War Heinrich Lübke wirklich so trottelig?

Jacobum

Aktives Mitglied
Ich kann mich erinnern, dass man in den 60er und 70er Jahre gerne Witze über Heinrich Lübke (Bundespräsident von 1959-69) gemacht hat, wobei vor allem dessen Schusseligkeit und angeblich schlechte Englischkenntnisse aufs Korn genommen wurden.

So hieß es z.B., dass er der Queen sagen wollte, dass eine Parade gleich losgehen würde. "Equal goes it loose."

Kolportiert wurde auch seine Tischrede anlässlich einer Afrikareise, die er mit den Worten begonnen haben soll: "Meine Damen und Herren, liebe Neger!"

Es gab sogar ein von einem Satireverlag herausgegebenes Taschenbuch mit seinen (angeblichen) besten Stilblüten.

Nun meine Frage: War Lübke wirklich so, wie man in den Witzen dargestellt hat? Oder sind die meisten (wenn nicht sogar alle) "lustigen Geschichten" nur eine scherzhafte (oder boshafte?) Erfindung?
 
Jacobum schrieb:
Hallo Mercy,

würde ich gern, habe aber keine Rechte, um darauf zuzugreifen.

Jacobum

Das hat der Kollege wohl übersehen. Ich zitiere:


Heinrich Lübke schrieb:
Auch die Fischerei und die Fischindustrie hätten allen Anlass, durch intensivere Aufklärung und Werbung, den Konsumenten eine solche Kost schmackhaft zu machen. Es war schon 'mal besser damit, mit diese, mit dieser Propaganda und mit den Aufklärungsvorträgen und vor allen Dingen den, äh, Propaganda-Essen. Ich habe in Frankfurt ein Essen, ein Fischessen mitgemacht, wo also die Fische aus den Truhen sofort in die Küche kamen. Und die waren dann von den zuständigen Köchen oder Hausfrauen waren die entsprechend behandelt. Und ich kann nur sagen, es ist zwischen dem und den nicht in, durch die Truhen und die Tiefkühlketten herangebrachten frischen Fische, s'ist gar nicht zu vergleichen. Man behauptet nun, die Hausfrauen beziehungsweise die Fischesser hätten sich an die etwas angegangenen, oder äh, Hautgout ausgegangenen Fische besser gewöhnt, sie wären das gewohnt und liebten das, die, dieses mehr als die Frischen. Ich muss nur sagen, wer das sich nebeneinanderhält, der kann überhaupt keine andere Wahl, Wahl, wählen, das. Ohne die, ohne die Tiefkühlketten werden wir uns späterhin nicht mehr die Ernährung verbessern können.

Das Zitat stammt von der Seite http://www.heinrichluebke.de/, wo auch weitere berühmt-berüchtigte Reden und Zitate zu finden sind.
 
Naja, entsprechend "künstlerische" Reden ist man ja auch von anderen Politikern gewohnt, ich denke da nur an Stoibers Flughafenrede, die sogar zu einem Rap-Song verarbeitet wurde.

Noch immer nicht geklärt ist aber die Frage, ob der ganze Quatsch wirklich von Lübke stammte oder nicht. Auf dem Link, den Hyokkose vorgestellt hat, wird z.B. die erwähnte "Neger-Ansprache" in Frage gestellt.

Jacobum
 
Jacobum schrieb:
Noch immer nicht geklärt ist aber die Frage, ob der ganze Quatsch wirklich von Lübke stammte oder nicht. Auf dem Link, den Hyokkose vorgestellt hat, wird z.B. die erwähnte "Neger-Ansprache" in Frage gestellt.

Die ist auch nicht verbürgt, sondern dürfte eher zur Gattung der Lübke-Witze gehören, die es ja auch gab.

Von vielen Lübke-Reden gibt es ja Tonaufzeichnungen; ich hatte schon Gelegenheit, mir die eine oder andere davon anzuhören.
 
Jacobum schrieb:
Noch immer nicht geklärt ist aber die Frage, ob der ganze Quatsch wirklich von Lübke stammte oder nicht. Auf dem Link, den Hyokkose vorgestellt hat, wird z.B. die erwähnte "Neger-Ansprache" in Frage gestellt.

Als eine - wenn auch damals sehr junge - Zeitzeugin kann ich dir aus der Erinnerung sagen: er hat schon einiges an Blödsinn von sich gegeben. Im Nachhinein betrachtet wird Lübke wohl an Alzheimer gelitten haben. Bei offiziellen Anlässen mußte häufig genug seine Frau darauf achten, ihn im buchstäblichen wie übertragenen Sinne gut im Griff zu haben, ihm das Passende und Angebrachte zu soufflieren.

Die Lübke-Witze grassierten damals auch deswegen, weil Lübke als Nachfolger von Heuss, den viele als Menschen sehr geschätzt hatten, als totaler Mißgriff ankam und man sich eher schämte, einen solchen Präsidenten auf die Welt loszulassen. Lübke war, meine ich zu erinnern, auch nur ein Kompromißkandidat, und es muß wohl ein recht fauler Kompromiß gewesen sein.

Jedenfalls war Lübke gegenüber dem geistreichen, gewandten Heuss bereits vor 'Alzheim' deutlich schlechter aufgestellt und seine hölzerne, recht monotone Redeweise sorgte auch nicht gerade für die Belebung des Publikums. Als die Aussetzer dann häufiger wurden (das Interview mit der DW auf der verlinkten Seite habe ich nicht ganz gelesen, aber so beharrlich neben dem Punkt, wie er da redet, würde ich den Auftritt schon als beispielhaft sehen), wurde Lübke in der Tat eher als Witzfigur denn als Präsident angesehen, so daß noch nicht einmal seine Beteiligung am Dritten Reich, als sie dann publik wurde, ihn hätte stolpern lassen: dazu muß man ernst genommen werden, und das war bei Lübke nicht der Fall.
 
Aber ein so große Witzfigur kann er auch nicht gewesen sein, denn er wurde ja nicht einmal sondern gleich zweimal zum Bundespräsidenten gewählt.
 
Jacobum schrieb:
Aber ein so große Witzfigur kann er auch nicht gewesen sein, denn er wurde ja nicht einmal sondern gleich zweimal zum Bundespräsidenten gewählt.

Ich glaube, da machst du dir vielleicht falsche Vorstellungen bis Illusionen, wie eine solche Wahl zustandekommt.... Der Präsident wird ja nicht vom Volk gewählt, sondern von der Bundesversammlung, sprich Bundestag plus Bundesrat. Die letzten Präsidenten wurden ja bereits im Vorfeld ausgekungelt. Bei den damaligen Mehrheitsverhältnissen war Kungeln noch nicht einmal nötig, jedenfalls nicht 'überparteilich', sondern nur CDU-intern.
 
Mercy schrieb:
Der Heuss wurde aber auch ausgekungelt.
Aus gutem Grund.

Ich hatt' grad auf der Zunge: das war vor meiner Zeit, aber jetzt versteh ich, wie du das mit 40 Jahren jünger gemeint hast.... Kannst du mir wg des guten Grundes bei Heuss nochmal aufs Pferd helfen, ich entdecke da nämlich eine Bildungslücke:eek:
 
Ingeborg schrieb:
Kannst du mir wg des guten Grundes bei Heuss nochmal aufs Pferd helfen, ich entdecke da nämlich eine Bildungslücke:eek:

Ganz kurz:
Als der frisch gewählte Bundeskanzler Konrad Adenauer 1949 vorschlug, Theodor Heuss zum Bundespräsidenten zu machen, gab man zu bedenken, dass »Professor Heuss nicht kirchenfreundlich eingestellt« sei. Adenauer war das egal, er erwiderte: »Aber er hat eine sehr fromme Frau... das genügt.«

http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2004_06_04_01.htm
 
Ingeborg schrieb:
Der Präsident wird ja nicht vom Volk gewählt, sondern von der Bundesversammlung, sprich Bundestag plus Bundesrat. .

Liebe Ingeborg,

ist leider nicht ganz korrekt so, die Bundesversammlung ist nicht Bundestag plus Bundesrat. Ich zitiere Wikipedia:

Die Bundesversammlung wählt nach Artikel 54 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Sie besteht aus den Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen von den 16 Landesparlamenten nach dem Verhältniswahlrecht gewählten Vertretern, die nicht Politiker oder Landtagsabgeordnete sein müssen
 
Um nochmals auf Lübke zurückzukommen:
Die Masse seiner Fehltritte passierte in seiner 2. Amtszeit, er hätte besser auf diese verzichtet.
Seine Frau Wilhelmine war 9 Jahre älter, was die beiden zu verheimlichten suchten, das gab mal einen mittleren Skandal.
Ihre Friseuse bekam auf Anforderung irgend einen afrikanischen Orden, was ebenfalls zu irritationen führte. (Andererseits, die Deutschen hats nix gekostet, und den Afrikanern wirds eh wurscht gewesen sein)
Frau Lübke hatte aber trotz dem höheren Alter einiges mehr drauf als er. Irgendwo habe ich mal gelesen (fragt mich bloß nicht wo), dass ihre ziemlich perfekten Kenntnisse der russischen Sprache noch zu Außenminister Brandts Zeiten der dt. Regierung mehrfach an wichtigen Punkten weiterhalfen.

Grüße Repo
 
Meiner Ansicht nach wurde Lübke nur Bundespräsident, weil Adenauer das Amt nicht mehr wollte. Adenauer strebte zuerst nach dem Ausscheiden von Heuss, das Amt des Bundespräsidenten an, nachdem ihm klar war, wie wenige Einflussmöglichkeiten in die Politik des Landes er dabei hatte, trat er von seinem Wusch wieder zurück. Lübke war Ernährungsminister und wurde, weil man kurzfristig keinen besseren mehr fand, genommen. :winke:
 
Mephisto schrieb:
Köhler... :devil: ;)

Lieber Mephisto,

wir wollen uns doch nicht in die Tagespolitik verirren?:confused: Es ist zu fragen, ob wir mit der Wahl durch die Bundesversammlung anstatt durch das Volk bisher bei der Wahl des Bundespräsidenten gut gefahren sind?:confused:
 
Lieber Heinz,

die Frage (von Mercy) war, welcher Bundespräsident Lückenbüßer war...
Und zu thematisieren, ob die Wahl durch die Bundesversammlung oder das Volk besser sei ist doch Tagespolitik par-excellence.
 
Mephisto schrieb:
Lieber Heinz,

die Frage (von Mercy) war, welcher Bundespräsident Lückenbüßer war...
Und zu thematisieren, ob die Wahl durch die Bundesversammlung oder das Volk besser sei ist doch Tagespolitik par-excellence.

Lieber Mephisto,

diese Frage hat sich seit dem Grundgesetz im Jahre 1949 und bei allen weiteren Bundespräsidentenwahlen gestellt. Da zur Zeit kein Bundespräsident zu wählen ist, kann es auch keine Tagespolitik sein.:grübel:
 
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