Warum ist die lateinische Sprache eigentlich ausgestorben?

Ich habe doch wohl immerhin die Frage des "warum" beantwortet. Das mit dem Theodiscus ect. müßte eigentlich als neuer Thread ins Mittelalter ...

"Theo-" klingt in meinen Ohren eigentlich griechisch - etwa nicht? Ich habe mal gehört, daß die Forscher davon ausgingen, daß die alten Griechen einen gewissen Einfluß auf die "Barbaren" ausübten - man hätte aber keinerlei Spuren in Centraleuropa davon.
Unsere Centraleuropäischen Vorfahren waren offenbar schrecklich schreibfaul - bis auf ein paar Mönche.

Franz sagte mir gestern am Telefon, in althochdt. Wörterbüchern wären viele Sternchen, als Kennzeichen für nachträglich erschlossene (errätselte) Wörter. Auf solchen Kaffeesatzleserein zu bauen wäre nicht meine Sache.

Dieser Discurs hier hat mich ganz schön geschlaucht und offen gestanden reicht es mir jetzt. Kommt jetzt vielleicht noch die Quelle? dann werde ich zufriedener sein ...
 
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"Theo-" klingt in meinen Ohren eigentlich griechisch - etwa nicht? Ich habe mal gehört, daß die Forscher davon ausgingen, daß die alten Griechen einen gewissen Einfluß auf die "Barbaren" ausübten - man hätte aber keinerlei Spuren in Centraleuropa davon.
Unsere Centraleuropäischen Vorfahren waren offenbar schrecklich schreibfaul - bis auf ein paar Mönche.

Ja, das griechische Wort ist Θεός - Theós. Wenn Du jetzt das latinisierte griechische Θεός als Grundlage des thiudisc machst, dann bist Du wieder voll in deiner Zeit. Schottelius war auch der Meinung, Deutsch sei eine göttliche Sprache die über dem Lateinischen, Griechischen und Hebräischen stünde. Nur ist hier ja nicht ein griechisches Wort latinisiert worden sondern ein deutsches.
Es sind griechische Inschriften in gallischer Sprache nachgewiesen und literarisch bei Cäsar erwähnt. das hat aber nichts mit thiudisc zu tun.

Franz sagte mir gestern am Telefon, in althochdt. Wörterbüchern wären viele Sternchen, als Kennzeichen für nachträglich erschlossene (errätselte) Wörter. Auf solchen Kaffeesatzleserein zu bauen wäre nicht meine Sache.
Der Asterix heißt: nicht durch schriftliche Zeugnisse nachgewiesen. "Kaffesatzleserei" kann das aber nur jemand nennen, der wirklich keine Ahnung hat! Die Etyma werden durch den Vergleich miteinander verwandter Sprachen und den (durch diesen Vergleich entwickelten) Lautgesetzen erschlossen. Dabei ist ein Wort wie *ðiudisc noch ziemlich jung und daher auf der sicheren Seite. Den Stern kannst Du als Konzession an wissenschaftliche Gepflogenheiten sehen.
 
Zunächst möchte ich um Vergebung bitten. Ich habe mich wegen "Inter- ... lectus" völlig zu Unrecht aufgeregt: Der Duden ist ausnahmsweise mal unschuldig, denn da steht auch "intellektuell".
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@El Quijote

Schottelius steht ja maßgeblich hinter diesem "Sprachkrieg"-Buch. Muß aber sagen, daß ich dieses Werk als gezungen, ja geradezu ideologisch überhöht teutschtümelnd empfinde.
Sein College Stieler klingt ganz so wie etliche in der DKS, die meinen, daß die deutsche Sprache gänzlich ohne Fremdwörter auskommen müßte. Und zu allem Überdruß äußert sich letzterer auch noch judenfeindlich (was ich zuvor mit dunklen Seiten meinte).
Nein! ich gehöre ja zu denen, welche die romanischen Sprachen als überlegen einschätzen. Dementsprechend vertrat ich ja auch das historische Gewicht des Latein in Deutschland. Und daß die Franzosen uns bereits im Mittelalter um Jahrhunderte voraus waren, machte vielfältiges Entlehnen unsererseits unumgänglich. Denn was Schottelius, Stieler, Anton Ulrich v. Wolffenbüttel u.a. im 17. Jahrhundert anschoben, hatte in Frankreich längst stattgefunden. Deutschland war culturell ein Entwicklungsland.

"Kaffeesatzleserei" möchte ich gerne zurücknehmen. Es hat gewiß seinen Sinn, über die blanke Quellenlage hinaus zu forschen. Zumal diese Hilfswissenschaft ja Grundlagen für andere Zweige der Geschichtswissenschaften liefert.
Franz nannte mir ein Experiment, das gemacht worden sei: Ein Österreichischer Dialect sei nach den gewissen Lautgesetzen erschlossen worden. Anschließend sei man an den Ort des Dialectes gegangen und habe sich dort kaum verständigen können. Damit sei das Experiment gescheitert.
Ich fürchtete von vorn herein, daß Sprache sich wenig nach logischen Gesichtspunkten entwickelt. Trotzdem räume ich eurer Methode eine deutlich erhöhte Trefferquote ein, als wenn ich einfach raten würde. Deshalb hat diese Methode eben ihren Sinn.
Mein Einwand in Bezug auf *ðiudisc geschah maßgeblich aufgrund der Informationen in "Königslandschaft": Die verschiedenen Volksgruppen hätten nur für sich gelebt und sich um soetwas wie 'deutschsein' nicht gekümmert. Ich gehe deshalb verstärkt davon aus, daß diese Völker durch den Gegensatz gegen Rom, Muslime und später Frankreich zusammengeschweißt wurden und daß es sonst keinen Zusammenhalt gegeben hätte.

Vorgestern habe ich diese Frage hierhin verlegt, aber ich fürchte, kein Pergament bekommen zu können, weil es eben nur lateinische Äußerungen gibt ...
So weit zurück kann ich mich mittlerweile orientieren: Ludwigslied, spätes 9. Jhdt. - Ich habe das (Lateinteil ist ja klar), soweit es mir möglich war, aus dem Foto eines Lehrbuchs übertragen; mehr schaffe ich nicht.
Vergleiche ich aber mit der Aussage in ...
Königslandschaft
... daß etwa ab den 930ern wohl schon "Teutonicus" benutzt worden sei, halte ich dies für denkbar. Zufrieden bin ich aber nur, wenn ich den Wortlaut eines Documentes habe!

Und da hätte ich von jener Fraction, welche lieber unsere Vorfahren als Urheber der ganzen Deutscherei sehen möchten, gern auch so ein Pergament, damit ich endlich wieder ruhig schlafen kann!
 
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Hyokkose schrieb:
Das Datum könnte hinsichtlich Tag und Monat schon stimmen, aber Du hast Dich im Jahrtausend geirrt. Die Spätlateiner waren mit ihrem Spätlatein schon 1000 Jahre zuvor am Ende
Hiermit danke ich als Lateinerin ab. Ich bin Frühneuhochschreiberin (denke teils auch Frühneuhochdeutsch) und Latein ist bei mir Nebenfach. Ich betrachte die Lateinfrage galanteriecentrisch (andere möchten sagen 'barockcentrisch') und dementsprechend kamen auch meine Beispiele, sowie meine Sicht auf die "alten Teütschen".
Ich frage mich nur, ob man nicht theoretisch auch dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Latein einen Namen verleihen könnte und sollte? Hier tauchten doch auch neue Ausdrücke auf. - Vielleicht wird das irgendwann einmal ja gemacht werden ...
 
Das lateinische Umfeld

Warum ist die lateinische Sprache ausgestorben? Einigen wir uns auf die Verwendung als Muttersprache und lassen wir den Gebrauch von Fremdsprachen beiseite. Die Muttersprache ist nämlich noch relativ eindeutig, während der Gebrauch von Fremdsprachen auch von individuellen Faktoren abhängt.

Wahrheiten erklärt man am besten im Kontrast. Ich beginne zu der Zeit, als das römische Reich noch expandierte. Damals gab es Völker, welche die lateinische Sprache annahmen, obwohl sie selbst nicht römischer Abstammung waren. Demnach hatten die Eltern noch Latein als Fremdsprache gelernt, doch in Gegenwart ihrer Kinder sprachen sie nur Latein, so daß dieses für die nachwachsende Generation zur Muttersprache wurde. Es ist durchaus möglich, dass innerhalb der Familie der Gebrauch einer Sprache wechselt. Massgeblich ist der Wille der Eltern.

Auch heute gibt es Eltern, welche Latein als Fremdsprache gelernt haben. Und warum erziehen sie ihre Kinder nicht auf die Weise? Aha - da haben wir den Knackpunkt: es fehlt das lateinische Umfeld. So ein Kind könnte sich ausserhalb des Hauses nicht verständlich machen. Das dürfte selbst noch Eltern entmutigen, welche der lateinischen Sprache einen gewissen Wert beimessen.

Ein lateinisches Umfeld gibt es am ehesten noch im Vatikan, doch dort hat die Sache einen anderen Haken. Katholische Priester dürfen bekanntlich nicht heiraten.

Eine Möglichkeit halte ich für theoretisch. Es gibt bereits einen lateinischen Club und wenn sich diese Menschen auf eine gemeinsamen Wohnort einigen würden, dann könnten sie so ein lateinisches Umfeld schaffen. Das wäre zwar schwierig, doch ganz auszuschließen ist es nicht. Ich werde mich nicht daran beteiligen, weil ich kein Latein glernt habe.

Damit will ich noch etwas sagen. Eine Sprache ist erst ganz tot, wenn man sie nicht mehr lernen kann. Eine lernbare Sprache ist nur scheintot. Mit viel Mühe könnte man sie wiederbeleben. Dann stellt sich nur die Frage - warum tut das keiner?

Ausgestorben ist also nicht die Sprache selber, sondern das Umfeld. Die Hintergründe wurden schon in anderen Beiträgen genannt. Aus dem Latein wurde Vulgärlatein und daraus entwickelten sich die romanischen Sprachen. An anderer Stelle wurde gesagt, es sei nicht Aufgabe der Sprachwissenschaft, solche Veränderungen zu korrigieren. Im Mittelalter wäre das aus einem weiteren Grund unmöglich gewesen. Es gab keine allgemeine Schulbildung und ohne Bildung kann man auch nichts korrigieren. Es veränderte sich also das Umfeld, ohne dass irgend jemand etwas tun konnte, und aus der Sichtweise von Eltern war es einfch sinnlos geworden, den Kindern Latein beizubringen.

Anders verhält es sich mit dem Lernen einer Fremdsprache. Darüber kann ein Mensch auch als Erwachsener entscheiden und dafür gibt es individuelle Gründe, die sich nicht verallgemeinern lassen. Auf dem Gymnasium hatte ich die Wahl zwischen Latein und Französisch. Ich habe Französisch gewählt und dafür gab es Gründe, die nicht auf jeden zutreffen. Warum hätte man Latein sonst angeboten?
 
@chamaeleon:

Damit will ich noch etwas sagen. Eine Sprache ist erst ganz tot, wenn man sie nicht mehr lernen kann. Eine lernbare Sprache ist nur scheintot.

Laut Definition gilt eine Sprache als tot, wenn sie keine Muttersprachler mehr hat. Natürlich hast Du recht wenn Du sagst, dass eine dokumentierte Sprache wie Latein rein theoretisch wiederbelebt werden könnte. Das ändert aber nichts an der Bedeutung des Wortes "Sprachtod".


An anderer Stelle wurde gesagt, es sei nicht Aufgabe der Sprachwissenschaft, solche Veränderungen zu korrigieren.

Ist es auch nicht. Zudem ist Sprachtod nichts schlimmes, widernatürliches, sondern, im Gegenteil, ein ganz natürlicher Vorgang. Heute versuchen viele Sprachwissenschaftler, insbesondere in Afrika, Sprachen zu dokumentieren, die vom Aussterben bedroht sind bzw. in naher Zukunft ausgestorben sein werden. Es gibt auch Einzelbestrebungen, Sprachen zu retten - allerdings ist dies meist dann der Fall, wenn eine Sprache mit Identität verbunden ist. Dazu passt m.E. auch, was Du über die Verknüpfung einer Sprache mit einem bestimmten Umfeld gesagt hast.

LG
Die_Schweigende
 
Ich hab jetzt nicht alle Beiträge gelesen und hoffe einfach mal, dass niemand schon darauf zu sprechen gekommen ist... :confused:


Weiter vorn im Text wurde bereits erwähnt, dass in der Renaissance vermehrt versucht wurde, die lateinische Sprache wieder in den aktiven und lebendigen Wortschatz aufzunehmen, z.B. durch Leih- und Lehnwörter.

Hierzu dürfte wohl einer der interessanteren Fälle solcher "künstlicher Wortschatzerweiterung" das Frühneuenglische sein.

Die sog. "Inkhorn Controversy" war im ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhundert ein großes Problem.
Die englische Sprache war im Wandel (vom Mittelenglischen zum Frühneuenglischen - ME zu EmodE), und Grammatik, Orthographie sowie auch Semantik (Bedeutung von Worten) waren nicht einheitlich. Ein Beispiel dafür ist z.B. William Shakespeare, der schriftliche Dokumente in meines Wissens 9 verschiedenen Versionen signierte (Shakspr, Shakespeere, usw.).

Die "Inkhorn Controversy" bestand darin, dass die "gebildete" Schicht auf einmal begann, mehr lateinische als englische Worte zu benutzen, oder englische Begrifflichkeiten zu latinisieren und umgekehrt, lateinische Begriffe zu anglisieren. Im großen Ganzen ein ziemliches Desaster :D.
Es brach ein Streit darüber aus, wieviele "neue" Wörter die englische Sprache brauche - es gab Vertreter der These, je mehr Latein, desto gebildeter seien sie (Inkhorn = Tintenfass, daher waren es auch zumeist gebildete Scholaren, die Befürworter dieser These waren)... genauso gab es aber auch die Vertreter der moderaten Veränderung, Lehnwörter ja, aber nur dort, wo es eben kein entsprechendes englisches Wort gab.

Shakespeare selbst macht sich in einer Szene darüber lustig, wie die ganze Diskussion vonstatten ging, ich muss nur nochmal schnell meine Unterlagen durchforsten, habe sie eben nicht zur Hand und kann daher jetzt im Moment nicht sagen in welchem Stück und in welcher Szene. Allerdings handelt es sich dabei um einen der ersten Drucke, nicht um einen der "schlechten" Quartos, sondern soviel ich weiß, ist sie die aus dem Folio also der ersten Sammlung der Werke Shakespeares (posthum). Ich werd sie umgehend hier reinposten, sobald ich sie gefunden habe :D

Trotzdem blieb die lateinische Sprache die Sprache der Gelehrten... und tot. :D

LG Foxy
 
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Ich habs gefunden :D

unter diesem Link könnt ihr einen Ausschnitt aus der Szene lesen, die ich meinte.

Shakespeare parodiert in dieser Szene eben jene Art von Scholaren, die sich für eine vermehrte "Latinisierung" der englischen Sprache einsetzten - indem sie so viele lateinische Worte benutzten, dass sie kaum verstanden werden konnten.

LG Foxy
 
Die englische Sprache steckt so voller Latein, daß sie ohne gar nicht auskäme. Der Hader mit Latein findet sich ja auch bei Teutschen Intellectuellen des 17./18.Jahrhunderts. So interessant, anregend und geistreich ich Caspar Stieler finde - in diesem Punct kommt er mir weltfremd vor.

Latein gehört zu allen Mitteleuropäischen Sprachen einfach dazu und man würde diese Sprachen verstümmeln, wollte man's eliminieren.

Die lateinische Reinform der Neuzeit ist Schullatein, Gelehrtensprache, Kirchenlatein. Das scheint mir eine ganz eigene Spielart des Lateinischen zu sein.
Es handelt sich hier aber um frühneuzeitliches und Latein - Spätlatein darf ich hier ja nicht sagen, wie ich kürzlich gelernt habe.
Europäische Gelehrte haben damit vielfach communiciert und ich hörte mehrfach, daß dabei auch neue lateinische Begriffe entstanden. Was damals ja wohl notwendig war, um jene Welt vollständig beschreiben zu können.

Hat sich die Sprachwissenschaft eigentlich schon mit diesem spätneuzeitlichen Latein beschäftigt?
 
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Die englische Sprache steckt so voller Latein, daß sie ohne gar nicht auskäme. [...]

Latein gehört zu allen Mitteleuropäischen Sprachen einfach dazu und man würde diese Sprachen verstümmeln, wollte man's eliminieren.


Das ist richtig. Es ging bei dem von mir beschriebenen Vorgang auch weniger um die ohnehin gebräuchlichen lateinischen Lehnwörter, sondern um jene, die künstlich hinzugefügt wurden... wie im heutigen Deutsch englische Begriffe aufgegriffen und "eingedeutscht" werden (Beispiel: Handy :D ). Man stritt sich also nicht um den bereits vorhandenen Wortschatz, sondern mühte sich, eine möglichst einheitliche Sprache, Schreibweise und Bedeutung zu finden (wie ich im ersten meiner zwei Beiträge andeutete). Und da brach eben der Streit aus, ob man mehr lateinische Begriffe aus der "Gelehrtensprache" miteinfließen lassen sollte, oder es doch bei den allgemein gebräuchlichen Begriffen des z.T. "einfachen" Volks zu belassen.
Dennoch kann man gerade in der Sprache Shakespeares und seiner Stücke erkennen, dass sich bestimmte Muster verfestigten... wenn auch die Punktierung und Rechtschreibung nach wie vor dem Drucker überlassen wurde, der oft auch durch Platzmangel oder falsches Lesen Fehler machte.

Zudem sollte man auch nicht Shakespeares eigene Neologismen vergessen (obwohl man heute nicht mehr so sicher ist, ob Shakespeare sie als erster verwendete, oder nur der erste war, der sie aufschrieb und über seine Stücke verbreitete).
 
Europäische Gelehrte haben damit vielfach communiciert und ich hörte mehrfach, daß dabei auch neue lateinische Begriffe entstanden. Was damals ja wohl notwendig war, um jene Welt vollständig beschreiben zu können.

Hat sich die Sprachwissenschaft eigentlich schon mit diesem spätneuzeitlichen Latein beschäftigt?


Aber sicher doch. Zum aktuellen Stand siehe http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/rhm/pdf/146-3-4_RhM/11-RhM146-3-4_Ludwig.pdf

Dagegen gibt es jetzt zu Anfang des 21. Jahrhunderts in fast allen Universitäten des deutschsprachigen Raums mindestens einen Klassischen Philologen, der im neulateinischen Bereich mehr oder weniger regelmäßig Lehrveranstaltungen anbietet, forscht und publiziert. Überraschend viele neue Erkenntnisse wurden und werden ständig gewonnen. An mehreren Universitäten sind auch klassisch-philologische Dissertationen und Habilitationsarbeiten zu neulateinischen Themen entstanden. Klassisch-philologische Zeitschriften wie der "Philologus" und das "Rheinische Museum für Philologie" öffneten sich neulateinischen Beiträgen. Neue Publikationsreihen wie das in Bonn gegründete "Neulateinische Jahrbuch" mit den "Noctes Neolatinae", die in Freiburg initiierten "NeoLatina" sowie die "Hamburger Beiträge zur Neulateinischen Philologie" und die "Münchner Balde-Studien" kamen in Gang. Das Interesse beschränkt sich dabei nicht mehr auf die poetischen Texte der Humanisten und auf das 15. und 16. Jahrhundert, die die erste Aufmerksamkeit der neulateinischen Forschung auf sich zogen, sondern erstreckt sich mehr und mehr auf das gesamte in der Neuzeit gebrauchte, gelernte, geschriebene und gehörte Latein in allen seinen Verwendungsweisen.
 
Vielen Dank! Schon runtergeladen. Scheint für mich der rechte Humus zu sein, der mir zuträglich sein wollte ...

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Die Frage: Wieviel Latein ist gut und wieviel zuviel? Wer soll das ermessen? Es wird wahrscheinlich unzählige Einzelmeinungen dazu geben und der Disput wird kaum ein Ende finden.

Vor nicht allzulanger Zeit fand ich im Langenscheidt nebenbei und rein zufällig die CISTA. - Wir sind wahrlich umzingelt von Welschereien - wo man Carton nicht leiden kann, so muß man doch in die Kiste.

Das ist bitter hart für meinen alten Freund Caspar Stieler und ich leide mit ihm.
:cry:
 
dieses "Interlektuell" läßt mich verzweifeln
Ich hab mal drauf geachtet: Auf rbb-InfoRadio kommt dieses fehlgeleitete r auch hin und wieder. Es liegt wohl an geläufigen Begriffen wie International, Internet, ect.

Aus der Sach-Litteratur des 17./18.Jahrhunderts kenne ich dieses falsche r nicht. So fürchtete ich, es gelte im 20./21.Jahrhundert ganz officiell. Und ich fürchte, es gibt noch mehr Leute, die solche Befürchtungen hegen und meinen sich besser anzupassen, um verstanden zu werden.
 
ZumursprünglichenThema lese ich gerade "Die Romanischen Sprachen" C.H.Beck Verlag von Rainer Schlösser. ISBN 978-3-406-44767-9

Bin zwar erst beim ersten Drittel, aber beantwortet die Ausgangsfrage sehr gut.
 
Entwicklung der lateinischen Sprache

Hallo Historienfreunde!
Gibt es auch Linguisten unter Euch? Folgendes Problem: Die meisten Sprachen sind ja mit Fremdwörtern durchsetzt und die meisten europäschen Sprachen vom Latein beeinflußt.
Ich dachte bisher immer das die lateinischen Sprachen dem Latein am nächsten stehen würden, aber keine Weiterentwicklungen des Latein sind, etwa wie Althochdeutsch zu Hochdeutsch, sondern eher Mischsprachen von Latein, keltischem und anderen Sprachen. In dem geographischem Bereich der lateinischen Sprachen gab es ja ein vielfältiges und wechselndes Völkergemisch. Ich kann mir nicht vorstellen das die alle das Latein angenommen haben und weiterentwickelt.
Ich sollte aber eines besseren belehrt werden. Hab dann wikipediert und da steht nur das die lateinischen Sprachen vom Latein abstammen. Ist das wirklich so? Sind es keine Mischsprachen mit starkem lateinischem Einfluß?
wer kann helfen.

Gruß, Erik!
 
Ich sollte aber eines besseren belehrt werden. Hab dann wikipediert und da steht nur das die lateinischen Sprachen vom Latein abstammen. Ist das wirklich so? Sind es keine Mischsprachen mit starkem lateinischem Einfluß?
wer kann helfen.

Aus dem Lateinischen haben sich in einigen von den Römern eroberten Ländern verschiedene Tochtersprachen gebildet, wie z.B. das Französische, Spanische, Rumänische oder Portugiesische. Diese Sprachen entwickelten sich aus dem Sprechlatein und wurden unter den unterschiedlichen regionalen Bedingungen im Lauf der Jahrhunderte zu eigenständigen Sprachen. Sie werden zusammengefasst unter dem Begriff "romanische Sprachen" (nicht "lateinische Sprachen").

Die lateinische Sprache erstarrte nach dem Untergang des Weströmischen Reichs und wurde bekanntlich zu einer "toten Sprache", die aber dennoch im Mittelalter und auch später eine gewisse Bedeutung als Gelehrtensprache und teilweise als Sprache der Verwaltung und Diplomatie behielt. Latein selbst zählt übrigens nicht zu den romanischen Sprachen, sondern zu den italischen Sprachen, die in früher Zeit noch neben dem Lateinischen in Italien bestanden.
 
Den Ausdruck "lateinische Sprachen" höre ich zum ersten Mal:nono:, muß aber nichts heißen, will jetzt auch nicht herumgoogeln.

Die romanischen Sprachen (Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch und weitere) sind vom Lateinischen abgeleitet, aber auch in vielfältiger Art und Weise von anderen Sprachen beeinflußt. Das können die Sprachen gewesen sein, die früher in den Regionen gesprochen worden sind (Substrat), da sind die Einflüsse einer Sprache einer herrschenden Ethnie (Superstrat) und noch "seitliche" Einflüsse aus anderen Sprache (Adstrat). Die romanischen Sprachen haben sich gegenseitig beeinflußt.

Im Prinzip könnte man umgangssprachlich die romanischen Sprachen als moderne Fortführungen des Lateinischen ansehen.
 
Ich weiß nicht, ob es eine Regel gibt, wie groß der einheimische Einfluss sein muss, damit eine Sprache als Mischsprache durchgeht (den Begriff kenne ich aus der Sprachwissenschaft auch nicht?), aber wenn eine Sprache nicht nur Wortschatz, sondern auch Grammatik und Morphologie von einer anderen übernimmt, wie es beim Französischen, Spanischen etc gewesen ist, dann handelt es sich um die Weiterentwicklung.

Interessant ist in vielen dieser Sprachen, dass komplett alltägliche Begriffe - im Spanischen vor allem Obst - nicht lateinischstämmig sind; sie haben sich dann gehalten oder sind, in diesem Falle, später aus dem Arabischen reingerutscht.

Was man aber nicht vergessen darf und was gerne vergessen wird, ist, dass die Mittelmeersprachen alle einen gemeinsamen Ursprung im Indoeuropäischen haben, der in der Antike noch extrem deutlich zu spüren war. Griechisch, Latein und sogar Keltisch lagen verblüffend nah beineinander. Das sieht man beim Vokabular und sogar in der Morphologie (der Art und Weise, wie Wörter gebildet und flektiert werden).

Die lateinischen Maskulinendungen sind us, i, o, um, o. Die griechischen sind os, ou, o, on, -. Die keltischen sind, man höre und staune, os, o, oi, om, us. Das verblüffende daran ist nicht nur, dass die Endungen so ähnlich sind, sondern auch, dass sie genau gleich funktionieren. Sprachen anderer Sprachfamilien funktionieren da ja schon morphologisch komplett anders.

Dazu kommen verblüffende Ähnlichkeiten beim Vokabular:
Mann: vir (lat.) - viros (kelt.)
Leben: vita (lat.) - bitos (kelt.)
Hund: canis (lat.) - cuno (kelt.)

(b und v sind phonetisch nah beieinander, Vokale sind die schwächsten Glieder in der Sprachkette und verändern sich am ehesten.)

Das heißt, dass Latein einen sehr empfänglichen "Nährboden" vorfand. Es war für einen Kelten Galliens oder Iberiens vermutlich ähnlich leicht, Latein zu lernen, wie für einen Deutschen mit Dänisch oder Niederländisch.
 
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die Überschrift des Fadens ist: Entwicklung der lateinischen Sprache [man beachte den Singular!]

dazu lassen sich erste, noch etwas oberflächliche, Informationen hier finden: Latein ? Wikipedia

frühlatein - altlatein - klass. Latein - Spätlatein/Vulgärlatein und das allein schon in einer satt 1000jährigen Geschichte (von ca. 800 vor Christus bis in die Spätantike)
 
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