest du ein komplettes Unverständnis meiner Argumentation, die viel mehr Komplexität hat, als du erfassen konntest.

Ich nehme das Beispiel mit der Farbe Scharlachrot. Du siehst in meinem Argument nur dieses Wort und übersiehst den Kontext, in dem es steht und der ein wesentlicher Teil des Arguments ist. Das dürfte selbst einem Mittelstufe-Schüler in einen Klassenarbeit nicht passieren.

Es geht nämlich nicht nur darum, das Scharlachrot bei Jesaja mit dem Scharlachrot bei Johannes zu vergleichen, sondern es geht um die Relation Weiß / Scharlachrot bei Jesaja im Vergleich zur Relation Weiß / Scharlachrot bei Johannes. Ich zitiere das Argument:


Offb 17:

3 Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah ein Weib sitzen auf einem scharlachfarbenen Tier, das war voll Namen der Lästerung und hatte sieben Häupter und zehn Hörner. 4 Und das Weib war bekleidet mit Purpur und Scharlach und übergoldet mit Gold und edlen Steinen und Perlen und hatte einen goldenen Becher in der Hand, voll Greuel und Unsauberkeit ihrer Hurerei (...)
Dazu ist zu sagen, dass

(1) die Farbe "scharlachrot" bei Jesaja 1,18 als Farbe der Sünde im Kontrast zu Weiß, der Farbe der Reinheit, gekennzeichnet ist:

18 So kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der HERR. Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden; und wenn sie gleich ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden.
(wobei es sich hier um einen typisch jüdischen Parallelismus handelt: blutrot = scharlach vs. schneeweiß = Wolle)

(...)

Wesentliche symbolische Zutaten der ´Hure Babylon´-Beschreibung (Farbe Scharlach, goldener Becher) verdankt der Autor der Offb also offensichtlich Texten der jüdischen Tradition. Interessant ist auch der Übergang von ´scharlach´ zu ´weiß´ (= Wolle) als Symbol des Übergangs vom Schlechten zum Guten bei Jesaja. In der Offb geschieht ein analoger Übergang: Die scharlachrot ausstaffierte ´Hure Babylon´ wird abgelöst durch die weißgekleidete´Braut´ des Lamms:

(wobei die ´reine´Leinwand als weiß - die Farbe der Reinheit in der Offb - zu verstehen ist)

Viel deutlicher kann man es nicht erklären. Dennoch war es nicht deutlich genug für dich. In Jesaja 1,18 wird Scharlachrot unmissverständlich in einen moralischen Kontrast zur Reinheit (Weiß) gestellt und damit extrem negativ konnotiert. Das ist der Punkt. Dieser Kontrast, also die gegensätzliche Relation von Scharlachrot (böse) und Weiß (gut) findet sich nämlich auch bei Johannes, der die ´böse´ Hure Babylon mit der Farbe Scharlachrot charaktisiert und die ´gute´ Braut des Lamms mit der Farbe Weiß.

Darüber hinaus ist Jes 1,18 (neben Offb 17,4) die wichtigste Stelle im AT, an der die Farbe Scharlachrot erwähnt wird. Alle anderen Stellen fallen an farbsymbolischer Relevanz dahinter zurück.

Dass zwischen Jes 1,18 und Offb 17,4 aus diesen Gründen ein intertextueller Bezug besteht, d.h. eine Abhängigkeit des Johannes von Jesaja, ist in der Religionswissenschaft natürlich eine klare Sache. Ein Beispiel habe ich zuletzt zitiert. Ich bin eigenständig darauf gekommen, was aber wegen der Offensichtlichkeit keine Kunst ist.

Eine Kunst ist es schon eher, die Struktur des Arguments völlig zu verkennen und den Blick nur auf die eine Farbe zu richten. Auf der Basis dieser Simplifizierung verweist du dann auf andere jüdische Kontexte, in denen die Farbe nicht-negativ erscheint. Das geht aber meilenweit vorbei an dem, worauf es ankommt, nämlich die analogen Relationen bei Jesaja und Johannes.

Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich Probleme damit habe, deine ´Einwände´ in diesem und auch anderen Punkten wirklich ernst zu nehmen.

Es ist aber nicht aller Tage Abend - du wirst in diesen Dingen sicher noch dazulernen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich nehme das Beispiel mit der Farbe Scharlachrot. Du siehst in meinem Argument nur dieses Wort und übersiehst den Kontext, in dem es steht
Ich habe darauf hingewiesen, dass Du nur dieses eine Wort herausgegriffen hast.
Und dass da eben nicht nur von"Scharlach" die Rede ist, sondern von Purpur, Scharlach, Gold, Edelsteinen und Perlen.
Diese Kombination wird danach noch mehrmals im Text erwähnt.

Das ist etwas anderes als nur die Erwähnung der Farbe.

In Jesaja 1,18 wird Scharlachrot unmissverständlich in einen moralischen Kontrast zur Reinheit (Weiß) gestellt und damit extrem negativ konnotiert.
Und in der Johannes-Offenbarung wird der Kontrast halt nicht so explizit hergestellt. Man kann das natürlich so interpretieren, keine Frage.
Wer sagt, dass es Johannes um den Farbenkontrast ging? Johannes selber nicht, sondern seine Interpretatoren. Ob die damit richtig liegen oder nicht, ist nicht der Punkt, über den ich hier diskutieren will.

Eine Kunst ist es schon eher, die Struktur des Arguments völlig zu verkennen und den Blick nur auf die eine Farbe zu richten.

Was für eine "Kunst"?
Du legst nun mal an dieser Stelle den Fokus nur auf die Farbe "Scharlachrot" und blendest den übrigen Kontext aus.
Darauf gehe ich ein.
Das war mein Einwand.
Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
 
Spannende Diskussion, was mir jetzt noch unklar ist, war Johannes der Täufer in Wirklichkeit Johannes der Pilzschlucker?
 
In puncto Textverständnis und -interpretation

In puncto Textverständnis und -interpretation hätte ich da noch ein paar kleine Fragen. Ich gehe davon aus, dass Du diese Vorlage benutzt hast, um diesen Beitrag zu erstellen. Anders kann ich mir die Sprachenliste und ihre Reihenfolge nicht erklären:

Wattiaux schrieb:
Several months, more or less, seem to me too little time to VERIFY such a work of philology, involving languages such as Sumerian, ancient Hebrew, Aramaic, not to mention, Akkadian, Ugaritic, Semitic, Sanskrit, Syrian, Arabic-Persian, Greek, and Latin.

Ich nenne hier nur die wichtigsten: Sumerisch, Hebräisch, Aramäisch, Akkadisch, Ugaritisch, Semitisch, Sanskrit, Syrisch, Arabisch-Persisch und natürlich Griechisch und Latein. Das Hauptproblem der Theorie ist also, dass es keinen Menschen gibt, der ihre Argumente gründlich genug versteht, um sie verifizieren oder falsifizieren zu können.

Wobei ich mich frage, warum Ugaritisch (9 Einträge in Allegros Wörterliste) und Sanskrit (6 Einträge) hier zu den "wichtigsten" Sprachen gehören sollen.


Wattiaux schrieb:
A final criticism, and not the least: the references to the Sumerian language. Allegro uses Sumerian “words” that are often not attested; he makes up hypothetical words, built on actual Sumerian roots, although he does correctly designate them as such by an asterisk.1 According to Jacques, 315 words of the repertory of 869 are not attested.2
...
1 Allegro, Sacred Mushroom, 16: “This sign (. . .) indicates a verbal group whose constituent parts are known to have existed in Sumerian but whose grouping or combination in that precise from do not actually appear in literature so far recovered.”
2 Jacques, The Mushroom and the Bride, 12.​


Immerhin hat ein Sumerologe festgestellt, dass 316 der 869 sumerischen Wörter, die Allegro in seinem Buch argumentativ verwendet, nicht nachgewiesen sind, sondern von Allegro, wenngleich sprachlich korrekt, konstruiert wurden.

Welcher Sumerologe soll das festgestellt haben?
Die Zählung stammt von John Herbert Jacques. Handelt es sich bei Jacques um einen Sumerologen?

Wattiaux ist jedenfalls kein Sumerologe, und er stellt auch nicht fest, dass diese Wörter von Allegro "sprachlich korrekt" konstruiert worden seien. Er sagt nur, dass Allegro diese Wörter korrekterweise mit einem Sternchen versehen habe.

Im Text (sowohl in Deiner Kopiervorlage wie auch in der deutschen Übersetzung) werden die Sternchen übrigens gern mal weggelassen
 
Spannende Diskussion, was mir jetzt noch unklar ist, war Johannes der Täufer in Wirklichkeit Johannes der Pilzschlucker?

In Allegros "Wirklichkeit" ist die ganze Johannes-Geschichte nur erdichtet, um möglichst viele Pilz-Wortspiele unterzubringen. Und wenn da "wirkliche" historische Personen vorkommen, dann nur, weil sie sich für Pilz-Wortspiele eignen. Zum Beispiel erinnert der Name Herodes an ein semitisches Pilzwort 'Ardila' und eignet sich damit prächtig für ein Wortspiel. Das Wortspiel besteht hier offensichtlich darin, dass der Name Herodes erwähnt wird. Zur Johannes-Story schreibt Allegro:

Hier wie in anderen Geschichten treten in einer sonst frei erfundenen Erzählung der Wirklichkeit entnommene Gestalten auf, weil sich die verwendeten Namen gut für Anspielungen auf Namen und Beinamen des Pilzes eigneten.

Das gilt für die ganze Bibel, wie könnte es auch anders sein:

Die "Zehn Gebote" oder "Zehn Worte" der Bibel sind nach Zahl und Inhalt nichts anderes als Wortspiele mit sumerischen Pilznamen.
...
Genauer handelt es sich um ein Wortspiel mit den zwei wichtigen sumerischen Pilznamen MASh-TAB-BA-R/LI(-R/LI) und *LI-MASh-Ba(LA)G-ANTA-TAB-BA-R/LI(-R/LI)...

Von den "zwei wichtigen sumerischen Pilznamen" sind natürlich beide nicht in sumerischen Texten belegt. Das Sternchen beim ersten wichtigen Pilznamen wurde hier mal wieder versehentlich vergessen.

Dass die Sumerer etwas im Tee hatten, was dort eigentlich nicht reingehört, dürfte wohl unzweifelhaft sein. Wer erfindet sonst wichtige Wörter wie Limashbalagantatabali...
 
aber haben sich die Ägypter nicht gerühmt, ihr Bier sei im Gegensatz zum mesopotamischen so rein gewesen dass sie es ohne Strohhalme trinken habe können?
 
aber haben sich die Ägypter nicht gerühmt, ihr Bier sei im Gegensatz zum mesopotamischen so rein gewesen dass sie es ohne Strohhalme trinken habe können?

Weiß ich nicht, ob sie sich gerühmt haben.
Trinkhalme hatten sie jedenfalls auch.
 

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Zu Allegro:

Der sprachlich hochbegabte Oxford-Absolvent wurde bereits mit 24 Professor für Linguistik​

Das behauptet Wattiaux:
John Marco Allegro (1923-1988), philologist, with a doctorate from Oxford, a specialist in ancient Greek, Hebrew, and Semitic Studies, was Professor since 1947 at the University of Manchester in Great Britain.
Aber das ist offensichtlich Quatsch.
Allegro war bis 1945 bei der Marine und begann erst danach mit seinem Studium. Seinen Master-Abschluss machte er 1951/52.

Allegro matriculated from grammar school in 1939, though he did not go on to university, as his father saw little value in higher education, so Allegro joined the British Navy, serving during World War Two and going on to become an officer. After the war he began training for the Methodist ministry, but found that he was more interested in Hebrew and Greek, so he went to study at Manchester University with fees paid by government grant due to his military service.[3] Allegro received his Honours degree in Oriental Studies at the University of Manchester in 1951. This was followed in 1952 by a masters under supervision of H. H. Rowley. While engaged in further research in Hebrew dialects at Oxford under Godfrey Driver in 1953, Allegro was invited by Gerald Lankester Harding to join the team of scholars working on the Dead Sea Scrolls in Jerusalem, so he spent a year in Jerusalem working on the scrolls. He became a lecturer in Comparative Semitic Philology in Manchester in 1954.[4][5][6]
https://en.wikipedia.org/wiki/John_M._Allegro

Genauer gesagt, wurde Allegro 1954 assistant lecturer. Das war eine Assistenzstelle mit befristetem Vertrag. "After all, I'm only an assistant lecturer", zitiert ihn seine Tochter Judith Anne Brown in ihrer John-Allegro-Biographie.
Professor war er nie.

1970 verabschiedete sich John von seiner Stelle an der Universität - und mit seinem gleichzeitig erschienenen Fliegenpilz-Buch auch endgültig aus der wissenschaftlichen Diskussion.
 
In puncto Textverständnis und -interpretation hätte ich da noch ein paar kleine Fragen. Ich gehe davon aus, dass Du diese Vorlage benutzt hast, um diesen Beitrag zu erstellen.

Die Fragen scheinen nicht beantwortbar zu sein. Macht nichts.
Zu zwei Punkten hätte ich noch Anmerkungen:

Die Vorlage:

Soon after, there was a second attack, this one concerning the famous copper scrolls from Cave III: Allegro’s translation appeared in 1960, ten years after their discovery, and it was immediately repudiated, replaced by that of Father Milik in 1962.
...

In 1968, he published his own work on the texts and fragments from Cave IV.
Die Interpretation:

1960 wurde seine Übersetzung der Rollen aus Höhle IV veröffentlicht, wegen der ungewöhnlichen Interpretation des Originaltextes aber sofort zurückgewiesen und 1962 durch eine alternative Übersetzung von Pater Milik ersetzt. 1968 brachte er ein eigenes Buch über die Rollen aus Höhle IV heraus.

Die Veröffentlichung 1960 betraf nicht die Rollen aus Höhle IV, sondern die Kupferrolle aus Höhle III. Ihre Edition gehörte in Miliks Zuständigkeit. Allegros eigenmächtige Veröffentlichung wurde von Milik (der seinerseits ein "schwieriger Mensch"*** gewesen sein soll) als unkollegial empfunden.

Die Edition der Rollen aus Höhle IV gehörte hingegen zu Allegros Zuständigkeit. Sie erschien als Band V der offiziellen Reihe "Discoveries in the Judaean Desert" (DJD).
Dieser Band erhielt von der Fachwelt vernichtende Zensuren.
Aus einer Rezension von Jonas C. Greenfield (Hebräische Universität Jerusalem):
"This reviewer has had some harsh words to say about a previous volume in this series (...) but he was nevertheless very grateful to have that volume. Would that he could say the same for one under review here."*

Wie Greenfield feststellt, hat Allegro alle bis dahin veröffentlichten Studien zu den von ihm edierten Texten ignoriert. John Strugnell (Harvard University) habe in seinem Rezensionsartikel (Revue de Qumran 7, 1970, S. 163-276) "unzählige Fehler korrigiert". Ohne diese Korrekturen und die Informationen über die bereits veröffentlichten Studien sei Allegros Edition noch nicht einmal als "Rohmaterial" zu gebrauchen.

Karlheinz Müller (Universität Würzburg) stellt in seinem Überblick zur Qumran-Literatur fest:
"Überhaupt ist DJD V die schlechteste und unzuverlässigste Q-Edition, die seit dem Beginn der Funde dem Leser zugemutet wurde"**



Chan schrieb:
Zu Allegro:

Der sprachlich hochbegabte Oxford-Absolvent wurde bereits mit 24 Professor für Linguistik und gehörte nach dem Fund der Qumran-Rollen als einziger Atheist zum vom Vatikan zusammengestellten internationalen Übersetzerteam.

Dass "der Vatikan" das Team zusammengestellt haben soll, riecht doch ziemlich nach Verschwörungstheorie.
Die Informationen, die ich bei Simon und Claudia Paganini*** finde, sehen so aus:
Die Qumran-Funde wurden im Palestine Archaeological Museum (heute Rockefeller Museum) im damals jordanischen Teil Jerusalems gesammelt. Das Museum wurde damals von einem internationalen Kuratorium geführt. Es "wurde damals von verschiedenen internationalen und nationalen Institutionen finanziert bzw. betrieben, die in Palästina biblische und/oder archäologische Forschung betrieben", im einzelnen:
- British School of Archaeology in Jerusalem (BSAJ)
- Deutsches Evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI)
- The American Schools of Oriental Research (ASOR)
- École biblique et archéologique française (EBAF)
- Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS)
- Israel Exploration Society

Diese Institutionen entsandten die einzelnen Mitglieder des Teams. Mit Ausnahme der Israel Exploration Society, deren Mitglieder sich aufgrund des Einreiseverbotes durch die jordanische Regierung nicht beteiligen konnten:

BSAJ: John M. Allegro und John Strugnell
DEI: Claus-Hunno Hunzinger
ASOR: Frank Moore Cross und Patrick Skehan
EBAF: Roland de Vaux und Józef T. Milik
CNRS: Jean Starcky

Den Leiter des Teams, Roland de Vaux, setzte das Museumskuratorium ein. De Vaux hatte zusammen mit dem Direktor der jordanischen Altertumsbehörde Gerald Lankester Harding die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen der Qumran-Höhlen geleitet.

"Wie stark die Kontrolle war, die de Vaux über die Mitglieder des internationalen Teams hatte, bzw. wie groß deren Eigenständigkeit war, ist schwierig zu klären. Wahrscheinlich dürfte sein Einfluss aber nicht allzu groß gewesen sein, da sich die meisten Forscher weder Pater Roland de Vaux noch der École biblique in irgendeiner Weise verpflichtet fühlten."



* Journal of Near Eastern Studies, Vol. 31, No. 1 (Jan., 1972), S. 56

** Karlheinz Müller, Die Handschriften und Editionen der außerbiblischen Qumranliteratur, in: Josef Schreiner (Hrsg.), Einführung in die Methoden der biblischen Exegese, Würzburg 1971, S. 310

*** Simon Paganini / Claudia Paganini: Qumran. Zwischen Verschwörung und Archäologie, Innsbruck-Wien/Kevelaer 2010, S. 24/25
 
Immerhin hat ein Sumerologe festgestellt, dass 316 der 869 sumerischen Wörter, die Allegro in seinem Buch argumentativ verwendet, nicht nachgewiesen sind, sondern von Allegro, wenngleich sprachlich korrekt, konstruiert wurden. Bleiben aber immer noch 553 sumerische Wörter, die Allegros Argumentation potentiell stützen

Allegros "Argumentation" stützt sich fast ausschließlich auf konstruierte Wörter und Sätze.

Noch eine kleine Kostprobe:

Es gibt die sumerischen Wörter gešbu (bei Allegro: GEShPU) und im (bei Allegro: IM); gešbu ist die Bezeichnung für eine Waffe ("Bogen", so auch bei Allegro in den Anmerkungen zu lesen), im bedeutet 'Regen(sturm)':
ePSD

Allegro assoziiert offenbar die Waffe mit dem "starken Mann", den Regen mit dem "Himmel".
So konstruiert er nun ein Wort *GEShPU-IMI, das soll soviel bedeuten wie "starker Mann, der den Himmel trägt".
Das Bild eines starken Mannes, der den Himmel trägt, assoziiert er mit dem Pilz.
So kommt er zu diesem "sumerischen" "Pilzwort".

Nun kommt ein kleiner Silbendreher:
Aus *gespu-imi wird *pu-imi-ges.

Dann wird noch ein Konsonant ausgetauscht:
Aus *pu-imi-ges wird *pu-ini-ges.

Und wenn dann noch die Vokale nach Bedarf "angepasst" werden, wird aus *pu-ini-ges schließlich das bekannte "griechische Pilzwort" phoinix = Phoenix.
 
Noch eine kleine Kostprobe

Visionen des Allegros hat es wohl reichlich auch ohne Pilzgenuss gegeben :D

Berüchtigt ist weiter das "medizinische Dokument" 4Q341, nach Allegros Analyse 1979 dann sinnigerweise 4QTherapeia bezeichnet. Sogar Charlesworth ist - peinlich - darauf zunächst hereingefallen.

"At that point, the text was taken [Anm: by Allegro] as a transliteration in Hebrew of a Greek medical document containing such words as Magnus (line 4) and Horqanus (line 7). According to Allegro, its “language is an extraordinary mixture of transliterated Greek, Aramaic, and a grammatically irregular Hebrew, giving the inescapable impression of deliberate obscurantism, not entirely unfamiliar in medical writing... [Anm: auch ohne eine "extraordinary mixture" von Rauschpilzen genossen zu haben!]

This interpretation gave rise to new theories concerning the nature of the Qumran community.

However, not much later the real nature of this document was discovered by Naveh who demonstrated that this is a Hebrew writing exercise by a fairly skilled person, perhaps a scribe. This scribe used a small left-over piece of leather in order to write some meaningless words and letters while accustoming his hand to the pen and ink and to the writing material before beginning to write in earnest."

Roitman et. al., The Dead Sea Scrolls and Contemporary Culture, S. 6-7.

"Visionen" gibt es offenbar in diesem Thread - wie zu den übrigen der diversen Johannes&Co reichlich. =)
 
Die Edition der Rollen aus Höhle IV gehörte hingegen zu Allegros Zuständigkeit. Sie erschien als Band V der offiziellen Reihe "Discoveries in the Judaean Desert" (DJD).
Dieser Band erhielt von der Fachwelt vernichtende Zensuren...

Karlheinz Müller (Universität Würzburg) stellt in seinem Überblick zur Qumran-Literatur fest:
"Überhaupt ist DJD V die schlechteste und unzuverlässigste Q-Edition, die seit dem Beginn der Funde dem Leser zugemutet wurde"**

Chan ist bei seinen umfangreichen google-Recherchen zum Forschungsstand sicherlich schon auf weitere Kritik an der Edition des Pilzexperten gestoßen.

Falls nicht, hier noch die Warnung für Studenten im Ersten Semester betr. Fragen an den Apotheker des Vertrauens über Nebenwirkungen der Inhalierung von Quellen aus dieser Sammlung:

"Viele Pescharim (und weitere Texte), genauer: 4Q158‒186, sind von John Marco ALLEGRO 1968 (unter Mitarbeit von Arnold A. ANDERSON) in Band V der Discoveries in the Judaean Desert (DJD) herausgegeben worden. Dieser Band der Edition ist leider im Vergleich zu den davor und danach erschienenen mit mancherlei Mängeln behaftet. John STRUGNELL hat ihm deshalb in der Revue de Qumran 7 (erschienen 1970) eine nicht weniger als 113-seitige Rezension gewidmet: Notes en marge du volume V des „Discoveries in the Judaean Desert of Jordan“, RdQ 7/26 (1970) 163‒276. De facto handelt es sich dabei um eine fast vollständige (Neu-) Edition. Der Aufsatz ist jedenfalls von überaus hoher Qualität und sollte bei jeder Beschäftigung mit einem der in DJD V enthaltenen Texte – 4Q158 bis 4Q186 – mit herangezogen werden."

Zitat, mit einem niedlichen Blitzzeichen geschmückt, zu finden in:
Géza G. Xeravits, Peter Porzig Einführung in die Qumranliteratur
DeGruyter Studium , S. 108.
 
Zum "starken Himmelsträger", der zum Pilz mutiert, passt prima die "Frau Torheit", als Gegensatz zu "Frau Weisheit", die bei Allegro zur Prostituierten wird.=)

4Q184:

"Se aber lauert im Verborgenen auf […] al[l …]. Auf den Plätzen der Stadt versteckt sie sich und in den Toren der Dörfer steht sie bereit. Es gibt nichts, was sie ruh[igstellen könnte …]. .. Ihre Augen schweifen hierhin und dahin, und ihre Wimpern schlägt sie lüstern auf, um einen Ma[nn] zu se[hen] – einen gerechten, damit sie ihn erreiche, einen [star]ken Mann, damit sie ihn zum Straucheln bringe –, um Gerechte vom Weg abzubringen, und gerecht Erwählte vom Einhalten des Gebots; um Gefestigte […] zur Lüsternheit zu bringen, und redlich Wandelnde zum Missbrauch des Re[cht]s zu bringen; um zu verführen ... Arme zum Abfall von Gott, und um ihre Schritte von den gerechten Wegen abzubringen; um A[nmaß]ung [in ihr H]erz zu bringen, damit sie nicht wandeln auf gerechten Pfaden; um einen Menschen abzubringen auf die Wege der Grube, und um [jeden] einzelnen Mann mit Glattheiten zu ködern."

Die Visionen des Allegro zu den Glattheiten als Köder::D

"Unmittelbar stellt sich die Frage: Wer ist diese Verführerin, diese mächtige Frau, vor der der Verfasser seine Leser warnt? .. John M. ALLEGRO, der Herausgeber des Textes meint z.B., die Passage hätte keine übertragene Bedeutung, er mache also auf die moralischen Gefährdungen durch Vertreterinnen des Prostituiertenberufs aufmerksam. Doch mag man sich fragen, ob es in der Qumrangemeinschaft wirklich notwendig war, so deutlich vor dem Umgang mit diesem Berufsstand (o. auch allgemein mit Frauen) zu warnen...

Keineswegs ist darüber hinaus sicher, dass es sich bei 4Q184 um eine genuine Qumranschrift handelt, oder ob eine vorqumranische Komposition vorliegt ..."

Zitate s.o., S. 238-9.
 
...die bei Allegro zur Prostituierten wird.
Aber doch nicht nur »bei Allegro«! Die zitierten Xeravits/Porzig schreiben (S. 240):
Der zweite Abschnitt (Z. 8-11) bedient sich vor allem eines Vokabulars, das auf Prostituierte hindeutet. Der Text fokussiert in gewisser Weise die verstreuten Hinweise aus Prov 1-9 auf die furchteinflößende, sexuell konnotierte Macht der verführerischen Frau (...). Zugleich wird hier schon darauf verwiesen, dass die Folge ihres Tuns letztlich eine Wendung gegen Gott darstellt.
[Zitat X/P.:]Doch mag man sich fragen, ob es in der Qumrangemeinschaft wirklich notwendig war, so deutlich vor dem Umgang mit diesem Berufsstand (o. auch allgemein mit Frauen) zu warnen.
Offenbar ist über die Notwendigkeit von solcherlei Warnungen in der Gemeinschaft nichts bekannt. Die Autoren (S. 239) setzen fort: »Deshalb wurde immer wieder nach einer hinter der Textoberfläche verborgenen, tieferen Bedeutung des Textes gesucht.«

Diese Suche hat zu unterschiedlichen Spekulationen geführt, über die – wenig überraschend – kein Konsens besteht. Der oft der Spekulation gescholtene Allegro [1] sucht hier (ausnahmsweise?) nicht nach einer übertragenen Bedeutung und wird dafür angegriffen – irgendwie tragisch, finde ich... :scheinheilig:
[Zitat: X./P.]»Keineswegs ist darüber hinaus sicher, dass es sich bei 4Q184 um eine genuine Qumranschrift handelt, oder ob eine vorqumranische Komposition vorliegt ..."
Der Satz geht weiter mit »– die freilich auch dann in Qumran tradiert wurde.« Was soll's also?


[1] Oben schon erwähnt: The Sacred Mushroom and the Cross (1970)
 
Zuletzt bearbeitet:
Weil ich schon dran bin, »oute« mich hiermit als der Eine, dem das historische/historiografische Problem in diesem Thema nicht klar genug ist.

Du, Chan, schreibst eingangs von der »Breite möglicher Interpretationsansätze« mit zwei Polen und einer Mitte und stellst später folgende Entscheidungsfrage:
Ob eine visionäre apokalyptische Literatur, die das religiöse Denken des Abendlandes bis zum heutigen Tag tiefgreifend geprägt hat, wirklich visionär war oder nur eine literarische Konstruktion, ist geschichtswissenschaftlich hochrelevant. Ihre Bedeutung hat die Offb gerade durch den überwiegenden Glauben an ihre Authentizität erhalten.

Wohl wissend (und bedauernd), dass ich damit hinter die lustvoll mäandernde Diskussion über Drogen, Glückzahlen, Pilze usw. zurückfalle: Liegt hier tatsächlich ein geschichtswissenschaftlich oder eher ein religiös-glaubensmäßig »hochrelevantes« Problem vor? Wenn ersteres behauptet wird: Wie kann die Relevanz bzw. die Wirkungsgeschichte belegt werden?

Die zweite, damit zusammenhängende Frage: Ist der Unterschied zwischen »visionärer Literatur« und »(nur) literarischer Konstruktion« tatsächlich so bedeutsam? Ein Skeptiker könnte argumentieren, dass es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob (und wodurch) »Johannes« Visionen [1] hatte und diese aufschrieb (so ähnlich z.B. wie bei manchen Marienerscheinungen in unserer Zeit) oder ob er seinen Text aus etlichen vor ihm liegenden Pergamenten (oder gar aus mündlichen Überlieferungen) kompilierte – in beiden Fällen handelt es sich zunächst um rein intrapsychische Prozesse. [2]


[1] Subjektives bildhaftes Erleben von etwas sinnlich nicht Wahrnehmbarem, das aber dem Erlebenden – dem Visionär – als real erscheint und von ihm auf die Einwirkung einer jenseitigen Macht zurückgeführt wird. Zusätzlich treten oft Höreindrücke auf, meist als gesprochene Worte. (Wikipedia)
[2] Ob Vision oder Kompilation – für Gläubige gilt sowieso für jede beliebige Bibelstelle, dass der Text »unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet worden ist« (Katechismus der Katholischen Kirche, 1993, S. 60).
 
Leider nur in Kürze::D

Aber doch nicht nur »bei Allegro«!
Wer sollte Gegenteiliges behauptet haben? :grübel: (...Türchen auf, das wäre mal für die Diskussion interessant:...) Ich jedenfalls nicht.

Bestimmt finden sich Übernahmen der Interpretation ("bei Allegro"), die sind nur in dem gb-Ausschnitt von Xeravits/Porzig nicht dargestellt.

Kannst Du mal einige aufzählen, die dem in der Fachliteratur gefolgt sind?

Die zitierten Xeravits/Porzig schreiben (S. 240):
"Der zweite Abschnitt (Z. 8-11) bedient sich vor allem eines Vokabulars, das auf Prostituierte hindeutet. Der Text fokussiert in gewisser Weise die verstreuten Hinweise aus Prov 1-9 auf die furchteinflößende, sexuell konnotierte Macht der verführerischen Frau (...). Zugleich wird hier schon darauf verwiesen, dass die Folge ihres Tuns letztlich eine Wendung gegen Gott darstellt."

Die sollten wir bei der Aufzählung besser rauslassen.:cry:

Gerade die beiden folgen in ihrer Einführungsveranstaltung nun überhaupt nicht der Interpretation "bei Allegro". Das wird in den Textfetzen von gb offenbar nicht recht deutlich.

- Was hier in Kurzdarstellung angerissen wird, ist der (vorherrschende) Vergleich mit Sprüche 1-9, zB in 7:10.
- Was X/P hier anreissen und "schreiben", besser "zitieren", ist Strugnells ;) ergänzende "Kommentierung", besser: "Richtigstellung" von Allegro. Das inkludiert ein "like a" , statt "bei Allegro: "is a" und den Proverbs-Vergleich, der wohl auch herrschende Interpretation des poetischen Fragments ist.

Ich stelle gern zur Verdeutllichung - ich habe keine Ausschnitte verwendet - ein Bild der Seite in eine Anlage. :still:

Die Autoren (S. 239) setzen fort: »Deshalb wurde immer wieder nach einer hinter der Textoberfläche verborgenen, tieferen Bedeutung des Textes gesucht.«
Diese Suche hat zu unterschiedlichen Spekulationen geführt, über die – wenig überraschend – kein Konsens besteht.

Eine einfache, aber überaus wichtige Klarstellung, die gar nicht oft genug erfolgen kann! :friends:

Die Eingangsbeiträge versuchen sich reichlich in Textanalysen mit weltanschaulichem oder religiösem Bezug. Wie richtig festgestellt, sind solche theologischen oder pseudotheologischen Auseinandersetzungen nicht Gegenstand des Geschichtsforums.

Nun sind wir glücklicherweise bei der Rezeptions- oder Forschungsgeschichte angekommen, was dem Thema zuträglicher ist. :yes:

Dass in einem solchen Themenbereich "kein Konsens" besteht, kann nun tatsächlich nicht wirklich überraschen, lebt doch gerade davon eine Diskussion über die Rezeptionsgeschichte.

Wie sieht es denn in der aktuelleren Literatur, sagen wir der letzten 15-20 Jahre, zum Konsens und Randbemerkungen zu 1Q184 aus?
 
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