War der 1. WK ein Krieg der Kulturen ?

W

Walli

Gast
"Der Erste Weltkrieg war ein Krieg zwischen Völkern, die sich nahe standen und deren kulturelle Berührungsflächen groß waren.

Er war - im Selbstverständnis seiner Rechtfertigungs-Ideologen - ein "Kulturkrieg". Der "Große Krieg", wie ihn die Engländer und die Franzosen bis heute nennen, spielte sich weitgehend auf dem Boden des christlichen Abendlandes ab."

Wolf Lepenies: Die blutigsten Kulturkriege führten Europäer untereinander - DIE WELT

Siehe auch:

Jammergekribbel der Kriegsliedermacher - Deutsche Intellektuelle im Kulturkrieg 1914 : literaturkritik.de
 
Zunächst einmal, da das Thema scheinbar Huntington-inspiriert ist: Von dessen Thesen halte ich nur mäßig etwas. US-Präsidentenberater (Clinton) hin oder her.

Zur Frage an sich: Dass die Kulturschaffenden und (Geistes)Wissenschaftler den Krieg propagandistisch begleitet haben, macht ihn nicht zu einem Krieg der Kulturen in Huntingtons Sinne. Einen Krieg der Kulturen erleben wir während des Ersten Weltkrieges vielleicht bei den Stellvertreterkriegen, also beim Aufstand der Araber gegen das Osmanische Reich, aber die Kulturen Frankreichs, Englands und Deutschlands waren sich im Grunde zu ähnlich, um ein Krieg der Kulturen zu sein. Man wollte vielmehr Unterschiede sehen, die in der Form nicht existierten. Der Kulturhistoriker Karl Lamprecht meinte beispielsweise zu Beginn des ersten Weltkriegs, dass die Franzosen ihren Zenit bereits überschritten hätten und Deutschland noch auf dem Weg nach oben sei und begründete das damit, dass Gallien ja in den Genuss der Romanisierung gekommen sei, die in Germanien in den Kinderschuhen stecken blieb und zurückgeworfen wurde. Aber dahinter steckt die Vorstellung eines Staatswesens als menschlichem Organismus, der ein Kindes- und Greisenalter (und natürlich alles dazwischen) hat. Karl Lamprechts Auffassung war symptomatisch für diese Zeit (wenn auch Lamprecht selbst mit seiner Kulturgeschichte eher ein Außenseiter in der historischen Zunft war).
 
Franzosen und Engländer haben nur die halbe Sicht auf den Großen Krieg.
Die Unterschiede zwischen West- und Osteuropa könnten kaum größer.
Während sich im Westen moderne Nationalstaaten gegenüber standen, gab es in Osteuropa noch die großen Vielvölkerstaaten. Die jeweiligen Bündnisse hatten mit Weltanschauungen oder Konfessionen gar nichts zu tun.

Ganz im Sinne Huntingtons waren hingegen die Ereignisse im Morgenland mit Griechen, Türken und Armeniern, deren Grausamkeit im Westen angesicht der abendländischen Katastrophe weitgehend ignoriert wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Problem bei Huntington ist, dass bei ihm die Kulturgrenzen nach häufig nicht gerade nachvollziehbaren Kriterien gezogen werden.
 
Ein Krieg der Kulturen?
Carl von Clausewitz schreibt, dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist. Das bedeutet, dass es immer (macht-)politische und wirtschaftliche Gründe sind - wobei beide meist nicht zu trennen ist -, die zu Kriegen führen.

Grüße
excideuil
 
Ein Krieg der Kulturen war es sicher nicht
Alle kriegführenden Parteien waren Europäer oder europäisierte Staaten ,die mehr oder weniger dem selben Wertekanon verpflichtet waren
und die selbe kulturelle Grundentwiclung hinter sich hatten
Andere Kulturkreise waren nur insoweit einbezogen,als sie als Kolonien vom Krieg betroffen waren.
 
Im Sinne des Labelings von Huntington war der 1. Weltkrieg kein Krieg der Kulturen, dennoch wurde auf beidem Seiten die "Kultur" und "Zivilisation" bemüht, und die sprach man den Kriegsgegnern schlichtweg ab. Der 1. Weltkrieg war ein Krieg der Worte, ein Krieg der Medien, und auch auf diesem Gebiet wurde er von allen kriegführenden Staaten auch verbal erbarmungslos geführt. Vom ausbluten und aushungern wurde gesprochen, man sprach dem Gegner schlichtweg das Menschsein ab, und diese Radikalität trug sicher dazu bei, dass man es nicht schaffte, ihn zu beenden, als deutlich wurde, dass keine Seite militärisch die Oberhand gewinnen konnte und Tausende, ja Hunderttausende von Menschenleben völlig sinnlos geopfert wurden.

Das und die enormen Verluste
 
Ein Krieg der Kulturen war es sicher nicht
Alle kriegführenden Parteien waren Europäer oder europäisierte Staaten ,die mehr oder weniger dem selben Wertekanon verpflichtet waren
und die selbe kulturelle Grundentwiclung hinter sich hatten
Andere Kulturkreise waren nur insoweit einbezogen,als sie als Kolonien vom Krieg betroffen waren.
Ich kann auch keinen Krieg der Kulturen erkennen - wenn in GB, F, ÖU und D nicht dieselbe Kultur herrschte, so waren sich die Kulturen zumindest äußerst ähnlich.
Mir fällt allerdings als Gegenbeispiel für ein Land mit einer anderen Kultur, das am 1.WK beteiligt war und keine Kolonie war, Japan ein, evtl noch das Osmanische Reich. Dadurch wird aber der 1.WK auch kein "Krieg der Kulturen" für mich.
 
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Mann könnte den Ersten Weltkrieg eigentlich viel mehr als einen Bruderkrieg ansehen.
Denn es führten Länder untereinander Krieg desen Herrscher miteinander verwand waren und sich gegenseitig immer übertrumpfen wolten oder die sich aus einem Reich bzw aus einer Kultur geformt hatten.
 
Das Osmanische Reich war in seinem Kernbereich ein Teil Europas und durchaus europäisiert- dies zeigte sich in der relativ schnellen Umsetzung der attatürkschen Reformnen unmittelbar nach dem Krieg
Japan war es in gewissen Bereichen ebenso und im übrigen eher marginal am Krieg beteiligt.r
 
Für mich wäre erstmal zu klären, inwieweit das Wort "Kultur" hier genau zu verstehen ist, bevor man mit der Frage anfängt, ob der 1. Weltkrieg ein "Krieg der Kulturen" war, zumal verschiedene Symbole oder Tätigkeiten für eine Kultur stehen können, das können Bauten, bestimmte Art und Weisen der Kriegsführung oder sonstige Dinge sein.

Viele Menschen setzen die Kultur sofort mit der Religion zusammen, was man unter anderem auch hier bei einigen wenigen Antworten etwas herauslesen kann. Heutzutage sagt man auch, dass Fußball an sich eine Kultur ist (und nicht nur Oper und Ballett). Kultur ist für mich - grob gesagt - die Selbstverständlichkeit, die im jeweiligen Land ausgeübt wird.

Um auf die Religion zurückzukommen und dies mit der Kultur gleichzusetzen, würde ich eher die Vorkommnisse auf dem Balkan als "Krieg(e) der Kulturen" bezeichnen, welche man häufig wegen dem Ost-West Konflikte der großen Mächte vergisst.
 
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