Die SPD wurde auch immer bürgerlicher, am Kriegsende wollte man sogar die Monarchie erhalten.
Diese Vermutung gehört in den Bereich der geschichtlichen Mythen.
Die Entscheidungen, vor der die Führungsgremien der SPD Ende September 1918 standen, wurde durch Ebert am 23.September präzisiert. Entweder eine Revolution und die Konsequenz eines Bürgerkriegs inklusive Chaos und der Wahrscheinlichkeit separatistischer Tendenzen, oder eine Verständigung und somit auch Kompromiss mit den bürgerlichen Parteien und somit ein mehrheitsfähiger Kompromiss der demokratischen Mitte-Links-Parteien.
Um diesen Kompromiss zu erreichen und den Zusammenhalt des Reiches zu sichern, war Ebert auch bereit, eine konstitutionelle Monarchie zu akzeptieren (vgl. 3, S. 362ff). Es war somit eine taktische Verhaltensweise die der politische Kompromiss erzwang, da sich die SPD und die anderen Parteien in der Rolle sahen, den Zusammenbruch der traditionellen monarchischen Ordnung zu kompensieren.
Und in diesem Sinne war Ebert bereit, die Anhänger der Monarchie in die neue Weimarer Republik einzubinden, um den Bürgerkrieg zu vermeiden, aber nicht, weil er diese Regierungsform als wünschenswert hielt. Diese Inklusion wurde vor allem von "Links" kritisert, da es die nachhaltige Demokratisierung der WR verhinderte. So formuliert beispielsweise Abendroth, dass der übergreifende Parteikompromiss zwar zunächst eine stabile politische Plattform gebildet hatte und die Arbeiter, das katholische Milieu und das liberale Bürgertum zu einem tragenden Faktor der neuen Weimarer Republik machte. Andererseits wurde den traditionellen monarchisch gesinnten Eliten das inkludierende Arrangement - widerwillig - mit der Weimarer Republik erleichtert, ohne eine wirkliche Entscheidung für die neue Republik gewesen zu sein[1, S. 91ff]. Ein Problem, das sich ab 1929 im Rahmen der Präsidial-Regierungen deutlich bemerkbar machte und die "alten" Netzwerke aus kaiserlichen Armeezeiten die Organisationsbasis für die Umgestaltung der Weimarer Republik gebildet haben. (Hindenburg, Groener und Schleicher etc.)
Die SPD hat in dieser Situation aus Verantwortung für Deutschland und im Geiste des brüchig gewordenen "Burgfriedens" so gehandelt und die ideologischen Vorbehalte, auch gegen eine konstitutionelle Monarchie, hinten an gestellt.
Zudem: Es gibt dabei eine Kontinuität des von der Sozialdemokratie formulierten demokratischen Selbstverständnisses. In seiner Rede vor dem Würzburger Parteitag (Oktober 1917) hatte sich Ebert deutlich irgendeine Einmischung durch russische bzw. bolschewistische Ratschläge oder durch eine westliche Bevormundung verbeten. So sagte er: "Die deutsche Arbeiterklasse hat ihre innerpolitischen Kämpfe bisher ohne Hilfe von außen geführt; so gedenkt sie das auch in Zukunft zu halten" (4, S. 382).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es eine klare demokratische Tendenz in der SPD gab, die auf eine interne Theoriediskussion fußte und keine Nachhilfe in Demokratie brauchte, auch nicht durch die gut gemeinten Vorschläge von Wilson zur demokratischen Umgestaltung des DR.
Eine reale Basis für eine monarchische Überzeugung war in der revisionistischen marxistischen Wählerschaft der SPD auch nicht zu erkennen. Die ca. 40 Prozent, die im Januar 1919 und Juni 1920 die SPD/USPD gewählt haben, wird man auch nicht als "Monarchisten" bezeichnen können, die diese Staatsform präferiert haben könnten.
Es ist dennoch auch richtig: Die SPD hatte traditionell eine starke Bindung an die britische Labour-Partei und sah im britischen Modell einer liberalen, demokratischen parlamentarischen Monarchie ein vorbildliches Modell.
Insofern war eine parlamentarische Monarchie - nach britischem Vorbild - durchaus mit dem demokratischen Welt der SPD - Führungsschicht kompatibel. Aber es war absolut nicht wünschenswert und war entsprechend dem "deterministischen" Geschichtsbild der historisch materialistisch geschulten Parteifunktionäre auch nur eine "historische Durchgangsstation" auf dem Weg zur republikanischen Demokratie.
Dennoch, so Faulenbach zu Ebert: "Er war die Überzeugung der führenden Sozialdemokraten, dass in der Konstellation nach dem Ersten Weltkrieg nur eine demokratisch-parlamentarische Politik die Probleme der Zeit lösen konnte." [2, S. 39]
1.Abendroth, Wolfgang (1965): Sozialgeschichte der europäischen Arbeiterbewegung.
2.Faulenbach, Bernd (2012): Geschichte der SPD. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.
3.Winkler, Heinrich A.(2000): Der lange Weg nach Westen, Bd. I; S. 355ff
4. Schulz, Ursula (Hrsg.) (1968): Die Deutsche Arbeiterbewegung 1848 - 1919 in Augenzeugenberichten