Waffen des 19. Jh. / Blankwaffen

Melchior

Aktives Mitglied
Liebe Mitdiskutanten,

ich habe vor Zeiten am Museum Waffen wissenschaftlich katalogisiert, allerdings Schußwaffen (Zündnadelgewehre). Diese Gewehre hatten Herstellersignets, Beschußzeichen und Kammerzeichen, mittels derer man die Waffe bis zur Kompanie (preußisches Heer) nachvollziehen konnte.

Nun habe ich es übernommen (Hobbyprojekt) eine Privatsammlung von Blankwaffen zu katalogieseren. Durchweg spätes 18., gesamtes 19. und frühes 20.Jh.

Es sind viele Standardwaffen und somit in der Literatur gut beschrieben, im wesentlichen deutsche und französische Blankwaffen und soweit ist alles easy. Die Spezialia sind dann das "Salz in der Suppe".

Ich stehe am Anfang. Ich finde die Waffen relativ leicht in der Literatur (Griff, Parierstange, Korb etc.). Das keine Beschußzeichen auf den Waffen sind, ist logo, das Fehlen von Kammerzeichen ist zumindet für das 19. und frühe 20. Jh. historisch erklärbar ("Einjährig-Freiwilligen" - Waffe, Offizierswaffe).

Allerdings irritiert mich zusehens, das tw. Fehlen von Herstellersignets auf der Klinge und den Körben. In der einschlägigen Literatur sind Herstellersignets auch nicht sehr häufig beschrieben, sondern es steht der kunsthistorische, waffentechnische resp. historische Hintergrund und die Datierung im Vordergrund.

Hat vllt. jemand von Euch einen plausiblen Erklärungsansatz?

Danke.

M. :winke:
 
Die Schmiedemarken sind häufig unter der Nuß auf der Angel, selten darüber (Wilkinson/Solinger Klingen)
 
Die Schmiedemarken sind häufig unter der Nuß auf der Angel, selten darüber (Wilkinson/Solinger Klingen)

Danke.

Ich habe schon einige auseinandergeschraubt, so es behutsam machbar war und bei meiner Ungeschicklichkeit, durchaus mit dem Mut des Verzweifelten. Kein Meisterzeichen, kein Prüfzeichen, kein Herstellersignet.

Auf einem Degen habe ich ein Herstellersignet, Klingenteil kurz unter der Parierstangen, der Herstellungsort "Solingen" ist lesbar, der Fa. Name aber nicht, gefunden, entweder "verschlagen", eher nein, oder im Laufe der Zeit wegpoliert.

Außerdem sind alle Klingen (Säbel, Degen, die Pallasche haben ich noch nicht gesichtet) "stumpf" geschliffen.

Es besteht ein Widerspruch zwischen der Exaktheit der Griffe, Parierstangen, Körbe, der Scheiden einerseits und der Klingen andererseits.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
stumpf geschliffen und ohne Marken und Punzen klingt auf den ersten Bliclk nach nachgefertigten Replikas. Ist das definitiv auszuschließen oder besteht die Möglichkeit ?
 
Hallo Melchior,

ein Bekannter hatte unter seinen Waffen auch einen Säbel (frühes 19. Jahrhundert oder spätes 18.) ohne Stempel oder sonstigen Marken. Das ist m.W. auch nicht so selten, vor allem aus Kriegszeiten.
Zu Napoleons Zeiten wurden viele Waffen im Eilverfahren hergestellt und nicht markiert. Über einige Beispiele aus dieser Zeit habe ich gelesen, so z.B. britische Exportwaffen für den Kontinent oder spanische Nachbauten von französischen und britischen Blankwaffen. Mit Nachbauten meine ich damit zeitgenössische Kopien von z.B. französischen Sabres Briquets die im Baskenland und Katalonien hergestellt wurden um die spanische Infanterie halbwegs uniformiert auszurüsten.

Was mich jedoch wundert ist dieses "stumpf geschliffen." Da käme schon der Verdacht auf, ob es nicht Repliken sind. Im Historismus wurden ja auch bereits in größeren Mengen historische Waffen nachgebaut, teilweise sogar mit recht guter Qualität. Das waren m.W. jedoch überwiegend ältere Modelle, aus dem Mittelalter oder der Renaissance.

Wäre es eventuell möglich, dass diese Waffen nachträglich "entschärft" wurden?
 
Und warum sollte man das als Waffenbesitzer oder als Sammler tun ? Bei alle Klingen ! Außerdem müßten ,wenn die Klingen nicht fabrikmäßig stumpf geliefert wurden dann entsprechende Spuren der Nachbearbeitung auf den Waffen zu finden sein.
Wann wurde diese Sammlung denn zusammengetragen ?
 
Und warum sollte man das als Waffenbesitzer oder als Sammler tun ?
Es gab Sammlungen in Fechtschulen. Ich weiss, dass gelegentlich Knöpfe auf die Spitze echter Degen genietet wurden um sie für Übungszwecke heranzuziehen und könnte mir vorstellen, dass man die Schneiden auch "entschärft" haben könnte. Wenn man sie längs über den Schleifstein zieht, hinterlässt das auch keine Spuren.
 
Liebe Mitdiskutanten,

die Waffen sind schon echt. Ich habe inzwischen auch Waffen mit Herstellermarke und Kammerzeichen "entdeckt".

Bei diesen Waffen aus dem 19. Jh. und der Zeit bis zum I. WK lohnen sich keine aufwendigen Repliken, es sind keine Generalswaffen oder aufwendig gearbeitete höfische Waffen, auch bis dato keine Haus- oder Gardetruppen.

Die Individualisierung von Waffen ist mir bis dato nur bei zwei Waffen gelungen, aber nichts aufregendes, ein wahrscheinlich "Einjährig-Freiwilliger" und ein preußischer Polizeibeamter (Weimarer Republik).

"Stumpf geschliffen" war vllt. eine etwas fehlleitende Formulierung, einige sind "stumpf geschliffen" und haben auch entsprechende Spuren (aber lege artis), andere wahrscheinlich niemals "scharf geschliffen", Paradewaffen etc. Ich habe bei drei ausgewählten Waffen den Stahl prüfen lassen, bei denen die weder Herstellersignet noch Kammerstempel haben, das paßt schon.

Gravuren, Ziselierungen, Körbe, Parierstangen, Abzeichen auf den Waffen, auch das paßt.

Alle Waffen sind in der Literatur, so sie mir bis dato vorlagen, beschrieben und abgebildet.

Die Herkunft der Blankwaffen ist im einzelnen ungeklärt, aber auch da bin ich dran. Das reicht vom Paradesäbel der NVA bis zu nicht aufpflanzbaren Seitengewehren der Polizei und bis zum Säbel M1826.

Wenn ich fertig bin und die "Qualitätssicherung" den kleinen Katalog "abgesegnet" hat, stell ich das Ergebnis hier ein.


M. :winke:

Einen "Qualitätssicherer" habe ich auch schon organisiert, ein sehr bekanntes Berliner Waffenmuseum. ;)
 
Hallo Melchior,

für eine Klärung der Bestempelung oder eben Nichtbestempelung von Blankwaffen sollte man diese einzeln betrachten. Grob umschrieben wurden vom Militär beschaffte Blankwaffen mit vollem Herstellernamen gestempelt und mit Abnahmemarken versehen. Auf Kammer gelegte Waffen erhielten oft noch sogenannte Truppenstempel, was aber ein sehr komplexes Thema darstellt und nicht in Kürze umschrieben werden kann.

Privat beschaffte militärische Blankwaffen des 19.und 20. Jahrhunderts wurden dagegen meist mit Herstellerlogos versehen, wie z.B. die Eichhörnchen von Carl Eickhorn oder Königs- und Ritterkopf der Firma Weyersberg, Kirschbaum und Co. Ähnlich so bei Blankwaffen für die Jagd, der Polizei und Vereinen.

Unsignierte Blankwaffenklingen sind nicht ungewöhnlich, allerdings im genannten Jahrhundert selten. Eine Herstellersignatur auf der Klingenangel ist in Europa dieser Zeit ungebräuchlich.

Dann sind da noch Händlernamen zu erwähnen, die entweder gestempelt oder geätzt wurden. Manchmal kommen auch beide, Hersteller- und Händlersignaturen, vor.

Gruß,
Thomas
 
Zurück
Oben