Warum schloss sich das Osmanische Reich den Mittelmächten und nicht den Alliierten an

Trotz der Beschlagnahme der Dreadnoughts ließ sich das Osmansche Reich noch in Verhandlungen mit Großbritannien zwecks Neutralität der Türken ein.

Auch die Russen bemühten sich urplötzlich, obwohl man den Türken in Mai 1914 noch eine Abfuhr erteilt hat( wieso eigentlich?) ,als diese sich um ein Bündnis bemüht hatten, um eine Vereinbarung mit dem Osmanschen Reich. Den Russen ist sicher nicht entgangen, das die Türken so seit Mitte August ihre Truppen mobilisierten und schon gar nicht, das seit dem 04.August 1914 die Meerengen gesperrt waren. Das war für die Russen gar nicht angenehm.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bereits (a) die Kriegsschiffeigenschaft wäre nach den allgemein anerkannten Kriterien (analog VII. Haager Abkommen) zu verneinen (ua. Flagge, Befehlsgewalt, ordnungsgemäße Bestellung)...
Art. 1 HA-VII definiert nicht, was ein Kriegsschiff ist, sondern unter welchen Voraussetzungen ein umgewandeltes Kauffahrteischiff kriegsrechtlich, d.h. im Einsatz, wie ein genuines Kriegsschiff behandelt wird.
Aber ich akzeptiere den Einwand, weil er die Sache vereinfacht. Da das, was in Newcastle liegt, natürlich auch kein Kauffahrteischiff ist, nennen wir es eben das "Ding".

...dass es (b) an der Auslieferung (=Übergabe) durch die Werft zwecks Erwerb durch das Osmanische Reich mangelte. Bis zur Übernahme unter dem Kommando eines türkischen Kommandanten und Eingliederung in die Osmanische Flotte ...
Läge das Problem allein in der Übergabe des Dings, dann wäre es ein Fall des privaten Kauf- oder Werkvertragsrechts und kein völkerrechtlicher. Aber so ist es ja nicht: Die britische Regierung hinderte die Werft daran, die Übergabe durchzuführen. Ich zitiere der Einfachheit halber aus dem verlinkten Artikel:

  • "The same day Austria declared war [28.07.], the British Sea Lords received a letter inquiring about the legality of simply seizing the Osman. Puzzled, the Lords asked the Attorney General, who responded that there was no precedent for it, it was illegal, and if the person who wrote the letter really wanted the ship, he would have to buy it from the Ottomans." Die juristische Auffassung war demnach eindeutig.
  • Am 31.7. "Churchill secretly told Armstrong Whitworth not to hand over the ship. He added 'there was no reason why the money due [£800,000] should not be accepted.' The fact that Churchill was going to steal the battleship didn't mean he would balk at accepting the Turks' final payment!. At 2:30 pm, dinner time in Turkey, word came that the money had been deposited in a British bank. Minutes later, British sailors boarded the ship and shooed the Turkish nationals off."
Die völkerrechtlich relevante Entscheidung der britischen Regierung lautete also, die Übergabe des vollständig bezahlten Dings zu untersagen und es (sicherheitshalber) zu beschlagnahmen. "Der Exporteur Armstrong, Vertragspartner des Osmanischen Reichs, hatte dabei nichts mehr zu melden." (#28)

...handelt es sich um ein "Exportproblem" aus britischem Hoheitsgebiet und ist keine Frage eines bestehenden Kriegszustandes und damit verbundenen Beschlagnahmerechten.
Dieser Einwand überrascht mich insoweit, als Du kurze Zeit vorher geschrieben hast (#13): "Das Verbot der Ausfuhr von Kriegsmaterial (oder dessen Dosierung) ist ein recht gewöhnlicher Vorgang für eine kriegsführende Nation." Was gilt denn nun, Euer Ehren?:winke:

Dazu Ullmann: Findet ein Embargo "außer dem Kriege und ohne Beziehung auf den drohenden Ausbruch eines Krieges statt, so handelt es sich um die Erzielung einer Wirkung, die an die Repressalien im allgemeinen geknüpft ist; das Embargo erscheint dann als ein spezieller Fall der Repressalien" (S. 457). "Die Anwendung von Repressalien hat allemal ein völkerrechtlich deliktiscbes Verhalten eines Staates zur Voraussetzung. " (S. 456).

Ein wie auch immer geartetes deliktisches Verhalten der Türkei lag nicht vor. Die britische Regierung war daher völkerrechtlich nicht legitimiert, die Repressalie anzuwenden. Das scheint genau das zu sein, was der Attorney General Ende Juli gemeint hat.
 
Vorläufige, freilich unbefriedigende These also: Die Türkei votierte für den Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Ich glaube kaum, dass das Osmanische Reich sehenden Auges Selbstmord begehen wollte. Vielmehr war seine Bündnispolitik im Hinblick auf die Interessen des Staates sehr deutlich vorgezeichnet.

Zunächst ist festzuhalten, dass dem Jahr 1914 zahlreiche diplomatische Verhandlungen vorausgingen. Zunächst über die deutsche Militärmission Liman v. Sanders, mit Russland über "Reformen in Armenien" und (vergeblich) über Balkanfragen in Livadia im Mai 1914, mit Frankreich über Kredithilfe (9.4.), mit Griechenland über Bevölkerungsaustausch (Konferenz von Brüssel, geplant für Ende Juli) und schließlich mit Bulgarien (Bündnis- u. Freundschaftsvertrag, 19.8.). Zwecks "Patronisierung" dieses Bündnisses - d.h. Rückendeckung gegen Russland - übermittelte Enver Pascha am 22.7. dem Botschafter v. Wangenheim den Wunsch der Pforte auf Anschluss an den Dreibund. Kaiser Wilhelm II. entschied am 24.7. für Annahme des Angebots, sodass am 2.8. der Geheimvertrag über ein deutsch-türkisches Bündnis unterzeichnet wurde.

Obwohl es sich nur gegen Russland richtete, gelang es Enver Pascha, am 22.10. die von Deutschland dringend gewünschte Beteiligung der Türkei am Weltkrieg gegen eine Minderheit im Kabinett zu erzwingen.

Als Hintergrund muss man sehen, dass das Osmanische Reich mit Russland wegen dessen Drang nach den Meerengen verfeindet war, überdies hatte es dem Osmanischen Reich in den vorangegangenen 150 Jahren mit dem Krim-Chanat und Jedisan die gesamte Nordküste des Schwarzen Meers abgenommen. England hingegen dominierte das östliche Mittelmeer und suchte - nachdem es die osmanische Provinz Ägypten 1882 besetzt hatte - Einfluss in Voderasien zu gewinnen.

Insgesamt gesehen sprachen also strategische Überlegungen für ein Zusammengehen mit den Mittelmächten, die überdies vielen militärisch als überlegen erschienen. Dass das ein fataler Irrtum war, stellte sich erst später heraus.
 
dieter schrieb:
Insgesamt gesehen sprachen also strategische Überlegungen für ein Zusammengehen mit den Mittelmächten, die überdies vielen militärisch als überlegen erschienen. Dass das ein fataler Irrtum war, stellte sich erst später heraus.


Eine Rolle spielte sicher, so könnte ich mir vorstellen, die Sorge der türkischen Regierung, das ihr Staat aufgelöst werden sollte. Nicht umsonst haben sie in den Verhandlungen mit Großbritannien auf eine Bestandsgarantie gedrungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Art. 1 HA-VII definiert nicht, was ein Kriegsschiff ist, sondern unter welchen Voraussetzungen ein umgewandeltes Kauffahrteischiff kriegsrechtlich, d.h. im Einsatz, wie ein genuines Kriegsschiff behandelt wird. Aber ich akzeptiere den Einwand, weil er die Sache vereinfacht. Da das, was in Newcastle liegt, natürlich auch kein Kauffahrteischiff ist, nennen wir es eben das "Ding".

Mir war dabei eigentlich nur wichtig, was es nicht ist, nämlich sicher kein Kriegsschiff des Osmanischen Reiches. ;)
Der Hinweis "analog" hatte den Hintergrund, dass in Haag VII eine jahrzehntelange Völkerrechtspraxis für die Eigenschaft des Kriegsschiffes lediglich für einen Spezialfall verwendet und formuliert wurde. In Haag VII findest Du also die Kriterien, die 1907 auf der Konferenz für die Abgrenzung des Kriegsschiffes bereits lange Zeit allgemein anerkannt waren und von keinem Teilnehmer eingeschränkt oder bestritten worden sind.

Läge das Problem allein in der Übergabe des Dings, dann wäre es ein Fall des privaten Kauf- oder Werkvertragsrechts und kein völkerrechtlicher. Aber so ist es ja nicht: Die britische Regierung hinderte die Werft daran, die Übergabe durchzuführen. ...

Richtig, wir haben hier zwei Ebenen:
- staatlich die Anweisung an ein Unternehmen, seine Vertragsverpflichtungen zu verletzen
- völkerrechtlich die Frage, ob diese Anweisung (zu Lasten des Osmanischen Reiches) wegen der daraus folgenden Benachteiligung einen Rechtsbruch darstellt.

Letzteres kann man verneinen.

Dieser Einwand überrascht mich insoweit, als Du kurze Zeit vorher geschrieben hast (#13): "Das Verbot der Ausfuhr von Kriegsmaterial (oder dessen Dosierung) ist ein recht gewöhnlicher Vorgang für eine kriegsführende Nation." Was gilt denn nun, Euer Ehren?:winke:

Dazu Ullmann: Findet ein Embargo "außer dem Kriege und ohne Beziehung auf den drohenden Ausbruch eines Krieges statt, so handelt es sich um die Erzielung einer Wirkung, die an die Repressalien im allgemeinen geknüpft ist; das Embargo erscheint dann als ein spezieller Fall der Repressalien" (S. 457). "Die Anwendung von Repressalien hat allemal ein völkerrechtlich deliktiscbes Verhalten eines Staates zur Voraussetzung. " (S. 456). Ein wie auch immer geartetes deliktisches Verhalten der Türkei lag nicht vor. Die britische Regierung war daher völkerrechtlich nicht legitimiert, die Repressalie anzuwenden.

Die Auflösung liegt bzgl. der völkerrechtlichen Lage 1914 darin, dass ein Embargo auch als Vorbereitung einer Repressalie oder aufgrund eines befürchteten Kriegszustandes erfolgen konnte. "Kommt es zu keinem Kriege, so muss für die Nachteile der Sperre Entschädigung gezahlt werden." Das finde ich jedenfalls ad hoc zur Völkerrechtslage des 19. Jahrhunderts. Ich sehe nicht, dass Änderungen bis 1914 an dieser Auffassung eingetreten sind.
Hefter: Das europäische Völkerrecht der Gegenwart (1867), S. 204f.

Die ursprünglichen Formen des Embargos (wir sollten uns hierfür auf die Fälle vor 1945 beziehen) bezogen sich auf die gewaltsame Zurückhaltung fremdstaatlichen Eigentums (-> wobei hier nicht einmal Eigentum des Osmanischen Reiches vorlag, mangels Übergabe, das sei aber dahingestellt). Bereits der Aspekt der Entschädigung ergibt zwingend, dass der vorherige gewaltsame Rückbehalt zulässig gewesen ist. Entschädigung wurde außerdem von Großbritannien angeboten.
Wörterbuch des Völkerrechts, I/425

An Zulässigkeit eines Waffenembargos vor 1914 würde ich auch keine hohen Masstäbe ansetzen (Stichwort: Gewaltverbot), zumal sich das Embargo auch nicht gegen die Zivilbevölkerung (würde man die Genfer Konvention antizipieren oder die Grundsätze übertragen) auswirken konnte. An Fällen, in denen das völkerrechtlich anders gesehen wurde, wäre ich sehr interessiert.

Sollte allerdings die Admiralität, wie aus der Begründung ersichtlich, Kenntnis von der angebotenen Auslieferung der Schiffe an das Deutsche Reich gehabt haben, stellt sich schon die Frage, ob damit die wesentliche Grundlage der britischen Genehmigung für die Schiffslieferung entfallen ist. Das ist aber nur eine Spekulation am Rande.

Als Vergleich die Arms Embargo Resolution von Hoover an den Kongress (1933), die ausdrücklich die Prophylaxe in einer Krisenlage einschloss:
"That whenever the President finds that in any part of the world conditions exist such that the shipment of arms or munitions of war from countries which produce these commodities may promote or encourage the employment of force in the course of a dispute or conflict between nations, and, after securing the cooperation of such government as the President deems necessary, he makes proclamation thereof, it shall be unlawful to export or sell for export, except under such limitations and exceptions as the President prescribes, any arms or munitions of war from any place in the United States to such country or countries as he may designate, until otherwise ordered by the President or by Congress."
ZAÖRV 1935, S. 358.
Ein weiterer Fall betrifft das US-Embargo 1898 gegen Spanien, dass vor dem Kriegszustand verhängt und nach dem Friedensvertrag nicht aufgehoben wurde. -> ZAÖRV 1942, S. 65.

Ich schaue aber noch nach, ob sich zum Embargo nach Völkerrechtslage 1914 mehr findet.
 
Eine Rolle spielte sicher, so könnte ich mir vorstellen, die Sorge der türkischen Regierung, das ihr Staat aufgelöst werden sollte.
Das ist sicher richtig! Man muss sich nur den Aufteilungsplan von Sèvres 1920 anschauen.

Vielmehr war seine Bündnispolitik im Hinblick auf die Interessen des Staates sehr deutlich vorgezeichnet. [...]
Insgesamt gesehen sprachen also strategische Überlegungen für ein Zusammengehen mit den Mittelmächten, die überdies vielen militärisch als überlegen erschienen. Dass das ein fataler Irrtum war, stellte sich erst später heraus.
Das "deutlich vorgezeichnet" sehe ich so nicht, und die beiden anderen "Lager", gegen die Enver & Co. sich durchsetzen mussten, sahen das auch nicht. Leider sind deren Positionen und Überlegungen im einzelnen nicht bekannt. (Ich vermisse Lynxxx.)

Die Neutralitäts-Option, wie sie Italien wählte, wurde ja bereits erwähnt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Entente im weiteren Verlauf des Krieges von sich aus die Türkei angegriffen hätte, d.h. diese hätte Zeit gewonnen, sich zu konsolidieren. Es wird in diesem Zusammenhang oft auf die Bedeutung der Meerengen verwiesen. Dazu eine Bemerkung von Paul Kennedy:
"Sicherlich blockierte die Türkei die Dardanellen und damit die russischen Getreideexporte und Waffenimporte; aber 1915 wäre es sowieso kompliziert gewesen, russisches Getreide irgendwohin zu transportieren, und es gab im Westen keine 'überschüssigen' Waffen mehr."
Hätte sich der "fatale Irrtum" vermeiden lassen, und worin bestand er eigentlich? Dass die Entente buchmäßig über die weitaus größeren Ressourcen verfügte, konnte niemand übersehen. Ergo musste man "immaterielle" Faktoren verstärkt berücksichtigen - und da kommt man sehr schnell ins Irrationale. Wilhelm II. schrieb am 30.7.1914 folgende Marginalie [2]:
England muss "öffentlich die Maske christlicher Friedfertigkeit ... abgerissen werden. ... Unsere Konsuln in der Türkei und Indien, Agenten usw. müssen die ganze mohammedanische Welt gegen dieses verhaßte, verlogene, gewissenlose Krämervolk zum wilden Aufstande entflammen; denn wenn wir uns verbluten sollen, dann soll England wenigstens Indien verlieren."
Kann es sein, dass sich die Deutschen und Türken bei ihren Verhandlungen gegenseitig "besoffen geredet" haben? (Verzeiht den Ausdruck.)


[1] Aufstieg und Fall der großen Mächte. Frankfurt 1989, S. 389 f.
[2] Zitiert bei Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Neudr. Kronberg 1977, S. 110
 
Das "deutlich vorgezeichnet" sehe ich so nicht, und die beiden anderen "Lager", gegen die Enver & Co. sich durchsetzen mussten, sahen das auch nicht.
Ich auch nicht. Die strikte Neutralität war sicher eine Option, die aber offenbar hierüber unterging:
Kann es sein, dass sich die Deutschen und Türken bei ihren Verhandlungen gegenseitig "besoffen geredet" haben? (Verzeiht den Ausdruck.)
Möglicherweise war das sehr leicht, wie die Offensivabsichten Enver Pashas an der Ostgrenze deutlich zeigten. Der Gedanke wird mit Sicherheit schon am 2.8.1914 bestanden haben.

Dazu eine Bemerkung von Paul Kennedy:
"Sicherlich blockierte die Türkei die Dardanellen und damit die russischen Getreideexporte und Waffenimporte; aber 1915 wäre es sowieso kompliziert gewesen, russisches Getreide irgendwohin zu transportieren, und es gab im Westen keine 'überschüssigen' Waffen mehr."​

Das ist mE von Kennedy überzeichnet. Es gab tatsächlich zwei wichtige Aspekte:
- Munition und entsprechende Rohstoffe hierzu
- Getreide als Bezahlung. Rußland hatte größte Probleme, Gegenleistungen für die Lieferungen der Westmächte bereitzustellen (so reichten hierfür auch nicht die Goldreserven aus).​
 
Die Auflösung liegt bzgl. der völkerrechtlichen Lage 1914 darin, dass ein Embargo auch als Vorbereitung einer Repressalie oder aufgrund eines befürchteten Kriegszustandes erfolgen konnte. "Kommt es zu keinem Kriege, so muss für die Nachteile der Sperre Entschädigung gezahlt werden." [...] Hefter: Das europäische Völkerrecht der Gegenwart (1867), S. 204f.
Du zitierst aus der 5. Auflage - macht aber nichts, denn in der 1. von 1844 stand schon das Gleiche auf der gleichen Seite. :winke:
Meine Lesart ist in einem entscheidenden Punkt eine andere: Das Embargo, welches einem Kriegszustand "vorangehen" kann, bezieht sich eindeutig auf die andere Kriegspartei, den voraussichtlichen "Feind" also; das ergibt sich auch aus den "fernere(n) Maaßregeln (S. 205), die sich sämtlich auf den Feind beziehen! (Siehe auch Dein Spanien-Beispiel am Schluss.)
Ich möchte aber nach wie vor daran festhalten, dass die Türkei Anfang August 1914 den Status einer neutralen Macht hatte. Wäre sie das nicht gewesen - warum dann das Entschädigungsangebot?

Was das Neutralitätsrecht betrifft, so ist es 1907 durch HA-V und HA-XIII neu kodifiziert worden. Ich zitiere Art. 6 HA-XIII: "Die von einer neutralen Macht an eine kriegführende Macht aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar bewirkte Abgabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial ist untersagt." Der Verkauf an England wäre natürlich das Schlaueste gewesen - wenn Churchill bezahlt hätte, was er aber gar nicht wollte; das Entschädigungsangebot darf als reine Farce betrachtet werden.

An Zulässigkeit eines Waffenembargos vor 1914 würde ich auch keine hohen Masstäbe ansetzen (Stichwort: Gewaltverbot), zumal sich das Embargo auch nicht gegen die Zivilbevölkerung (würde man die Genfer Konvention antizipieren oder die Grundsätze übertragen) auswirken konnte. [...] Ich schaue aber noch nach, ob sich zum Embargo nach Völkerrechtslage 1914 mehr findet.
Die Erwägung betreffend Zivilbevölkerung kann ich in die Diskussion nicht recht einordnen.
Dem weiteren Nachschauen sehe ich gefasst entgegen, zumal ich ja schon klargestellt hatte (#39), dass es durchaus unterschiedliche Meinungen unter den Völkerrechtlern gab (und womöglich noch gibt).:winke:

Das ist mE von Kennedy überzeichnet. Es gab tatsächlich zwei wichtige Aspekte:
- Munition und entsprechende Rohstoffe hierzu
- Getreide als Bezahlung. Rußland hatte größte Probleme, Gegenleistungen für die Lieferungen der Westmächte bereitzustellen (so reichten hierfür auch nicht die Goldreserven aus).
Was genau ist daran überzeichnet? Das Problem, Gegenleistungen bereitzustellen, ist doch ein zusätzliches Hemmnis und relativiert die Bedeutung der Dardanellen noch weiter!?
 
Das "deutlich vorgezeichnet" sehe ich so nicht, und die beiden anderen "Lager", gegen die Enver & Co. sich durchsetzen mussten, sahen das auch nicht. Leider sind deren Positionen und Überlegungen im einzelnen nicht bekannt.

Cemal Bey und der Finanzminister Cavit Bey plädierten im Triumvirat für eine Anlehnung des Osmanischen Reichs an die Entente-Mächte, da sie von der Überlegenheit dieser Mächtegruppe überzeugt waren. Demgegenüber sprach sich die Mehrheit der Jungtürken inner- und außerhalb des Triumvirats- besonders aber Enver Pascha - für ein Bündnis mit Deutschland aus. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle, wie ich das oben schon ausgeführt habe.

Josef Matuz schreibt, dass dabei zum einen traditionelle Sympathien für Deutschland eine Rolle spielten, zum anderen sich das Osmanische Reich von der erdrückenden britischen und französischen wirtschaftlichen Vorherrschaft befreien wollte. Insofern strebte ein großer Teil der Führungsschicht und auch der Öffentlichkeit nicht nur danach, die im Ersten Balkankrieg verlorengegangenen Gebiete zurückzugewinnen, sondern es sollte auch die Gefahr, die von Russlands Vordringen nach den Meerengen ausging, endgültig beseitigt werden.

Zudem wollte man die überwiegend von Turkvölkern bewohnten Gebiete Russlands auf der Krim, in Turkestan und im Kaukasus erwerben. Matuz schreibt, dass sich Enver sogar mit dem utopischen Gedanken trug, die Grenzen des Osmanischen Reichs über Persien hinaus bis nach Indien vorzuschieben. [1]

[1] Josef Matuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985/2008, S. 262 f.
 
Zudem wollte man die überwiegend von Turkvölkern bewohnten Gebiete Russlands auf der Krim, in Turkestan und im Kaukasus erwerben. Matuz schreibt, dass sich Enver sogar mit dem utopischen Gedanken trug, die Grenzen des Osmanischen Reichs über Persien hinaus bis nach Indien vorzuschieben.

In den Monaten zwischen August und November wurden einige Varianten diskutierte, wie die Osmanische Armee zum Tragen kommen sollte, ua. die Verschiebung von osmanischen Truppenteilen an die deutsch-österr. Ostfront.

Der konkurrierende "Feldzugplan" stützte sich auf das armenische Hochgebirge mit Durchstoß in den Kaukasus sowie mit Operationen in Nordpersien. Parallel sollte eine panislamische Erhebung die Positionen Rußlands an seiner Südgrenze und Englands in Persien erschüttern. Die ersten Operationen begannen in dieser Perspektive und hatte kein geringeres Ziel als die Entfernung der beiden Großmächte aus dem Mitteleren Osten und dem Kaukasus:
http://www.geschichtsforum.de/f62/kaukasische-front-1914-16-a-36632/

Zur Jahreswende 1914/15 endeten die Operationen von Enver Pascha im Fiasko. Aber diese imerialistische "Perspektive" wird sicher die Zweifeler beeindruckt haben (auch wenn die Darstellungen nach dem Krieg wohl in besserer Kenntnis des Ausgangs betonen, dass das Scheitern gegen die triple entente von vornherein klar gewesen sei).

Allein die hasardeurartige, schlecht vorbereitete Operation im Winter 1914/15 ist wohl nur mit dem schon von jschmidt vermuteten "Rauschzustand" zu erklären.
 
Im Jahre 1915 gelang dem Osmanischen Reich, mit deutscher Hilfe, dann der große Abwehrerfolg bei Gallipoli. Da war für die Allierten ohne Frage ein Rückschlag, denn es ist nicht gelungen die türkische Hauptstadt und damit die Meerengen zu erobern und damit zu öffnen.
 
McCarthy, der den Weltkrieg für das Osmanische Reich in erster Linie bzgl. der Folgen für die Bevölkerung untersucht hat (Death and Exile/Ottoman People and the End of Empire) nennt die Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte vor dem Hintergrund der letzten Jahrzehnte sogar alternativlos ("no choice"). Der vom Triumvirat zunächst geheim ausgehandelte Beistandsvertrag sei wenige Wochen später als "fait accompli" den Gremien präsentiert worden und habe kaum Widerstand gefunden.

Eine neuere Publikation von McMeekin (The Berlin-Baghdad-Express - The Ottoman Empire and Germanys Bid for World Power) aus 2010 verweist insbesondere auf die Euphorie in Constantinople (;)), dargelegt in einem Bericht Wangenheims, nach der man nun befürchtete, beim Kriegseintritt zu spät zu kommen. Hintergrund waren die Tannenberg-Meldungen. McMeekin führt das "holy war fever" August/Oktober 1914 auf wirksame deutsche Agitation zurück, die ihre Wurzel vor dem Kriegsausbruch habe.

McMeekin bringt auch auf Basis der Forschungen von Trumpener zum Kriegsausbruch eine neue Variante der Interpretation, welche die beiden oben genannten Schlachtschiffe betrifft: Enver Pascha sei bereits am 1.8.1914 über Churchills mutmaßliche Entscheidung, die Schiffe zu konfiszieren, unterrichtet gewesen und habe am selben Tag deswegen die Schiffe dem Deutschen Reich angeboten, sofern sie noch übernommen werden könnten. Der Hinweis hat einen logischen Bruch: wenn einerseits die Konfiszierung bekannt gewesen sein soll, wäre andererseits das Angebot höchstens als Trick in Richtung Berlin (völlig überflüssigerweise) zu deuten. So wertet McMeekin den Vertragsschluss am 2.8.1914 als "brillianten Sieg der türkischen Diplomatie von Enver Pascha".
 
Enver Pascha sei bereits am 1.8.1914 über Churchills mutmaßliche Entscheidung, die Schiffe zu konfiszieren, unterrichtet gewesen und habe am selben Tag deswegen die Schiffe dem Deutschen Reich angeboten, sofern sie noch übernommen werden könnten.

Dankeschön für die überaus interessanten Informationen.

Auf welchem Wege bzw.von wem hat Enver Pascha denn von der geplanten Beschlagnahme Kenntnis bekommen? Des Weiteren deutet sich an, das Churchill die Aktion ja dann wohl schon etwas länger vorbereitet hatte.


Und das Deutsche Reich erklärte ja "erst" am 01.08.1914 dem Zarenreich dem Krieg. Churchill wußte wohl schon das Frankreich die vom Deutschen Reich ultimativ geforderte Neutralitätserklärung nicht abgeben würde.
 
Auf welchem Wege bzw.von wem hat Enver Pascha denn von der geplanten Beschlagnahme Kenntnis bekommen? Des Weiteren deutet sich an, das Churchill die Aktion ja dann wohl schon etwas länger vorbereitet hatte. [1]

Und das Deutsche Reich erklärte ja "erst" am 01.08.1914 dem Zarenreich dem Krieg. Churchill wußte wohl schon das Frankreich die vom Deutschen Reich ultimativ geforderte Neutralitätserklärung nicht abgeben würde.[2]

zu 1: Ob die Beschlagnahme länger vorbereitet wurde, ist nicht klar. Aber die Verzögerung der Abnahme soll an Vickers-Armstrong bereits Ende Juni 1914 angewiesen worden sein (siehe bereits weiter oben), wohl im Zuge der krisenhaften Zuspitzung. Das Buch beruft sich auf Trumpeners Analysen zum Kriegsausbruch, demnach soll das im Triumvirat am 1.8.1914 erörtert worden sein. Aus welcher Quelle die Information stammt, wird nicht gesagt. Theoretisch könnte man sich das an 5 Fingern abgezählt haben.

zu 2: Wie oben ausgeführt, dürfte Churchill die politische Krise ausgereicht haben. Das war weitsichtig, aber wohl absehbar: schließlich haben auch die Intimfeinde Italien und Griechenland argwöhnisch auf die beiden "dreadnoughts" geschaut, und dürften schon mit der "Bestellung" ihre Probleme gehabt haben; ... ganz abgesehen von Rußland.
 
Zuletzt bearbeitet:
Cemal Bey und der Finanzminister Cavit Bey plädierten im Triumvirat für eine Anlehnung des Osmanischen Reichs an die Entente-Mächte, da sie von der Überlegenheit dieser Mächtegruppe überzeugt waren. Demgegenüber sprach sich die Mehrheit der Jungtürken inner- und außerhalb des Triumvirats- besonders aber Enver Pascha - für ein Bündnis mit Deutschland aus. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle...
Danke für die Hinweise!

Die Tatsachen stehen einigermaßen fest, deshalb noch etwas zur Deutung:

1. Lässt sich auf die Türkei 1914 der (moderne) Begriff des "failing state" anwenden? Wenn ich das wenige zusammenfasse, was mir über deren außen- und innenpolitische, militärische, vor allem wirtschaftliche Lage bekannt ist, dann scheint das nicht abwegig zu sein.

2. Hermann Kantorowicz hat eine Typologie der Kriegs-"Rechtfertigungsgründe" entwickelt: Angriffs- und Verteidigungskrieg, Präventivkrieg, Machtkrieg, Erlösungskrieg, Befreiungskrieg, Einheitskrieg und "verworfene Kriegstypen". Österreich-Ungarn z.B. rechnet er zum "verworfenen" Typ des "Katastrophen-" bzw. "Verzweiflungskrieges": "Hier sucht eine Regierung aus einer ihrer Meinung nach mit innerpolitischen Mitteln nicht mehr heilbaren, auf eine Katastrophe zutreibenden, also verzweifelten Lage, einen Ausweg durch einen Krieg, wobei man sich [...] im 'Stahlbad' des Krieges gesundzubaden [...] hofft." - Die Türkei taucht bei K. gar nicht auf - sind Parallelen zu ÖU zulässig?


[1] Gutachten zur Kriegsschuldfrage 1914. Frankfurt 1967
 
Die Tatsachen stehen einigermaßen fest, deshalb noch etwas zur Deutung:

Da bin ich am Zweifeln :winke:

Völlig ausgespart sind noch die Reichweite und Ernsthaftigkeit der Garantie-, Finanz- und Bündnisavancen von Rußland und der Entente. Dabei kommt Rußland für die avisierte Garantie der osmanischen Grenzen eine besondere Bedeutung zu, den beiden anderen bzgl. der Finanzierung des Reiches (die Haltung des Finanzministers kann da nicht wirklich überraschen).
 
Völlig ausgespart sind noch die Reichweite und Ernsthaftigkeit der Garantie-, Finanz- und Bündnisavancen von Rußland und der Entente. Dabei kommt Rußland für die avisierte Garantie der osmanischen Grenzen eine besondere Bedeutung zu, den beiden anderen bzgl. der Finanzierung des Reiches...
Ich hielt das wegen der lakonischen Feststellung
Dagegen hatte die triple entente quasi nichts zu bieten.
für erledigt, aber man muss wohl zwischen einer Expansionzusage, wie sie die deutsche Seite meinte geben zu können, und einer Besitzstandszusage, zu welcher die Entente allenfalls hätte bereit sein können, unterscheiden. Zu letzterem:

  • Jäschke [1] erwähnt Verhandlungen mit Rußland über "Reformen in Armenien" und über Balkanfragen, mit Frankreich über Kredithilfe, die beide ergebnislos endeten. Auf Grossbritannien wollten sich die Türken nicht verlassen, weil es maßgeblich am Londoner Schiedspruch vom 13.02.1913 beteiligt war, durch den die Ägäischen Inseln (bis auf zwei) Griechenland zugesprochen wurden. [2]
  • Gencer [3] schreibt: "Die Sondierungsversuche der Jungtürken bei den Russen (im Mai 1914) und Franzosen (Juli 1914) zeigen, dass die osmanische Diplomatie zunächst um ein Bündnis mit den Westmächten bemüht war. Niemand zeigte sich jedoch bereit, eine Verpflichtung im Hinblick auf die künftige Existenz des osmanischen Staates einzugehen."
Zu dem von mir unterstrichenen Satz besteht sicher noch Erläuterungsbedarf.


[1] in: Handbuch der Europäischen Geschichte. Band 6. Stuttgart 1968, S. 543
[2] Weil weder Griechenland noch die Türkei diesen Schiedsspruch akzeptierten, kam es zu einem Wettrüsten in der Ägäis: Die Türken kauften am 9.1.1914 die halbfertige "Rio de Janeiro" - jetzt "Sultan Osman I" - und bestellten am 29.4.1914 bei Vickers ein - neben "Resadije" - drittes Schlachtschiff ("Fatik"); die Griechen wiederum kauften den USA am 30.6.1914 zwei Schlachtschiffe vom Baujahr 1905 ab ("Kilkis" ex "Mississippi" und "Limnos" ex "Idaho").
[3] in Bildungspolitik, Modernisierung und ... - Google Bücher (2002, S. 56. mit Verweis auf Adarur).
 
Ich weiß nicht, ob dieses Buch schon erwähnt wurde, und wahrscheinlich sind schon alle Aspekte von mehreren Seiten durchleuchtet worden, aber ich habe leider wenig Zeit, und die kann ich entweder "opfern", indem ich alle Postings durchlese, und schaue, wo noch Unklarheiten bestehen, oder einfach drauflos schreiben oder exzerpieren:


Hier auf Seite 110 ff. findet man kompakt die meisten Antworten in diesem allgemeinen Standardwerk zum spätosman. Reich und der Türkei - oft frei einsehbar:
Turkey: a modern history - Google Bücher

Mal sehen, wann meine Lust schwindet die dortigen Erkenntnisse hierher zu übertragen... :)

1. Seit Ende des 1. WK wird in der Türkei darüber debattiert, warum und wie die CUP in den 1. WK eintrat.

2. Folgende Chronologie könnte man erstellen:

a) Seit den Balkankriegen erkannte die osman. Führung, wie isoliert sie gewesen ist. Nun befürchtete sie nach der Ermordung des Kronprinzen in Sarajewo das Ende des Osm. Reiches, sollte sie diese Isolierung gegenüber den Großmächten nicht durchbrechen. Jegliches Bündnis war besser als keines.
b) Zuerst wurde Frankreich nach einem Bündnis gefragt, jedoch wurde dieses abgelehnt, denn Frankreich hatte gute Beziehungen zu England und Russland und bevorzugte wenn überhaupt ein Bündniss zu den Balkanstaaten, da sie sich für die Levante (als ihr Einflussgebiet) mehr versprachen.
c) dann wurden die Achsenmächte gefragt. Zuvor hatte schon Habsburg die Fühler wegen einer antiserbischen Koalition ausgestreckt, und fanden in dem Osm. Reich Anklang.
d) es wurde ein Geheimbündnis mit den Achsenmächten geschlossen, einen Tag, nachdem die Russen gegen diese mobil machten. (siehe S. 111 für die acht Artikel) Dieses mussten auch die CUP gewusst haben, also stellt sich dir Frage, warum machten sie dieses, denn es war wahrscheinlich, dass dieses in einen Krieg münden würde.
Drei mögliche Antworten darauf:
d a) Einmal der Wunsch überhaupt eine Koalition zu schließen, die Isolation zu beenden
d b) Es wurde auf Augenhöhe mit den Achsenmächten/Deutschland gesprochen (offenbar mit ihnen als einzigen potentiellen Alliierten); ein wichtiger Punkt in dem Ansinnen der osm. Führung, den semikolonialen Status ihres Reiches nach und nach hinter sich zu lassen
d c) Eine Fehleinschätzung der CUP: siehe Seite 112 für Details, die CUP dachte, der Krieg würde vor allem nur gegen Russland gehen, und den würden die Achsenmächte schon gewinnen...

e) Die Osmanen hatten nicht die ernsthaften Möglichkeiten einen (Welt-)Krieg zu führen, weder ökonomisch, noch militärisch, noch aufgrund ihrer mangelhaften kommunikativen Fähigkeiten.

f) Dies wusste auch Deutschland, die nicht davon ausgingen, nun große militärische Unterstützung seitens der Osmanen zu erhalten, sondern ihnen ging es mehr um die Beschäftigung der Franzosen und Briten mit ihren von Muslimen bevölkerten Kolonien und die Sperre des Bosporus gegen russ. Schiffe. [meine Ergänzung - die die meisten eh schon kennen: Den Einfluss des Kalifen auf die Muslime der Welt wurde jedoch maßlos überschätzt, nicht nur von Deutschland, sondern auch von den Briten, usw., insofern band die Furcht vor Aufständen in den Kolonien durchaus Truppenverbände, auch wenn es nicht so nötig gewesen wäre.]


Hmm, doch kürzer als ich dachte... Naja, solche allgemeinen Überblickswerken haben den Vorteil oft die Sachen auf den Punkt zu bringen, oder die zahllosen Argumente zu sichten und die wichtigsten dem Leser zu präsentieren... was hiermit geschah..:winke:
 
Ich hielt das wegen der lakonischen Feststellung ...
für erledigt, aber man muss wohl zwischen einer Expansionzusage, wie sie die deutsche Seite meinte geben zu können, und einer Besitzstandszusage, zu welcher die Entente allenfalls hätte bereit sein können, unterscheiden. Zu letzterem:

Diese Sondierungen endeten ja keineswegs mit dem 2.8.1914, sondern jetzt spitzten sich die Geheimverhandlungen erst richtig zu.

Zur "Garantie" konnten sich Großbritannien und Frankreich bereits durchringen, als der Kriegsausbruch Fakt war. Das Problem hier: nunmehr erhöhten die die Forderungen des Triumvirats, und zwar auf Rückgewinnung der ägäischen Inseln. Auf der anderen Seite wurde an Rußland - auch hier gingen die Gespräche weiter - die Garantieforderung gestellt. Zu der Annahme soll sich Moskau Mitte August bereitgefunden haben, und auch zu einem weitgehenden Paktvertrag.

Der Hintergrund dieser osmanischen Vorstöße ist völlig ungeklärt: es könnte sich um ernsthaftes Ausloten von Alternativen in letzter Sekunde handeln (nach Unterschrift unter den deutsch-osmanischen Vertrag), aber auch - die Auffassung wird in einigen Analyen vertreten - um rein dilatorisches Taktieren zwecks Zeitgewinn für die Mobilisierung.

Dazu kommen die Ideen aus Berlin in Bezug auf den "deutsch-osmanischen Djihad, das ist die Expansionsvariante (aber nicht ganz: siehe oben zB die Expansionswünsche in der Ägäis, und auch voin Rußland hätte man sicher territorial kleine Korrekturen erhalten können). Bei der Positionierung der Entente darf man nicht übersehen, dass mehrere Bälle im Spiel waren: so waren die Reaktionen von Rumänien, Bulgarien, Griechenland und vor allem Italien auf eine Verbindung Entente-Osmanisches Reich unkalkulierbar.

Es war dann Berlin, dass immer massiver auf den sofortigen Kriegseintritt drängte, insbesondere ab Ende September mit dem Umkippen der Lage im Westen.
 
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