vom König zum Kaiser

fingalo

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Hallo,
ich wurde kürzlich gefragt, was ein König davon hatte, Kaiser zu werden. Bei Karl d. Gr. wusste ich, dass er sich damit vom byzantinischen Kaiser abkoppelte. Aber Heinrich IV. wurde als Kind zum König gekrönt, 1048 zum Kaiser. Was hatte er davon? Was änderte sich für ihn?
 
Wenn da eine Antwort leicht wäre... Imperium und Sacerdotium... Investiturstreit.... Das Reich und die Hausmacht.

Auf jeden Fall muss man die "Kaiser" zwischen 800 und 1806 in verschiedene Gruppen packen. Aber wenn Du NUR auf Heinrich IV raus willst, dann ist eine Antwort möglicherweise machbar..
 
@fingalo: Aber Heinrich IV. wurde als Kind zum König gekrönt, 1048 zum Kaiser. Was hatte er davon? Was änderte sich für ihn?

Doch ganz sicher das Prestige, stand er doch damit (zumindest nach eigenem Selbstverständnis) in der legitimen Nachfolge der Cäsaren und Karl des Großen. Du hast übrigens einen Zahlendreher im Beitrag, Kaiser wurde er 1084. Der krönende Papst Clemens III. war eine Marionette von Heinrichs Gnaden.
 
Sicherlich ist die Tradition aber auch gerade in der Neuzeit dann noch, der zumindest den Worten nach erhaltene Anspruch vor den anderen Herrschern Europas einen Vorzug zu genießen. Anders kann ich mir nicht erklären wieviel man bis ins 18.Jh. hinein darauf investierte diese Kaiserwürde zu erhalten. Sicherlich waren das bei Friedrich August I. oder dann bei Karl VII., der auch Kaiser wurde, Luftschlösser, aber zeigt nicht die Selbstverherrlichung der Wittelsbacher, mit welchem Glanz man in vielen deutschen Staaten die Kaiserkrone noch verbunden wähnte?
 
balticbirdy schrieb:
Papst Clemens III. war eine Marionette von Heinrichs Gnaden.

Das mit Marionette wäre eigentlich egal. JEDER legale Deutsche König MUSSTE zum Römischen Kaiser gekrönt werden. Das sollte eigentlich in einem Aufwasch (oder sagen wir mal: im gleichen Jahr) geschehen. Wahl zum König durch die Reichsfürsten (weltlich, wenn auch die meisten Bischöfe waren ) und (spirituelle) Erhöhung durch den Papst.

Karl d.Gr. wurde dadurch zum Herrscher aller (katholischen) Christen!

Nach den sinnlosen Reichsteilungen unter seinen Söhnen und Enkeln (Tja, fränkisches Recht ist eben fränkisches Recht) Ist der Kaisergedanke eigentlich logisch sinnlos. Also Herrscher aller Christen, außer den französischen, und außer den englischen, und außer den spanischen, und, und...

Der Neugründer Heinrich I profitiert aber vom Ruhm Karls d.Gr. Das Reich besteht letztendlich aus den Deutschen Herzogtümern, Burgund und der Lombardei. Und der Kaiser ist "Schutzmacht" des Kirchenstaates.

Machtmäßig müssten die Kaiser nicht Kaiser sein; nahezu alle ihre Funktionen nahmen sie als Deutscher König (und langobardischer) war - und alle ihre Probleme kamen auch daher. Allerdings wurde öfters behauptet, Italien wäre eher ein "Klotz am Bein" gewesen...

Auch die Bischofsinvestitur hatte nichts damit zu tun, ob König oder Kaiser.... Die "Lehen" an die Bischöfe erfolgte formal als königlicher Lehensherr. Faktisch betrachtete die Kirche das aber als ihr Eigentum (wie die anderen Lehensnehmer natürlich auch...)

Ab dem 14. Jh. waren dann (bis auf Karl V) die Päpste auch gar nicht mehr notwendig!!

Wie tief die Magie des Kaisertitels aber sitzt, sieht man im 19. Jahrhundert.
Franz löst das Reich erst auf, nachdem er sichergestellt hatte, dass er sich wenigstens KAISER von Österreich nennen kann.

Und jetzt - nachdem es überhaupt kein Reich mehr gibt - wollen alle Kaiser werden!!

Ich habe vor längerer Zeit mal eine kleine Liste gemacht:
1804 (bis 1815): Napoleon "Kaiser der Franzosen"
1822 (bis 1889): Der portugiesische Thronfolger Pedro wird "Kaiser von Brasilien"
1852 (bis 1870): Napoleon III. erklärt sich wie schon sein Onkel zum "Kaiser der Franzosen"
1863 (bis 1867): Erzherzog Maximilian nennt sich "Kaiser von Mexiko"
1871 (bis 1918): Der preußische König Wilhelm III. wird "Deutscher Kaiser"
1877 (bis 1947): Die britische Königin Viktoria wird "Kaiserin von Indien"
 
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Machtmäßig müssten die Kaiser nicht Kaiser sein; nahezu alle ihre Funktionen nahmen sie als Deutscher König (und langobardischer) war - und alle ihre Probleme kamen auch daher. Allerdings wurde öfters behauptet, Italien wäre eher ein "Klotz am Bein" gewesen...
Italien war sicherlich voll Aufwand aber auch wirtschaftlich lange Zeit blühend und daher wegen der möglichen Einnahmen von bedeutendem Interesse. Dass die anderen Königreiche wie England, Frankreich, Spanien nicht direkt dem Kaiser unterstanden, tat meines Erachtens dem Anspruch des Kaisertums keinen Abbruch und immerhin stand der Kaiser lange Zeit neben dem deutschen Kerngebiet den Reichen Böhmen, Italien, Burgund vor, auch wenn Italien und Burgund in der Renaissance zusehends dem kaiserlichen Einfluss entglitten. Ich denke aber die Selbstauffassung des Kaisers sah ihn noch lange Zeit als Herr über das christliche Europa, als Herrscher des Abendlandes, auch wenn dieser Anspruch durch die armselige Reichsarmee kaum mit Leben erfüllt werden konnte und im 17. und 18.Jh. das HRR eher Schauplatz des Machtkampfes der angrenzenden Mächte war, statt dass dieses Heilige Römische Reich die Rolle ausgefüllt hätte, welche es dem Namen nach anstrebte. Aber noch ein Karl VI. hatte einen weltumspannenden Machtanspruch, welcher von dem Kaisertum an sich nicht zu trennen ist.
 
Sicherlich ist die Tradition aber auch gerade in der Neuzeit dann noch, der zumindest den Worten nach erhaltene Anspruch vor den anderen Herrschern Europas einen Vorzug zu genießen. Anders kann ich mir nicht erklären wieviel man bis ins 18.Jh. hinein darauf investierte diese Kaiserwürde zu erhalten. Sicherlich waren das bei Friedrich August I. oder dann bei Karl VII., der auch Kaiser wurde, Luftschlösser, aber zeigt nicht die Selbstverherrlichung der Wittelsbacher, mit welchem Glanz man in vielen deutschen Staaten die Kaiserkrone noch verbunden wähnte?


Das kann man wohl unterschreiben! Der Kaisertitel stand für einen universalen Herrschaftsanspruch, und man weiß, dass es etwa Leopold I. nicht an Selbstbewußtsein mangelte und er selbst den König von Frankreich nur für einen Emporkömmling aus mittelmäßigem Adel betrachtete. Welches Prestige der Kaisertitel selbst noch nach der französischen Revolution hatte, wird für mich vor allem auch durch Napoleon deutlich, der sein Empire errichtete und logischerweise das Heilige Römische Reich liquidierte. Dennoch verzichtete auch Franz II. nicht auf seinen Herschaftsanspruch und nannte sich nach dem Untergang des alten Reichs Kaiser von Österreich.
 
@deSilva: Das mit Marionette wäre eigentlich egal. JEDER legale Deutsche König MUSSTE zum Römischen Kaiser gekrönt werden.
Aus päpstlicher Sicht MUSSTE niemand und nichts gekrönt werden. Gregor VII. hätte einen Teufel getan, stattdessen ließ er Heinrich IV. (um den geht es @Fingalo schließlich) vor Canossa antanzen. Dass dieser ihn später aus Rom vertrieb und Clemens III. als eingesetzter "Gegenpapst" die Kaiserkrönung vornahm, war vielleicht auch ein Stück persönliche Rache.
 
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O.k. Wir tun ja auch nicht immer, was wir MÜSSEN. Gregor VII hatte kein RECHT Heinrich nicht zum Kaiser zu krönen. Erhatte natürlich das RECHT ihn zu bannen. Dann KONNTE er ihn natürlich nicht krönen... Die "Gute Ordnung" war nicht darauf angelegt, dass sich die beiden mächtigsten Männer Europas ernsthaft stritten.

Ich wollte nur ausdrücken, dass auch jeder NORMALE Papst Heinrich gekrönt hätte; er musste keine Marionette sein...
 
@deSilva:Gregor VII hatte kein RECHT Heinrich nicht zum Kaiser zu krönen.
Das ist mir neu. Ich dachte immer, das wäre vor der Goldenen Bulle eine Ermessensfrage des Papstes gewesen, auch wenn es formal zur Routine verkam. Wer weiß mehr??? :confused:
 
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Tekker schrieb:
Aber erstens hättest du dir die Mühe sparen können
War keine Mühe, die Liste war ja da :)
Tekker schrieb:
zweitens ist die Liste ziemlich unvollständig
Ich halte sie für recht komplett für den Zweck den sie verfolgt, nämlich die Konsequenzen der Reichsauflösung zu zeigen.
Tekker schrieb:
drittens muß man zwischen unterschiedlichen Kaisertypen unterscheiden
Kann man machen, war nicht das Thema, es ging um die Nachfolger Karls d.Gr.
Tekker schrieb:
Da habe ich irgendwo sogar mal was mitverfasst :)
 
Hallo,
ich wurde kürzlich gefragt, was ein König davon hatte, Kaiser zu werden. Bei Karl d. Gr. wusste ich, dass er sich damit vom byzantinischen Kaiser abkoppelte. Aber Heinrich IV. wurde als Kind zum König gekrönt, 1048 zum Kaiser. Was hatte er davon? Was änderte sich für ihn?

Zumindest in der Ottonischen und Salischen Epoche war Kaiser zu sein gleichbedeutend mit der mächtigste Herrscher des christlichen Abendlandes zu sein. Besonders wenn man deren Machtfülle über Germanien, Italien und Burgund dem der Westfrankenkönige (faktisch Île de France), der Angelssachen (eine damals recht unbedeutende Insel) oder die Spanier (in den Bergen Asturiens) entgegenstellt. Der Einfluss dieser Kaiser erstreckte sich zudem noch auf die im Enstehen befindenen slawischen Reiche wie Polen und Ungarn.
Erst mit der Stauferzeit und vor allem danach (1250) begann das Kaisertum nur noch ein Anspruch zu sein statt reale Wirklichkeit, wie schon weiter oben dargelegt.
 
Zu der ein oder anderen Gelegenheit hat der Kaiser ja auch mal die Gelegenheit gehabt seinen universellen Machtanspruch über alle Christen zu verdeutlichen, auch wenn es im Endeffekt keinen praktischen Wert hatte. Siehe Richards Lehenseid an Heinrich VI.
 
Hallo, Freunde, da habe ich ja geradezu eine Lawine losgetreten.
Was ich so mitnehme, ist, dass es sich (wie ich mir's schon dachte) mehr um eine symbolische Sache handelte, was nicht abwertend gemeint ist. Denn Symbole hatten früher ein wesentlich größeres Gewicht (Halten der Steigbügel usw.). Es war dann wohl mehr eine Rangfrage, auch im diplomatischen Verkehr.

(Übrigens bin ich morgen mal für eine Woche fort. Komme am Sonntag wieder - Wenn Heathrow mich lässt :jumpon: ...)
 
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Karl d.Gr. wurde dadurch zum Herrscher aller (katholischen) Christen!


Soweit ich weiß, gab es damals nur eine Sorte von Christen, nämlich die Katholischen - die Reformation war doch etwas später. :ironie:

Zufälligerweise habe ich gerade das Buch von Ernst Wies über Kaiser Heinrich IV. zu Ende gelesen. Dort steht geschrieben, dass zu Zeiten der Ottonen und Salier nur das heilige Blut der Könige zum Königsheil und Königtum und damit zur Kaiserherrlichkeit befähigte.
Sie waren Kaiser des Imperiums und Herren der Kirche, also Träger weltlicher und geistlicher Macht und empfanden sich sich als Teil der Kirche.
Laut Erzbischof Aribo von Mainz war der Kaiser Stelvertreter Christi auf Erden.
Auf der Synode von Sutri setzte Kaiser Heinrich III. zwei Päpste ab, Gregor VI. und Silvester III. und verlieh Suitger von Bamberg die päpstliche Würde als Clemens II. und die Kurie wagte nicht, einen Gegenpapst aufzustellen, denn das Wort des Kaisers galt.
Erst Papst Gregor VII. versuchte die Stellung und Macht des Papstes zu erhöhen in seinem "Dictatus papae".

Gruß.....
 
@Josephine: Soweit ich weiß, gab es damals nur eine Sorte von Christen, nämlich die Katholischen - die Reformation war doch etwas später.
Genau das ist nicht korrekt. Schau mal hier nach:
Vorreformatorische Kirchen – Wikipedia
Der Streit der Traditionslinien ist fast so alt wie das Christentum selbst.
Ein vom Papst gesalbter Kaiser galt nur für die römisch-katholische Kirche.
 
Zuletzt bearbeitet:
(1) Leider gab es auch schon vor dem Mönch Luther einige Uneinsichtige, denen die Lehre des Athanasius - Nicäa hin, Nicäa her - nicht behagte. Und solange in Byzanz auch noch ein anderer "Cäsaropapist" saß, war die christliche Welt eben leider nicht so einfach wie Paulus sich das vielleicht gewünscht hätte :)

(2) Wie Du schon sagst, ist der Kaiser der Herrscher; der Papst im besten Fall sein - eventuell strenger! - Beichtvater. Dass die Stellung des Kaisers eine Sache des "Bluts" wäre, konnte von der katholischen Kirche allerdings nur schwer akzeptiert werden, so war das "Wahlkönigtum" also eine durchaus akzeptable Konstruktion.

Was Bischöfe und Äbte angeht, so stellen wir sie uns gerne als "die Kirche" (mit dem Papst an der Spitze) vor. Bischöfe und Äbte waren aber - und in erster Linie? - Reichsfürsten. Sie wurden vom König ernannt und belehnt. Und sie standen vielfach auf Seiten des Königs GEGEN den Papst. Allerdings nur solange, wie dieser Papst sich dann wirklich als absetzbar oder kompromissbereit zeigte. Sie konnten es sich nicht leisten, ausgestoßen zu werden. Allerdings konnte der Papst es sich auch kaum leisten sowas zu tun. Sein Bannstrahl traf in der Regel die Nichtkleriker (oder die Kleinen, wie Luther)

Für den Kaiser waren die Bischöfe aber auch unentbehrliche Reichsverwalter (Guck doch nur, was Heinrich IV für Problem mit seinen Herzögen hatte, von der Verwandschaft will ich ja gar nicht reden!). Diese Symbiose wurde durchs Wormser Konkordat dann empfindlich gestört. Die Goldene Bulle war dann der zweite Nagel im Sarg des Reichs...

Edit: ich sehe gerade: Synode! Ohne die hätte Heinrich III das aber wohl auch nicht so gekonnt...
 
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Genau das ist nicht korrekt. Schau mal hier nach:
Vorreformatorische Kirchen – Wikipedia
Der Streit der Traditionslinien ist fast so alt wie das Christentum selbst.
Ein vom Papst gesalbter Kaiser galt nur für die römisch-katholische Kirche.


Hallo balticbirdy,

die Ostkirche kenne ich natürlich und engstirnig wie ich nunmal bin, definiere ich alles vor Luther einfach als Christen und die Ostkirche und danach unterscheide ich zwischen Katholiken und Protestanten. :autsch:

Sehr oberflächlich und vorallem unpräzise von mir, ich nehme meine ironische Bemerkung zurück :rotwerd:

und @deSilva - unbestreitbar ging es mit der Macht des Kaisers und des Reiches seit Canossa abwärts. Und spätestens seit dem Wormser Konkordat war der Kaiser nicht mehr der Stellvertreter Christi auf Erden. seine geistliche Macht war zu Ende.
Na ja, und nachdem die Fürsten maßgeblich für das zustandekommen des Wormser Konkordats veranwortlich waren, haben sie ihm quasi auch seine weltlichen Grenzen aufgezeigt.

Gruß..
 
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