Warum siegten die Germanen über Römer?

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Meine Schüler fragten heute, wie die Germanen es schaffen konnten, in den Schlachten zwischen 113 und 105 v. Chr. die Römer zu besiegen. War es zahlenmäßige Überlegenheit, völlig andere Taktik oder gerade keine, unflexible Formationen der Römer, Fragen des Geländes oder, oder, oder?
Wir fragten uns auch, inwiefern die Germanen, die ja eigentlich neue Siedlungsgebiete suchten und folglich doch mit Frauen/ Kindern usw. unterwegs waren, so überlegen sein konnten gegen (hoffentlich) kampferprobte Legionen der Römer. War es das jahrelange Herumziehen auch in Oberitalien und die damit verbundenen Kämpfe, die zur Kampferfahrung geführt haben? Fragen über Fragen, wie ihr seht.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir antworten könntet. Ich habe leider keine Bücher, die auf diese Aspekte eingehn (es werden immer nur die Siege konstatiert) und bin auch "nur" Lateinlehrerin ohne separates Geschichtsstudium. Hoffe daher auf eure klugen Köpfe hier ;-) .
Herzlichen Dank im Voraus!
 
Schreibt Tacitus in seiner Germania nicht irgendwas davon, dass die Römer die Germanen immer unterschätzt hätten und ergeht sich dann in wüsten Beschreibungen der Erziehung der germanischen Soldaten und germanischer Kriegsgebräuche? Meine Erinnerungen diesbezüglich sind ein wenig lückenhaft, und wahrscheinlich wollte Tacitus seinen Landsleuten Angst machen. Jedenfalls ist der Darstellung des Tacitus zu entnehmen, dass die germanischen Stämme große Kräfte zuu entfalten wussten, zumal wenn die Lage aussichtslos war.
Aber ganz abgesehen davon trafen die Kimbern, Teutonen und wie sie alle hießen vermutlich einfach zu einem Zeitpunkt ein, der für das römische Reich ausgesprochen ungünstig war: wie ich nachgelesen habe, begann ca. 133 v.Chr. die Bürgerkriegsepoche, die dann 30 v.Chr. mit Augustus endgültig endete, Und wann waren die großen Schlachten zwischen Römern und Gemranen? 113 v.Chr., 109 v.Chr., 107 v.Chr. und 105 v.Chr. Die Römer dürften also zum einen recht unvorbereitet darauf gewesen sein, dass plötzlich Volksmassen aus dem Norden aufkreuzten, und zum andern waren sie vollauf damit beschäftig, sich geegnseitig über der Agrareform zu zerfetzen. Aber Sulla hat ja dann erst dem Jughurta von Numidien und dann auch den Kimbern, Teutonen und Ambronen (102 v.Chr. und 101 v.Chr) gezeigt, wo der Hase lang lief.
Das kannst du deinen Schülern glaube ich erzählen...
 
Meine Schüler fragten heute, wie die Germanen es schaffen konnten, in den Schlachten zwischen 113 und 105 v. Chr. die Römer zu besiegen. War es zahlenmäßige Überlegenheit, völlig andere Taktik oder gerade keine, unflexible Formationen der Römer, Fragen des Geländes oder, oder, oder?
Wir fragten uns auch, inwiefern die Germanen, die ja eigentlich neue Siedlungsgebiete suchten und folglich doch mit Frauen/ Kindern usw. unterwegs waren, so überlegen sein konnten gegen (hoffentlich) kampferprobte Legionen der Römer. War es das jahrelange Herumziehen auch in Oberitalien und die damit verbundenen Kämpfe, die zur Kampferfahrung geführt haben? Fragen über Fragen, wie ihr seht.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir antworten könntet. Ich habe leider keine Bücher, die auf diese Aspekte eingehn (es werden immer nur die Siege konstatiert) und bin auch "nur" Lateinlehrerin ohne separates Geschichtsstudium. Hoffe daher auf eure klugen Köpfe hier ;-) .
Herzlichen Dank im Voraus!


Führungsschwäche römischer Militärs, die falsche Taktik, Hybris und Unterschätzung des Gegners, überdehnte Nachschubwege und mangelnde Fähigkeit, sich auf Guerillakrieg einzustellen. Die meisten Niederlagen gegen Germanen resultierten aus Fehlern von Kommandeuren wie Lollius oder Varus.
 
Hallo! :winke:
Es war ja nicht so, daß die Kimbern, Teutonen und Ambronen, über deren Zug wir hier ja reden, immer siegreich waren.
Erst einmal muß man vorausschicken, daß dieser Zusammenstoß der erste war, der zwischen Römern und germanischen Stämmen in der Geschichte stattfand und beide noch gar nicht aneinander grenzten, da zwischen dem Siedlungsgebiet der germanischen Stämme und dem Gebiet der Römischen Republik noch zahlreiche freie keltische Stämme siedelten. Das Ereignis dürfte die Römer also einigermaßen unvorbereitet getroffen haben. Zudem gab es noch 121 v. Chr. bürgerkriegsähnliche Unruhen in Rom – zahlreiche Bauern zogen in den Krieg, die Felder blieben somit unbestellt – eine Landflucht begann.

Zum Zug der Kimbern, Teutonen und Ambronen und deren Schlachten habe ich folgende Information:
Von ihrem Ausgangspunkt, der Halbinsel Jütland, zogen die germanischen Stämme ab etwa 120 v. Chr. südwärts und tauchten nach den antiken Quellen zuerst im Lande der keltischen Boier auf, von denen sie allerdings abgewiesen wurden. So wichen sie zunächst nach Osten zu den ebenfalls keltischen Skordiskern aus, um bald danach jedoch nach Westen aufzubrechen. Im Jahre 113 v. Chr. kam es dann in "Noricum" in den steierischen Alpen bei "Noreia" (Neumarkt) zur ersten Schlacht mit den Römern. Das von Konsul Cn. Papirius Carbo geführte Heer erlitt eine Niederlage, als dieses den vorbeiziehenden Tross in eine Falle locken wollte. Die Römer entgehen der völligen Vernichtung ihrer Truppen nur durch ein plötzlich einsetzendes Gewitter welches die Germanen als ein warnendes Omen (Grollen) ihres Wettergottes Donar interpretieren.
In den Quellen werden die Germanen als „tapfere und tollkühne Kämpfer“ beschrieben, jedoch auch „ungezähmt in ihrer Wildheit, plump im Umgang mit ihrer Kraft und ungeschliffen in ihrem Charakter: ungeformt und zügellos, ohne Schranken und Disziplin. Im Kampf kannten sie keine Furcht.“ Die hier geschilderten Eigenschaften passen meines Erachtens gut auf immer wieder in den Quellen erwähnten Berserker bzw. Ulfhedin (siehe dazu hier: http://www.geschichtsforum.de/f38/berserker-15238/index2.html) und dürften auf die Römer unheimlich und erschreckend gewirkt haben. Außerdem hatten die Germanen, entgegen der Schilderungen, durchaus eine gewisse Disziplin und Angriffsformation (die Germanen griffen die Römer meist in der sogenannten „Eberkopf-Formation“ an und durchbrachen so die römische Formationen, die als "Phalanx" organisiert waren).

Daraufhin zogen die Germanen am Nordrand der Alpen entlang nach Gallien. Vier Jahre weilten sie dann im Gebiet der Helvetier.
An der Rhône – die genaue Örtlichkeit ist unbekannt – wurde 109 v. Chr. wiederum ein römisches Heer geschlagen. Von 24 000 Mann sollen nur wenige Reiter entkommen sein. Gesandte der Kimbern erbaten nun von Rom Siedlungsland, was aber von den Römern abgelehnt wurde. Dennoch fielen die Germanen zunächst noch nicht in Italien ein, sondern rieben am 6. 10. 105 v. Chr. bei Arausio (Orange/Rhône) zwei weitere römische Heere völlig auf, nachdem sich ihnen nun auch gallische Stämme aus dem Alpengebiet angeschlossen hatten.
Danach zogen sie nach Hispanien – eine Landnahme scheiterte aber offenbar am Widerstand der Iberischen Stämme, wonach sie dann in die spätere Provinz Belgica zogen (105-102 v. Chr.), ohne dort jedoch sesshaft zu werden.
Um das Jahr 102 v. Chr. standen die Ambronen wieder in der Narbonnensis (heutige Provence), wurden jedoch bei ihrem Versuch, unter ihrem Führer Boiorix die Seealpen nach Ligurien zu überschreiten, im Herbst des selben Jahres von Marius bei Aquae Sextiae (heute Aix) entscheidend besiegt.
Die Kimbern und Teutonen hingegen hatten im Winter des Jahres 102 v. Chr. kämpfend den Brenner überschritten und sich in der Poebene niedergelassen. Bei Vercellae (zw. Turin und Mailand) wurden sie am 30. 7. 101 v. Chr. von römischen Truppen völlig vernichtet. Der Zug der Kimbern, Teutonen und Ambronen hatte damit ein Ende gefunden.
Die überlieferten Zahlen über die Verluste bei den Germanen weisen bei den verschiedenen antiken Autoren z. T. große Unterschiede auf und reichen von 65 000 Toten (Florus) bis 120 000 Toten und 60 000 Gefangenen (Plutarch) und beruhen aller Wahrscheinlichkeit lediglich auf willkürlichen Schätzungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diodor zu den Raubzügen der Germanen und Kelten:
Als die Skordisker sehr viel Beute mitbrachten, veranlaßten sie auch andere zu denselben Wünschen und weckten den Glauben, daß der Raub fremden Gutes und bewaffnete Plünderung ein Kennzeichen wackerer Männer sei. Es war eine Bestätigung des Gesetzes der Natur, wenn die Stärkeren die Habe der Schwächeren wegraubten...
Als die Skordisker später den Durchmarsch verhinderten, machten sie deutlich, daß selbst Rom nicht aufgrund der eigenen Macht herrsche, sondern nur wegen der Schwäche der anderen.

Bevor die Kimbern und Teutonen in römisches Gebiet einfielen, schlugen sie sich mit allerhand anderen germanischen und keltischen Stämmen herum, um dann sich zusammenzuschliessen und gegen Rom zu ziehen.

Auch Plutarch (in "Marius") und Strabon bezeichnen die rotblonden Völker als Räuber.

Zu der Schlacht in Noricum "weiß" Appianus (Appian):
...Als Carbo sich näherte, schickten die Teutonen Gesandte zu ihm mit der Botschaft, daß sie von der Freundschaft der Noriker mit den Römern nicht gewußt hätten, und daß sie sie in Zukunft nicht mehr behelligen wollten. Carbo lobte die Gesandten und gab ihnen Führer mit, denen er heimlich den Auftrag gegeben hatte, die Teutonen einen weiteren Weg zu führen; er selbst marschierte schnell auf einem kürzeren Weg und stürzte sich überraschend auf die Teutonen, als sie noch rasteten. Für seine Treulosigkeit büßte er durch hohe Verluste. Vielleicht hätte er sogar alle Truppen verloren, wenn es nicht mitten in der Schlacht zu Dunkelheit und Regen und schweren Donnerschlägen gekommen wäre, die die Kämpfenden voneinander trennten und die Schlacht durch den Schrecken von oben auflöste. Aber auch so flohen die Römer in verstreuten Trupps und sammelten sich mit Mühe am dritten Tage. Und die Teutonen zogen zu den Galatern.“

Zu dieser Zeit war Roms Augenmerk das fruchtbare Nordafrika (Roms Kornkammer). Der Norden Europas war noch uninteressant.
 
Zu dieser Zeit war Roms Augenmerk das fruchtbare Nordafrika (Roms Kornkammer). Der Norden Europas war noch uninteressant.

Immerhin wurde wenige Jahre vorher - 121 v. Chr. - die Provinz Gallia Narbonensis bzw. Gallia transalpina eingerichtet. Die Noriker waren Klienteln der Römer. Die Kimbernzüge fielen also in eine Zeit, in der sich die Römer gerade für das transalpine Vorfeld Italiens zu interessieren begannen.
 
Immerhin wurde wenige Jahre vorher - 121 v. Chr. - die Provinz Gallia Narbonensis bzw. Gallia transalpina eingerichtet. Die Noriker waren Klienteln der Römer. Die Kimbernzüge fielen also in eine Zeit, in der sich die Römer gerade für das transalpine Vorfeld Italiens zu interessieren begannen.

Um die Zeit der Kimbernfeldzüge hatte Rom mit dem Jugurthinischen Krieg in Afrika genug zu tun. Die Kimbern kamen für Rom zu einer ungünstigen Zeit.
 
Es wird erwähnt, dass die Germanen u.a. mit ihren Frauen unterwegs waren. Na ja, dies muss keine Schwächung der Armee sein, da römische Berichte davon zeugen, dass die germanischen Frauen mit ihren Männern in die Schlacht zogen (zumindest, wenn es nötig schien).

s.d.caes.
 
Ich würde zum Einen die Kampfdisziplin der Germanen keineswegs unterschätzen. Die Germanen grenzten unmittelbar an Gallien an, das bereits ein ähnlich entwickeltes Staatswesen, wie der mediterrane Raum hatte. Ohne ein gewisses Minimus an Heeresorganisation, wären die Germanen längst von den keltischen Völkern verdrängt wurden. Davon abgesehen waren die Germanen auch mit anderen antiken Völkern wie den Skythen und wahrscheinlich auch mit den Griechen des Schwarzmeerraums in kriegerischem Kontakt. Das Bild von den germanischen Berserkern, die planlos auf römische Formationen einprügeln, halte ich daher für eine Legende. Realistischer dürfte eher sein, dass die Germanen im 2. Jahrhundert vor Christus in Punkto Disziplin und Bewaffnung etwa einer zweitklassigen römischen Armee entsprachen.
Schließlich marschierte auch Rom nicht ausschließlich mit homogen bewaffneten Berufssoldaten durch die Gegend, sondern bot damals ebenfalls häufig recht zusammengewürfelte Haufen auf. Ein leichter Vorteil könnte Rom durch eine häufigere Verwendung metallener Waffen und Rüstungen gehabt haben, obgleich solche Ausrüstung auch bei den Germanen zumindest durch Handel und Beute vorhanden war.

Nicht zu unterschätzen wäre außerdem ein biologischer Vorteil. Auch wenn ich nicht in Rassentheorien verfallen will, sollten wir uns in antiker Zeit den Germanen eher als typischen Skandinavier und den Römer eher als typischen Italiener vorstellen. Das heißt, dass der Germane dem Römer an Wuchs und Körpermasse im Durchschnitt klar überlegen war, was sich selbstverständlich auch im Nahkampf bemerkbar macht. Insbesondere ist zu fragen, ob die Masse der Römer überhaupt Erfahrung in der Bekämpfung hochgewachsener Gegner hatte. Meiner Fechterfahrung nach, ergibt sich z.B. alleine aus der Armlänge und der Körpermasse eines größeren Menschen ein erheblicher Vorteil, den der Kleinwüchsigere durch eine Technik ausgleichen muss, die er kaum aus dem Stehgreif beherrschen dürfte. Insofern ist gerade im Zusammenhang mit dem Zug der Kimbern und Teutonen der biologische Vorteil der Germanen zumindest in der Anfangszeit des römisch-germanischen Kontakts nicht zu unterschätzen.

Edit: Habe nicht gemerkt, dass der faden hier schon so alt ist. Wollte keinen kalten Kaffe wieder aufwärmen.
 
Semmon ist doch in Ordnung.
Die historischen Quellen belegen Deine Aussagen gut, es wird oft beschrieben welche Hilfstruppen mit den Römern marschierten, der typische Asterixlegionär ist sicherlich nur ein Teil der röm. Truppe als Eliteeinheit zu bezeichnen.
Caesar warb schon germanische Truppen gegen die Gallier an, was schon, auch verlor er meines Wissen eine Reitereinheit gegen eine par Germanen.
Alles Sachen die mehr sind, als nur wilde Kerle aus dem großen Waldgebiet.

Die Ähnlichkeiten zwischen (provinzial-)römischer und germanischer Ausrüstung ist archäologisch nicht zu übersehen, Die Gürtelmoden der Zeit sind im Grundmuster sehr ähnlich, so das bei Rekonstruktionsvorschlägen der germ. Gürtelmode immer das Cingulum
erwähnt wird.
 
Außerdem hatten die Germanen, entgegen der Schilderungen, durchaus eine gewisse Disziplin und Angriffsformation (die Germanen griffen die Römer meist in der sogenannten „Eberkopf-Formation“ an und durchbrachen so die römische Formationen, die als "Phalanx" organisiert waren)

Ich bin mit dir einer Meinung, bis auf diesen Teil. Die Römische Armee war zu diesem Zeitpunkt sicher schon seit 100 Jahren nicht mehr als Griechische Phalanx organisiert. Spätestens seit 200 v. Chr wendeten die Römer die Treffen-Taktik an, da nach dem 2ten punischen Krieg dringender Verbesserungsbedarf vorhanden war.

Die flexible Treffen-Taktik war sicher weniger anfällig auf eine "Eberkopf-Formation", deren Sinn und Zweck es war, eine Bresche in die gegnerische Formation zu schlagen und diese wie mit einem Keil aufzusprengen (Drum sieht der Eberkopf ja auch aus wie ein Keil ;) ).

Dies nur vorweg. Deiner Kernaussage, dass die Germanen wohl bedeutend besser organisiert waren als die Römischen Geschichtsschreiber überliefern, stimme ich zu. Was ihre Kapazität anging: Hinterliess uns nicht auch Caesar spannende Informationen zum Thema Germanen, z.b. dass sie gewaltige Mengen an Kriegern aufbieten konnten (ob die Zahlen akkurat sind, darüber lässt sich immer streiten, bzw. sind Übertreibungen mehr als wahrscheinlich), und dass sie stets 1/2 der Männer auf Kriegszug schickten, während die andere Hälfte die Felder bebaute... und im nächsten Jahr umgekehrt? (Natürlich so in den 60-50ern v. Chr... )
 
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Im Prinzip stellt doch die Angabe von den ach so vielen germanischen Kriegern, ein anderes germanisches Stereotyp in Frage: Die staatliche Desorganisiertheit.

Nehmen wir für Germania Magna einmal eine Bevölkerung von 2 Millionen Menschen an. Diese Bevölkerung dürfte eine extrem breite Alterspyramide gehabt haben. Die Germaninnen galten als Gebärmütter Europas, so dass vermutlich deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhalb des waffenfähigen Alters war. Das macht in ganz Germanien deutlich weniger als 1 Million Menschen im waffenfähigen Alter. Nun bedenken wir, dass die Germanen im Allgemeinen keine Frauen in den Heeren hatten. Alle vorindustriellen Gesellschaften (und kriegerische insbesondere) weisen einen klaren Frauenüberschuss auf. Das heißt, dass von den weniger als 1 Million Erwachsenen in Germanien wiederum weniger als die Hälfte männlich war. Demnach hätte Germanien, wenn es eine politische Einheit gebildet hätte, wohl etwa 300.000 Krieger aufbieten können. Wenn wir noch bedenken, dass die Hälfte der Männer auch noch zu Hause geblieben sein soll, dann hätte eine Streitmacht von 150.000 germanischen Kriegern bereits ein politisch vollkommen geeintes Germanien vorausgesetzt.

Nun mögen die meisten römischen Berichte auf deutlichen Übertreibungen fußen. Fakt ist allerdings, dass die Germanen Schlachten gegen die Römer geschlagen haben, an denen auf germanischer Seite sicherlich mehrere zehntausend Krieger gekämpft haben müssen. Da ein Ackerbau betreibendes Volk aber tatsächlich nicht alle Männer in den Krieg schicken kann, müssen wir davon ausgehen, dass die Römer tatsächlich einigen Bündnissen gegenüber standen, die ein Drittel bis die Hälfte aller Germanen vereint haben. Das wäre in der Tat eine beachtliche Leistung, wenn man etwa bedenkt, wie zerstritten die griechischen Stadtstaaten waren oder wie wenig einheitlich die slawischen, germanischen oder romanischen Völker der Moderne sind.

Esmag ja sein, dass beispielsweise das germanische Bündnis des 1. Markomannenkrieges auch auf nichtgermanische Bündnisgenossen, etwa die iranischen Jazygen zurückgriff. Dennoch kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass die Germanen kein ethnisches Nationalbewusstsein gehabt hätten. Schon alleine die Feststellung, dass man den einen Stamm sprachlich versteht und den anderen nicht, führt automatisch zu einer gewissen Identität.
 
Römische Quellen geben idR ein Verhältnis von 1:4 an, ich halte eins von 1:4,5 oder 1:5 für richtiger. Das wären dann nach deiner Berechnung schon 400-500.000.
 
Die Germanischen Völkerwanderungen waren auch ein Thema. Ich denke da sich bei solchen "Events" doch so einige Stämme zusammengeschlossen hatten (sogar keltische Helvetier waren bei den Kimbernzügen dabei - also sogar Koalitionen mit "fremden" Völkern wurden eingegangen), darf man ruhig von bis zu 100'000 Waffenfähigen ausgehen, da bei einer Völkerwanderung die gesamte Kriegerschaft mitzieht und nicht die Hälfte daheim Äcker pflügt.
 
Nun gerade in diesem betreffenden Zeitraum war die Vökerwanderung in vollem gange. Dadurch waren sehr viele verschiedene Barbarenstämme unterwegs um einen neuen Lebensraum für sich zu suchen. Einem solchen Ansturm konnten die Römer auf die schnelle nichts entgegensetzen. Das heißt sie konnten schon doch wurden diese Truppen zumeist von unerfahrenen und nicht gerade guten Strategen geführt. Dazu kommt noch, dass die Goten, Kimbern, Teutonen, usw. ja keine schlechten Kämpfer waren. Was allerdings zu bedenken ist, ist die Tatsache das sie ihre Siege gegen die Römer allesamt im Norden errungen. Kamen sie erst einmal in südlichere Gefilde wo sie die Temperaturen nicht gewohnt waren wurden sie zumeist besiegt.

Von 100.000 Waffenfähigen würde ich nicht ausgehen. Die Gesamtzahl mit dem Tross den Frauen den Kindern und den Alten gerechnet wird man auf die 100.000 Personen kommen, doch was die aktiven Kämpfer betrifft würde ich eher so auf 40.000 Mann kommen. Man bedenke einmal den logistischen Aufwand von 100.000 Soldaten!! In der damaligen Zeit wäre eine solche Armee nicht am Leben zuhalten gewesen.
 
Es sind 100'000 Männer, die noch ihre Waffen irgendwo dabei haben. Wenn sie sowieso mit Sack und Pack losziehen kommts darauf auch nicht mehr an. Frauen und Kinder sind auch mit unterwegs. Das kann man nicht mit einer Offensiv-Armee von 100'000 Mann vergleichen, die von Zuhause aus mit Nachschub versorgt werden muss. Zuhause ist niemand mehr.

Es ist davon auszugehen, dass eine Völkerwanderung über 1-2 Jahre geplant und vorbereitet wurde. Da wachte nicht eines Morgens ein Häuptling auf und dachte "Hmmm, was machen wir heute, die Belger ausplündern oder nach Iberien auswandern?". Ich nehme an (das ist jetzt meine Vermutung), dass man Nahrungsmittel gesammelt und mitgenommen hat, so dass man sich einige Monate unterwegs verpflegen konnte. Ob man nun noch sein Schwert und seinen Speer dabei hatte oder nicht war dann Jacke wie Hose.

Vergl. die Auswanderung der Helvetier (De Bello Gallico, Caesar).
 
Passt auf mit der Völkerwanderung, die Planung war kurzfristig, je nachdem wie man reagieren musste. Nach Sieg oder Niederlage.
Ziel war oft Land zum eigenen nutzen und die Völkerschaften standen kurz vorm verhungern.
Eine langfristige Strategie wird es kaum gegeben haben schon gar kein, in zwei Jahren verlasse ich meine Heimat.
 
Ich würde anraten, das kluge kleine Buch von Wolfram Herwig zu lesen:
Die Germanen | Wolfram, Herwig | Verlag C.H.Beck Literatur - Sachbuch - Wissenschaft
Gerade zum Thema "Volk, Nation oder herumstreifender Haufen gemischter Ethnie" stehen da einige interessante Dinge drin --- nicht zuletzt zu deren Rolle bei der Bildung des Nationalbegriffs.

Heyho,

Da ich mir nicht jedes Buch leisten kann, dass hier vorgestellt wird, wäre ich dir dankbar, wenn du diese interessanten Dinge hier kurz zusammenfassen könntest.:winke:

Es sind 100'000 Männer, die noch ihre Waffen irgendwo dabei haben. Wenn sie sowieso mit Sack und Pack losziehen kommts darauf auch nicht mehr an. Frauen und Kinder sind auch mit unterwegs. Das kann man nicht mit einer Offensiv-Armee von 100'000 Mann vergleichen, die von Zuhause aus mit Nachschub versorgt werden muss. Zuhause ist niemand mehr.

Eigentlich geht man davon aus, dass immer eine Restbevölkerung zurückblieb, oder irre ich da?
 
Zuletzt bearbeitet:
Laut Caesar hatten die Helvetier ihren Auszug doch über einige Zeit (wenn ich mich recht erinnere 2 Jahre, kann mich aber irren) geplant, und sind mit Mann und Maus losgezogen. Sie haben gemäss Caesar gar ihr Land und Ihre Behausungen verbrannt und verwüstet, auf dass niemand auf die Idee käme, einen Rückzieher zu machen.

Es mag einige gegeben haben, die man zurückgelassen hat bzw. die nicht mitkommen wollten. Aber man kann nicht erwarten, dass die dann für Nachschub gesorgt haben, besonders nicht von einem verwüsteten Land aus, wo sie selbst kaum eine Existenzgrundlage mehr hatten.


Bei den Kimbern ist vermutlich Verschlechterung der klimatischen Bedingungen die Ursache der Auswanderung, aber auch hier ist eine Vorbereitungszeit von 1 Jahr durchaus realistisch.


Bei Auswanderungen aufgrund von feindlichen Übergriffen ist das natürlich etwas anderes. Aber auch da zieht sehr wahrscheinlich die gesamte Bevölkerung aus, da sie vom Feinde nicht Massakriert werden wollen. Auch in diesem Fall würde niemand zurückbleiben um Nachschub zu garantieren.

Daher auch meine vorherige Aussage, dass eine Völkerwanderung nie mit einer Invasions-Armee verglichen werden kann, die Nachschub braucht.
 
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