Warum wurde Stettin polnisch?

Jacobum

Aktives Mitglied
Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem alten Mann, der vor über 60 Jahren aus Stettin vertrieben wurde. Der erzählte mir, dass Stettin eigentlich von den Alliierten zur Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) geschlagen wurde, dann aber "auf polnischen Druck" hin zu Polen kam.

Da ich mir nicht vorstellen kann, dass Polen 1945 so starken Druck auf die 4 Alliierten ausüben konnte, würde mich mal interessieren, was in Wirklichkeit dahintersteckte.

Eine andere Erklärung, die ich mal gelesen habe, war, dass Königsberg ursprünglich an Polen fallen sollte. Da Stalin auf diese wichtige Hafenstadt nicht verzichten wollte, hat er sie zur UdSSR geschlagen und den Polen zum Ausgleich Stettin "geschenkt". Hier stellt sich die Frage, ob Stalin es nötig hatte, Geschenke zu machen, wenn ein einfaches Machtwort genügt hätte.

Kennt sich jemand mit dem Thema aus?

Gruß

Jacobum
 
Sommer 1945: Polen lehnt die Grenzlinie als unzureichend ab und besetzt das westlich der Oder gelegene Stadtzentrum von Stettin, welches bis dahin noch unter deutscher Verwaltung stand. Mit der Aussiedlung bzw. Vertreibung der deutschen Bevölkerung, der Ansiedlung polnischer Einwohner sowie der Polonisierung der Gebiete östlich der Oder-Neisse-Linie durch administrative Eingliederung in den polnischen Staatsverband und Umbenennung fast sämtlicher Ortschaften werden ab Sommer 1945 von der polnischen Regierung vollendete Tatsachen geschaffen.

[Quelle: http://www.politikforum.de/forum/showthread.php?t=158048 / Stand: 21.4.2007]

Die Allierten schauten dem Trieben ohne einzuschreiten zu, man kann sich nur wundern, dass Die Polen damals nicht noch weiter gegangen sind!!
 
Wo steht eigentlich in den alliierten Beschlüssen das die Bevölkerung in den polnisch und sowjetischverwalteten Gebieten vertrieben bzw ausgewiesen werden sollten? In Königsberg geschah es vielmehr als juristischer Trick und in Polen als wilde Vertreibungen die erst nachtraglich als rechtmässig erklärt wurden. Aber geplant und abgesegnet wurde von den Siegermächten keines von beiden Vorgehensweisen.
 
Sommer 1945: Polen lehnt die Grenzlinie als unzureichend ab und besetzt das westlich der Oder gelegene Stadtzentrum von Stettin, welches bis dahin noch unter deutscher Verwaltung stand. Mit der Aussiedlung bzw. Vertreibung der deutschen Bevölkerung, der Ansiedlung polnischer Einwohner sowie der Polonisierung der Gebiete östlich der Oder-Neisse-Linie durch administrative Eingliederung in den polnischen Staatsverband und Umbenennung fast sämtlicher Ortschaften werden ab Sommer 1945 von der polnischen Regierung vollendete Tatsachen geschaffen.

[Quelle: http://www.politikforum.de/forum/showthread.php?t=158048 / Stand: 21.4.2007]


Ein Zitat aus einem Politikforum zu verlinken ist schon brisant. Was dort teilweise abläuft geht auf keine Kuhhaut.
Wenn dieser Beitrag im Politikforum auch noch auf Wikipedia verweist und den Beitrag verlinkt, wird das ganze noch verschlungener: Die im Forum genannte Formulierung existiert auf Wikipedia.de so nicht (mehr).
Stattdessen:

Wikipedia schrieb:
Schon Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Sowjetunion die Kontrolle über den bisherigen östlichen Teil Deutschlands und setzte kommunistische polnische und sowjetische Verwalter ein, die nun die deutsche Bevölkerung zunächst unkontrolliert, später planmäßig vertrieben, bzw. zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppten und eigene Landsleute auch auf bisher deutschem Staatsgebiet ansiedelten, die zum Teil aus den von der Sowjetunion annektierten Ostgebieten Polens stammten. Im Juli 1945 wurde das westlich der Oder gelegene Stettin mit Umland, welches bis dahin noch unter deutscher Verwaltung stand, mit Einverständnis der Alliierten von der Roten Armee unter polnische Verwaltung gestellt. Mit der Aussiedlung bzw. Vertreibung der deutschen Bevölkerung, der Ansiedlung polnischer Einwohner sowie der Polonisierung der Gebiete östlich der Oder-Neisse-Linie durch administrative Eingliederung in den polnischen Staatsverband und Umbenennung fast sämtlicher Ortschaften werden ab Sommer 1945 von der polnischen Regierung vollendete Tatsachen geschaffen.


Die Hervorhebung (rot) von mir, ist doch das völlige Gegenteil zum vorher genannten? Man sieht es, traue Wikipedia nicht länger als eine Woche.
Ich würde deshalb momentan mich nicht zu sehr an eine der beiden Versionen hängen und suche weitere Quellen.

Die Allierten schauten dem Trieben ohne einzuschreiten zu, man kann sich nur wundern, dass Die Polen damals nicht noch weiter gegangen sind!!


Ohne zu nörgeln, ist diese Aussage eine Wiedergabe der im Politikforum folgenden Beiträge.

Des weiteren habe ich bisjetzt keine weiteren Angaben zu diesem Vorgang gefunden, werder im Internet oder in Büchern.
Der Brockhaus spricht nur davon, dass Stettin 1945 unter polnische Verwaltung kam.

Ansonsten kann ich Jacobum nur beipflichten. Ich kann mir kein polnisches Druckmittel vorstellen, mit dem sie Stalin hätten zwingen können.
Eher mag es eine der undurchsichtigen Annexions-, Besetzungs- und Vertreibungsgeschichten sein, in der eine Reihe von Ansprüchen, Vorstellungen und Plänen letztendlich zu einem Produkt führten.
Vielleicht sollte Stettin als große Hafenstadt auch einfach nicht geteilt werden, wie es mit anderen Städten längs der Oder-Neiße-Linie geschah.

Auf jeden Fall sieht es nach meinen jetzigen Quellen so aus, da sind sie sich einig, dass nur der Westteil Stettins vorerst unter dt. Verwaltung stand.
 
Zuletzt bearbeitet:
@martas: naja, das ganze war nun mal eine politische angelegenheit!! so lief es auch in schlesien, jedenfalls was die vertreibung angeht! was das nicht-zitat angeht, kommt es von mir und nicht aus dem forum, imemrhin hat meine familie mütterlicherseits das ganze noch hautnah miterlebt
..

allgemein find ich, dass das was jacobum und martas schreiben, eine recht verschönte form der tatsachen ist. wie ich ja zitiert habe (und glaube nicht immer wikipedia!!!) hat polen sich das genommen was es wollte und die allierten haben zugeschaut (villeicht auch, weil polen in seiner geschichte schon zu oft "missbraucht" und geteilt wurde?!?)!!!
 
Vorneweg danke ich Repo für den Link.
@Mark77:

@martas: naja, das ganze war nun mal eine politische angelegenheit!! so lief es auch in schlesien, jedenfalls was die vertreibung angeht! was das nicht-zitat angeht, kommt es von mir und nicht aus dem forum, imemrhin hat meine familie mütterlicherseits das ganze noch hautnah miterlebt
..


Ich wollte das nur kurz bemerken, sonst haben wir wieder OT.
Fast alles was wir geschichtlich an Schlachten, Kriegen, Vertreibungen betrachten ,ist von politischer Bedeutung gewesen. Ob das alles auch in eine Politikforum zu finden ist? :p

Von Schlesien auf Stettin zu schließen ist sowieso verwunderlich. Mein Bedauern, dass deine Familie das erleben musste, aber solche wie von dir oben genannten Aussagen (#1) zeigen nicht gerade eine Kenntnis der Dinge auf. Polen war trotz der Siegerseite schließlich nicht allmächtig und hatte keinen Freibrief.
Ansonsten hat Repo ja aufgezeigt, wie es in Stettin nun wirklich ablief.

allgemein find ich, dass das was jacobum und martas schreiben, eine recht verschönte form der tatsachen ist. wie ich ja zitiert habe (und glaube nicht immer wikipedia!!!) hat polen sich das genommen was es wollte und die allierten haben zugeschaut (villeicht auch, weil polen in seiner geschichte schon zu oft "missbraucht" und geteilt wurde?!?)!!!


Jacobum hat eine Frage gestellt, er wäre also nicht Schuld, ist es auch nicht, verschönte Tatsachen genannt zu haben.
 
also um hier was klar zu stellen, ich meinte natürlich nicht jacobum sondern askan!
normalerweiße interessiert mich das ganze hier recht wenig, nur laß ich grade den toppic im politikforum, darum hab ich geantwortet..
@merci: kein kommentar mehr!!!!!
 
Interessant wäre auch die Frage, warum wurde Deutschland nicht polnisch (und dänisch, niederländisch, französisch, tschechisch, usw.)? Also ich mein komplett aufgeteilt.
Hätte man sich nach den beiden WK beschweren dürfen?
Auch wenn's hart gewesen wäre, ich würde mich heute nicht beschweren, wenn's anders gekommen wäre... ihr?

Tschüß, LG lynxxx
 
ja, da hast du recht lynxxx, beschweren dürften wir uns nicht (wenn es einige von uns dann überhaupt gäbe!?!)
aber meines wissens war das schlimmste was mit dem besiegten deutschland hätte passieren können der Morgenthau-Plan..

gibt übrigens ein ganz gutes buch darüber, wie es wär, wenn die mauer nicht durch berlin, sondern durch bonn verlaufen wäre.. aber das führt hier zu weit und der titel fällt mir jetzt sowieso auf anhieb nicht mehr ein!!
 
Vorneweg danke ich Repo für den Link.

haben.

Zuviel der Ehre,
wir hatten die Diskussion schon mal, und da hat Ursi diesen Link eingestellt. Den ich mir separat gespeichert hatte, Schwiegermama war aus dem Kreis Cammin.
Die damalige Dis. müsste aber auch noch zu finden sein.
 
Wo steht eigentlich in den alliierten Beschlüssen das die Bevölkerung in den polnisch und sowjetischverwalteten Gebieten vertrieben bzw ausgewiesen werden sollten? In Königsberg geschah es vielmehr als juristischer Trick und in Polen als wilde Vertreibungen die erst nachtraglich als rechtmässig erklärt wurden. Aber geplant und abgesegnet wurde von den Siegermächten keines von beiden Vorgehensweisen.
Hallo askan,
im Potsdamer Abkommen (2.8.1945) wurde unter anderem im Artikel XIII die Rückführung (Ausweisung) der deutschen Bevölkerung, oder Teile von dieser, aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn beschlossen. Die Art und Weise der realen Durchführung (Vertriebung) entsprach jedoch nicht den Festlegungen dieses Artikel.
Hier das vollständige Abkommen
http://www.documentarchiv.de/in/1945/potsdamer-abkommen.html
 
deutsch-polnischer Grenzverlauf

Nach dem 2. Weltkrieg sind bekanntermaßen die Flüsse Oder und Lausitzer Neiße als Grenzlinien zwischen Deutschland sprich der ehemaligen DDR und Polen festgelegt worden. Wie ist es jedoch zu erklären, dass die Linie von Gartz/Oder bis Ahlbeck/Swinemünde von der Oder abweicht und hier eine Landgrenze existiert??
 
So weit ich mich erinnere, hat Polen Stettin damals eigenmächtig besetzt - und die Siegermächte haben das nachträglich akzeptiert.
 
So weit ich mich erinnere, hat Polen Stettin damals eigenmächtig besetzt - und die Siegermächte haben das nachträglich akzeptiert.

In Wiki steht es so:

Nach Kriegsende war der genaue Verlauf der Demarkationslinie zwischen der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und den unter polnische Verwaltung gestellten deutschen Gebieten im Stettiner Raum noch unklar, so dass die Sowjetunion zunächst davon absah, das westlich der Oder gelegene Stettin den polnischen Behörden zu übergeben, und in der Stadt eine neugebildete deutsche Verwaltung einsetzte. Am 5. Juli 1945 wurde Stettin jedoch – unter Bruch bestehender alliierter Vereinbarungen und des Potsdamer Abkommens, das einen Grenzverlauf „unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße“[5] vorsah, die Oder-Neiße-Linie – von der sowjetischen Besatzungsmacht an Polen übergeben und von diesem in Szczecin umbenannt. Anschließend erfolgte die Ablösung der deutschen Stadtverwaltung, und es begann die Ansiedlung von Polen, die mit der Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung einherging. Stettin wurde als Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft und unter Reaktivierung von Industrie, Bildungseinrichtungen etc. wiederaufgebaut. Die neuen Einwohner Stettins stammten dabei größtenteils aus den Gebieten östlich der Curzon-Linie, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion fielen (heute zu Litauen, Weißrussland und der Ukraine gehörig). Der Hafen wurde erst 1955 von der Sowjetunion in polnische Verwaltung übergeben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Stettin#Geschichte

Und hier gibt es eine Diskussion warum Stettin polnisch wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach dem 2. Weltkrieg sind bekanntermaßen die Flüsse Oder und Lausitzer Neiße als Grenzlinien zwischen Deutschland sprich der ehemaligen DDR und Polen festgelegt worden. Wie ist es jedoch zu erklären, dass die Linie von Gartz/Oder bis Ahlbeck/Swinemünde von der Oder abweicht und hier eine Landgrenze existiert??

Das ist eine Frage, die anscheinend noch niemand beantwortet geschweige sich getraut hat zu fragen.
75 Prozent der Stadt Stettin liegen am westlichen Ufer der Oder. Der größte Ostseehafen aller Anliegerstaaten der Ostsee befand/befindet sich am westlichen Oderufer von Stettin. Bei einer Teilung nach Oder-Neisse-Grenze hätten die Polen den östlichen (ärmeren) Teil Stettins erhalten. Dass die polnischen Begehrlichkeiten für den Westteil Stettins groß waren liegt auf der Hand.
Wo aber die Grenze am Ende der Oder? Also wurde das Stettiner Haff und die Insel Usedom/Wolin geteilt. Denn die Oder fliesst nicht direkt in die Ostsee sondern nur in das Stettiner Haff (Oderhaff). Erst Peenestrom (westlich), Swine (mitte) und Dievenow (Dziwna, östlich) ermöglichen es dem Oderwasser im Stettiner Haff in die Ostsee fliessen zu lassen.
Diese Vereinnahmung deutscher Gebiete bekam erst nachträglich! beim Potsdamer Abkommen im August 1945 durch die Westalliierten die Zustimmung, da man eh vor vollendeten Tatsachen gestellt wurde.
Warum Stalin seinem Erzfeind Polen solche Zugeständnisse machte und unterstützte, vielleicht haben die Moskauer Archive noch einiges dazu zu bieten.
 
Ich habe mal gelesen, die dt. Kommunisten dachten die Glatzer Neiße wäre gemeint. Dann soll es ziemlich viel Aufregung gegeben haben - wie erklären wir das jetzt? Leider kann ich keine Quelle beisteuern.
 
Davon habe ich auch gehört, aber von meiner Grossmutter. Sie lebte vor der Vertreibung durch die Polen in diesem Gebiet, deshalb frage ich mich ob das nicht eine Art Wunschmythos der Verjagdten ist?
 
Zwischen Yalta und Potsdam war das tatsächlich offen. Grundsätzlich hatten die Westalliierten allerdings schon im Herbst 44 der Grenze an der Lausitzer Neiße zugestimmt.
In Potsdam wurde dann als Teil des Potsdamer Abkommens die Lausitzer Neiße zur "vorläufigen Westgrenze Polens".
 
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